Begriff und rechtliche Einordnung der Fehlbelegungsabgabe
Die Fehlbelegungsabgabe ist ein im deutschen Wohnraummietrecht verankertes ordnungsrechtliches Instrument, das die Belegung von öffentlich gefördertem Wohnraum (Sozialwohnung) durch Haushalte mit nicht (mehr) bestehendem Wohnberechtigungsschein (WBS) belegt. Ziel ist die Sicherstellung, dass öffentlich geförderte Wohnungen vorrangig einkommensschwächeren Haushalten zur Verfügung stehen. Die Abgabe ist als Sanktion konstruiert, um Fehlbelegungen zu verhindern und eine Weitergabe der Wohnraumförderung an nicht berechtigte Haushalte zu unterbinden.
Historische Entwicklung der Fehlbelegungsabgabe
Ursprung und gesetzliche Grundlage
Die Einführung der Fehlbelegungsabgabe erfolgte erstmals mit den Wohnungsbindungsgesetzen der 1970er Jahre auf Ebene der Bundesländer und stellte eine Reaktion auf die knapper werdenden Bestände an Sozialwohnungen sowie einen Anstieg von Fehlbelegungen – also Haushalten mit gestiegenem Einkommen in Sozialwohnungen – dar. Das bundesrechtliche Instrumentarium zur Fehlbelegungsabgabe fußt auf dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (WoBauG) und seinen Nachfolgeregelungen. Seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 obliegt die Kompetenz zur Regelung der sozialen Wohnraumförderung einschließlich der Erhebung einer Fehlbelegungsabgabe den Ländern (§ 11 Wohnraumförderungsgesetz – WoFG).
Aktuelle Rechtslage und Länderregelungen
Nach der Föderalismusreform haben zahlreiche Bundesländer eigenständige Regelungen zur Erhebung und Verwendung der Fehlbelegungsabgabe erlassen. Wesentliche Normen sind in speziellen Landesgesetzen oder Verordnungen, wie etwa dem Gesetz über die Erhebung einer Fehlbelegungsabgabe (FehlbG) in Nordrhein-Westfalen, kodifiziert. Der Vollzug und die konkrete Ausgestaltung (Höhe, Bemessung, Ausnahmen) unterscheiden sich dabei länderspezifisch erheblich.
Anwendungsbereich und Erhebung
Voraussetzungen für die Zahlungspflicht
Eine Pflicht zur Zahlung der Fehlbelegungsabgabe besteht, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ vorliegen:
- Es handelt sich um eine mit öffentlichen Mitteln geförderte Wohnung.
- Der oder die Bewohner erfüllen die Einkommensgrenzen für einen Wohnberechtigungsschein (WBS) dauerhaft oder vorübergehend nicht (mehr).
- Eine Anpassung der Miete an das gestiegene Einkommen ist entweder rechtlich oder tatsächlich ausgeschlossen.
Ermittlung der Höhe
Die Höhe der Fehlbelegungsabgabe ist abhängig vom überschrittenen Betrag der maßgeblichen Einkommensgrenzen und wird in der Regel gestaffelt. Die Berechnungsmethode ist landesrechtlich festgelegt und nimmt Bezug auf das relevante Einkommen und den jeweiligen Förderstatus des Wohnraums.
Musterberechnung (vereinfachtes Beispiel)
Liegt das Gesamteinkommen des Haushalts z. B. 40 % über der geltenden WBS-Grenze und sieht die Länderverordnung für diesen Fall eine monatliche Abgabe von 2,50 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche vor, so multipliziert sich dieser Satz mit der tatsächlichen Wohnfläche der Sozialwohnung.
Ausnahme- und Härteregelungen
Die Landesgesetze sehen regelmäßig Ausnahmen und Härtefallregelungen vor, etwa zugunsten von Haushalten, bei denen innerhalb einer Übergangszeit die Berechtigung entfallen ist oder besondere soziale Gründe eine Beibehaltung der Wohnung rechtfertigen. Typische Ausnahmen betreffen ältere Menschen, Schwerbehinderte oder bestimmte familiäre Situationen.
Rechtsfolgen und Vollzug
Rechtsnatur der Abgabe
Die Fehlbelegungsabgabe ist keine Mieterhöhung, sondern eine öffentlich-rechtliche Abgabe, die neben der eigentlichen Miete an das Bundesland bzw. die Kommune zu entrichten ist. Sie stellt kein privatrechtliches Entgelt dar, sondern verfolgt steuerungs- und lenkungspolitische Ziele der Wohnraumverteilung.
Durchsetzung und Rechtsmittel
Die Festsetzung der Fehlbelegungsabgabe erfolgt durch Verwaltungsakt. Gegen entsprechende Bescheide können betroffene Nutzerinnen und Nutzer Rechtsbehelfe nach dem Verwaltungsverfahrensrecht, insbesondere Widerspruch und im weiteren Verlauf Klage vor den Verwaltungsgerichten, einlegen.
Folgen bei Nichtentrichtung
Die Nichtzahlung der Fehlbelegungsabgabe kann zu Vollstreckungsmaßnahmen führen. Ein Mietverhältnis wird davon allerdings nicht berührt, solange die Mieten ordnungsgemäß gezahlt werden; die Regelungen zur Räumung oder Kündigung eines Mietverhältnisses wegen Fehlbelegung sind rechtlich streng von der Abgabenpflicht zu trennen.
Verwendung der Einnahmen aus der Fehlbelegungsabgabe
Zweckgebunden werden die Einnahmen aus der Fehlbelegungsabgabe im Wesentlichen erneut für die Förderung sozialen Wohnungsbaus genutzt. Der Gesetzgeber verfolgt damit das Ziel, eine gerechte Mittelumverteilung zu organisieren und Fördermittelverluste durch nicht mehr förderberechtigte Nutzergruppen zu kompensieren.
Bestandsschutz und Verfassungsrechtliche Aspekte
Eingriffe in Bestandsmietverhältnisse
Die Einführung oder Verschärfung der Fehlbelegungsabgabe zieht oftmals Diskussionen über Eingriffe in bereits bestehende Mietverhältnisse nach sich. Das Bundesverfassungsgericht betont in ständiger Rechtsprechung die Zulässigkeit solcher Regelungen, sofern berechtigte Gemeinwohlinteressen vorliegen und die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt.
Sozialstaatsprinzip und Eigentumsschutz
Die Fehlbelegungsabgabe bewegt sich im Spannungsfeld von Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) und Eigentumsgarantie (Art. 14 GG). Eine nachträgliche Verpflichtung zur Abgabe ist grundsätzlich als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums zu qualifizieren, solange sie dem öffentlichen Interesse an sozialer Wohnungspolitik dient.
Aktuelle Entwicklungen und Kritik
Die Bedeutung der Fehlbelegungsabgabe ist vor dem Hintergrund des angespannten Wohnungsmarktes und schwindender Bestände an Sozialwohnungen weiterhin hochaktuell. Kritiker bemängeln jedoch die teils geringe Steuerungswirkung und unzureichende soziale Ausdifferenzierung. Reformvorschläge betreffen insbesondere die Harmonisierung der Länderregelungen sowie eine stärkere Verknüpfung mit flankierenden Maßnahmen zur Erhöhung der Sozialwohnungsquote.
Die Fehlbelegungsabgabe stellt damit ein zentrales Steuerungsinstrument im Recht der sozialen Wohnraumförderung dar, dessen landesrechtliche Ausgestaltung maßgeblich für die Wirksamkeit und Effizienz der sozialen Wohnraumbewirtschaftung in Deutschland ist.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist im rechtlichen Sinne von der Fehlbelegungsabgabe betroffen?
Von der Fehlbelegungsabgabe betroffen sind grundsätzlich Mieterinnen und Mieter von öffentlich gefördertem Wohnraum, deren Einkommen eine bestimmte, durch das jeweilige Landesrecht festgelegte Einkommensgrenze überschreitet. Die rechtliche Grundlage ergibt sich in der Regel aus den jeweiligen Landesgesetzen zur sozialen Wohnraumförderung. In den meisten Bundesländern ist dabei das Überschreiten einer sogenannten maßgeblichen Einkommensgrenze ausschlaggebend, wann eine Fehlbelegung vorliegt. Dies betrifft allerdings nicht jede Person, sondern nur solche, die ursprünglich durch einen Wohnberechtigungsschein (WBS) Zugang zu gefördertem Wohnraum erhalten haben, denen aber nach einer späteren Einkommensprüfung die Förderberechtigung aberkannt wird. Von der Verpflichtung zur Fehlbelegungsabgabe ausgenommen sind regelmäßig Personen, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften besonderen Schutz genießen, etwa Rentner, Menschen mit Behinderung oder bestimmte soziale Härtefälle. Die genaue Ausgestaltung und etwaige Ausnahmen richten sich stets nach den jeweiligen landesrechtlichen Regelungen, weshalb eine Einzelfallüberprüfung unerlässlich ist.
Wie wird die Höhe der Fehlbelegungsabgabe rechtlich ermittelt?
Die Höhe der Fehlbelegungsabgabe wird auf Basis des das zulässige Einkommen übersteigenden Betrags nach einem gesetzlich fixierten Schlüssel berechnet. Rechtsgrundlage sind hierbei die entsprechenden Wohnraumförderungsgesetze bzw. Fehlbelegungsabgabengesetze des jeweiligen Bundeslandes. Die Festsetzung berücksichtigt dabei Staffelungen: Je nachdem, wie deutlich das Einkommen die zulässige Grenze überschreitet, steigt die Abgabe progressiv an. Zudem sind meist sowohl das Haushaltseinkommen als auch die Wohnungsgröße relevant. Bestehende Kinderfreibeträge, Unterhaltspflichten und weitere gesetzlich vorgesehene Abzugsfähigkeit besonders belastender Ausgaben spielen hier eine Rolle. Die Ermittlung erfolgt durch die zuständige Behörde auf Basis der vom Mieter offenzulegenden aktuellen Einkommensverhältnisse. Weigert sich ein Mieter, die notwendigen Angaben zu machen, kann die Behörde das Einkommen schätzen.
Welche Pflichten zur Mitwirkung und Offenlegung hat der Mieter im Zusammenhang mit der Fehlbelegungsabgabe?
Gemäß den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen sind Mieter verpflichtet, ihre Einkommensverhältnisse regelmäßig gegenüber der zuständigen Stelle, meist dem Wohnungsamt, offenzulegen. Diese Verpflichtung ergibt sich insbesondere aus den Landesgesetzen zur Wohnraumförderung und den jeweiligen Mietverträgen über geförderten Wohnraum. Meist ist jährlich oder nach Aufforderung eine aktuelle Einkommens- und Haushaltsgrößenerklärung einzureichen, einschließlich Belegnachweisen (wie Gehaltsabrechnungen, Bescheinigungen über Sozialleistungen, Steuerbescheide etc.). Kommt der Mieter dieser Pflicht nicht oder nicht fristgerecht nach, kann die Behörde die erforderlichen Angaben schätzen und auf dieser Basis ggf. eine Fehlbelegungsabgabe festsetzen. Darüber hinaus kann dies als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
Wie werden fehlerhafte oder verspätete Angaben zur Einkommenssituation rechtlich sanktioniert?
Wenn ein Mieter seine Einkommensverhältnisse verspätet, unvollständig oder vorsätzlich falsch angibt, sieht das jeweilige Landesrecht in der Regel Sanktionen vor. Rechtsfolgen sind insbesondere die behördliche Schätzung des Einkommens – meist zu Lasten des Mieters -, rückwirkende Festsetzung und Erhebung der Fehlbelegungsabgabe sowie gegebenenfalls die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens. In gravierenden Fällen kann zudem eine Rückforderung der zu Unrecht bezogenen Wohnförderung erfolgen oder, bei vorsätzlicher Täuschung, sogar eine strafrechtliche Verfolgung wegen Betrugs drohen. Die Sanktionen dienen der Durchsetzung der Mitwirkungspflichten und der Sicherstellung der korrekten Erhebung der Fehlbelegungsabgabe.
Welche rechtlichen Möglichkeiten der Überprüfung und des Widerspruchs gegen die Festsetzung gibt es?
Gegen die Festsetzung der Fehlbelegungsabgabe durch die zuständige Behörde besteht für Betroffene der Rechtsweg nach den jeweiligen Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder. In aller Regel ist zunächst ein Widerspruch bei der festsetzenden Behörde innerhalb der gesetzlichen Frist (gewöhnlich ein Monat nach Bekanntgabe des Bescheides) einzulegen. Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, besteht das Recht, Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht zu erheben. Während des laufenden Widerspruchs- oder Klageverfahrens besteht grundsätzlich weiterhin die Verpflichtung, die festgesetzte Abgabe vorläufig zu zahlen, es sei denn, das Gericht trifft eine abweichende Anordnung (z. B. Aussetzung der Vollziehung). Es empfiehlt sich, im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens alle Umstände, die zu einer abweichenden Entscheidung führen könnten, vollständig und nachweisbar darzulegen.
Welche Rolle spielen Härtefallregelungen im Zusammenhang mit der Fehlbelegungsabgabe rechtlich?
Landesgesetze zur Fehlbelegungsabgabe sehen oftmals sogenannte Härtefallregelungen vor, um besondere soziale beziehungsweise wirtschaftliche Ausnahmefälle zu berücksichtigen. Maßgebliches Ziel dieser Regelungen ist der Schutz von Mietern, die trotz Überschreitens der Einkommensgrenze aus nachvollziehbaren Gründen nicht zur Zahlung einer (vollen) Fehlbelegungsabgabe in der Lage sind. Ein Härtefall kann beispielsweise dann vorliegen, wenn plötzlich gravierende Einkommenseinbußen oder außergewöhnlich hohe Belastungen, etwa für Pflege, Gesundheit oder Unterhalt, auftreten. Die Entscheidung über die Anerkennung eines Härtefalls trifft stets die zuständige Behörde im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens. Voraussetzung ist jedoch, dass der Mieter den Härtefall geltend macht und nachweist.
Welche Rechtsfolgen hat die Teilnahme an Modernisierungs- oder Sanierungsmaßnahmen für die Fehlbelegungsabgabe?
Wird der geförderte Wohnraum durch Modernisierungs- oder Sanierungsmaßnahmen aufgewertet, können sich daraus Konsequenzen für die Bemessung der Fehlbelegungsabgabe ergeben. Gesetzlich vorgesehen ist in bestimmten Fällen, dass erhöhte Kaltmieten infolge zulässiger Modernisierung bei der Feststellung einer Fehlbelegung zu berücksichtigen sind. Die Erhöhung der Miethöhe kann je nach landesgesetzlicher Regelung die zumutbare wirtschaftliche Belastung beeinflussen, sodass sich die Abgabe mindert oder aussetzen lässt. Entscheidend ist aber, dass die Modernisierungsmaßnahmen gesetzlich zulässig und vertraglich korrekt umgesetzt wurden und die erhöhten Mietkosten tatsächlich vom Mieter getragen werden. Auch in diesem Kontext ist stets eine individuelle Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen erforderlich.