Legal Lexikon

Familienasyl


Begriff und Rechtsgrundlagen des Familienasyls

Das Familienasyl ist ein Begriff aus dem deutschen Asylrecht und bezeichnet die besondere Schutzgewährung an bestimmte Familienangehörige von bereits anerkannten Asylberechtigten oder Flüchtlingen. Ziel des Familienasyls ist die Einheit und Zusammenführung der Familie, unter Gewährleistung des besonderen Schutzinteresses der im Grundgesetz und im Völkerrecht anerkannten Familie.

Die rechtlichen Grundlagen für das Familienasyl finden sich insbesondere in §§ 26 und 27 des Asylgesetzes (AsylG) sowie in internationalen Abkommen, wie der Genfer Flüchtlingskonvention. Daneben spielen Vorgaben der Europäischen Union, konkret die EU-Qualifikationsrichtlinie, eine bedeutende Rolle.


Voraussetzungen für die Gewährung von Familienasyl

Kreis der begünstigten Personen

Familienasyl kann nur bestimmten Angehörigen von Schutzberechtigten gewährt werden. Nach § 26 Abs. 1 AsylG zählen hierzu:

  • Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner
  • Minderjährige ledige Kinder

Sonderregelungen gelten bei der Anerkennung eines minderjährigen Asylberechtigten oder Flüchtlings. Hier können nach § 26 Abs. 3 AsylG auch die Eltern eines minderjährigen unbegleiteten Schutzberechtigten das Familienasyl erhalten.

Anforderungen an das familiäre Verhältnis

Die familiäre Beziehung muss bereits im Herkunftsland bestanden haben. Nach internationalem und deutschem Recht ist das Ziel, die Trennung einer im Herkunftsland bestehenden, schutzwürdigen familiären Lebensgemeinschaft zu vermeiden.

Zeitpunkt der Asylantragstellung

Für den Anspruch auf Familienasyl ist es grundsätzlich erforderlich, dass die Voraussetzungen für die Gewährung zum Zeitpunkt der Asylantragstellung vorliegen und fortbestehen. Nachzuziehende Familienangehörige müssen ihren Asylantrag innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Anerkennung des Stammberechtigten stellen (Drei-Monatsfrist gemäß § 26 Abs. 4 AsylG).


Abgrenzung: Familienasyl und Familiennachzug

Das Familienasyl ist explizit von der Aufenthaltserteilung zum Zwecke des Familiennachzugs nach §§ 27 ff. Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zu unterscheiden.

  • Familienasyl bedeutet die Anerkennung eines eigenen Asyl- oder Flüchtlingsstatus für die Familienangehörigen, basierend auf der Beziehung zum anerkannten Schutzberechtigten.
  • Familiennachzug gewährt lediglich eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Zusammenlebens mit dem Stammberechtigten ohne Zuerkennung eines eigenen Schutzstatus.

Die Unterscheidung ist bedeutsam etwa im Hinblick auf Rechte und Schutzumfang (z.B. Dauer des Aufenthalts, Zugang zu Sozialleistungen, Rechte zur Erwerbstätigkeit).


Verfahren zur Beantragung des Familienasyls

Zuständige Behörde und Ablauf

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist die zuständige Behörde für die Entscheidung über Anträge auf Familienasyl. Die Antragstellung kann im Rahmen der Asylanhörung des Familienangehörigen oder nachträglich, innerhalb der genannten Frist, erfolgen.

Zu beachten sind die Nachweispflichten hinsichtlich des Bestehens der familiären Beziehung, insbesondere durch Urkunden, Geburtsurkunden oder Heiratsurkunden.

Entscheidungsgründe und Ablehnungsgründe

Das BAMF prüft, ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Ablehnungsgründe können vorliegen bei:

  • Nichtbestehen oder Zweifel an dem familiären Verhältnis
  • Wegfall des Schutzstatus des Stammberechtigten
  • Überschreiten der Antragsfrist, sofern kein nachträglicher Anspruch besteht
  • Eigenständige Asylgründe des Antragstellers werden vorrangig geprüft

Umfang des Schutzes durch Familienasyl

Rechtsstellung der anerkannten Familienangehörigen

Durch Zuerkennung des Familienasyls erhalten die betroffenen Familienangehörigen denselben Schutzstatus wie der Stammberechtigte. Dies umfasst:

  • Asylberechtigter oder Flüchtlingsstatus gemäß Genfer Flüchtlingskonvention
  • Aufenthaltsrecht mit privilegierten Bedingungen (z.B. Wegfall des Visumerfordernisses)
  • Zugang zu Integrations- und Sozialleistungen
  • Rechte, die sich aus dem Asylstatus, wie etwa Familiennachzug für eigene Familienangehörige, ergeben

Dauer und Bestandskraft des Schutzes

Der Familienasylstatus ist regelmäßig an den Fortbestand des Schutzanspruchs des Stammberechtigten gekoppelt. Erlischt oder widerruft das BAMF den Stamm-Status, fällt auch das Familienasyl grundsätzlich weg (§ 26 Abs. 5 AsylG).


Internationale und europarechtliche Bezüge

Das Familienasyl steht im Kontext völkerrechtlicher und europarechtlicher Regelungen zum Flüchtlingsschutz:

  • Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), insbesondere Art. 8 (Achtung des Familienlebens)
  • Genfer Flüchtlingskonvention: Schutzpflichten gegenüber der Familie von Flüchtlingen
  • EU-Qualifikationsrichtlinie (2011/95/EU): Harmonisierung des internationalen Schutzes und von Familienrechten innerhalb der EU

Die Ausgestaltung des Familienasyls in Deutschland orientiert sich an diesen Vorgaben und gewährleistet, dass die Regelungen mit den europäischen und internationalen Standards im Einklang stehen.


Vergleichbare Regelungen in anderen Staaten

Verschiedene Staaten haben im Rahmen ihres Asylrechts vergleichbare Regelungen zur Familienzusammenführung und zum Familienschutz. Die konkrete Reichweite und die Voraussetzungen für das Familienasyl variieren jedoch. Insbesondere innerhalb der Europäischen Union bestehen teils harmonisierte, teils eigenständige Regelungssysteme, wobei die Bundesrepublik Deutschland im europäischen Vergleich als Vorreiter für die umfassende Regelung des Familienasyls gilt.


Literatur und Rechtsprechung

Die Rechtsprechung zu Fragen des Familienasyls entwickelt sich fortlaufend, insbesondere im Hinblick auf Anforderungen an die Beweisführung für familiäre Beziehungen und die Anwendung der einschlägigen Schutzbestimmungen. Relevante Urteile ergehen regelmäßig durch das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesverfassungsgericht.


Zusammenfassung

Das Familienasyl ist ein zentrales Instrument des deutschen Asylrechts zum Schutz der Kernfamilie anerkannter Asylberechtigter und Flüchtlinge. Es schafft die rechtliche Grundlage für den eigenen Schutzstatus bestimmter Verwandter und gewährleistet den grund- und völkerrechtlichen Anspruch auf Familienleben auch bei Flucht und Vertreibung. Die detaillierte gesetzliche Regelung trägt zur Rechtssicherheit im sensiblen Bereich des internationalen Schutzes beiträgt und setzt europäische sowie internationale Mindeststandards umfassend um.

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen für die Gewährung von Familienasyl erfüllt sein?

Für das Familienasyl gemäß § 26 Asylgesetz ist maßgeblich, dass einem Familienmitglied, in der Regel dem sogenannten Stammberechtigten (häufig ein Elternteil oder Ehepartner), die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG oder Asyl nach Art. 16a GG zuerkannt wurde. Die zentrale Voraussetzung für das Familienasyl ist das Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft zum Zeitpunkt der Ausreise aus dem Herkunftsland und im Zeitpunkt der Entscheidung über den Asylantrag. Begünstigt sind insbesondere der Ehegatte und die minderjährigen ledigen Kinder des Stammberechtigten. Es muss nachgewiesen werden, dass die Familie durch Flucht oder Verfolgung getrennt wurde und die Zusammenführung innerhalb Deutschlands erfolgt oder bezweckt ist. Für den Ehegatten gilt, dass die Ehe bereits im Herkunftsland bestanden haben muss. Die Aufenthaltserlaubnis für Familienangehörige im Familienasyl wird in der Regel für dieselbe Dauer wie beim Stammberechtigten gewährt.

Kann das Familienasyl auch bei lediglich subsidiärem Schutz des Stammberechtigten gewährt werden?

Das Familienasyl steht grundsätzlich nur den Angehörigen von Personen zu, denen die Flüchtlingseigenschaft oder Asyl nach Art. 16a GG gewährt wurde. Angehörige von Personen, denen lediglich subsidiärer Schutz nach § 4 AsylG oder Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG erteilt wurde, können grundsätzlich kein Familienasyl nach § 26 AsylG beanspruchen. Hier kommt vielmehr die Regelung zum Familiennachzug nach §§ 29 ff. AufenthG in Betracht, die allerdings in ihrer Reichweite und den Voraussetzungen deutlich von denen des Familienasyls abweicht und insbesondere in Bezug auf subsidiär Schutzberechtigte gewissen Beschränkungen (z. B. Kontingentierung, Wartefristen) unterliegt.

Gibt es Fristen, innerhalb derer das Familienasyl beantragt werden muss?

Der Antrag auf Familienasyl muss in Deutschland grundsätzlich ohne schuldhaftes Zögern, das heißt unmittelbar nach Bekanntwerden der Asylberechtigung oder Flüchtlingseigenschaft des Stammberechtigten gestellt werden. Eine feste gesetzliche Frist gibt es allerdings nicht. Aus dem Grundsatz des unverzüglichen Handelns kann sich jedoch ein Ausschluss des Familienasyls ergeben, wenn der Antrag ohne wichtigen Grund verspätet, etwa erst nach Jahren, gestellt wird und dadurch der Zusammenhang mit der Fluchtsituation nicht mehr unmittelbar besteht. Für in Deutschland geborene Kinder kann unter bestimmten Voraussetzungen die Zuerkennung von Asylbezug beim Stammberechtigten auch noch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, wenn die Voraussetzungen im Zeitpunkt der Geburt erfüllt waren.

Welche Rechtsfolgen hat die Zuerkennung des Familienasyls für die Betroffenen?

Wird das Familienasyl zuerkannt, erhalten die begünstigten Familienmitglieder denselben Schutzstatus wie der Stammberechtigte, das heißt in der Regel die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG oder Asyl nach Art. 16a GG. Die Rechtsstellung erstreckt sich hierbei insbesondere auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 bzw. 2 AufenthG zu denselben Bedingungen und für den gleichen Zeitraum wie beim Stammberechtigten. Dies bringt Vorteile in Bezug auf Niederlassungserlaubnis, Zugang zum Arbeitsmarkt, Familiennachzug und weitere integrationsfördernde Maßnahmen. Zudem besteht mit der Zuerkennung des Familienasyls ein umfassender Schutz vor Abschiebung.

Kann das Familienasyl auch entzogen werden?

Auch der Familienasylstatus kann widerrufen oder zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen dafür nach den allgemeinen Regelungen des Asylrechts vorliegen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Asylberechtigung oder die Flüchtlingseigenschaft des Stammberechtigten entfällt oder wenn nachträglich bekannt wird, dass falsche Angaben gemacht oder Umstände verschwiegen wurden, die für die Gewährung des Familienasyls relevant gewesen wären (§§ 72 ff. AsylG). Auch wenn sich die Lebensgemeinschaft nachträglich auflöst und der Schutzgrund dadurch wegfällt, kann dies Auswirkungen auf den Fortbestand des Familienasyls haben, wobei stets eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist.

Was ist der Unterschied zwischen Familienasyl und Familiennachzug?

Familienasyl und Familiennachzug sind unterschiedliche rechtliche Institute: Beim Familienasyl nach § 26 AsylG wird den Familienmitgliedern aufgrund der Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung des Stammberechtigten selbst ein Asylstatus förmlich zuerkannt, woran Aufenthaltserlaubnis und Schutzrechte gekoppelt sind. Beim Familiennachzug nach §§ 29 ff. AufenthG erhalten Angehörige hingegen lediglich eine Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung oder Fortführung der familiären Lebensgemeinschaft, aber keinen eigenständigen Asylstatus oder Flüchtlingsschutz. Der Familiennachzug ist häufig mit weitergehenden Anforderungen wie z. B. Sprachkenntnissen, Nachweis der Sicherung des Lebensunterhalts oder Wartefristen verbunden, insbesondere bei subsidiär Schutzberechtigten und abgeleiteten Aufenthaltsrechten. Der Weg über das Familienasyl ist regelmäßig vorteilhafter, wenn die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen.