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Finanzmarktstabilisierungsgesetze


Begriff und Bedeutung der Finanzmarktstabilisierungsgesetze

Die Finanzmarktstabilisierungsgesetze bezeichnen ein Bündel gesetzlicher Maßnahmen des deutschen Gesetzgebers, die im Zuge der internationalen Finanzkrise ab dem Jahr 2008 erlassen wurden, um drohende systemische Risiken im Finanzsektor einzudämmen und die Funktionsfähigkeit sowie Stabilität der Finanzmärkte langfristig sicherzustellen. Im Zentrum dieser Gesetzesinitiativen stand insbesondere die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen zur Unterstützung von Kreditinstituten, Versicherungen und anderen systemrelevanten Unternehmen der Finanzbranche in kritischen Lagen.

Rechtlicher Hintergrund

Entstehungskontext

Der Auslöser für die Ausarbeitung und Einführung der Finanzmarktstabilisierungsgesetze war die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise, die im Jahr 2007 ihren Anfang nahm und 2008 in einen akuten Vertrauensverlust gegenüber Banken und anderen Kreditinstituten mündete. Die Insolvenz großer internationaler Finanzinstitutionen führte zu erheblichen Verwerfungen an den Finanzmärkten und bedrohte übergreifend die Stabilität der Volkswirtschaften. Die Gesetzgebung zielte darauf ab, durch Eingriffe in das Finanzsystem das Vertrauen in die Kapitalmärkte sowie die Solvenz zahlreicher systemrelevanter Akteure zu sichern.

Ziele und Leitprinzipien

Zentrales Ziel der Finanzmarktstabilisierungsgesetze war die kurzfristige Abwehr akuter Gefährdungen einzelner Banken und die mittelfristige Stärkung der Resilienz des gesamten Finanzsystems. Die gesetzlichen Regelungen folgten dabei den Leitprinzipien:

  • Verhinderung systemischer Risiken (Systemrelevanz),
  • Schutz des Einlagensystems und der Anlegerinteressen,
  • Wiederherstellung und Sicherung der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte,
  • Ermöglichung einer teilweise oder vollständigen staatlichen Beteiligung an notleidenden Banken.

Rechtsquellen und zentrale Gesetzeswerke

Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG)

Das am 17. Oktober 2008 in Kraft getretene Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) bildete das Kernstück der ersten Gesetzgebungswelle. Ziel des Gesetzes war die Schaffung eines rechtlichen Rahmens zur Stabilisierung und Unterstützung von Finanzmarktakteuren. Es beinhaltete u.a. folgende Hauptaspekte:

  • Errichtung des Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin): Ein Sonderfonds zur Rekapitalisierung von Instituten, zur Gewährung von Garantien und zur Übernahme von Risikopositionen.
  • Befugnisse zur Beteiligung des Staates: Möglichkeiten zu Kapitalzuführungen, Garantien, und der temporären staatlichen Übernahme von Anteilen an Finanzinstituten.
  • Änderungen bankaufsichtsrechtlicher Regelungen: Anpassungen im Bereich des Kreditwesengesetzes (KWG) und anderer Regelwerke zur Absicherung der Maßnahmen.

Das Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz (FMStErgG)

Mit dem Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz vom 7. April 2009 erfolgte eine Erweiterung und Präzisierung der bestehenden Vorschriften und Instrumentarien, insbesondere:

  • Erweiterung der Enteignungsmöglichkeiten: Im Einzelfall Ermöglichung einer Enteignungsgesetzgebung zum Schutz der Gesamtwirtschaft (beispielhaft die Hypo Real Estate Holding AG).
  • Erhöhung der Flexibilität des SoFFin: Ausweitung der Handlungsoptionen des Fonds, z. B. bei Restrukturierungen und Übernahmen.

Weitere relevante Einzelgesetze

In Umsetzung und Ergänzung des o.g. gesetzlichen Rahmens wurden weitere Regelungskomplexe geschaffen, darunter beispielsweise:

  • Gesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung (FMStFG),
  • Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten,
  • Restrukturierungsgesetz (Restrukturierungsfondsgesetz/Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz – Restrukturierungsfondsgesetz – RStruktFG)

Diese Gesetze zielten auf Anpassungen der Insolvenzordnung, neue Rekapitalisierungsinstrumente sowie Krisenpräventionsmaßnahmen.

Systematik und Funktionsweise der Finanzmarktstabilisierungsgesetze

Maßnahmen und Instrumente

Die Finanzmarktstabilisierungsgesetze stellen verschiedene Maßnahmen bereit, darunter:

  • Kapitalbeteiligungen: Erwerb von Eigenkapitalanteilen an Finanzinstituten durch den Staat (meist durch SoFFin).
  • Garantien: Angebote sowie Übernahmen von Garantien auf Verbindlichkeiten zum Erhalt der Liquidität.
  • Risikopositionen: Übernahme von Risikopositionen oder -engagements, etwa in Form von „Bad Bank“-Strukturen.
  • Enteignungen und Zwangsmaßnahmen: In außergewöhnlichen Fällen Ermächtigung zur Enteignung zum Erhalt der Stabilität.

Rechtlicher Rahmen der Umsetzung

Die rechtlichen Regelungen der Finanzmarktstabilisierungsgesetze greifen tief in das Gesellschaftsrecht, das Insolvenzrecht, das Bankaufsichtsrecht (u. a. nach dem KWG und SolvV) sowie das Haushalts- und Förderrecht ein. Für die Durchführung der Maßnahmen wurden spezielle Verwaltungseinheiten (z. B. der SoFFin) eingerichtet, die unter ministerieller Aufsicht stehen und einer speziellen Kontrolle durch den Bundestag und den Bundesrechnungshof unterliegen.

Rückwirkung, Befristung und Auslaufen

Die Mehrzahl der Regelungen waren von vornherein zeitlich befristet und knüpften an die akute Notlagenbewältigung der Finanzkrise an. Der SoFFin trat beispielsweise mit Ablauf des 31. Dezember 2015 in eine Abwicklungsphase ein, während nachfolgende Regelwerke die Krisenprävention verstetigen.

Bedeutung und Auswirkungen für die Finanzmarktordnung

Stabilitätsgewinn und Systemrisikominderung

Die Finanzmarktstabilisierungsgesetze trugen maßgeblich dazu bei, einen Zusammenbruch des Systems abzuwenden, das Vertrauen unter Marktteilnehmern wiederherzustellen und eine Konsolidierung angeschlagener Bankhäuser zu ermöglichen. Durch den Einsatz öffentlicher Mittel konnten kurzfristige Liquiditätsengpässe überbrückt und längerfristige Restrukturierungen eingeleitet werden.

Staatliche Einflussnahme und Markteingriffe

Die Gesetzgebung ermöglichte bislang beispiellose staatliche Eingriffe in private Wirtschaftsstrukturen, inklusive Kapitalbeteiligungen und temporärer Verstaatlichungen. Nach Abklingen der Krisensituation wurden viele dieser Eingriffe sukzessive zurückgeführt. Die gesetzlichen Regelungen zur Finanzmarktstabilisierung gelten aber weiterhin als Handlungsmuster für künftige Krisensituationen.

Rechtsprechung und Nachwirkungen

Die rechtlichen Regelungen wurden wiederholt durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie das Bundesverfassungsgericht überprüft. Insbesondere die Enteignungsbefugnisse und staatsvertraglichen Eingriffe standen im Fokus verfassungsrechtlicher Überprüfungen.

Weiterentwicklung und aktuelle Relevanz

Mit der fortschreitenden europäischen Bankenunion und den Initiativen zur Übertragung von Bankenrestrukturierungsmaßnahmen auf europäische Institutionen, etwa durch die Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD) und das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG), verloren die nationalen Finanzmarktstabilisierungsgesetze in Mittel- und Langfristperspektive an zentraler Bedeutung. Ihre Grundprinzipien bezüglich staatlicher Stabilisierungstools und Krisenprävention wirken jedoch bis heute fort und spiegeln sich in jüngeren Regelwerken wider.

Literatur

  • Baur, Dirk/ Clemens, Torsten: Auswirkungen der Finanzmarktstabilisierungsgesetze, 2. Aufl., München 2010.
  • Bundesministerium der Finanzen: „Instrumente zur Finanzmarktstabilisierung“ (offizielle Website).
  • Pötzsch, Kerstin: Rechtliche Grundlagen der Bankenrettung in Deutschland, Köln 2014.
  • Schaal, Benjamin: Die Entwicklung der Finanzmarktstabilisierungsgesetze, Frankfurt am Main 2013.

Hinweis: Dieser Beitrag beschreibt die Finanzmarktstabilisierungsgesetze in Deutschland umfassend und im rechtlichen Kontext als Teil eines Rechtslexikons. Weiterführende Einzelfragen, insbesondere zur praktischen Anwendung oder zu aktuellen Änderungen, sollten auf Grundlage der jeweils letzten Fassung der Gesetzestexte geprüft werden.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Instrumente ermöglichen staatliche Eingriffe zur Stabilisierung des Finanzmarkts?

Im Rahmen der Finanzmarktstabilisierungsgesetze wurden verschiedene rechtliche Instrumente geschaffen, um staatliche Eingriffe zur Sicherung der Stabilität des Finanzsystems zu ermöglichen. Wesentliche Instrumente sind etwa die Bereitstellung staatlicher Garantien für Verbindlichkeiten von Kreditinstituten, Kapitalspritzen in Form von Eigenkapitalhilfen, unmittelbare Rekapitalisierungen durch Erwerb von Anteilen sowie die Übernahme von Risikopositionen und Wertpapieren (sog. Bad Bank-Modell). Gesetzliche Grundlagen wie das Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz (FMStFG) und das Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz (FMStErgG) regeln die Voraussetzungen, das Verfahren und die rechtlichen Folgen solcher Maßnahmen. Sie enthalten detaillierte Bestimmungen zu Genehmigungserfordernissen, Kontroll- und Mitspracherechten, Haftungen sowie zu staatlichen Einflussmöglichkeiten auf unternehmerische Entscheidungen der betroffenen Institute. Ergänzende Vorschriften zur Wahrung der Wettbewerbsneutralität und zur Kontrolle durch das Parlament runden den Rechtsrahmen ab.

Welche Rolle spielt der Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin) im rechtlichen Kontext?

Der Finanzmarktstabilisierungsfonds, auch als SoFFin bekannt, wurde als zentrales Instrument der staatlichen Finanzmarktintervention geschaffen. Im rechtlichen Kontext handelt es sich beim SoFFin um ein Sondervermögen des Bundes, dessen Einrichtung und Handeln durch das FMStFG gesetzlich detailliert normiert ist. Er verfügt über eine eigene Rechtsfähigkeit und kann eigenständig Rechtshandlungen vornehmen, insbesondere Auszahlung von Garantien, Erwerb von Beteiligungen oder Bereitstellung von Rekapitalisierungen. Das Gesetz regelt, unter welchen Voraussetzungen und auf welchem Wege Institute Unterstützungsleistungen beantragen können, welche Pflichten sie im Gegenzug zu erfüllen haben (z. B. Beschränkungen bei Boni und Dividenden, Mitbestimmungsrechte des Bundes) und wie die parlamentarische und gerichtliche Kontrolle über die Entscheidungen des Fonds erfolgt.

Wie werden Eigentumsrechte und Aktionärsinteressen bei staatlichen Interventionen geschützt?

Die Finanzmarktstabilisierungsgesetze treffen explizite Regelungen, um die durch die staatliche Intervention berührten Eigentumsrechte und Interessen der Anteilseigner zu sichern, zugleich aber auch die Effektivität der Maßnahmen zu gewährleisten. Wird etwa eine staatliche Beteiligung an einem Kreditinstitut erforderlich, sieht das Gesetz die Wahrung der Eigentumsrechte durch angemessene Vergütung, Vorkehrungen gegen Enteignung und rechtliches Gehör vor. Im Ausnahmefall einer Enteignung zum Zwecke der Stabilisierung ist nach Art. 14 GG eine Entschädigung gesetzlich vorgeschrieben. Zudem gibt es Vorschriften zur fairen Behandlung sämtlicher Aktionäre, Mitwirkungsmöglichkeiten in Hauptversammlungen sowie Rechtsschutzmöglichkeiten gegen behördliche Maßnahmen.

Inwieweit unterliegen Finanzmarktstabilisierungsmaßnahmen der gerichtlichen Kontrolle?

Die von den zuständigen Behörden – typischerweise dem Bundesministerium der Finanzen beziehungsweise dem SoFFin – durchgeführten Maßnahmen unterliegen der gerichtlichen Kontrolle nach den regulären Vorschriften des Verwaltungs- und Verfassungsprozessrechts. Betroffene Kreditinstitute, Anteilseigner oder andere Verfahrensbeteiligte können gegen Anordnungen oder Entscheidungen, etwa über die Ablehnung oder Bewilligung von Stabilisierungsmaßnahmen, den Verwaltungsrechtsweg beschreiten. Im Falle staatlicher Eingriffe, die in Grundrechte eingreifen (wie etwa bei Enteignungen), ist darüber hinaus die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht eröffnet. Die gerichtliche Kontrolle erstreckt sich insbesondere auf die Einhaltung der verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Voraussetzungen, das Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen sowie die Angemessenheit der Maßnahmen.

Welche Anforderungen bestehen an die Transparenz und Kontrolle der Maßnahmen durch den Gesetzgeber?

Aus rechtsstaatlicher Sicht ist die umfassende parlamentarische Kontrolle ein zentrales Element der Finanzmarktstabilisierungsgesetze. Die Gesetze verpflichtet die Regierung und die Fondsverwaltung, dem Bundestag und bestimmten Ausschüssen regelmäßig und ausführlich über Art, Umfang und Auswirkungen der ergriffenen Maßnahmen zu berichten. Zudem gibt es besondere Vorschriften zur Vertrauensperson des Bundestags, die Einsicht in alle Maßnahmen und Entscheidungsunterlagen erhält und deren Rechtmäßigkeit überprüft. Diese Vorgaben dienen dazu, Missbrauch staatlicher Eingriffsrechte zu verhindern, politischen Einfluss auszuüben und die demokratische Legitimierung der Stabilisierungsmaßnahmen sicherzustellen. Ebenfalls geregelt sind Offenlegungs- und Veröffentlichungspflichten, soweit sie dem Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nicht entgegenstehen.

Welche Vorgaben existieren im Hinblick auf die Rückführung und Beendigung staatlicher Hilfen?

Die Finanzmarktstabilisierungsgesetze sehen von Beginn an Regelungen zur Rückführung und Beendigung der staatlichen Hilfsmaßnahmen vor, um eine dauerhafte Verstaatlichung oder Wettbewerbsverzerrung zu verhindern. Gesetzlich vorgeschrieben ist ein kontinuierliches Monitoring der Marktentwicklung mit dem Ziel, die Unterstützungsleistungen zurückzunehmen, sobald die Gründe für die Intervention entfallen und eine nachhaltige Stabilisierung des jeweiligen Kreditinstituts erreicht ist. Der Modus der Rückgabe – beispielsweise Rückkauf von Beteiligungen, Ablösung von Garantien – und der hierfür geltende Zeitrahmen sind im Gesetz bislang nicht näher konkretisiert, unterliegen aber engen Auflagen und Berichtspflichten. Bei der Beendigung der Maßnahmen sind u. a. die Belange des Wettbewerbs, eine faire Marktrückkehr und die finanziellen Interessen des Bundes zu berücksichtigen.

Welche europarechtlichen Vorgaben beeinflussen die deutsche Gesetzgebung zur Finanzmarktstabilisierung?

Aus rechtswissenschaftlicher Sicht unterliegen die deutschen Finanzmarktstabilisierungsgesetze einer umfassenden Einbindung in europarechtliche Vorgaben. Besonders maßgebend sind Bestimmungen des Beihilferechts nach Art. 107 ff. AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union), die staatliche Hilfen an Banken grundsätzlich einer Genehmigungspflicht durch die Europäische Kommission unterwerfen. Die nationalen Gesetze sind dementsprechend so gestaltet, dass jede wesentliche Unterstützungsmaßnahme eine vorherige Anzeigepflicht und ggf. die Erlaubnis der Kommission erfordert, um Wettbewerbsverzerrungen im europäischen Binnenmarkt zu vermeiden. Daneben spielt die aufsichtsrechtliche Regulierung durch die Europäische Zentralbank, die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und die Bankensanierungs- und -abwicklungsrichtlinie (BRRD) eine zentrale Rolle für die Ausgestaltung und Begrenzung nationaler Eingriffe.