Legal Lexikon

Festnahme


Definition und rechtliche Einordnung der Festnahme

Die Festnahme ist im rechtlichen Kontext eine hoheitliche Maßnahme, durch die eine Person ihrer Freiheit ganz oder teilweise entzogen wird, um sie an einen bestimmten Ort zu verbrachten, festzuhalten oder einer Strafverfolgungsmaßnahme zuzuführen. In Deutschlands Rechtsordnung ist die Festnahme ein zentraler Begriff des Polizei-, Strafverfahrens- und Ordnungsrechts und unterliegt strengen gesetzlichen Vorgaben. Die rechtlichen Grundlagen und Voraussetzungen variieren dabei je nach Anlass, Zweck und durchführender Behörde.

Abgrenzung zu ähnlichen Maßnahmen

Die Festnahme ist von anderen freiheitsentziehenden Maßnahmen, wie der vorläufigen Ingewahrsamnahme, der vorläufigen Unterbringung oder der Verhaftung, zu differenzieren. Während die Festnahme insbesondere der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr dient, zielen andere Maßnahmen beispielsweise auf eine Prävention weiterer Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten. Kennzeichnend für die Festnahme ist stets die kurzfristig wirksame Freiheitsentziehung mit unmittelbarem Handlungsbedarf.

Gesetzliche Grundlagen der Festnahme in Deutschland

Strafprozessordnung (StPO)

Vorläufige Festnahme nach StPO (§ 127 StPO)

Die Strafprozessordnung regelt die Möglichkeit der vorläufigen Festnahme im Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren. Nach § 127 Abs. 1 StPO ist jede Person befugt, eine Person vorläufig festzunehmen, wenn sie auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wird und Gefahr im Verzug besteht. Behörden (Polizei, Staatsanwaltschaft) können ebenfalls festnehmen, sofern ein Haftbefehl vorliegt oder Gefahr im Verzug gegeben ist (§ 127 Abs. 2 StPO).

Haftbefehl und richterliche Anordnung

Eine richterlich angeordnete Festnahme erfolgt grundsätzlich auf Grundlage eines Haftbefehls (§ 112 StPO). Der Haftbefehl ist Voraussetzung für eine längerfristige Aufrechterhaltung der Freiheitsentziehung, die über die vorläufige Festnahme hinausgeht.

Polizeirecht

Befugnisse der Polizei

Im Rahmen des Polizeirechts – geregelt durch die Polizeigesetze der Länder – sind Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte zur Festnahme befugt, um unmittelbar drohende Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwenden. Die Regelungen unterscheiden sich in ihren Details von Bundesland zu Bundesland, beruhen aber auf dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den spezifischen Tatbeständen des jeweiligen Gesetzes.

Bürgerliche Festnahme

Die sogenannten Jedermannrechte erlauben unter engen Voraussetzungen auch Privatpersonen die Festnahme einer Person, die auf frischer Tat betroffen ist (sog. Jedermann-Festnahme, § 127 Abs. 1 StPO). Voraussetzung ist dabei das unmittelbare Ergreifen der Person während oder unmittelbar nach Begehung einer Straftat sowie die Gefahr des Entkommens.

Rechtsfolgen und Ablauf der Festnahme

Durchführung der Festnahme

Die Festnahme setzt eine körperliche Einwirkung auf die betroffene Person voraus, durch welche sie in ihrer Bewegungsfreiheit beschränkt wird. Die festnehmende Person darf dabei nur die notwendigen und verhältnismäßigen Mittel einsetzen. Gewalt ist lediglich zulässig, wenn andere Maßnahmen zur Sicherung der Person nicht ausreichen.

Belehrungspflichten

Dem Festgenommenen ist der Grund der Festnahme unverzüglich mitzuteilen (§ 114a StPO). Weiterhin sind die Rechte der festgenommenen Person, insbesondere das Recht auf einen Verteidiger und das Recht, Angehörige zu benachrichtigen, zu beachten.

Dauer der Festnahme

Die Festnahme darf nur so lange andauern, wie der Anlass besteht. Eine vorläufig festgenommene Person ist spätestens am Tag nach der Festnahme dem Richter vorzuführen (§ 128 StPO). Wird kein Haftbefehl erlassen, ist die Festnahme unverzüglich zu beenden und die Person freizulassen.

Rechtsschutzmöglichkeiten

Festgenommene Personen sowie deren Vertreter können jederzeit die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Festnahme beantragen. Rechtsmittel gegen die Maßnahme können, je nach Ausgangslage und Einzelfall, unter anderem durch das Beschwerdeverfahren (§ 304 ff. StPO) oder im Rahmen des Verwaltungsrechtswegs (bei polizeilicher Festnahme) geltend gemacht werden.

Festnahme im internationalen Kontext und im europäischen Recht

Auch im internationalen und europäischen Recht sind Grundsätze zur Festnahme festgelegt. Wesentliche Standards ergeben sich etwa aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Nach Artikel 5 EMRK ist das Recht auf Freiheit geschützt; Eingriffe hiergegen sind nur auf gesetzlicher Grundlage und unter richterlicher Kontrolle zulässig.

Festnahme im Auslieferungsrecht

Im Zusammenhang mit internationalen Rechtshilfeverfahren und Auslieferungen ist die Festnahme zur Sicherung der Überstellung ebenso vorgesehen, basiert aber auf speziellen völkerrechtlichen Bestimmungen und Abkommen.

Festnahme und Grundrechte

Verhältnismäßigkeit und Rechtsstaatsprinzip

Die Festnahme stellt einen Grundrechtseingriff dar, namentlich in das Recht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG). Jegliche Festnahme bedarf einer gesetzlichen Grundlage, muss verhältnismäßig sein und steht unter Kontrolle unabhängiger Gerichte.

Folgen einer rechtswidrigen Festnahme

Die rechtswidrige Festnahme kann Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche nach sich ziehen, etwa nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG). Zudem lässt sie die Strafverfolgung und Beweise anfechtbar werden.

Abgrenzung: Festnahme, Ingewahrsamnahme und Verhaftung

Während die Festnahme häufig an eine konkrete Straftat und an eine aktuelle Gefahrenlage geknüpft ist, betrifft die Ingewahrsamnahme im Polizeirecht primär präventive Zwecke, um drohende Gefahren abzuwehren. Die Verhaftung ist im Strafverfahrensrecht die dauerhaftere freiheitsentziehende Maßnahme, die in der Regel durch einen richterlichen Haftbefehl begründet ist.

Literatur und weiterführende Vorschriften

Strafprozessordnung (StPO)
Polizeigesetze der Länder
Grundgesetz (GG), insbesondere Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG
Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), insbesondere Art. 5
* Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG)


Damit liefert ein umfassender Überblick über die rechtlichen Voraussetzungen, Ablauf und Folgen einer Festnahme sowie deren Abgrenzung zu anderen Rechtsbegriffen. Zu beachten ist stets die enge Bindung an gesetzliche Grundlagen und die strenge Kontrolle durch Gerichte zum Schutz der individuellen Freiheitsrechte.

Häufig gestellte Fragen

Wann ist eine Festnahme im rechtlichen Sinne zulässig?

Eine Festnahme ist im rechtlichen Sinne dann zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruht und die Voraussetzungen des jeweiligen Gesetzes erfüllt sind. Für die Polizei ergibt sich die Ermächtigung in der Regel aus der Strafprozessordnung (§ 127 StPO – vorläufige Festnahme) oder aus Polizeigesetzen der Länder, wenn präventive Zwecke verfolgt werden (Gefahrenabwehr). Voraussetzung einer strafprozessualen Festnahme ist regelmäßig das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts sowie ein Haftgrund nach §§ 112 ff. StPO, beispielsweise Fluchtgefahr oder Verdunkelungsgefahr. Auch Privatpersonen wird unter bestimmten Bedingungen das Recht zur Festnahme eingeräumt (Jedermann-Festnahme), beispielsweise wenn eine Person auf frischer Tat betroffen wird und Identität oder Flucht nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann. Jede Festnahme unterliegt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, d.h. das gewählte Mittel, die Freiheit einer Person zu entziehen, muss geeignet, erforderlich und angemessen sein.

Welche Rechte stehen einer festgenommenen Person zu?

Festgenommene Personen unterliegen besonderen Schutz- und Verfahrensrechten. Zunächst müssen sie unverzüglich und in einer für sie verständlichen Sprache über den Grund der Festnahme informiert werden (Art. 104 GG, § 114a StPO). Ihnen steht das Recht zu, einen Verteidiger ihrer Wahl zu benachrichtigen und mit ihm zu sprechen. Außerdem besteht das Recht, bei der Festnahme keine Aussagen zur Sache machen zu müssen (Aussageverweigerungsrecht). Weiterhin ist die Festnahme unverzüglich einer richterlichen Entscheidung zuzuführen, wenn sie nicht ohnehin nach kurzer Zeit aufgehoben wird. Die Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme kann auf Antrag überprüft werden. Zudem ist die Pflicht zur Dokumentation und Protokollierung der Festnahme und der getroffenen Maßnahmen vorgeschrieben.

Wie lange darf eine Person festgehalten werden?

Die Dauer der Festhaltung richtet sich nach dem Zweck und den gesetzlichen Vorgaben. Im strafprozessualen Bereich muss eine festgenommene Person unverzüglich, spätestens jedoch am Tag nach der Festnahme, dem Richter vorgeführt werden (§ 128 StPO). Der Richter entscheidet dann über eine mögliche Fortdauer des Freiheitsentzugs (Untersuchungshaft) oder über die Entlassung. Im Bereich der Gefahrenabwehr nach Polizeirecht kann die Dauer je nach Bundesland unterschiedlich geregelt sein, ist aber stets zeitlich eng begrenzt und bedarf in der Regel ab einer bestimmten Dauer einer richterlichen Entscheidung. Willkürliche und unverhältnismäßig lange Festhaltungen sind durch das Grundgesetz verboten.

Welche Pflichten hat die Polizei bei einer Festnahme?

Die Polizei ist verpflichtet, die gesetzlichen Voraussetzungen der Festnahme streng zu beachten. Dazu gehört, die Festnahme korrekt zu dokumentieren und die festgenommene Person über die Gründe zu informieren. Es sind die Identität und die gesundheitliche Situation der Person zu erfassen; etwaige Verletzungen sind umgehend ärztlich zu versorgen. Darüber hinaus ist die Polizei verpflichtet, die Rechte der festgenommenen Person, insbesondere auf Rechtsbeistand, Kommunikation und Schweigen, zu achten. Die Überstellung an den Richter oder die Freilassung nach Wegfall des Haftgrundes muss ohne schuldhaftes Zögern erfolgen.

Welche Rechtsmittel stehen gegen eine rechtswidrige Festnahme zur Verfügung?

Gegen eine rechtswidrige Festnahme stehen dem Betroffenen mehrere Rechtsmittel zur Verfügung. Die wichtigste ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 104 Abs. 2 StPO oder auf Feststellung der Rechtswidrigkeit im Rahmen von Art. 104 GG. Im Nachgang kann ein Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung erfolgen. Zudem ist es möglich, im Rahmen eines zivilrechtlichen Klageverfahrens Schadensersatz und Schmerzensgeld zu verlangen, wenn beispielsweise durch die Festnahme ein Schaden entstanden ist. Schließlich kann bei offensichtlicher Amtspflichtverletzung eine Strafanzeige gegen die handelnden Beamten gestellt werden.

Welche Unterschiede bestehen zwischen der polizeilichen und der privaten Festnahme (Jedermann-Festnahme)?

Die polizeiliche Festnahme erfolgt auf Grundlage spezialgesetzlicher Befugnisse und ist an striktere Anforderungen gebunden; sie ist im Rahmen der Strafverfolgung und/oder Gefahrenabwehr zulässig. Die sogenannte Jedermann-Festnahme gemäß § 127 Abs. 1 StPO steht grundsätzlich jeder Person zu, jedoch nur in eng gefassten Ausnahmesituationen, beispielsweise bei einer Straftat auf frischer Tat. Hierbei ist ausschließlich das Ziel der Sicherstellung der Identität oder der Verhinderung der Flucht zulässig. Im Gegensatz zur Polizei dürfen Privatpersonen keine weitergehenden Eingriffsbefugnisse beanspruchen, etwa Durchsuchungen. Jede übermäßige Gewaltanwendung würde eine Körperverletzung oder Freiheitsberaubung darstellen. Die festgenommene Person ist unverzüglich der Polizei zu übergeben.

Welche Folgen hat eine rechtswidrige Festnahme?

Eine rechtswidrige Festnahme kann weitreichende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Zum einen kann die betroffene Person einen Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG geltend machen und gegebenenfalls Schadensersatz oder Schmerzensgeld fordern. Die Beweise, die im Rahmen einer rechtswidrigen Festnahme erlangt wurden, können einem Verwertungsverbot unterliegen, sodass sie im Strafverfahren nicht gegen die betroffene Person verwendet werden dürfen. Außerdem bleibt den Beamten die Möglichkeit der strafrechtlichen, disziplinarrechtlichen und dienstrechtlichen Verfolgung etwa wegen Freiheitsberaubung, Körperverletzung im Amt oder Verstoßes gegen das Legalitätsprinzip. Die rechtswidrige Festnahme ist zudem geeignet, einen Anspruch auf Rehabilitierung und ggf. Öffentlichkeitsarbeit auszulösen, wenn der gute Ruf der Person gelitten hat.