Legal Lexikon

Familienpflegezeit


Begriff und rechtliche Einordnung der Familienpflegezeit

Die Familienpflegezeit ist ein rechtliches Instrument zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege. Sie ermöglicht Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unter bestimmten Voraussetzungen, ihre Arbeitszeit für einen festgelegten Zeitraum zu reduzieren, um nahe Angehörige zu pflegen, und gleichzeitig den Anschluss an das Berufsleben zu wahren. Die Familienpflegezeit ist in Deutschland durch das Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) geregelt und stellt eine zentrale Säule im Netz der gesetzlichen Pflegeunterstützung dar. Sie ist von anderen, ähnlich zugeschnittenen Regelungen wie der Pflegezeit oder dem Pflegeunterstützungsgeld abzugrenzen.

Rechtsgrundlagen der Familienpflegezeit

Die maßgebliche rechtliche Grundlage bildet das Gesetz über die Familienpflegezeit (Familienpflegezeitgesetz, FPfZG). Ergänzende Regelungen finden sich im Pflegezeitgesetz (PflegeZG) sowie im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).

Zielsetzung und Zweck

Ziel der Familienpflegezeit ist es, Erwerbstätigen die Möglichkeit zu geben, pflegebedürftige nahe Angehörige in häuslicher Umgebung zu betreuen, ohne dabei den Arbeitsplatz aufgeben zu müssen. Gleichzeitig soll eine spätere Rückkehr zur vollen Arbeitszeit erleichtert werden.

Persönlicher Anwendungsbereich

Die Familienpflegezeit können grundsätzlich alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Anspruch nehmen, unabhängig von der Betriebsgröße. Bestimmte Personengruppen sind jedoch explizit vom Anwendungsbereich ausgeschlossen, wie:

  • Personen in einer geringfügigen Beschäftigung (Minijob)
  • Arbeitnehmer in Unternehmen mit regelmäßig weniger als 15 Beschäftigten
  • Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter sowie Soldaten (für sie gelten besondere Vorschriften)

Zeitlicher Umfang und Gestaltung

Die Familienpflegezeit kann für maximal 24 Monate in Anspruch genommen werden. Die wöchentliche Mindestarbeitszeit während der Familienpflegezeit beträgt 15 Stunden. Die Reduzierung kann flexibel gestaltet werden, ersetzt jedoch nicht die vollständige Arbeitsfreistellung.

Voraussetzungen der Inanspruchnahme

Pflegebedürftigkeit und Personenkreis

Die Maßnahme bezieht sich auf die Pflege von nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung. Als nahe Angehörige gelten nach FPfZG:

  • Eltern, Großeltern
  • Ehepartner, Lebenspartner (§ 1 Abs. 2 Lebenspartnerschaftsgesetz)
  • Geschwister
  • Kinder, Enkelkinder
  • Schwiegereltern, Schwägerinnen und Schwager

Die zu pflegende Person muss im Sinne des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) als pflegebedürftig eingestuft sein.

Antragsverfahren und Nachweispflichten

Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer muss die Familienpflegezeit mindestens acht Wochen vor dem gewünschten Beginn schriftlich beim Arbeitgeber ankündigen. Der Antrag muss den Zeitraum, den Umfang der Arbeitszeitreduzierung und die Angaben zur pflegebedürftigen Person sowie deren Pflegebedürftigkeit enthalten. Auf Verlangen sind entsprechende Nachweise, insbesondere die Bescheinigung der Pflegekasse über den Pflegegrad, vorzulegen.

Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Die Arbeitszeitreduzierung und die Verteilung der Arbeitszeit während der Familienpflegezeit sind zwischen den Parteien zu vereinbaren. Der Arbeitgeber kann den Wunsch im Ausnahmefall aus betrieblichen Gründen ablehnen. Die Ablehnung ist zu begründen.

Rechtsfolgen der Familienpflegezeit

Entgelt und Rückkehr zur Vollzeit

Während der Familienpflegezeit sinkt das Arbeitsentgelt entsprechend der Arbeitszeitreduzierung. Es besteht die Möglichkeit, durch ein zinsloses staatliches Darlehen das reduzierte Einkommen auszugleichen. Nach Ablauf der Familienpflegezeit besteht Anspruch auf Rückkehr zur vorherigen Arbeitszeit.

Kündigungsschutz

Besonderer Kündigungsschutz gilt vom Zeitpunkt der Ankündigung, frühestens jedoch zwölf Wochen vor Beginn, bis zum Ablauf der Familienpflegezeit. Eine Kündigung während dieser Zeit ist grundsätzlich unzulässig und bedarf der Zustimmung der zuständigen Landesbehörde.

Beendigung und vorzeitige Rückkehr

Die Familienpflegezeit kann in bestimmten Fällen vorzeitig beendet werden, insbesondere bei Tod des pflegebedürftigen Angehörigen, aber auch durch Vereinbarung zwischen den Parteien. In allen Fällen ist der Arbeitgeber frühzeitig zu informieren.

Kombination mit anderen Freistellungsmöglichkeiten

Vereinbarkeit mit Pflegezeit und akutem Pflegefall

Die Familienpflegezeit kann mit der Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz (PflegeZG) kombiniert werden. Es ist aber zu beachten, dass die maximale Gesamtdauer von Pflegezeit und Familienpflegezeit für denselben pflegebedürftigen Angehörigen insgesamt 24 Monate nicht überschreiten darf. Für kurzfristige, akute Fälle sieht das PflegeZG ein zehntägiges, unbezahltes Freistellungsrecht vor.

Überschneidung zu anderen familienbezogenen Freistellungen

Die Familienpflegezeit schließt andere gesetzlich geregelte Freistellungsmöglichkeiten, wie Elternzeit oder die Freistellung zur Sterbebegleitung, nicht aus. Jedoch müssen die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen und Fristen beachtet werden.

Finanzierung und staatliche Förderung

Staatliches Darlehen

Um finanzielle Nachteile auszugleichen, kann ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragt werden. Das Darlehen wird monatlich ausgezahlt und orientiert sich an der Differenz zwischen dem vollen und dem gekürzten Arbeitsentgelt. Die Rückzahlung beginnt nach Beendigung der Familienpflegezeit in Raten.

Absicherung in der Sozialversicherung

Während der Familienpflegezeit bleiben die Ansprüche in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unter bestimmten Voraussetzungen erhalten. Für die Zeiten der Pflege werden unter bestimmten Bedingungen Beitragszahlungen über die Pflegekasse abgesichert.

Rechte und Pflichten während der Familienpflegezeit

Mitteilungspflichten

Arbeitnehmer sind verpflichtet, alle für die Familienpflegezeit relevanten Änderungen, insbesondere Änderungen im Pflegebedarf oder das vorzeitige Ende der Maßnahme, unverzüglich mitzuteilen.

Verbot der anderweitigen Erwerbstätigkeit

Während der Familienpflegezeit darf eine Nebentätigkeit nur ausgeübt werden, soweit sie mit dem Zweck der Freistellung vereinbar ist und keine berechtigten betrieblichen Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen.

Ende der Familienpflegezeit und Rückkehr an den Arbeitsplatz

Nach Abschluss der Familienpflegezeit besteht Anspruch auf Rückkehr zur vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Der Arbeitsplatz und die Arbeitsbedingungen sollen dem vorherigen Ausmaß entsprechen, es sei denn, betriebliche Gründe stehen entgegen. Bei Meinungsverschiedenheiten kann eine Klärung im Rahmen der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit erfolgen.

Unterschied zur Pflegezeit

Im Unterschied zur Familienpflegezeit ist bei der Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz eine vollständige oder teilweise Freistellung für maximal sechs Monate möglich, unabhängig von einer Mindestarbeitszeit. Beide Maßnahmen weisen Besonderheiten hinsichtlich der Anspruchsdauer, gesetzlichen Voraussetzungen und finanziellen Absicherung auf.

Bedeutung in der Praxis

Die Familienpflegezeit stellt einen zentralen Bestandteil im Kanon gesetzlicher Instrumente zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege in Deutschland dar. Sie trägt zur Entlastung pflegender Angehöriger bei, erhält ihre Arbeitsmarktintegration und verbessert die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Pflegeverantwortung im rechtlichen Sinn.


Literatur und weiterführende Informationen

  • Familienpflegezeitgesetz (FPfZG)
  • Pflegezeitgesetz (PflegeZG)
  • SGB XI – Soziale Pflegeversicherung

Hinweis: Dieser Artikel stellt eine allgemeine Beschreibung der Familienpflegezeit nach deutschem Recht dar und bietet einen Überblick über die relevanten Vorschriften und deren rechtspraktische Anwendung.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Inanspruchnahme der Familienpflegezeit erfüllt sein?

Um Familienpflegezeit nach dem Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) beanspruchen zu können, müssen bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen darf das Arbeitsverhältnis nicht in einem Kleinbetrieb mit 15 oder weniger Beschäftigten bestehen; maßgeblich ist die durchschnittliche Beschäftigtenzahl im Betrieb ohne Auszubildende. Weiterhin muss ein naher Angehöriger gemäß § 7 Abs. 3 FPfZG häuslich gepflegt werden, wozu beispielsweise Eltern, Schwiegereltern, Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Kinder, Adoptiv- und Pflegekinder zählen. Der Arbeitnehmer muss eine pflegerische Versorgung übernehmen, es genügt keine bloße Unterstützung. Zudem ist ein formloser Antrag auf Familienpflegezeit unter Einhaltung einer Ankündigungsfrist von acht Wochen beim Arbeitgeber einzureichen. Die Dauer der Familienpflegezeit darf höchstens 24 Monate betragen; eine Mindestarbeitszeit von 15 Wochenstunden im Durchschnitt muss eingehalten werden. Grundsätzlich kann Familienpflegezeit nur geltend gemacht werden, wenn keine vollständige Arbeitsfreistellung (wie bei Pflegezeit) verlangt wird. Ein Anspruch auf Familienpflegezeit besteht nicht, wenn dies einer unzumutbaren betrieblichen Härte für den Arbeitgeber entgegensteht, § 2 Abs. 3 FPfZG.

Welche Mitteilungspflichten und Nachweise hat der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber?

Für die Inanspruchnahme der Familienpflegezeit ist der Arbeitnehmer verpflichtet, den Arbeitgeber schriftlich mindestens acht Wochen vor ihrem geplanten Beginn über Beginn, Dauer, Lage und Umfang der gewünschten Arbeitszeitreduzierung zu informieren. Zusätzlich muss der Arbeitnehmer eine Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung über die Pflegebedürftigkeit und den Umfang der erforderlichen Pflege des nahen Angehörigen vorlegen, § 2 Abs. 2 Satz 2 FPfZG. Ebenso ist eine schriftliche Vereinbarung über die konkrete Ausgestaltung der Familienpflegezeit gemäß § 2a FPfZG zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber erforderlich. Die Ankündigung und alle Nachweise sind zu dokumentieren und aufzubewahren, da der Arbeitgeber sich darauf berufen kann, falls Unstimmigkeiten bezüglich der Anspruchsberechtigung auftreten.

Können Arbeitgeber Anträge auf Familienpflegezeit ablehnen, und wenn ja, aus welchen Gründen?

Grundsätzlich hat der Arbeitgeber bei Vorliegen aller gesetzlichen Voraussetzungen den Antrag zu akzeptieren. Ausnahme: Gegen eine betriebliche Inanspruchnahme der Familienpflegezeit kann sich der Arbeitgeber nur dann wehren, wenn nachweislich dringende betriebliche Gründe oder unzumutbare Härten (§ 2 Abs. 3 FPfZG) entgegenstehen. Solche Gründe können insbesondere erhebliche Betriebsablaufstörungen durch die Abwesenheit des Beschäftigten sein, wenn zumutbare Ausgleichsmöglichkeiten (etwa durch Umorganisation oder Ersatzkräfte) fehlen. Der Arbeitgeber muss die Ablehnung unverzüglich, spätestens innerhalb von vier Wochen nach Zugang des Antrags, schriftlich begründen. Eine pauschale Ablehnung ohne sachliche Begründung ist gesetzlich nicht vorgesehen und unwirksam.

Wie ist die rechtliche Regelung zur Arbeitsplatzsicherung während und nach der Familienpflegezeit?

Während der Inanspruchnahme der Familienpflegezeit gilt ein besonderer Kündigungsschutz entsprechend § 5 FPfZG. Vom Zeitpunkt der schriftlichen Ankündigung der Familienpflegezeit, jedoch höchstens zwölf Wochen vor deren geplanten Beginn, bis zum Ende der vereinbarten Familienpflegezeit ist eine Kündigung durch den Arbeitgeber grundsätzlich unzulässig. Nur in besonderen Ausnahmefällen – wenn beispielsweise schwerwiegende betriebliche Gründe vorliegen und die zuständige oberste Landesbehörde für Arbeitsschutz (oder eine von ihr bestimmte Stelle) der Kündigung im Einzelfall zustimmt – kann eine Kündigung ausgesprochen werden. Nach Beendigung der Familienpflegezeit besteht für den Arbeitnehmer ein Rückkehrrecht zur zuvor vereinbarten Arbeitszeit (bzw. Ursprungsarbeitszeit), sofern keine abweichenden Vereinbarungen getroffen wurden.

Welche Regelungen bestehen hinsichtlich des Lohnausgleichs und wie erfolgt die Rückzahlung?

Nach dem sogenannten „Zinslosdarlehen-Modell” des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) erhalten Arbeitnehmer während der Familienpflegezeit weiterhin einen Teil ihres Gehalts, den sogenannten Aufstockungsbetrag, um die finanzielle Belastung abzufedern. Gesetzlich ist vorgesehen, dass mindestens 15 Wochenstunden im Durchschnitt gearbeitet werden, wobei das Gehalt anteilig gezahlt wird. Der Lohnausgleich kann durch das erwähnte zinslose Darlehen des BAFzA erfolgen, das auf Antrag gewährt und nach Beendigung der Familienpflegezeit in Raten zurückgezahlt wird. Genaue Konditionen zur Höhe, Laufzeit, Tilgung und eventuellen Stundungsmöglichkeiten sind in der Familienpflegezeitverordnung (FPfZV) geregelt. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt selbst folgt jedoch aus dem individualrechtlichen Arbeitsvertrag; tarifliche oder betriebsvereinbarte Regelungen gehen vor.

Was geschieht, wenn eine unvorhergesehene Veränderung der Pflegesituation eintritt (beispielsweise Tod des Angehörigen)?

Tritt während der Familienpflegezeit eine unvorhergesehene Veränderung der Pflegesituation ein – etwa durch Tod, Einweisung des Angehörigen in stationäre Pflege oder Wegfall der häuslichen Pflegebedürftigkeit – endet die Familienpflegezeit gemäß § 2 Abs. 6 FPfZG mit Ablauf von vier Wochen nach Eintritt der Veränderung, sofern keine frühere Beendigung beantragt wird. Der Arbeitnehmer ist in diesem Fall verpflichtet, den Arbeitgeber unverzüglich über den Wegfall der Voraussetzungen zu informieren. Für die Rückkehr zur ursprünglich vereinbarten Arbeitszeit gelten vereinfachte Mitteilungsregeln, und Anpassungen des faktischen Arbeitsverhältnisses sind in Abstimmung mit dem Arbeitgeber zu veranlassen. Spätestens nach Ablauf der vier Wochen muss der Arbeitnehmer wieder seine reguläre Arbeitszeit aufnehmen.