Legal Lexikon

FGG


Begriff und Bedeutung des FGG

Das Kürzel FGG steht für das „Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit” und bezeichnet ein zentrales Gesetz des deutschen Verfahrensrechts, das die Verfahren der sogenannten freiwilligen Gerichtsbarkeit regelte. Das FGG bestimmt(e) Inhalt, Ablauf und Zuständigkeit in nichtstreitigen gerichtlichen Verfahren und galt als elementare Rechtsvorschrift für zahlreiche Rechtsgebiete, wie das Betreuungs-, Nachlass-, Vereins-, Grundbuch-, Register-, Landwirtschafts- sowie Unterbringungsrecht.

Das FGG trat am 1. Oktober 1950 in Kraft und wurde durch das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) zum 1. September 2009 vollständig abgelöst. In der geschichtlichen und rechtswissenschaftlichen Betrachtung sowie in älteren Verfahren kommt dem FGG weiterhin Bedeutung zu.


Regelungsbereich und Anwendungsgebiete des FGG

Allgemeiner Regelungszweck

Das FGG regelte jene gerichtlichen Verfahren, in denen kein eigentlicher Streit zwischen Parteien vorlag, sondern der gerichtliche Rechtsschutz vielmehr durch Betätigung gerichtlicher Fürsorge und Kontrolle gewährleistet werden sollte. Charakteristisch für Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach FGG waren nicht der Streit zweier Gegner (wie im Zivilprozess), sondern der Schutz privater und öffentlicher Interessen sowie die Wahrung der Rechtssicherheit auf bestimmten Lebensgebieten.

Wichtige Verfahrensbereiche

Das FGG fand Anwendung unter anderem in folgenden Bereichen:

  • Betreuungsrecht (früher Vormundschaftsrecht): Regelung der Bestellung, Führung und Überwachung von Betreuern und Vormündern.
  • Nachlassverfahren: gerichtliche Abwicklung von Erbfällen, Testamentsvollstreckung, Erteilung von Erbscheinen.
  • Registerrecht: Verfahren betreffend Vereinsregister, Handelsregister und Genossenschaftsregister.
  • Grundbuchrecht: Eintragung und Berichtigung von Grundstücksrechten.
  • Unterbringungsrecht: Genehmigung der Unterbringung in psychiatrischen Einrichtungen.
  • Sonstige Verfahren: Adoptions- und Pflegschaftsanordnungen, Landwirtschaftssachen, sowie weitere Angelegenheiten, die vom Gesetz ausdrücklich zugewiesen wurden.

Verfahren nach dem FGG

Grundsätze des Verfahrens

Das FGG unterschied sich in wesentlichen Punkten vom „streitigen” oder normalen Zivilprozess (geregelt durch die Zivilprozessordnung, ZPO). Die wichtigsten Grundsätze waren:

  • Amtsveranlassung (Untersuchungsgrundsatz): Das Gericht ermittelte den Sachverhalt von Amts wegen und war nicht an Parteianträge gebunden.
  • Beschleunigungsgebot: Die Verfahren sollten rasch und formlos geführt werden.
  • Hörpflicht: Die betroffene Person war grundsätzlich anzuhören.
  • Rechtsmittel: Gegen gerichtliche Entscheidungen des FGG waren meist Beschwerde oder weitere Beschwerde zulässig, nicht Berufung oder Revision wie im streitigen Zivilrecht.

Beteiligtenstellung

Beim FGG wurde der Begriff „Beteiligte” verwendet anstelle des Parteibegriffs. Beteiligte waren jene Personen oder Stellen, deren Rechte oder Interessen von dem Verfahren betroffen waren.

Verfahrensarten und Zuständigkeiten

Das FGG kannte verschiedene Verfahrensarten:

  • Antragsverfahren: Das Gericht wird durch Antrag eines Beteiligten tätig.
  • Amtsverfahren: Das Gericht tätig auch von sich aus („ex officio”).

Örtlich und sachlich zuständig waren im Regelfall die Amtsgerichte, teilweise (etwa bei Landwirtschaftssachen) auch spezielle Kammern.


Das FGG im Wandel: Ablösung durch das FamFG

Mit Wirkung zum 1. September 2009 wurde das FGG durch das FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) abgelöst. Diese Reform verfolgte das Ziel, das Verfahrensrecht in den betroffenen Spezialmaterien zu modernisieren, die Strukturen zu vereinheitlichen und die Rechtsschutzmöglichkeiten insbesondere im Familien- und Betreuungsrecht zu stärken.

Übergangsrecht

Für bis zum 31. August 2009 eingeleitete Verfahren galten die Regelungen des FGG im Regelfall weiter, soweit nichts anderes bestimmt wurde. In der Praxis waren daher Übergangsfristen und teils parallele Anwendung von FGG und FamFG zu beachten.


Aufbau und Systematik des FGG

Gliederung des Gesetzestextes

Das FGG umfasste zuletzt 110 Paragraphen, gegliedert in eine allgemeine Vorschriftensammlung (§§ 1-16 FGG) und besondere Vorschriften zu einzelnen Verfahrensgruppen (§§ 17-110 FGG). Die Struktur orientierte sich an den konkreten Rechtsgebieten und den jeweiligen Besonderheiten des gerichtlichen Vorgehens.

Wichtige Paragraphen im Überblick

  • § 1 FGG: Grundlegende Vorschriften zur Anwendung des FGG.
  • § 12 FGG: Grundsatz der freien Beweiswürdigung und Ermittlungsbefugnis des Gerichts.
  • §§ 19-38 FGG: Regelungen zu Vormundschafts- und Pflegschaftsangelegenheiten.
  • §§ 43-60 FGG: Vorschriften zu Nachlassangelegenheiten.
  • § 66 FGG: Regelungen zur Beschwerde als Rechtsmittel.

Rechtswirkungen und Bedeutung in der Praxis

Das FGG stellte jahrzehntelang das zentrale Verfahrensgesetz für zahlreiche wichtige Materien dar. Es beeinflusste maßgeblich die Entwicklung nichtstreitiger gerichtlicher Verfahren und trug zur Rechtssicherheit sowie zur gerichtlichen Kontrolle sensibler Lebensbereiche bei. Die in § 19 FGG und folgenden normierten Verfahren im Betreuungsrecht (vormals Vormundschaftsrecht) etwa waren wegweisend für den physischen und psychischen Schutz hilfsbedürftiger Menschen.

Nach der Ablösung des FGG durch das FamFG kommen die Vorschriften des FGG heute nur noch in Ausnahmefällen (z. B. bei Altfällen oder besonderen Streitfragen im Übergangsrecht) zur Anwendung. Dennoch ist das Gesetz weiterhin von rechtshistorischer und systematischer Bedeutung.


Zusammenfassung und Ausblick

Das FGG stand für ein umfangreiches und facettenreiches Regelwerk des Verfahrensrechts im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland. In seiner über fünfzigjährigen Geltungsdauer wurde das FGG zur Maßgabe für zahlreiche grundlegende Verfahrensarten, prägte durch seine Grundsätze und Strukturen die Rechtspraxis nachhaltig und legte den Grundstein für das heutige FamFG.

Mit Inkrafttreten des FamFG wurde das FGG außer Kraft gesetzt, bleibt jedoch für die historische Bewertung und das Verständnis der Entwicklung des deutschen Verfahrensrechts von erheblicher Bedeutung. Eine differenzierte Betrachtung seiner rechtlichen Grundlagen, Anwendungsbereiche und Wirkungen trägt zum Verständnis der aktuellen sowie der vergangenen Rechtslage bei.

Häufig gestellte Fragen

Wann findet das Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit (FGG) Anwendung?

Das FGG kommt immer dann zur Anwendung, wenn bestimmte gerichtliche Verfahren eine besondere nichtstreitige Ordnung verlangen. Insbesondere betrifft dies Angelegenheiten, die nicht dem streitigen Zivilprozessrecht, sondern der sogenannten freiwilligen Gerichtsbarkeit unterliegen. Typische Anwendungsbereiche waren vor allem Verfahren in der Nachlass-, Vormundschafts-, Vereins-, Grundbuch- und Registersachen sowie im Betreuungsrecht. Dabei handelte es sich stets um Verfahren ohne streitige Parteien im klassischen Sinne, sondern um solche, bei denen das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag einer Person tätig wird, um z.B. Rechte festzustellen, Registereintragungen vorzunehmen oder Rechtsverhältnisse zu ordnen. Seit Einführung des FamFG im Jahr 2009 ist das FGG weitgehend abgelöst, gilt aber übergangsweise bis zur endgültigen Bereinigung weiterhin für bestimmte Altverfahren.

Welche Rolle spielt das Gericht in Verfahren nach dem FGG?

Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach dem FGG kommt dem Gericht neben einer entscheidenden auch eine betreuende und ermittelnde Funktion zu. Anders als im klassischen Zivilprozess, bei dem das Beibringungsgrundsatz gilt, ist das Gericht im FGG-Verfahren verpflichtet, von Amts wegen den Sachverhalt zu ermitteln (Untersuchungsgrundsatz). Dies bedeutet, dass das Gericht nicht an die Anträge und das Vorbringen der Beteiligten gebunden ist, sondern selbstständig Nachforschungen anstellen und Beweise erheben kann. Ziel ist es, im Interesse aller Beteiligten eine sachgerechte und umfassende Entscheidung zu treffen.

Wie werden Beteiligte im Sinne des FGG definiert und behandelt?

Beteiligte im Sinne des FGG sind alle Personen, deren Rechte oder Interessen durch das Verfahren unmittelbar berührt werden können. Dazu gehören Antragsteller, Personen, gegen die sich ein Antrag richtet, sowie Dritte, deren rechtliche Stellung betroffen ist. Das FGG sieht explizit Regelungen vor, wie und wann diese Beteiligten rechtliches Gehör erhalten, sie am Verfahren zu beteiligen sind und welche Mitwirkungsrechte ihnen zustehen. Beteiligte erhalten stets eine formelle Beteiligtenstellung, die unter anderem das Recht auf Akteneinsicht, Anhörung und gegebenenfalls die Einlegung von Rechtsmitteln umfasst.

Welche Rechtsmittel stehen im FGG-Verfahren zur Verfügung?

Gegen Entscheidungen, die auf Grundlage des FGG ergehen, stehen den Beteiligten regelmäßig bestimmte Rechtsmittel zur Verfügung. Hauptsächlich handelt es sich um die Beschwerde (§ 19 FGG), die an das nächsthöhere Gericht gerichtet ist. Eine weitere Instanz ist die weitere Beschwerde, die bei einer Verletzung des Rechtswegs zulässig ist. Die Rechtsmittel dienen dazu, gerichtliche Entscheidungen auf ihre Rechtmäßigkeit und sachliche Richtigkeit überprüfen zu lassen. Dabei gelten eigene Fristen und Förmlichkeiten, die sich von der Zivilprozessordnung unterscheiden können.

Inwieweit gelten im FGG-Verfahren die Vorschriften der ZPO?

Die Vorschriften der ZPO finden im FGG-Verfahren nur insoweit Anwendung, als das FGG dies ausdrücklich anordnet oder die entsprechenden Regelungen für erforderlich hält. Grundsätzlich hat das FGG ein eigenständiges, weniger formalisiertes Verfahrensrecht geschaffen. Dennoch verweist das FGG in bestimmten Konstellationen (z.B. Beweisaufnahme) auf Regelungen der ZPO, wenn dies zur Ergänzung und Fortbildung des FGG zweckmäßig erscheint. Das Verhältnis ist daher subsidiär, das heißt, das besondere Recht des FGG geht vor.

Gibt es im Verfahren nach FGG eine mündliche Verhandlung?

Das FGG sah im Gegensatz zur ZPO keine generelle Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor. Das Gericht konnte nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob eine mündliche Verhandlung oder Anhörung der Beteiligten erforderlich ist. In bestimmten Fällen – zum Beispiel bei Betreuungssachen oder in der Vormundschaft – war eine persönliche Anhörung gesetzlich vorgeschrieben. So wurde sichergestellt, dass die Entscheidungsfindung möglichst sachgerecht und am Maßstab des Wohles aller Beteiligten erfolgte.

Wie unterscheiden sich Beschlüsse und Entscheidungen nach FGG von Urteilen im Zivilprozess?

Entscheidungen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit werden als „Beschlüsse” bezeichnet, nicht als Urteile. Sie sind in der Regel weniger detailreich begründungspflichtig als Urteile, müssen aber die wesentlichen Erwägungen enthalten, die zur Entscheidung geführt haben. Beschlüsse können unmittelbar vollstreckbar sein und lassen, wie bereits dargelegt, die Statthaftigkeit von Rechtsmitteln (insbesondere der Beschwerde) zu. Auch die Formvorschriften sind weniger strikt als im streitigen Verfahren.