Legal Lexikon

Feme


Begriff und Herkunft der Feme

Der Begriff Feme (auch: Femegericht, Femerecht, Femestrafe) bezeichnet ein historisches Rechtsinstitut im deutschsprachigen Raum, das im Mittelalter vor allem in Westfalen und angrenzenden Gebieten von Bedeutung war. Feme leitet sich aus dem althochdeutschen „fama” (Urteilsspruch, Recht) ab und stand zunächst für geheime oder nichtoffizielle Gerichtsverfahren, deren Rechtsgrundlagen, Durchführung und Strafen sich von den etablierten Reichs- und Landgerichten unterschieden.

Feme beinhaltet sowohl das gerichtliche Gremium (Femegericht) als auch die durch dieses gesprochene Strafe (Femestrafe). Die Rechtsprechung und Strafausführung erfolgten oftmals in Geheimhaltung, was die Feme von den öffentlichen Gerichten unterschied.

Geschichtliche Entwicklung und Kontext

Entstehung im Mittelalter

Das Femerecht entwickelte sich im Hochmittelalter (ab dem 13. Jahrhundert) im Gebiet des späteren Westfalen. Die sogenannten Freigrafschaften mit ihren Femegerichten gewannen an Bedeutung, da sie in Zeiten instabiler öffentlicher Ordnung eine eigenständige Gerichtsbarkeit ausübten. Ursprünglich handelte es sich um Lehnsgerichte, erst später wurde daraus eine Art Sonderjustiz mit eigenem Verfahrensrecht.

Funktion und Vorgehen der Femegerichte

Die Femegerichte behandelten vor allem schwere Straftaten, insbesondere Tötungsdelikte, Raub, Verrat und Meineid. Die Verfahren fanden häufig an geheim gehaltenen Orten (“unter der Linde”) und zu nicht angekündigten Zeiten statt. Die Gerichtsmitglieder, sogenannte Freischöffen, standen unter einem strengen Eid zur Verschwiegenheit.

Verfahrensablauf und Rechtsgrundlagen

Das Verfahren orientierte sich an mündlichen Überlieferungen und tradierten Rechtsauffassungen. Schriftliche Protokolle waren selten; die Regeln wurden von Generation zu Generation weitergegeben. Die Vorladung erfolgte mehrfach und das Nichterscheinen konnte zum Schuldspruch führen. Die Urteile der Femegerichte waren unanfechtbar, eine Revision oder Berufung war nicht vorgesehen. Die Vollstreckung der Urteile – oftmals in Form von Todesstrafen – wurde meist rasch und ebenfalls in geheimer Form durchgeführt.

Der Rechtsrahmen und Stellung im Rechtssystem

Verhältnis zu landesherrlicher und reichsrechtlicher Gerichtsbarkeit

Obwohl die Femegerichte teils an das Lehnswesen angebunden waren, unterlagen sie nicht der unmittelbaren Kontrolle des Landesherrn oder des Reichs. Ursprünglich stellte die Feme eine Ergänzung oder Notlösung in Gebieten mit schwach ausgeprägter staatlicher Kontrolle dar. Mit der Konsolidierung der Landesherrschaft verloren die Femegerichte zunehmend an Bedeutung und galten häufig als unrechtmäßige Konkurrenz zur öffentlichen Gerichtsbarkeit.

Anerkennung und Kritik innerhalb der Rechtsordnung

In bestimmten Phasen wurden Urteile der Femegerichte von Obrigkeiten anerkannt, etwa durch Kaiser Sigismund im 15. Jahrhundert. Allerdings nahm die Kritik infolge der fehlenden Transparenz und der Geheimhaltung stetig zu. Die Verwicklung in politische Auseinandersetzungen und missbräuchliche Anwendung trug zu einer zunehmenden Ablehnung des Femerechts bei. Im 16. Jahrhundert wurden die Femegerichte im Zuge der Rechtsvereinheitlichung und der Ausbildung einheitlicher Gerichtsstrukturen offiziell verboten und verfolgt.

Feme im modernen Recht: Nachwirkungen und Rechtslage

Fortleben des Begriffs „Feme”

Im deutschen Recht hat die Feme als eigenständiges Rechtsinstitut keine Bedeutung mehr und ist seit dem Ende des Mittelalters rechtlich obsolet. Dennoch findet der Begriff weiterhin Verwendung und ist Bestandteil der historischen Rechtswissenschaften und der Rechtsgeschichte. Zudem wird der Begriff „Fememord” in der Literatur als Bezeichnung für politische Mordtaten gebraucht, die ohne gerichtliche Verfahren und in Form von Selbstjustiz durchgeführt werden. Dies führte insbesondere in der Zeit der Weimarer Republik zu einer Rezeption des Begriffs im Zusammenhang mit politisch motivierten Attentaten.

Rechtliche Bewertung heutiger Femepraktiken

Handlungen, welche in Anlehnung an die historische Feme heute begangen würden – etwa geheime Gerichtsbarkeit oder Selbstjustiz – stehen im Widerspruch zur geltenden deutschen Rechtsordnung und sind ausdrücklich unzulässig. Das moderne Strafrecht betrachtet Selbstjustiz und geheim agierende Gerichte als strafbar. Wer eine nicht anerkannte Gerichtsbarkeit bildet, Gerichte simuliert oder Urteile außerhalb der Justizvollzugsorgane vollstreckt, kann nach den Tatbeständen der Straftatbestände wie Nötigung, Bildung krimineller Vereinigungen (§ 129 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Mord (§ 211 StGB) oder anderen Delikten strafrechtlich verfolgt werden.

Einzelne Begriffe wie „Fememord” werden heute im historischen Kontext oder bei politisch eigenmächtig ausgeführten Taten verwendet, besitzen jedoch keine eigenständige rechtsdogmatische Bedeutung im geltenden Recht.

Rezeption, Kritik und Bedeutung der Feme

Historische Würdigung

Die Feme nimmt in der deutschen Rechtsgeschichte eine ambivalente Stellung ein. Einerseits stellte sie eine Form von Rechtspflege dar, die in Zeiten fehlender staatlicher Ordnung lokalen Bedürfnissen entsprach und eine gewisse Form von Strafe und Gerechtigkeit ermöglichte. Andererseits wurde das geheime und intransparente Verfahren – mit der Möglichkeit des Machtmissbrauchs und willkürlicher Verurteilungen – als unvereinbar mit den Prinzipien rechtsstaatlicher Verfahren angesehen.

Kritische Bewertung und Aufarbeitung

Die historische und strafrechtliche Bewertung der Feme ist stark durch die negativen Auswirkungen geprägt. Die fehlende Öffentlichkeit, die oftmals drakonischen Strafen und die Geheimhaltung widersprechen den grundlegenden Prinzipien des heutigen Strafverfahrensrechts, darunter Recht auf Verteidigung, Öffentlichkeit des Verfahrens, Unschuldsvermutung und das Verbot privater Selbstjustiz.

Literatur und weiterführende Informationen

Für eine weiterführende Beschäftigung mit dem Thema Feme bieten rechtsgeschichtliche Werke und historische Abhandlungen detaillierte Einblicke in Rechtspraxis, Strukturen und Einflüsse der Femegerichte:

  • Karl Bosl (Hrsg.): Handwörterbuch der Geschichte, München 1972.
  • Heinrich Heppe: Geschichte der heimlichen Gerichte Westfalens, Marburg 1857.
  • Axel von Campenhausen: Femegerichte und Femestrafen, Berlin 1972.

Zusammenfassend:
Die Feme stellt ein bedeutendes, insbesondere in Westfalen verbreitetes, historisches Rechtsphänomen dar, das für seine geheime Gerichtsbarkeit, inoffizielle Verfahrensweise sowie drakonische Strafausübung bekannt war. Im heutigen Recht ist die Feme bedeutungslos und als Vorgang der Selbstjustiz oder der Bildung einer Paralleljustiz ausdrücklich verboten. Die rechtshistorische Aufarbeitung betont die Bedeutung der Entwicklung öffentlicher Gerichtsverfahren und rechtsstaatlicher Prinzipien als Lehre aus den Missständen der Femegerichtsbarkeit.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Bestimmungen galten für die Durchführung von Femegerichten im Mittelalter?

Femegerichte, insbesondere im mittelalterlichen Westfalen, unterlagen einem ausgeprägten Regelwerk, das sowohl durch das Gewohnheitsrecht als auch durch spezielle Satzungen, wie die “Femestatuten”, geprägt war. Die Zusammensetzung des Gerichts, das Verfahren, die Zuständigkeiten und die Strafen waren detailliert geregelt. Gerichtsherren (sogenannte Freigrafen) mussten in ihrem Territorium zugelassen und oftmals vom jeweils herrschenden Landesherren bestätigt sein. Nur bestimmte Delikte, vor allem Landfriedensbruch oder schwere Vergehen gegen Personen und Eigentum, konnten durch die Feme verhandelt werden. Die Teilnahme war einer besonderen Personengruppe vorbehalten, die unter Eid zur Geheimhaltung verpflichtet war. Der Ablauf orientierte sich an einer mündlichen Verhandlung mit Zeugenbefragung und schriftlicher Protokollierung. Das Femerecht war damit eine anerkannte Gerichtsform, und seine Entscheidungen hatten Rechtskraft, wenngleich sie später zunehmend Kritik erfuhren und in Konkurrenz zu Landesherren und städtischen Gerichtsbarkeiten traten.

Welche Rolle hatte der Landesherr im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit von Femegerichtsurteilen?

Der Landesherr besaß eine wichtige Kontroll- und Bestätigungsfunktion bezüglich der Femegerichte. Ursprünglich stand die Feme als Teil der Landgerichtsbarkeit unter seiner Hoheit, und die eingesetzten Freigrafen waren ihm in ihrer Gerichtsführung rechenschaftspflichtig. Urteile der Feme, insbesondere Todesurteile, mussten theoretisch durch den Landesherren bestätigt werden, bevor sie vollstreckt werden konnten, was den Einfluss und das Recht des Landesherren auf seine Territorien und Untertanen sichern sollte. Mit fortschreitender Zeit griffen Landesherren verstärkt in die Praxis der Feme ein, um Missbrauch zu verhindern und ihre eigene richterliche Kompetenz zu betonen. Sie konnten Femegerichterbindungen aufheben, Widerklagen zulassen oder sogar Urteile kassieren, was die Rechtmäßigkeit der Feme stark beeinflusste.

Gab es Rechtsmittel gegen die Urteile der Femegerichte?

Formelle Rechtsmittel nach heutigem Standard gab es gegen Femegerichtsurteile kaum, da sie auf der Endgültigkeit ihrer Entscheidungen bestanden. Dennoch existierten Möglichkeiten, sich gegen Urteile zu wenden: Beim Verdacht auf Verfahrensfehler, Unzuständigkeit des Gerichts oder bei offensichtlicher Rechtsverweigerung stand dem Betroffenen häufig der Appell an den Landesherren oder an ein übergeordnetes Hofgericht offen. Ferner konnten Eingaben vor dem Reichskammergericht erfolgen, sobald dieses eingerichtet war und die Femegerichte an Bedeutung verloren. Faktisch kam es aber selten zu einer erfolgreichen Revision, da die schnelle und geheime Urteilsvollstreckung – insbesondere bei Todesurteilen – eine nachträgliche Korrektur nahezu unmöglich machte.

Unterlagen, Protokolle und Urteilsbegründungen: Wie wurde die Femerechtsprechung dokumentiert?

Die Dokumentation von Femegerichtsverfahren war durch eine starke Mündlichkeit geprägt, dennoch existierten Protokolle und Urteilsbegründungen, zumeist in Form von sogenannten Femebriefen. In diesen wurden Beschuldigungen, Zeugenaussagen, das Urteil und die Auftraggeber des Urteils schriftlich fixiert. Oft wurden die Namen der Beteiligten aus Gründen der Geheimhaltung nur verschlüsselt oder gar nicht genannt. Archive von Herrschaften, Klöstern und Städten enthalten teils umfangreiche Sammlungen solcher Dokumente, wenngleich viele verloren gingen oder bewusst vernichtet wurden. Die schriftliche Fixierung diente nicht nur der Nachvollziehbarkeit, sondern auch als Beweismaterial für die Einhaltung von Recht und Ordnung gemäß den Femestatuten.

Inwiefern standen Femegerichte mit anderen Gerichtsbarkeiten im Konflikt?

Mit dem Aufkommen zentralisierter fürstlicher und städtischer Gerichtsbarkeiten gerieten Femegerichte zunehmend in den Konflikt mit konkurrierenden Rechtsinstanzen. Der Anspruch auf exklusive Zuständigkeit für bestimmte Delikte und Personen wurde immer häufiger von Landesherren und Städten in Frage gestellt. Besonders problematisch war dabei die geheime und zum Teil rigorose Vorgehensweise der Feme, die als außerordentlich empfunden wurde und Misstrauen gegenüber der korrekten Ausübung der Rechtspflege weckte. Die zunehmende Konsolidierung des Landes- und Reichsrechts führte dazu, dass Femeurteile angefochten, in Teilen aufgehoben und letztlich durch neue Prozessordnungen ersetzt wurden.

Welche gesetzlichen Sanktionen oder Strafen konnte ein Femegericht verhängen?

Femegerichte waren zur Ahndung schwerer Verbrechen befugt und konnten eine breite Palette von Strafen verhängen. Die häufigste und am meisten gefürchtete Sanktion war die Todesstrafe, die meist durch Erhängen oder das Schwert vollstreckt wurde. Daneben konnten auch andere Strafen wie das Kirchenbann, Landesverweis, Geldbußen oder Schädigungsauflagen ausgesprochen werden. Die Vollstreckung erfolgte häufig umgehend und im Geheimen, wodurch eine nachträgliche Kontrolle erschwert wurde. Strafen wurden oftmals nicht gegen den Betroffenen selbst, sondern auch gegen seine Familie oder Gefolgsleute angewandt, wenn diese als Mitwissende oder Helfershelfer galten.

Wie wurden Angeklagte vor Femegerichten geladen und welche Rechte besaßen sie im Verfahren?

Die Ladung vor ein Femegericht musste formal korrekt und in öffentlicher Weise, meist durch Boten oder Herolde, erfolgen. Die Zahl der erforderlichen Ladungen konnte variieren, war aber deutlich festgelegt, um Willkür zu vermeiden. Wurde ein Angeklagter nicht geladen oder weigerte er sich, trotz mehrfacher Ladung zu erscheinen, konnte er in die Acht erklärt werden, was einem Urteil in Abwesenheit gleichkam. Das Recht auf Verteidigung war formal gegeben, obgleich die tatsächlichen Möglichkeiten einer Verteidigung aufgrund der überwiegend geheimen und elitären Zusammensetzung der Femegerichte eingeschränkt waren. Zeugen konnten gehört werden, und unter bestimmten Voraussetzungen war die Beiziehung von Rechtsbeiständen erlaubt, wenngleich dies in der Praxis selten vorkam.