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Falsche Verdächtigung


Begriff und Definition der Falschen Verdächtigung

Die falsche Verdächtigung ist ein in zahlreichen Rechtsordnungen, insbesondere im deutschen Strafrecht, normiertes Delikt, das den Schutz der Rechtspflege und die Unversehrtheit der Person vor unbegründeter strafrechtlicher Verfolgung bezweckt. Es handelt sich um eine Straftat, bei der eine Person eine andere Person bei einer Behörde oder zur öffentlichen Kenntnisnahme absichtlich und wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat bezichtigt, obwohl diese die Tat nicht begangen hat.

Gesetzliche Grundlagen

Deutschland

Regelung im Strafgesetzbuch

In Deutschland ist die falsche Verdächtigung in § 164 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Der Wortlaut lautet:

„Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht verdächtigt, um ein behördliches Verfahren oder andere Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Tatbestandsmerkmale

  • Täterkreis: Täter kann grundsätzlich jede natürliche Person sein.
  • Tathandlung: Das Verdächtigen einer anderen Person. Dies setzt die Tatsachenbehauptung voraus, die den Verdacht eines strafbaren Handelns oder einer Dienstpflichtverletzung begründet. Die bloße Meinungsäußerung erfüllt den Tatbestand nicht.
  • Adressat: Die Verdächtigung muss einer Behörde, einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder öffentlich erfolgen.
  • Subjektives Element: Der Täter muss wider besseres Wissen handeln, das heißt, er muss sicher wissen, dass die verdächtigte Person unschuldig ist.
  • Zweck: Der Täter muss beabsichtigen, dass gegen den Verdächtigten ein behördliches Verfahren eingeleitet oder fortgeführt wird.

Abgrenzung zu ähnlichen Straftatbeständen

Die falsche Verdächtigung ist abzugrenzen von:

  • Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB): Hier wird vorgetäuscht, dass überhaupt eine strafbare Handlung stattgefunden habe, wohingegen bei der falschen Verdächtigung die Tat auf einen tatsächlich existierenden Anderen bezogen wird.
  • Verleumdung (§ 187 StGB): Die Verleumdung ist ebenfalls das wider besseres Wissen aufstellen von unwahren Behauptungen, allerdings vor Dritten, nicht gezielt bei Behörden zur Einleitung eines Verfahrens.

Strafrechtliche Einordnung und Rechtsfolgen

Rechtsnatur

Die falsche Verdächtigung ist ein eigenhändiges Delikt und schützt nicht allein den Einzelnen, sondern auch die staatliche Strafrechtspflege vor unbegründeten Verfahren und Maßnahmen.

Strafmaß

Das Gesetz sieht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor. Die Strafzumessung richtet sich nach der Intensität des Unrechts, den Folgen für das Opfer und dem Maß der kriminellen Energie. In schweren Fällen, insbesondere bei schwerwiegenden Konsequenzen für das Opfer, sind Haftstrafen ohne Bewährung möglich.

Versuch und Vollendung

  • Vollendet ist das Delikt mit dem Zugang der Verdächtigung bei der relevanten Behörde.
  • Versuch ist strafbar, tritt jedoch selten auf, da meist bereits durch Mitteilung an die Behörde die Vollendung eintritt.

Besonders schwere Fälle

Besonders schwere Fälle können vorliegen, wenn durch die Tat erhebliche Nachteile für das Opfer wie langanhaltende strafrechtliche Verfolgung oder Inhaftierung eingetreten sind.

Täter- und Opferkreis

Täter

Jede natürliche Person, unabhängig von Alter oder Stellung, kann eine falsche Verdächtigung begehen. Minderjährige unterliegen dabei den Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes.

Opfer

Opfer einer falschen Verdächtigung kann jede beliebige Person sein, die von dem Verdächtigenden beschuldigt wird. Auch Verstorbene oder fiktive Personen fallen nicht unter den Schutzbereich.

Beweiserfordernisse und Ermittlungsverfahren

Beweislast

Die Strafverfolgungsbehörden müssen in einem Strafverfahren nachweisen, dass der Beschuldigte mit Vorsatz und wider besseres Wissen gehandelt hat. Oftmals ist die Beweisführung schwierig, da bewusstes Handeln nachgewiesen werden muss.

Ermittlungsverfahren

Erhärtet sich der Verdacht einer falschen Verdächtigung, wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dieses läuft parallel oder nach Abschluss des gegebenenfalls durch die Verdächtigung angestoßenen Verfahrens gegen die zu Unrecht beschuldigte Person.

Rechtsfolgen für das Opfer der falschen Verdächtigung

Entschädigungsansprüche

Erweist sich die Verdächtigung als unbegründet, kann das Opfer Anspruch auf Entschädigung für erlittene Nachteile im Rahmen der strafprozessualen Entschädigungsvorschriften sowie Schadenersatz nach zivilrechtlichen Grundsätzen haben.

Rehabilitierung

Neben finanziellen Ansprüchen besteht ein berechtigtes Interesse an der Wiederherstellung der persönlichen und beruflichen Reputation des zu Unrecht Verdächtigten.

Falsche Verdächtigung im internationalen Kontext

Österreich

In Österreich ist das Delikt unter dem Begriff „falsche Beweisaussage und falsches Zeugnis“ gemäß §§ 297 ff. Strafgesetzbuch geregelt, weist jedoch Parallelen in der Zielrichtung auf, die Rechtsordnung vor Falschbelastungen zu schützen.

Schweiz

Das schweizerische Strafgesetzbuch kennt mit Art. 303 StGB (‚Falsche Anschuldigung‘) eine ähnliche Regelung, wonach jemand, der absichtlich zu Unrecht eine Person bei einer Behörde beschuldigt, mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft wird.

Prävention und Bedeutung für die Strafrechtspflege

Falsche Verdächtigungen können fatale Folgen für den beschuldigten Einzelnen und die Glaubwürdigkeit von Ermittlungsbehörden haben. Daher ist die Sensibilisierung für dieses Delikt sowie eine sorgfältige Prüfung eingehender Anzeigen unerlässlich, um einerseits die Rechte Beschuldigter zu schützen und andererseits das Vertrauen in das Rechtssystem zu erhalten.

Weblinks und weiterführende Literatur


Hinweis: Dieser Artikel bietet eine allgemeine und ausführliche Übersicht zum Begriff der Falschen Verdächtigung mit besonderem Fokus auf die deutsche Rechtsordnung und internationale Vergleiche. Für weiterführende Fragen oder Einzelfallbetrachtungen sind detaillierte Recherchen zu den spezifischen gesetzlichen Grundlagen und aktuellen Gerichtsurteilen empfehlenswert.

Häufig gestellte Fragen

Welche Strafen drohen bei einer falschen Verdächtigung gemäß deutschem Strafrecht?

Die Strafandrohung für eine falsche Verdächtigung nach § 164 StGB ist empfindlich. Wird jemand zu Unrecht einer rechtswidrigen Tat oder einer Ordnungswidrigkeit beschuldigt, sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor. Dabei kommt es nicht darauf an, ob gegen den zu Unrecht Verdächtigten tatsächlich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet oder dieser bestraft wird; die bloße Gefährdung reicht aus. In schwereren Fällen, etwa wenn die falsche Verdächtigung zu einer Freiheitsentziehung der betroffenen Person führt oder durch die Tat eine schwere Folge eintritt, ist eine Strafschärfung möglich, sodass das Strafmaß auch darüber liegen kann. Der Versuch einer falschen Verdächtigung ist ebenfalls strafbar.

Wie wird im Ermittlungsverfahren festgestellt, ob eine falsche Verdächtigung vorliegt?

Im Ermittlungsverfahren werden zunächst sämtliche Beweismittel – darunter Zeugenaussagen, Sachbeweise und Urkundendokumente – gesichtet und bewertet. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob der Verdächtigende mit Wissen und Wollen (vorsätzlich) falsche Tatsachen behauptet oder Beweismittel falsch dargestellt hat, um eine andere Person gezielt in Verdacht zu bringen. Es wird genau geprüft, ob objektiv die behaupteten Tatsachen unwahr und subjektiv der Vorsatz einer falschen Verdächtigung gegeben sind. Umstände wie Irrtümer oder unbeabsichtigte Falschangaben können einen Vorsatz ausschließen und sind mit den Beschuldigten eingehend zu erörtern.

Spielt es eine Rolle, ob der vermeintliche Täter tatsächlich bestraft wird?

Nein, für die Strafbarkeit der falschen Verdächtigung ist es nicht erforderlich, dass gegen die verdächtigte Person tatsächlich ein Ermittlungs- oder Strafverfahren eingeleitet oder diese gar bestraft wird. Ausschlaggebend ist, dass durch die Angabe gegenüber einer Behörde oder einem zur Entgegennahme zuständigen Amtsträger objektiv die Möglichkeit eröffnet wird, dass gegen die betroffene Person ermittelt wird oder ein Verdacht grundlos entsteht. Bereits der Versuch, jemanden dadurch zu schädigen, genügt für die Strafbarkeit.

Welche Rolle spielt die Motivation für die Anzeige einer falschen Verdächtigung?

Die Motivation oder der Beweggrund des Täters, beispielsweise aus Rache, Eifersucht oder aus Angst vor Selbstbelastung zu handeln, hat bei der rechtlichen Bewertung der falschen Verdächtigung grundsätzlich keine Bedeutung für die Strafbarkeit selbst. Allerdings kann sie im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden: So wiegen besonders niedrige Beweggründe straferschwerend, während nachvollziehbare Motive unter Umständen strafmildernd wirken können. Entscheidend bleibt aber, dass der Vorsatz für die falsche Verdächtigung objektiv bewiesen werden muss.

Gibt es Unterschiede zwischen der falschen Verdächtigung und der Verleumdung?

Ja, falsche Verdächtigung (§ 164 StGB) und Verleumdung (§ 187 StGB) unterscheiden sich deutlich. Bei der falschen Verdächtigung handelt der Täter gegenüber Behörden oder zuständigen Amtsträgern, indem er eine Person wider besseres Wissen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit bezichtigt. Die Verleumdung hingegen betrifft das öffentliche oder private Verbreiten unwahrer Tatsachen, um jemanden verächtlich zu machen oder dessen Ruf zu schädigen, und ist auch ohne Einschalten von Behörden gegeben. Beide Tatbestände besitzen unterschiedliche Schutzrichtungen und Strafandrohungen.

Kann man sich gegen den Vorwurf der falschen Verdächtigung verteidigen?

Ja, gegen den Vorwurf der falschen Verdächtigung kann sich der Betroffene mit verschiedenen Verteidigungsstrategien wehren. Eine wesentliche Verteidigung ist der Nachweis eines Irrtums oder der fehlenden Vorsätzlichkeit: Es muss nachgewiesen werden, dass die angebliche Falschangabe nicht mit dem Ziel, eine andere Person zu Unrecht zu belasten, sondern aufgrund eines tatsächlichen, aber entschuldbaren Irrtums gemacht wurde. Auch das Fehlen der objektiven Voraussetzungen, etwa wenn die angezeigte Tatsache wahr war oder kein Anfangsverdacht entstand, kann zur Entlastung führen. Ein erfahrener Strafverteidiger kann zudem formelle Mängel im Ermittlungsverfahren aufdecken, die zur Einstellung führen können.

Welche zivilrechtlichen Konsequenzen drohen neben der strafrechtlichen Verfolgung?

Zusätzlich zur strafrechtlichen Sanktionierung kann der falsch Verdächtigte zivilrechtliche Ansprüche geltend machen. Hierzu zählen insbesondere Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Dem geschädigten Opfer steht es frei, auf dem Zivilrechtsweg Ersatz für die erlittenen materiellen und immateriellen Schäden zu verlangen. Die Gerichte prüfen dabei unter anderem die Schwere des Eingriffs, das Verschulden des Täters sowie die Dauer und Intensität der Rufschädigung.