Begriff und historische Entwicklung der Festungshaft
Die Festungshaft ist eine besondere Form der Freiheitsentziehung, die im deutschsprachigen Raum im 19. und frühen 20. Jahrhundert Anwendung fand. Im Unterschied zur herkömmlichen Freiheitsstrafe stellte die Festungshaft eine mildere und ehrenhaftere Art der Inhaftierung dar, die bestimmten Gruppen von Straftätern vorbehalten war. Insbesondere Delinquenten, denen keine sittliche Verkommenheit oder Gewalttätigkeit nachgesagt wurde – beispielsweise politische Straftäter oder Angehörige gebildeter Schichten – konnten zu Festungshaft anstelle von Zuchthaus oder Gefängnis verurteilt werden. Im Folgenden werden die rechtlichen Grundlagen, die Durchführung, der Strafvollzug und die Besonderheiten dieser Strafe detailliert dargestellt.
Rechtliche Grundlagen der Festungshaft
Festungshaft im deutschen Strafrecht
Die Festungshaft wurde im 19. Jahrhundert mit dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich (RGBl. 1871 S. 127) geregelt. Sie stellte neben Zuchthaus, Gefängnis und Haft eine eigenständige Strafart dar, die besonders im Rahmen der sogenannten Ehrengerichte und politischen Strafprozesse zur Anwendung kam. Die rechtlichen Grundlagen für die Anordnung der Festungshaft ergaben sich aus den jeweiligen Strafgesetzbüchern der Einzelstaaten und später des Reichsstrafgesetzbuchs, wobei die Voraussetzungen und Vollzugsmodalitäten im Detail unterschiedlich ausgestaltet wurden.
Abgrenzung zu anderen Freiheitsstrafen
- Zuchthaus: Schwere und entehrende Freiheitsstrafe, häufig mit schwerer körperlicher Arbeit verbunden.
- Gefängnis: Freiheitsstrafe mittlerer Schwere, weniger strenge Bedingungen als im Zuchthaus.
- Haft: Kurzzeitigere, weniger belastende Freiheitsstrafe.
- Festungshaft: Ehrenhafte Form der Freiheitsstrafe, meist für politische Delikte oder Straftaten ohne kriminelle Energie.
Voraussetzungen und Anwendungsbereich
Festungshaft wurde vor allem verhängt bei:
- Politischen Straftaten (z. B. Pressevergehen, Majestätsbeleidigung, politische Umtriebe)
- Straftaten ohne kriminelle Absicht oder Gewaltanwendung
- Delikten, bei denen der Gesetzgeber von einer Gefährdung der öffentlichen Sittlichkeit oder Sicherheit absehen konnte
Eine gerichtliche Feststellung der „Ehrenhaftigkeit“ des Täters war regelmäßig Voraussetzung, wobei das Gericht sowohl Tat und Täterpersönlichkeit zu würdigen hatte.
Durchführung und Vollzug der Festungshaft
Bedingungen des Vollzugs
Die Festungshaft wurde, wie der Name bereits andeutet, in speziell bestimmten Teilen von Festungen, später auch in festungsartig ausgestalteten Justizvollzugsanstalten vollzogen. Die Modalitäten des Strafvollzugs unterschieden sich erheblich von denen anderer Strafen:
- Keine Zwangsarbeit: Festungshaftpflichtige mussten keiner verpflichtenden Arbeit nachgehen.
- Freizeiten und gesonderte Unterbringung: Die Häftlinge waren häufig allein oder gemeinsam mit anderen Festungshaftpflichtigen, jedoch stets getrennt von den übrigen Gefangenen, untergebracht.
- Bewahrung persönlicher Ehre und Würde: Die Haftform galt als ehrenhaft und war daher für Delinquenten mit höherem sozialen Status vorgesehen.
- Erleichterungen: Tragen ziviler Kleidung, Besuchsmöglichkeiten, Empfang von Post und Büchern sowie bessere Versorgung mit Nahrungsmitteln und persönlichen Gegenständen.
Aufsicht und Kontrolle
Die Festungshaft unterstand regelmäßig nicht der direkten Leitung durch die üblichen Gefängnisbehörden, sondern unterstand oftmals einem gesonderten Reglement, das mehr auf Bewachung und weniger auf Disziplin und Umerziehung abzielte.
Entwicklungen und Abschaffung
Wandel und schrittweises Auslaufen
Mit der Modernisierung der Strafjustiz und dem Aufkommen neuer Strafzwecke verlor die Festungshaft im 20. Jahrhundert zunehmend an Bedeutung. Aufgrund der gesteigerten Betonung der Resozialisierung und Angleichung der Behandlung aller Straftäter wurde die Festungshaft schrittweise aus den Strafgesetzbüchern entfernt. In der deutschen Rechtspraxis hatte sie nach dem Ersten Weltkrieg kaum noch praktische Relevanz und wurde mit dem Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften vom 4. August 1953 schließlich formell abgeschafft.
Bedeutung und Nachwirkung
Obwohl die Festungshaft heute keine Anwendung mehr findet, ist ihre historische und rechtliche Betrachtung für das Verständnis der Entwicklung des Strafrechts von Bedeutung. Sie spiegelt die unterschiedlichen Gesellschafts- und Strafvorstellungen ihrer Zeit wider. In der Rechtshistorie wird sie oft als Ausdruck des sozialen Differenzierungs- und Standesdenkens verstanden.
Sonstige Aspekte der Festungshaft
Rechtsnachfolgen und Resozialisierung
Eintragungen über Festungshaft wurden in Strafregistern geführt, galten jedoch im gesellschaftlichen Kontext als weniger ehrenrührig als die Verurteilung zu Zuchthaus oder Gefängnis. Die Rückkehr in das gesellschaftliche Leben war für ehemalige Festungshäftlinge häufig einfacher, da das Stigma der „kriminellen“ Verurteilung fehlte.
Besondere Fallkonstellationen
Zu den bekanntesten Fällen von zu Festungshaft Verurteilten zählen unter anderem Beteiligte am gescheiterten Hitler-Ludendorff-Putsch von 1923, darunter Adolf Hitler selbst. Diese Verurteilung trug dazu bei, die öffentliche Wahrnehmung und Diskussion über den Sinn und Zweck der Festungshaft erneut zu beleben.
Literatur und Quellen
- Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871 (RGBl. 1871 S. 127)
- Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften vom 4. August 1953
- Norbert Frei: Strafrecht im Wandel. Von der Festungshaft zur Resozialisierung. München 2001.
- Gerhard Otte: Die Festungshaft im Deutschen Kaiserreich, in: Zeitschrift für Rechtsgeschichte 1976, S. 201-220.
Die Festungshaft markiert ein besonderes Kapitel in der Geschichte und Entwicklung des deutschen Strafrechts und verdeutlicht, wie gesellschaftliche Werte und rechtliche Sanktionsformen im Wandel begriffen sind.
Häufig gestellte Fragen
Welche Delikte konnten in Deutschland mit Festungshaft geahndet werden?
Festungshaft war im deutschen Recht des 19. und frühen 20. Jahrhunderts eine spezielle Form des Freiheitsentzugs für bestimmte, meist politische oder nicht als sittlich verwerflich bewertete Straftaten. Insbesondere Vergehen wie Majestätsbeleidigung, politisch motivierte Straftaten, Presse- und Ehrverletzungsvergehen sowie Militärdelikte wurden häufiger mit Festungshaft bestraft. Voraussetzung war, dass das Gericht im Einzelfall anerkannte, dass das betreffende Delikt nicht aus gemeiner Gesinnung, sondern etwa aus einer politischen Motivation heraus begangen wurde und damit der Täter als weniger gefährlich für die Allgemeinheit galt. Typischerweise handelte es sich also um Delikte, bei denen die Wahrung eines bestimmten bürgerlichen Ehrgefühls oder politischer Überzeugungen im Vordergrund stand. Auch hochgestellten Persönlichkeiten wurde häufiger Festungshaft als Milderungsform zugesprochen.
Wie unterschieden sich die Rechtsgrundlagen der Festungshaft von denen der Gefängnis- oder Zuchthausstrafe?
Die rechtlichen Unterschiede zwischen Festungshaft und anderen Freiheitsstrafen wie Gefängnis- oder Zuchthaus lagen insbesondere im Strafzweck und -modus. Festungshaft war keine eigentliche Ehrenstrafe, hatte also weder das Ziel, den Täter der öffentlichen Schande preiszugeben, noch war sie mit harten Zwangsregimen belegt. Während Gefängnis- und Zuchthausstrafen einen erzieherischen und abschreckenden Zweck verfolgten und mit Arbeiten unter Aufsicht, eingeschränkten Rechten und oftmals schweren Haftbedingungen verbunden waren, war Festungshaft eine mildere, weitgehend von Arbeitszwang, Uniformierung und erschwerten Umgangsbeschränkungen freie Freiheitsentziehung. Die Vorschriften hierzu fanden sich im Deutschen Strafgesetzbuch in den Fassungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, wo ausdrücklich die Möglichkeit einer Verurteilung zu Festungshaft statt zu einer strengeren Freiheitsstrafe vorgesehen war.
Welche besonderen Rechte und Erleichterungen hatte ein Festungshaft-Gefangener?
Festungshaftlinge genossen eine Vielzahl von Erleichterungen, die sie von sonstigen Strafgefangenen abhoben. Dazu zählte das Recht, Zivilkleidung zu tragen, das Recht auf freien Schriftverkehr und die Erlaubnis zum Empfang von Besuch, sofern keine gravierenden gegenläufigen Gründe vorlagen. Zudem bestand grundsätzlich keine Arbeitspflicht, anders als beim Gefängnis oder Zuchthaus, wo Arbeit zur Haft gehörte. Der Kontakt zu Mitgefangenen war meist möglich, eigene Möbel, Bücher und persönliche Gegenstände konnten genutzt werden. Auch Verpflegung und Lebensbedingungen wurden in Festungen oder Burgen oft großzügiger gehandhabt. Diese Sonderstellung ergab sich aus der rechtlichen Auffassung, dass Festungshaft für Personen gedacht war, die unabhängig von ihrer Tat nicht als gemein- oder ehrlos galten.
Gab es eine Möglichkeit, Festungshaft in eine andere Strafart umzuwandeln oder umgekehrt?
Die Umwandlung von Festungshaft in eine andere Form der Haft (wie zum Beispiel Gefängnis) oder umgekehrt war möglich, aber an gesetzliche Voraussetzungen gebunden. So konnte etwa bei schlechter Führung oder Missbrauch der Haftprivilegien ein Festungshaftgefangener durch gerichtliche oder behördliche Anordnung in das Gefängnis überführt werden. Andererseits bestand gemäß § 18 ff. des damaligen Reichsstrafgesetzbuches das Recht der Gerichte, eine ursprünglich zu Gefängnis oder Zuchthaus verhängte Strafe in Festungshaft umzuwandeln, sofern sich im Verlauf des Verfahrens etwa mildernde Umstände oder eine bessere persönliche Beurteilung des Täters ergab. In der Praxis blieben solche Umwandlungen jedoch die Ausnahme und bedurften eingehender Darstellung und Begründung.
Waren Strafaussetzung, Begnadigung oder Amnestie bei Festungshaft zulässig?
Auch für Festungshaft galt die Möglichkeit der Strafaussetzung, Begnadigung oder der Nutzung allgemeiner Amnestien, wie sie im deutschen Recht verankert war. Die staatlichen Instanzen waren befugt, einem Verurteilten die verbleibende Haft ganz oder teilweise zu erlassen oder zur Bewährung auszusetzen, sofern die Voraussetzungen dafür erfüllt waren. Dies geschah häufiger im politischen Kontext, etwa nach Regierungswechseln oder politischen Krisen, bei denen politische Strafgefangene durch Amnestie freikamen. Rechtsgrundlagen hierfür ergaben sich aus den allgemeinen Gnadenverordnungen beziehungsweise den Amnestiegesetzen der jeweiligen Länder beziehungsweise des Deutschen Reiches.
Welche historischen Regelungen führten zur Abschaffung der Festungshaft?
Die Festungshaft wurde im Zuge der Angleichung und Humanisierung des Strafvollzugs im 20. Jahrhundert schrittweise abgeschafft. Mit dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches von 1933 und weiteren strafrechtlichen Reformen fiel die Festungshaft als besonderer Sanktionsmodus weg. Das lag daran, dass sich sowohl die gesellschaftlichen als auch die rechtspolitischen Wertungen verändert hatten. Politisch motivierte Delikte wurden zunehmend repressiver behandelt, wodurch die Differenzierung zwischen politischen und gemeinen Straftätern nivelliert wurde. Die Gleichstellung aller Straftäter im Strafvollzug und die Abschaffung privilegierter Haftformen stellte eine Folge dieser Entwicklung dar. In der Bundesrepublik Deutschland ist die Festungshaft als Strafart endgültig nicht mehr existent.