Legal Lexikon

Feindeslisten


Begriff und rechtliche Einordnung von Feindeslisten

Feindeslisten sind im rechtlichen Sinne Verzeichnisse, Auflistungen oder Datensammlungen, in denen Einzelpersonen oder Personengruppen als angebliche „Feinde” identifiziert und zumeist mit personenbezogenen Daten erfasst werden. Ziel solcher Listen kann sein, diese Personen zu diskreditieren, einzuschüchtern oder Straftaten gegen sie in die Wege zu leiten. Häufig werden Feindeslisten im politisch motivierten oder extremistischen Kontext verwendet, insbesondere durch rechtsextreme, aber auch durch andere extremistische Gruppierungen. Die Erstellung, Verbreitung und Nutzung solcher Feindeslisten ist in Deutschland mit verschiedenen straf- und datenschutzrechtlichen Risiken verbunden.

Geschichtlicher Hintergrund und gesellschaftlicher Kontext

Historische Entwicklung

Bereits im 20. Jahrhundert, insbesondere in der Zeit des Nationalsozialismus, fanden sog. „Schwarze Listen” Anwendung, um politische Gegner und Minderheiten zu verfolgen. In der Bundesrepublik Deutschland tauchten Feindeslisten insbesondere ab den 1990er Jahren vermehrt in Neonazi-Szenen und anderen extremistischen Strömungen auf. Die Digitalisierung hat die Verbreitungswege solcher Listen seit der Jahrtausendwende erheblich erleichtert.

Erscheinungsformen

Feindeslisten können online oder offline existieren. Sie werden durch Webseiten, soziale Netzwerke, Foren oder Messenger-Dienste verbreitet, tauchen aber auch als gedruckte Aufstellungen auf. In einigen Fällen werden sie gezielt mit Handlungsaufforderungen wie Bedrohung, Diffamierung oder körperlicher Gewalt verknüpft.

Rechtliche Relevanz und strafrechtliche Bewertung von Feindeslisten

Datenschutzrechtliche Aspekte

Das Erstellen und Verbreiten von Feindeslisten berührt zentrale Bestimmungen des Datenschutzrechts, insbesondere nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG).

  • Unrechtmäßige Datenverarbeitung: Das Zusammenstellen personenbezogener Daten ohne Einwilligung oder ohne eine Rechtsgrundlage nach Art. 6 DSGVO stellt eine rechtswidrige Verarbeitung dar. Besondere Persönlichkeitsrechte werden verletzt, wenn Informationen wie Name, Adresse, Kontaktmöglichkeiten oder beruflicher Hintergrund ohne Zustimmung veröffentlicht werden.
  • Schadensersatzanspruch: Gemäß Art. 82 DSGVO besteht ein Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden, wenn Betroffene durch die unrechtmäßige Verarbeitung in ihren Rechten verletzt wurden.
  • Aufsicht und Sanktionen: Die Datenschutzaufsichtsbehörden können Bußgelder verhängen und Unterlassungsanordnungen aussprechen.

Strafrechtliche Beurteilung

Das Strafgesetzbuch (StGB) erfasst unterschiedliche Konstellationen im Zusammenhang mit Feindeslisten:

Vorbereitung einer Straftat (§ 126a StGB)

Seit dem 1. Oktober 2021 ist die „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat” (sog. Feindeslisten-Paragraf, § 126a StGB) ausdrücklich mit Strafe bedroht. Wer eine personenbezogene Datenliste zusammenstellt, um die Begehung einer der in Abs. 1 Nr. 1 bis 3 genannten Straftaten zu ermöglichen oder zu erleichtern und dadurch eine konkrete Gefahr für Leben, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit Dritter schafft, macht sich strafbar. Die Norm wurde aufgrund einer gestiegenen Bedrohung durch Feindeslisten insbesondere im extremistischen Spektrum eingeführt.

Bedrohung (§ 241 StGB)

Wird durch die Verbreitung einer Feindesliste eine Bedrohungssituation für die Betroffenen geschaffen, kann § 241 StGB einschlägig sein.

Öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB)

Wird über eine Feindesliste zu Angriffen oder anderen Straftaten gegen die gelisteten Personen aufgefordert, kann § 111 StGB („Öffentliche Aufforderung zu Straftaten”) Anwendung finden.

Beleidigung, Verleumdung und üble Nachrede (§§ 185-187 StGB)

Werden Personen auf einer Feindesliste in herabwürdigender oder falscher Weise dargestellt, können tatbestandlich auch Ehrdelikte wie Beleidigung (§ 185 StGB), üble Nachrede (§ 186 StGB) oder Verleumdung (§ 187 StGB) erfüllt werden.

Nachstellung (§ 238 StGB) und Stalking

Feindeslisten können Bestandteil einer systematischen Nachstellung („Stalking”) sein, wenn sie gezielt dazu dienen, das Opfer in seinem Lebensalltag einzuschränken und Angst zu erzeugen.

Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz (§ 22 KUG)

Die Veröffentlichung von Lichtbildern auf Feindeslisten ohne Erlaubnis zieht ggf. auch Verstöße gegen das Kunsturhebergesetz nach sich.

Zivilrechtliche Ansprüche

Betroffene von Feindeslisten können zivilrechtliche Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche geltend machen, etwa gemäß §§ 1004, 823 BGB (analog), gestützt auf die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Auch Schmerzensgeldforderungen kommen in Betracht.

Schutz der Betroffenen und behördliche Maßnahmen

Polizeiliche und behördliche Reaktion

Die Aufnahme auf eine Feindesliste ist kein triviales Ereignis. Die Polizei informiert betroffene Personen nach Bekanntwerden häufig proaktiv. Daneben greifen präventive Schutzkonzepte, etwa durch Gefährderansprachen, Aufnahme in Zeugen- oder Opferschutzprogramme und Bereitstellung von Sicherheitsberatungen.

Meldung und Löschung

Betroffene, die feststellen, dass ihre Daten auf einer Feindesliste auftauchen, sollten dies dokumentieren und Strafanzeige erstatten. Ferner besteht ein Anspruch auf Löschung der eigenen Daten gemäß Art. 17 DSGVO, der gegenüber Webseitenbetreibern und Plattformen geltend gemacht werden kann.

Abgrenzungen, Kritik und rechtspolitische Diskussion

Abgrenzung zu legalen Listen

Nicht jede öffentlich zugängliche Personendaten-Sammlung ist eine Feindesliste. Legale Listen aus journalistischen, wissenschaftlichen oder behördlichen Zwecken sind von Feindeslisten abzugrenzen, sofern keine Persönlichkeitsrechte verletzt und keine rechtswidrigen Zwecke verfolgt werden.

Debatte um Meinungsfreiheit

Die Grenze zulässiger Meinungsäußerung endet dort, wo Persönlichkeitsrechte, Datenschutz oder Strafgesetze verletzt werden. In der rechtspolitischen Debatte wird die Balance zwischen Schutz der Meinungsfreiheit und effektivem Schutz potenzieller Opfer kontrovers diskutiert.

Effektivität der neuen Strafnorm (§ 126a StGB)

Die Erweiterung des Strafrechts um § 126a StGB wurde durch Sicherheitsbehörden und zivilgesellschaftliche Organisationen überwiegend begrüßt, gleichwohl gibt es Diskussionen hinsichtlich der Wirksamkeit und der ausreichenden Handlungsmöglichkeiten für Betroffene.

Literatur, Urteile und weiterführende Hinweise

Aktuelle Gerichtsentscheidungen, Fachpublikationen und Richtlinien der Datenschutzbehörden konkretisieren die rechtliche Behandlung von Feindeslisten fortlaufend. Zu beachten ist, dass sowohl das rechtsstaatliche Vorgehen gegen Feindeslisten als auch der Opferschutz im engeren Fokus der Sicherheitsbehörden und Gesetzgebung stehen.


Zusammenfassung
Feindeslisten sind Ausdruck einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung und in vielen Fällen zugleich strafbare Handlung. Ihr rechtlicher Kontext umfasst Datenschutzrecht, zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz und eine Vielzahl strafrechtlicher Normen. Die Aufnahme, Veröffentlichung und Verbreitung personenbezogener Daten mit dem Ziel der Einschüchterung, Gefährdung oder Diffamierung ist in Deutschland in aller Regel rechtswidrig und wird zum Schutz der Betroffenen konsequent verfolgt.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen für das Anlegen und Verbreiten von Feindeslisten?

Das Erstellen und Verbreiten von sogenannten Feindeslisten kann in Deutschland je nach Inhalt und Verwendung verschiedene strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Werden auf solchen Listen personenbezogene Daten wie Namen, Adressen oder sensible Informationen veröffentlicht und damit gezielt öffentlich gemacht, kann dies den Tatbestand der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a StGB), der Verletzung von Dienstgeheimnissen (§ 353b StGB) oder der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB) erfüllen. Insbesondere ist auch der Straftatbestand der „Gefährdung durch Verbreitung personenbezogener Daten” (§ 126a StGB) relevant, der 2021 neu eingeführt wurde und unter anderem das Veröffentlichen privater Daten mit dem Ziel der Einschüchterung, Bedrohung oder Anstiftung zu Straftaten unter Strafe stellt. Je nach Einzelfall kann auch eine Strafbarkeit wegen Beleidigung, Bedrohung oder Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) vorliegen. Darüber hinaus bestehen zivilrechtliche Ansprüche, insbesondere auf Unterlassung und gegebenenfalls Schadensersatz gemäß § 823 BGB (Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts).

Ist die Verwendung und Verbreitung von Feindeslisten im Internet strafbar?

Ja, das Verbreiten von Feindeslisten im Internet kann strafbar sein, insbesondere wenn darauf personenbezogene Daten ohne ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen veröffentlicht werden. Nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ist eine Veröffentlichung solcher Daten unzulässig, wenn keine gesetzlichen Erlaubnistatbestände oder eine Einwilligung vorliegen. Speziell der § 126a StGB adressiert das sogenannte „Doxing”, also das Veröffentlichen von personenbezogenen Daten im Internet mit schädigender Absicht, und stellt dies unter Strafe, falls daraus eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit erwächst. Bei politischen oder aktivistischen Zusammenhängen stehen oft auch Aspekte der Volksverhetzung (§ 130 StGB), Bedrohung oder öffentlicher Aufforderung zu Straftaten im Raum. Zudem drohen dem Betreiber der Website Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz von Betroffenen.

Welche Rolle spielt dabei das Datenschutzrecht?

Das Datenschutzrecht und insbesondere die Vorgaben der DSGVO sowie des BDSG spielen eine zentrale Rolle im Zusammenhang mit Feindeslisten. Die Erhebung, Speicherung und Verbreitung personenbezogener Daten ist grundsätzlich nur erlaubt, wenn eine rechtliche Grundlage vorliegt. Ohne Einwilligung oder berechtigtes Interesse gemäß Art. 6 DSGVO ist die Verarbeitung solcher Daten rechtswidrig. Die Veröffentlichung von Feindeslisten stellt fast immer einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Betroffene haben daher das Recht auf Löschung der Daten (Art. 17 DSGVO), können Beschwerde bei den Datenschutzbehörden einlegen und gegebenenfalls zivilrechtliche Ansprüche geltend machen.

Welche Möglichkeiten haben Betroffene, gegen Feindeslisten vorzugehen?

Betroffene können sich sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich gegen eine Nennung auf Feindeslisten zur Wehr setzen. Zivilrechtlich stehen ihnen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gemäß §§ 823, 1004 BGB in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu. Sie können zudem nach der DSGVO die Löschung ihrer Daten verlangen und Anspruch auf Auskunft über den Verarbeiter (§ 34 BDSG, Art. 15 DSGVO) geltend machen. Strafrechtlich können sie Anzeige erstatten, insbesondere wegen Verletzung des Datenschutzes (§ 42 BDSG), Bedrohung, Nötigung, Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes oder Verbreitung personenbezogener Daten (§ 126a StGB). Darüber hinaus ist die Einbindung der Datenschutzaufsichtsbehörden möglich. In dringenden Fällen kann zudem im Eilrechtsschutz eine einstweilige Verfügung beim Zivilgericht beantragt werden.

Können Plattformbetreiber und Hosting-Dienste für Feindeslisten haftbar gemacht werden?

Ja, Plattformbetreiber und Hosting-Anbieter können im Rahmen der sogenannten Störerhaftung oder als Mitstörer unter bestimmten Umständen zivilrechtlich haften, wenn sie Feindeslisten hosten oder verbreiten lassen. Nach Kenntniserlangung von der rechtswidrigen Liste, etwa durch eine Beschwerde oder Abmahnung, sind sie verpflichtet, die betroffenen Inhalte unverzüglich zu entfernen, da sie sonst selbst für etwaige Verletzungen des Persönlichkeitsrechts oder Datenschutzverletzungen haften können. Aufgrund der Provider-Privilegien (§§ 7-10 Telemediengesetz) sind sie zwar vor einer Kenntnisnahme nicht verpflichtet, proaktiv nach rechtswidrigen Inhalten zu suchen, aber nach Kenntnis müssen sie handeln, um ihre Haftung zu vermeiden.

Gibt es Ausnahmen oder Rechtfertigungen für die Erstellung von Feindeslisten?

Ausnahmsweise kann das Erstellen von Listen zur Dokumentation etwa für wissenschaftliche, politisch-historische oder journalistische Zwecke gerechtfertigt sein, allerdings nur, wenn dabei keine personenbezogenen Daten Einzelner ohne deren Einwilligung veröffentlicht werden oder berechtigte Interessen das Vorgehen rechtfertigen. Dies ist zumeist eng begrenzt, da dem Schutz des Persönlichkeitsrechts und Datenschutzes Vorrang eingeräumt wird. Lediglich bei nachweislich öffentlichen und allgemein zugänglichen Informationen oder bei Einwilligung der Betroffenen ist eine Veröffentlichung rechtlich möglich. Jegliche Verbreitung mit Schädigungsabsicht, Einschüchterung oder Bedrohung bleibt unzulässig und kann strafrechtlich verfolgt werden.