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Ferkelkastration


Begriff und Bedeutung der Ferkelkastration

Die Ferkelkastration bezeichnet den operativen Eingriff zur Entfernung der Hoden männlicher, meist noch nicht geschlechtsreifer Schweine. Ziel dieser Maßnahme ist in erster Linie die Vermeidung des sogenannten „Ebergeruchs“ im Schweinefleisch, der insbesondere durch die Stoffe Skatol und Androstenon bedingt wird. Aus tierschutzrechtlicher und wirtschaftlicher Perspektive stellt die Ferkelkastration einen zentralen Aspekt moderner Schweinehaltung dar.

Rechtsgrundlagen der Ferkelkastration in Deutschland

Tierschutzgesetz (TierSchG)

Die Durchführung der Ferkelkastration wird maßgeblich durch das Tierschutzgesetz (TierSchG) geregelt. § 6 TierSchG verbietet grundsätzlich das Amputieren von Körperteilen oder das Entfernen von Organen bei Wirbeltieren, es sei denn, ein vernünftiger Grund liegt vor. Die Kastration männlicher Tiere gilt als Ausnahme, sofern sie zur Verhinderung unerwünschter Fortpflanzung oder zur Vermeidung unerwünschter Produkteigenschaften erforderlich ist.

Mit Wirkung zum 1. Januar 2019 wurde die rechtliche Zulässigkeit der betäubungslosen Kastration durch das Tierschutzgesetz in § 5 Abs. 3 TierSchG ausdrücklich untersagt. Bereits zuvor waren die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Ferkelkastration stark umstritten und von zwischenzeitlichen Übergangsregelungen geprägt.

Ausführungsverordnungen und Ausnahmen

Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) konkretisiert die Anforderungen an die Haltung und Behandlung von Nutztieren, einschließlich der Ferkelkastration. Besondere Bedeutung kommt hier der betäubungs- und schmerzarmen Durchführung des Eingriffs zu. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1c TierSchG ist seit dem 1. Januar 2021 die chirurgische Kastration von männlichen Ferkeln nur noch unter wirksamer Betäubung und anschließender Schmerzbehandlung zulässig.

Übergangsregelung

Aufgrund der Verzögerungen bei der Entwicklung praxistauglicher Alternativen wurde die ursprünglich bis zum 31. Dezember 2018 bestehende Ausnahme, die Ferkelkastration bis zum siebten Lebenstag ohne Betäubung vornehmen zu dürfen, einmalig bis Ende 2020 verlängert (§ 21 Abs. 1 TierSchG a. F.). Ab dem 1. Januar 2021 gilt die Betäubungspflicht uneingeschränkt.

Erlaubte Methoden und Durchführende

Betäubungsverfahren

  • Inhalationsnarkose (Isofluran): Nach § 5 Abs. 1a TierSchG dürfen unter bestimmten Voraussetzungen speziell geschulte und qualifizierte Personen, insbesondere Landwirte nach bestandener Sachkundeprüfung, die Isofluran-Inhalationsnarkose eigenständig durchführen.
  • Injektionsnarkose (z. B. Ketamin): Für die Durchführung der Injektionsnarkose ist weiterhin ausschließlich eine tierärztliche Person zugelassen. Dies ist auf Grund der Verschreibungspflicht und der erforderlichen Überwachung der Vollnarkose vorgeschrieben.

Immunokastration

Eine alternative zugelassene Methode zur chirurgischen Kastration ist die Immunokastration. Dabei handelt es sich um eine Impfung, die die Funktion der Hoden und damit die Bildung der Geruchsstoffe unterbindet. Diese Maßnahme ist rechtlich zulässig, ihre Akzeptanz in der Wertschöpfungskette ist jedoch nach wie vor begrenzt.

„Ebermast“ als Alternative

Die Ebermast, also die Aufzucht unkastrierter männlicher Schweine, stellt eine weitere Alternative dar. Sie wird nicht durch die Vorschriften der Ferkelkastration im engeren Sinne geregelt, ist aber Bestandteil der Diskussion um tierschutzgerechte Alternativen.

Dokumentations- und Kontrollpflichten

Verpflichtung zur Aufzeichnung

Nach § 2 der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung sind Landwirte und Tierhaltende verpflichtet, sämtliche Eingriffe, einschließlich der Ferkelkastration, lückenlos zu dokumentieren. Diese Aufzeichnungen müssen folgende Angaben enthalten:

  • Datum des Eingriffs
  • Anzahl der kastrierten Tiere
  • Das bei der Betäubung verwendete Verfahren und Medikament
  • Name der ausführenden Person
  • Angaben zur Nachsorge und verabreichten Schmerzmittel

Kontrolle und Überwachung

Die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Vorschriften wird durch die zuständigen Behörden, meist Veterinärämter, in regelmäßigen oder anlassbezogenen Betriebstierkontrollen überwacht. Verstöße gegen die einschlägigen Vorschriften können als Ordnungswidrigkeit oder in schweren Fällen als Straftat nach § 17 TierSchG geahndet werden.

Europarechtliche Einordnung

Vorschriften der Europäischen Union

Das europäische Recht verlangt, insbesondere über die Richtlinie 98/58/EG (Richtlinie über den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere), dass Tieren unnötige Schmerzen, Leiden oder Schäden zu vermeiden sind. Die konkrete Umsetzung und Ausgestaltung bleibt den Mitgliedstaaten überlassen, was zu unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen in den einzelnen Mitgliedstaaten Europas führt.

Europäische Erklärung zur Ferkelkastration

2010 unterzeichneten Vertreter der europäischen Schweinebranche, der Behörden und des Tierschutzes die „Europäische Erklärung zur Beendigung der betäubungslosen Ferkelkastration“. Ziel war, bis 2018 EU-weit auf die betäubungslose Ferkelkastration zu verzichten. Die praktischen und rechtlichen Umsetzungen variieren bis heute erheblich zwischen den Mitgliedstaaten.

Sanktionen und Rechtsfolgen bei Verstößen

Verstöße gegen die tierschutzrechtlichen Vorgaben zur Ferkelkastration können je nach Schwere mit Bußgeldern oder Freiheitsstrafe sanktioniert werden. Relevant sind insbesondere Vorschriften aus dem Tierschutzgesetz (§§ 17, 18 TierSchG) sowie entsprechender Verordnungen. Rechtsfolgen von Verstößen reichen von Auflagen über die Beanstandung des Betriebs bis hin zu Entzug der Betriebserlaubnis oder strafrechtlicher Verfolgung.

Zusammenfassung

Die Ferkelkastration ist in Deutschland und der Europäischen Union ein umfassend geregelter Eingriff. Im Mittelpunkt steht heute der Tierschutz, insbesondere das Verbot der betäubungslosen Kastration und die verpflichtende Anwendung wirksamer Schmerzbehandlung und Betäubung. Die einschlägigen Regelungen sind im Tierschutzgesetz, der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung sowie einschlägigen EU-Richtlinien verankert. Alternativen wie Immunokastration oder Ebermast werden aus tierschutzrechtlicher und wirtschaftlicher Perspektive weiter diskutiert. Die Einhaltung der Vorschriften wird durch umfangreiche Dokumentations- und Kontrollpflichten sichergestellt, Verstöße sind teils mit empfindlichen Sanktionen belegt.

Häufig gestellte Fragen

Wer darf die Ferkelkastration nach aktuellem Recht durchführen?

Gemäß deutschem Tierschutzgesetz, insbesondere nach den zum 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Änderungen, ist die chirurgische Kastration männlicher Ferkel ohne Betäubung grundsätzlich verboten. Das Gesetz erlaubt aktuell die Durchführung dieses Eingriffs nur noch unter wirksamer Schmerzausschaltung (Betäubung und Schmerzbehandlung). Nach geltender Rechtslage dürfen Tierärztinnen und Tierärzte die Kastration unter Allgemeinanästhesie durchführen. Landwirtinnen und Landwirte erhalten unter bestimmten Voraussetzungen eine Sachkundebescheinigung zur Durchführung der Kastration mit Isofluran-Narkose an bis zu acht Tage alten Ferkeln, sofern sie eine entsprechende Schulung mit Erfolg absolviert haben. Dies ist in § 6 Absatz 4 des Tierschutzgesetzes und der Ferkelbetäubungssachkundeverordnung (FerkBetSachkV) geregelt. Die Ebermast und die Impfung gegen Ebergeruch (Immunokastration) sind tierwohlgerechte und rechtlich zulässige Alternativen, wobei die Immunokastration einer Dokumentations- und Informationspflicht unterliegt. Die Verantwortung für die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Vorschriften trägt stets die oder der Durchführende.

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Ferkelkastration eingehalten werden?

Vor der Durchführung einer Ferkelkastration müssen verschiedene rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst ist eine Zulassung oder Sachkunde erforderlich, die in Schulungen nach der Ferkelbetäubungssachkundeverordnung vermittelt und anschließend zertifiziert wird. Nur auf dieser Basis erhalten Landwirte eine Erlaubnis zur Durchführung der Kastration mit Inhalationsnarkose unter Isofluran. Weiterhin sind nur gesunde, maximal acht Tage alte Ferkel zu kastrieren. Die Betäubungsgeräte müssen regelmäßig gewartet und nachweislich ordnungsgemäß verwendet werden. Es sind genaue Aufzeichnungen über jede Kastration zu führen, die darauf bezogenen Aufbewahrungspflichten erkennen die TierSchHuV und insbesondere § 2 FerkBetSachkV an. Verstöße gegen diese Aufzeichnungspflichten können als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Zudem darf die Kastration nur mit zugelassenen Arzneimitteln und nach Vorgaben der Betriebshaftpflicht durchgeführt werden. Die Einhaltung des Arzneimittelgesetzes ist hierbei ebenfalls zwingend.

Welche Strafen drohen bei Verstößen gegen das Kastrationsverbot ohne Betäubung?

Verstöße gegen das gesetzliche Kastrationsverbot ohne Betäubung stehen unter dem Schutz des Tierschutzgesetzes (§ 17 und § 18 TierSchG). Eine Zuwiderhandlung wird als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu 25.000 € geahndet. In schwerwiegenden Fällen – etwa bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Missachtung mit erheblichem Tierleid – kann dies auch als Straftat verfolgt werden, was Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe zur Folge haben kann. Behörden sind befugt, Kastrationsgeräte sicherzustellen, Betriebe zeitweise oder dauerhaft zu schließen und die Tierhaltung zu untersagen. Neben den offiziellen Sanktionen kann auch die Aberkennung von Qualitätssiegeln und die Kürzung von Fördermitteln drohen.

Gibt es Ausnahmen von der Betäubungspflicht bei der Ferkelkastration?

Das Tierschutzgesetz sieht nur wenige Ausnahmen von der Betäubungspflicht vor. Bis Ende 2020 war die Kastration von unter acht Tage alten Ferkeln noch ohne Betäubung erlaubt, dies wurde jedoch zum 1. Januar 2021 aufgehoben. Seitdem besteht eine generelle Betäubungspflicht, ohne die keine Ausnahme gewährt wird. Eine Ausnahme ist lediglich die Immunokastration, bei der keine chirurgische Kastration erfolgt, sondern eine Impfung gegen Ebergeruch angewandt wird – hierfür gelten andere rechtliche Vorgaben. Weiterhin gelten Sonderregeln in Not- oder Einzelfällen, wobei solche Situationen stets veterinärmedizinisch begründet und dokumentiert werden müssen. Bei Verstößen ist mit restriktiven Sanktionen zu rechnen.

Welche Dokumentationspflichten bestehen im Zusammenhang mit der Ferkelkastration?

Wer Ferkel kastriert, ist nach § 2 Ferkelbetäubungssachkundeverordnung und § 5 Abs. 3 TierSchHuV verpflichtet, den Eingriff umfassend zu dokumentieren. Hierzu gehören: Name der sachkundigen Person, Datum und Uhrzeit des Eingriffs, Anzahl und Alter der kastrierten Ferkel, verwendete Betäubungsmethode und Art des Schmerzmittels, Angaben zur Wartung und Verwendung der notwendigen Geräte sowie das verwendete Arzneimittel. Diese Unterlagen müssen mindestens drei Jahre aufbewahrt und jederzeit den zuständigen Überwachungsbehörden auf Verlangen vorgelegt werden. Auch Komplikationen und besondere Vorkommnisse sind zu dokumentieren. Die Verletzung der Dokumentationspflicht wird als Ordnungswidrigkeit behandelt und kann mit Bußgeldern geahndet werden.

Welche alternativen Methoden zur Kastration sind rechtlich erlaubt?

Neben der chirurgischen Kastration mit Betäubung und Schmerzbehandlung erlaubt das deutsche Recht zwei tierschutzgerechte Alternativen: die Mast intakter Eber (Ebermast) sowie die Immunokastration. Für beide Methoden existieren rechtliche Leitlinien: Die Immunokastration erfordert die fachgerechte Anwendung des zugelassenen Impfstoffes sowie die penible Einhaltung der Dokumentations- und Informationspflichten gegenüber Schlachtbetrieben und Abnehmern. Die Ebermast ist grundsätzlich zulässig, wird jedoch von manchen Vermarktungswegen oder bestimmten Marken- und Qualitätsprogrammen eingeschränkt oder ausgeschlossen. Rechtlich ist hierbei zu beachten, dass keine chirurgischen Eingriffe erfolgen dürfen und tierschutzrechtliche Vorgaben zur Fütterung, Haltung und Vermarktung einzuhalten sind. Eine chemische Kastration ist in Deutschland verboten.

Müssen Elterntiere oder deren Halterinnen und Halter über den Eingriff informiert werden?

Das Tierschutzgesetz sieht für Ferkel – im Gegensatz etwa zu Haustieren wie Hunden oder Katzen – keine ausdrückliche Informationspflicht der Halterin oder des Halters der Elterntiere vor, sofern diese identisch zu den kastrierenden Personen sind (innerbetriebliche Kastration). Sind Zuchtunternehmen oder Fremdaufzuchten involviert, sind vertragliche Informationspflichten in der Regel im Rahmen der Liefer- oder Kooperationsverträge geregelt. In jedem Fall gilt aber: Nachweise und Unterlagen über die Kastration sowie deren Durchführung müssen für Behörden und nachgelagerte Stellen lückenlos dokumentiert und auf Anforderung vorgezeigt werden (s. Dokumentationspflichten). Bei Übergabe an Dritte ist eine Informationsweitergabe empfohlen und teils verpflichtend (z.B. bei der Immunokastration im Schlachtprozess).

Welche Behörde ist für die Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften zur Ferkelkastration zuständig?

Für die Überwachung der Einhaltung der tierschutzrechtlichen Vorschriften zur Ferkelkastration, insbesondere nach dem Tierschutzgesetz und zugehörigen Verordnungen, sind in Deutschland die Amtsveterinärinnen und Amtstierärzte der jeweils zuständigen unteren Veterinärbehörden verantwortlich. Diese Behörden arbeiten auf kommunaler bzw. Landkreisebene und überprüfen in regelmäßigen Kontrollen, ob alle rechtlichen Vorgaben eingehalten werden. Dazu zählen nicht nur die Durchführung und die Geräte, sondern auch die Buchführung, Arzneimittelverwendung und Schulungsnachweise. Im Falle festgestellter Defizite oder Verstöße werden weitere Maßnahmen eingeleitet, wie Bußgelder, Auflagen oder im Extremfall Tierhalteverbote. Es ist daher ratsam, alle Bestimmungen strikt zu beachten.