Falschbeurkundung, mittelbare – Begriff, rechtliche Einordnung & Bedeutung
Begriffserläuterung: Mittelbare Falschbeurkundung
Die mittelbare Falschbeurkundung bezeichnet im deutschen Strafrecht die Veranlassung einer inhaltlich unrichtigen öffentlichen Urkunde durch bewirktes, irrreführendes Verhalten gegenüber einer beurkundenden amtlichen Stelle. Grundsätzlich erfasst der Begriff die Fälle, in denen ein Täter nicht selbst eine unrichtige Beurkundung vornimmt, sondern dadurch, dass er eine Behörde, ein Gericht oder eine sonstige öffentliche Stelle durch Täuschung bewusst zu einer objektiv falschen Beurkundung veranlasst.
Abgrenzung zur unmittelbaren Falschbeurkundung
Im Unterschied zur unmittelbaren Falschbeurkundung (also der eigenhändigen, aktiven Erstellung einer unrichtigen öffentlichen Urkunde, z. B. durch Amtsmissbrauch), liegt der Schwerpunkt der mittelbaren Falschbeurkundung im Handeln „durch einen anderen“: Der Täter nutzt eine amtliche Beurkundungspflicht aus, indem er auf das Verhalten der beurkundenden Person einwirkt, sodass eine objektiv falsche öffentliche Urkunde entsteht. Die beurkundende Person bleibt dabei selbst in der Regel gutgläubig.
Strafbarkeit und Tatbestand nach § 271 StGB
Die mittelbare Falschbeurkundung ist im deutschen Strafgesetzbuch in § 271 StGB geregelt:
Gesetzeswortlaut (§ 271 StGB, Auszug):
(1) Wer bewirkt, dass durch eine zur Aufnahme öffentlicher Urkunden zuständige Behörde oder Person über rechtlich erhebliche Tatsachen eine inhaltlich unwahre Urkunde hergestellt wird, wird… bestraft.
Wesentliche Tatbestandsmerkmale
- Bewirken der Beurkundung:
Der Täter muss auf den Beurkundungsvorgang einwirken, sodass die beurkundende Stelle eine unrichtige Erklärung aufnimmt. Die aktive Einwirkung durch Täuschung, Vorlage gefälschter Dokumente oder bewusst unvollständiger Mitteilungen steht im Mittelpunkt.
- Öffentliche Urkunde:
Der Begriff „öffentliche Urkunde“ meint alle von einer hierzu befugten Stelle im Rahmen der ihr zugewiesenen Zuständigkeit ausgestellten Urkunden, die Beweis über besonders festgelegte Tatsachen erbringen sollen (z. B. Geburtsurkunde, Zeugnis, Grundbuchauszug).
- Unwahre Beurkundung rechtlich erheblicher Tatsachen:
Es muss sich um Tatsachen handeln, die für den Rechtsverkehr erheblich sind. Unerhebliche oder belanglose Irrtümer genügen nicht.
- Eigenverantwortung der urkundenden Stelle:
Die Falschbeurkundung muss infolge eines Irrtums der beurkundenden Stelle erfolgen; die Amtsperson handelt in der Regel gutgläubig, während der Täter die Falschbeurkundung bewusst und gezielt durch Täuschung oder Manipulation herbeiführt.
Subjektiver Tatbestand
Der Täter muss vorsätzlich handeln, d. h. mit Wissen und Wollen der Herbeiführung einer inhaltlich unrichtigen öffentlichen Urkunde. Bedingter Vorsatz ist ausreichend.
Tathandlung: Das „Bewirken“
Die Tathandlung besteht im Bewirken der Falschbeurkundung. Dies kann unterschiedlich erfolgen, etwa durch unrichtige Angaben, Unterdrückung von Tatsachen, Vorlage unechter oder verfälschter Urkunden oder durch sonstiges irreführendes Verhalten gegenüber der beurkundenden Stelle.
Tathandlungsvarianten und Praxisbeispiele
Typische Anwendungsfälle
- Vorlage gefälschter Dokumente beim Standesamt zur Erlangung einer unrichtigen Geburtsurkunde.
- Verschweigen rechtlich erheblicher Umstände beim Notar zur Beurkundung eines Immobilienkaufs, wodurch eine objektiv unrichtige notarielle Urkunde entsteht.
- Abgabe unwahrer Erklärungen gegenüber Ämtern bei der Anmeldung von Kindern zur Ausstellung einer inhaltlich unzutreffenden Geburtsbescheinigung.
Nicht erfasst sind Fälle, in denen die beurkundende Person selbst bewusst falsch beurkundet; hier käme stattdessen die Strafbarkeit wegen öffentlicher Falschbeurkundung gemäß § 348 StGB (Falschbeurkundung im Amt) in Betracht.
Objektive und subjektive Voraussetzungen
Objektive Voraussetzungen
- Herstellen einer öffentlichen Urkunde durch eine hierzu befugte Instanz
- Unrichtige Beurkundung von Tatsachen mit rechtlicher Relevanz
- Veranlassung der Beurkundung durch einen Dritten mittels eines auf die Irreführung ausgerichteten Verhaltens
Subjektive Voraussetzungen
- Vorsatz bezüglich der Herbeiführung der Falschbeurkundung
- Bewusstsein der rechtlichen Relevanz des eigenen Handelns
Rechtsfolgen und Strafmaß
Das Strafmaß für mittelbare Falschbeurkundung nach § 271 StGB reicht von Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Die versuchte Tat ist ebenfalls strafbar. Besonders schwere Fälle, z. B. bei kommerziellem Handeln oder mit erheblichen Auswirkungen auf den Rechtsverkehr, können zu höheren Sanktionen führen.
Rechtsgut und Schutzzweck
Zentrales Rechtsgut ist die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Beweisverkehrs durch öffentliche Urkunden im Rechtsverkehr. Der Gesetzgeber sieht die Gefahr, dass die Integrität öffentlicher Dokumente durch Manipulation gefährdet wird, als strafwürdig an, um das Vertrauen in amtliche Beurkundungen zu erhalten.
Verhältnis zu anderen Straftatbeständen
Die mittelbare Falschbeurkundung steht in einem konkurrierenden Verhältnis zu anderen Tatbeständen des Urkunden- und Amtsdeliktsrechts, insbesondere:
- § 267 StGB: Urkundenfälschung
- § 348 StGB: Falschbeurkundung im Amt
- § 263 StGB: Betrug, sofern eine Schädigung des Vermögens vorliegt
Welcher Tatbestand im Einzelfall greift, hängt von der Art des Irrtums, dem Grad der Verwicklung der Amtsperson und der konkreten Beurkundungssituation ab.
Abgrenzungsfragen und Meinungsstreit
In Rechtsprechung und Literatur sind verschiedene Abgrenzungsfragen zu beachten, insbesondere:
- Wann liegt eine öffentliche Urkunde vor?
- Wann handelt es sich um einen rechtlich erheblichen Irrtum?
- Wann ist die Schwelle zur Strafbarkeit überschritten, beispielsweise bei fahrlässigem Verhalten?
Relevant ist auch die Frage, ob die beurkundende Person in eigenständiger Verantwortung gehandelt hat oder ob ein Willensmangel („Werkzeugtheorie“) vorlag, durch den der Täter quasi als mittelbarer Täter agiert.
Zusammenfassung und Bedeutung im Rechtsverkehr
Die mittelbare Falschbeurkundung hat für den Rechtsverkehr erhebliche Praxisrelevanz, da sie Manipulationen im Zusammenhang mit amtlichen Dokumenten strafrechtlich sanktioniert. Nur durch effektiven Schutz der Beweiskraft öffentlicher Urkunden kann das Vertrauen in behördliche und notarielle Tätigkeiten aufrechterhalten werden.
Literaturhinweise
Für eine vertiefte Auseinandersetzung empfehlen sich die maßgeblichen Kommentare zum Strafgesetzbuch, insbesondere im Kontext der §§ 267 ff. StGB sowie einschlägige Monografien und wissenschaftliche Fachaufsätze zum Urkundenstrafrecht und zur mittelbaren Täterschaft.
Hinweis: Dieser Artikel dient der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Die rechtliche Beurteilung kann im Einzelfall abweichen.
Häufig gestellte Fragen
Wie unterscheidet sich die mittelbare Falschbeurkundung von der unmittelbaren Falschbeurkundung?
Die mittelbare Falschbeurkundung unterscheidet sich von der unmittelbaren Falschbeurkundung dadurch, dass der Täter nicht selbst die unrichtige öffentliche Urkunde erstellt, sondern einen Amtsträger oder eine zur öffentlichen Beurkundung befugte Person dazu bringt, eine solche urkundliche Falschbeurkundung vorzunehmen. Hierzu nutzt der Täter einen entsprechenden Irrtum oder ein fehlendes Wissen des Ausstellers aus. Während die unmittelbare Falschbeurkundung das unmittelbare Erstellen unwahrer öffentlicher Urkunden durch den Amtsträger selbst umfasst, steht bei der mittelbaren Falschbeurkundung das Verschulden einer dritten Person im Vordergrund, die durch Täuschung oder Manipulation des Ausstellers eine falsche Beurkundung hervorruft. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn sich Dritte auf die Beweiskraft der öffentlichen Urkunde verlassen und dadurch Rechtsgüter gefährdet werden.
Welche Tatbestandsvoraussetzungen müssen für eine mittelbare Falschbeurkundung erfüllt sein?
Für die mittelbare Falschbeurkundung müssen mehrere Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. Zunächst muss eine öffentliche Urkunde betroffen sein, deren Zweck es ist, im Rechtsverkehr Beweis über rechtlich erhebliche Tatsachen zu erbringen. Zudem bedarf es einer unrichtigen Beurkundung, das heißt, der Inhalt der Urkunde muss objektiv falsch sein und eine solche Tatsache bestätigen, die nach der einschlägigen Beurkundungsvorschrift erheblich ist. Weiterhin ist erforderlich, dass diese Unrichtigkeit das Ergebnis einer Täuschung, eines Irrtums oder der Ausnutzung mangelnder Sachkenntnis des Ausstellers ist. Der Täter selbst muss nicht Amtsträger oder zur Beurkundung befugt sein, sondern wirkt auf den Aussteller ein, damit dieser die unrichtige Tatsache beurkundet. Schließlich ist Vorsatz erforderlich; der Täter muss wissen, dass die beurkundete Tatsache falsch ist und dass die Tatbestandsmerkmale einer mittelbaren Falschbeurkundung erfüllt werden.
Welche Rolle spielt der Aussteller einer Urkunde bei der mittelbaren Falschbeurkundung?
Der Aussteller der Urkunde spielt eine zentrale, gleichwohl in der Regel unbeabsichtigt instrumentalisierte Rolle bei der mittelbaren Falschbeurkundung. Der Aussteller, häufig ein Amtsträger oder eine zur Beurkundung befugte Person, handelt hierbei gutgläubig und nimmt die Beurkundung in der Annahme vor, dass die angegebenen Tatsachen korrekt sind. Er wird durch Täuschung, Vorspiegelung oder Ausnutzung fehlender Prüfpflichten zu der fehlerhaften Beurkundung verleitet, ohne selbst schuldhaft oder vorsätzlich zu agieren. Seine Mitwirkung ist gleichwohl Tatbestandsvoraussetzung: Ohne ihn wäre keine öffentliche Urkunde erstellt und somit keine mittelbare Falschbeurkundung möglich, da stets eine öffentlich-rechtliche Stelle oder eine mit öffentlichem Glauben ausgestattete Person betroffen sein muss.
Ist der Versuch der mittelbaren Falschbeurkundung strafbar?
Ja, auch der Versuch der mittelbaren Falschbeurkundung ist strafbar, sofern das jeweilige Strafgesetz eine Versuchsstrafbarkeit ausdrücklich vorsieht. Bereits das zielgerichtete Einwirken auf den Aussteller mit dem Vorsatz, eine unrichtige Beurkundung herbeizuführen, kann bei Erfüllung sämtlicher subjektiver und objektiver Tatbestandsmerkmale – abzüglich des Erfolgseintritts – als Versuch gewertet werden. Die Versuchsstrafbarkeit dient vor allem dem Schutz der besonderen Glaubwürdigkeit öffentlicher Urkunden und soll verhindern, dass bereits im Stadium der Tatausführung öffentliches Vertrauen untergraben wird.
Welche möglichen Strafrahmen sieht das Gesetz für die mittelbare Falschbeurkundung vor?
Die Strafrahmen richten sich nach den einschlägigen Vorschriften des Strafgesetzbuches (z. B. § 271 StGB). In der Regel sieht das Gesetz für die mittelbare Falschbeurkundung Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor. In minder schweren Fällen kann das Gericht eine mildere Strafe aussprechen. Im Einzelfall können Qualifikationen, besonders schwere Fälle oder das Zusammenwirken mit anderen Straftatbeständen Auswirkungen auf den konkreten Strafrahmen und die Strafzumessung haben.
Welche Bedeutung hat das Merkmal der rechtlich erheblichen Tatsache bei der mittelbaren Falschbeurkundung?
Das Merkmal der rechtlich erheblichen Tatsache ist für die Tatbestandsmäßigkeit zentral. Nur solche Tatsachen, die nach der einschlägigen Vorschrift zum Beurkundungszweck rechtliche Relevanz besitzen – also für den Rechtsverkehr oder für das betreffende Rechtsgeschäft bedeutsam sind – können den Tatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung erfüllen. Dies umfasst typischerweise Angaben, deren Richtigkeit vom Gesetz für bestimmte Rechtswirkungen vorausgesetzt wird, z. B. Geburtsdaten, Identität, Eigentumsverhältnisse oder Erklärungen mit rechtlicher Bindung. Nicht erfasst sind dagegen rein tatsächliche, für den Rechtsverkehr irrelevante Angaben oder bloße Werturteile. Das Vorliegen einer rechtlich erheblichen Tatsache bestimmt somit maßgeblich, ob der Schutzbereich der Strafnorm berührt ist.
Welche Unterschiede bestehen zur mittelbaren Falschbeurkundung in Bezug auf das Zivilrecht?
Im Zivilrecht kommt der mittelbaren Falschbeurkundung keine unmittelbare Relevanz als eigener Tatbestand zu; vielmehr wird sie vorrangig im Strafrecht behandelt. Dennoch können Rechtsfolgen im Zivilrecht dadurch ausgelöst werden, z. B. die Anfechtbarkeit eines Rechtsgeschäfts wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) oder die Nichtigkeit eines Vertrages (§ 138 oder 134 BGB), wenn die mittelbare Falschbeurkundung zur Erlangung ungerechtfertigter Rechtspositionen genutzt wird. Die strafrechtliche Verfolgung und die zivilrechtliche Rückabwicklung erfolgen dabei unabhängig voneinander, wobei die Falschbeurkundung strafrechtlich als Schutz des öffentlichen Glaubens an Urkunden im Vordergrund steht, während sie zivilrechtlich als Grundlage für die Wirksamkeit bestimmter Rechtsgeschäfte betrachtet werden kann.