Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Strafrecht»Falsche uneidliche Aussage

Falsche uneidliche Aussage


Begriff und Einordnung: Falsche uneidliche Aussage

Die falsche uneidliche Aussage ist ein Straftatbestand im deutschen Strafrecht, der die unrichtige oder unvollständige Aussage einer Person vor Gericht oder einer anderen zur Abnahme von Aussagen zuständigen Stelle unter Strafe stellt, sofern die Aussage nicht unter Eid erfolgt. Der Tatbestand ist in § 153 des Strafgesetzbuchs (StGB) geregelt und dient dem Schutz der Rechtspflege. Die uneidliche Aussage unterscheidet sich von der falschen eidesstattlichen Aussage (§ 154 StGB), da kein Eid geleistet wird, die Aussage aber dennoch die Wahrheitspflicht berührt.


Gesetzliche Regelung

§ 153 StGB – Falsche uneidliche Aussage

Nach § 153 StGB ist folgende Handlung strafbar:

„Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“

Hierbei wird ein besonders hohes Maß an Wahrheitstreue verlangt, sodass bereits jede objektiv falsche Angabe strafbar ist, unabhängig davon, ob die falsche Angabe für das Verfahren relevant war.


Tatbestandsmerkmale

1. Tauglicher Täterkreis

Der Täter muss zum Kreis derjenigen gehören, die zum Ablegen einer uneidlichen Aussage bei Gericht oder einer vergleichbaren Stelle verpflichtet sind. Hierzu zählen insbesondere:

  • Zeugen
  • Sachverständige

Nicht erfasst werden Beschuldigte, Angeklagte sowie Parteien in Zivilsachen, sofern sie nicht als Zeugen auftreten.

2. Aussagetätigkeit

Voraussetzung ist eine formelle Vernehmung vor einer zur eidlichen Abnahme befugten Stelle. Die Aussage kann im Hauptverfahren, im Ermittlungsverfahren oder in anderen gerichtlichen Verfahrensarten (z. B. familiengerichtliche Verfahren) abgegeben werden.

3. Falschheit der Aussage

Die Aussage ist falsch, wenn sie objektiv nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Es muss sich um Tatsachen handeln, die mit dem tatsächlichen Geschehen nicht in Einklang stehen. Werturteile, Meinungen und Interpretationen fallen nicht darunter, es sei denn, diese werden als Tatsachen dargestellt.

4. Vorsatz

Erforderlich ist, dass der Täter mit Vorsatz handelt, d. h., er muss wissen oder zumindest billigend in Kauf nehmen, dass sein Aussageverhalten objektiv unwahr ist. Fahrlässigkeit genügt nicht.


Der Aussagebegriff im Strafgesetzbuch

Der Begriff der „Aussage“ ist weit zu verstehen und umfasst sämtliche Erklärungen mit Bezug zum Gegenstand der richterlichen Befragung. Nicht darunter fallen etwaige bloße Verweigerungen oder das Schweigen auf Fragen, sofern es nicht um gezielte Irreführung durch eine Scheinantwort geht. Auch Aussagen ins Blaue hinein gelten als falsch, sofern der Zeuge oder Sachverständige keinen tatsächlichen Kenntnisstand besitzt.


Abgrenzung zu verwandten Straftatbeständen

Falsche eidesstattliche Aussage (§ 154 StGB)

Im Gegensatz zur uneidlichen Falschaussage steht hier die Abgabe unter Eid im Mittelpunkt. Durch den Eid wird die Strafandrohung erhöht; das Strafmaß beträgt hierbei Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren.

Meineid (§ 154 StGB)

Der Meineid stellt eine besonders schwere Form der falschen Aussage dar, da der Täter zusätzlich einen Eid vorsätzlich falsch ablegt. Der Gesetzgeber misst dem Eid eine hohe Bedeutung im Rechtsleben bei.

Strafbarkeit der Beihilfe oder Anstiftung

Nicht nur die eigene Falschaussage, sondern auch das Anstiften hierzu oder die Beihilfe können strafrechtlich verfolgt werden (§§ 26, 27 StGB).


Verfahrensrechtliche Aspekte

Aussage- und Wahrheitspflicht

Zeugen und Sachverständige unterliegen in gerichtlichen Verfahren der allgemeinen Aussage- und Wahrheitspflicht. Eine Verletzung dieser Pflicht zieht, abhängig vom Aussagecharakter (eidesstattlich oder uneidlich), entsprechende strafrechtliche Konsequenzen nach sich.

Aussageverweigerungsrechte

Zeugen dürfen von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen, wenn sie hierauf gesetzlich gestützt sind, z. B. bei Eigen- oder Angehörigenbelastung (§§ 52, 55 StPO). Die falsche Berufung auf ein solches Recht kann allerdings selbst Straftatbestände erfüllen.


Rechtsfolgen bei falscher uneidlicher Aussage

Strafmaß

Die gesetzliche Strafe beträgt Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. In minder schweren Fällen kann das Strafmaß auf Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu drei Jahren reduziert werden.

Versuch und Rücktritt (§ 158 StGB)

Auch der bloße Versuch einer falschen uneidlichen Aussage ist strafbar. Ein Rücktritt von der Tat ist bei rechtzeitiger und freiwilliger Richtigstellung unter bestimmten Voraussetzungen strafbefreiend (§ 158 StGB).


Bedeutung und Zweck des Tatbestands

Die Strafnorm der falschen uneidlichen Aussage schützt dieFunktionsfähigkeit der Rechtspflege. Der Staat ist darauf angewiesen, dass Personen, die vor Gericht aussagen, die Wahrheit sagen, da auf dieser Grundlage Urteile und Beschlüsse ergehen. Das Strafrecht begegnet hier gezielt jeglicher Gefährdung des Rechtsfriedens, die durch die Vorspiegelung falscher Tatsachen entstehen kann.


Rechtsprechung und Anwendungsbeispiele

Fallbeispiele aus der Praxis

Typische Konstellationen sind etwa das Leugnen einer Tatsachenkenntnis als Zeuge, die vorsätzlich gemachte falsche Behauptung eines Unfallhergangs durch einen Sachverständigen vor Gericht oder die gezielte Falschdarstellung von Abläufen bei Zeugenaussagen im Zivilprozess.

Bedeutung in der gerichtlichen Praxis

Gerichte prüfen im Rahmen von Strafverfahren die subjektiven Voraussetzungen der Tat sehr genau. Eine Falschbewertung einer Aussage ist nicht ohne weiteres gleichbedeutend mit einer strafbaren Falschaussage, es müssen objektive und subjektive Tatbestandsmerkmale zweifelsfrei nachweisbar sein.


Schlussbetrachtung

Die falsche uneidliche Aussage stellt ein zentrales Delikt im Bereich der Straftaten gegen die Rechtspflege dar. Die Norm gewährleistet, dass vor Gericht und vor vergleichbaren Institutionen zuverlässige, wahrheitsgemäße Aussagen getroffen werden. Sie ist ein wesentliches Instrument zur Sicherung des Rechtsfriedens und der materiellen Gerechtigkeit. Die konsequente Strafverfolgung dient dem Interesse aller Verfahrensbeteiligten und beugt Manipulationen des Rechtsverkehrs vor.

Häufig gestellte Fragen

Welche Strafen drohen bei einer falschen uneidlichen Aussage?

Wer eine falsche uneidliche Aussage vor Gericht oder einer anderen zur eidlichen Vernehmung zuständigen Stelle abgibt, macht sich gemäß § 153 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar. Das Strafmaß reicht von einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. In besonders schweren Fällen ist keine Geldstrafe möglich. Das Gesetz sieht eine besonders schwere Sanktionierung vor, da hier der Rechtsstaat und das Vertrauen in die Rechtspflege gefährdet sind. Strafmilderung kann dann eintreten, wenn der Täter die Falschaussage berichtigt, bevor deren Folgen offenbar werden. Ebenso unterscheiden die Gerichte nach dem Gewicht der Falschaussage; eine unwesentliche Falschaussage wirkt sich weniger straferschwerend aus als eine für das Verfahren entscheidende Aussage.

Wann gilt eine Aussage als „falsch“ im Sinne des Gesetzes?

Eine Aussage gilt dann als „falsch“, wenn sie objektiv nicht mit dem tatsächlichen Geschehensablauf übereinstimmt, unabhängig davon, ob der Zeuge absichtlich oder versehentlich eine Unwahrheit sagt. Für den Tatbestand der falschen uneidlichen Aussage ist es jedoch notwendig, dass der Täter zumindest mit bedingtem Vorsatz handelt, also die Unwahrheit für möglich hält und diese in Kauf nimmt. Juristisch besonders relevant ist, dass nicht jedes Erinnerungs- oder Wahrnehmungsdefizit automatisch eine strafbare Falschaussage darstellt, sondern nur dann, wenn der Zeuge entgegen besseren Wissens aussagt.

Wer ist zur uneidlichen Aussage vor deutschen Gerichten verpflichtet?

Zur uneidlichen Aussage sind grundsätzlich Zeugen, Sachverständige und Parteien in einem Zivilprozess verpflichtet, sofern sie entsprechend geladen und vernommen werden. In bestimmten Fällen (z. B. bei besonders schutzwürdigen Personen oder Familienmitgliedern) bestehen Zeugnisverweigerungsrechte. Dennoch darf niemand wissentlich eine falsche Aussage tätigen, sobald die Pflicht zur Aussage besteht. Die Verpflichtung kann sich sowohl auf Strafverfahren, Zivilverfahren als auch auf bestimmte Verwaltungsverfahren beziehen.

Können auch Sachverständige oder Parteien eine falsche uneidliche Aussage tätigen?

Ja, neben Zeugen sind auch Sachverständige und Parteien, die nach § 386 ZPO zur uneidlichen Vernehmung geladen werden und in dieser Funktion vorsätzlich falsche Angaben machen, vom Straftatbestand nach § 153 StGB umfasst. Die falsche uneidliche Aussage durch einen Sachverständigen ist besonders gravierend, da hiervon oftmals weitreichende gerichtliche Entscheidungen abhängen. Für Parteien gilt dies nur, wenn das Gesetz ausdrücklich die Vernehmung einer Partei als Beweis vorsieht.

Muss eine Falschaussage unter Eid erfolgen, damit sie strafbar ist?

Nein, auch eine uneidliche Falschaussage ist strafbar. Die Strafandrohung ist zwar bei einer unter Eid gemachten Falschaussage (§ 154 StGB) höher, dennoch stellt bereits die uneidliche Falschaussage einen eigenständigen Straftatbestand dar und wird unabhängig vom Ablegen eines Eides verfolgt. Das Gesetz unterscheidet klar zwischen der „uneidlichen Falschaussage“ (§ 153 StGB) und dem „Meineid“ (§ 154 StGB).

Gibt es Ausnahmen, in denen eine falsche uneidliche Aussage straflos bleibt?

Straflos bleibt eine falsche uneidliche Aussage dann, wenn sie in einem Bereich erfolgt, der keinerlei Auswirkung auf das Verfahren haben kann, also etwa bei völlig unerheblichen Tatsachen. Ebenso gibt es strafrechtliche Privilegierungen, wenn der Zeuge oder die Partei ein Zeugnisverweigerungsrecht wahrgenommen hätte, aber stattdessen falsch ausgesagt hat. Auch kann Strafbefreiung eintreten, wenn der Täter die falsche Aussage rechtzeitig berichtigt, bevor diese verwendet wird oder das Ergebnis des Verfahrens beeinflusst hat (§ 158 StGB). Weiterhin entfällt die Strafbarkeit, wenn der Täter sich irrtümlich über seine Aussagepflicht oder deren Reichweite geirrt hat (z. B. Entschuldigungsirrtum).