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Falschaussage


Begriff und rechtliche Einordnung der Falschaussage

Unter einer Falschaussage wird im deutschen Recht die vorsätzliche, objektiv unwahre Äußerung einer Person im Rahmen einer gesetzlichen Wahrheitspflicht verstanden. Die Falschaussage zählt zu den Offizialdelikten und ist in zahlreichen nationalen und internationalen Rechtsordnungen als Straftatbestand ausgestaltet. In Deutschland umfasst die Falschaussage im engeren Sinne insbesondere Zeugenaussagen und Sachverständigenäußerungen vor Gericht oder anderen zur eidlichen Vernehmung zuständigen Stellen.

Die Falschaussage kann sowohl eidesstattlich als auch uneidlich erfolgen. Während die uneidliche Falschaussage eigenständig strafbar ist, unterliegt die falsche eidliche Aussage (also der Meineid) einem besonders schweren Strafrahmen.


Gesetzliche Grundlagen der Falschaussage

Strafrechtliche Regelungen im deutschen Recht

Im deutschen Strafgesetzbuch (StGB) wird die Falschaussage insbesondere in den § 153 StGB (Falsche uneidliche Aussage), § 154 StGB (Meineid), § 155 StGB (Versuch der Anstiftung zur Falschaussage) sowie § 160 StGB (Falsche Verdächtigung) geregelt.

§ 153 StGB – Falsche uneidliche Aussage

Wer vor Gericht oder einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, macht sich nach § 153 StGB strafbar. Die Strafandrohung beläuft sich auf eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

§ 154 StGB – Meineid

Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung befugten Stelle falsch schwört, begeht einen Meineid. Dieser Tatbestand wird mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr geahndet.

§ 155 StGB – Versuch der Anstiftung zur Falschaussage

Bereits der Versuch, eine andere Person zu einer Falschaussage zu verleiten, ist unter Strafe gestellt.


Voraussetzungen einer strafbaren Falschaussage

Objektive Tatbestandsmerkmale

Für die Annahme einer Falschaussage sind folgende Voraussetzungen notwendig:

  • Aussagerechtliche Situation: Die Aussage muss im Rahmen einer gesetzlichen Wahrheitspflicht erfolgen, üblicherweise im Rahmen einer gerichtlichen oder einer gleichgestellten amtlichen Vernehmung.
  • Tatsächliche Unwahrheit: Die abgegebene Aussage muss objektiv falsch sein, wobei auch strafbar ist, wenn der Aussagende die Unwahrheit zumindest für möglich hält.
  • Adressat: Die Aussage wird gegenüber einer zur eidlichen Vernehmung befugten Stelle getätigt.

Subjektive Tatbestandsvoraussetzungen

Vorsatz ist zwingend erforderlich. Der Täter muss zumindest billigend in Kauf nehmen, dass seine Aussage falsch ist, ein bloßes Versehen genügt nicht.


Abgrenzung zu verwandten Tatbeständen

Die Falschaussage ist von verwandten Straftatbeständen abzugrenzen:

  • Falsche Verdächtigung (§ 164 StGB): Wer einen anderen fälschlich einer rechtswidrigen Tat bezichtigt, macht sich einer separaten Straftat schuldig.
  • Strafvereitelung (§ 258 StGB): Hier steht die Verhinderung der Bestrafung eines Täters im Mittelpunkt.
  • Irreführung von Strafverfolgungsbehörden (§ 145d StGB): Betrifft Aussagen außerhalb gerichtlicher Verfahren.

Rechtliche Folgen einer Falschaussage

Strafmaß

Das Strafmaß differiert hinsichtlich der Schwere der Tat:

  • Uneidliche Falschaussage (§ 153 StGB): Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahre.
  • Meineid (§ 154 StGB): Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren.
  • Versuch und Vorbereitung: Auch Vorbereitung und Versuch sind unter Strafe gestellt.

Zivilrechtliche Folgen

Eine nachgewiesene Falschaussage kann zur Nichtigkeit eines Urteils oder zur Anfechtung eines zivilrechtlichen Vertrages führen, der auf einer solchen Aussage beruht.


Besondere Aspekte und Verteidigungsmöglichkeiten

Irrtum, Versehen und Erinnerungsfehler

Nicht jede unwahre Aussage erfüllt den Tatbestand. Fehlt das Bewusstsein, die Wahrheit zu sagen oder irrt sich jemand unbewusst, fehlt der Vorsatz. In Differenzierungsfällen muss das Gericht bewerten, ob eine bloße Erinnerungsunschärfe oder eine bewusste Täuschung vorliegt.

Aussageverweigerungsrecht

Zeugen steht in bestimmten Fällen ein Aussageverweigerungsrecht zu, beispielsweise bei Selbstbelastungsgefahr oder als Angehörige.

Strafbefreiende Rücknahme

Eine strafbefreiende Rücknahme der Falschaussage ist bis zum Abschluss der Vernehmung nach § 158 StGB unter bestimmten Voraussetzungen möglich.


Internationale Perspektiven zur Falschaussage

In anderen Ländern existieren vergleichbare Straftatbestände. Im anglo-amerikanischen Recht spricht man von „perjury“. Die konkreten Voraussetzungen und Strafen weisen jedoch länderspezifische Unterschiede auf.


Rechtsprechung und Praxisbeispiele

Die deutsche Rechtsprechung beschäftigt sich regelmäßig mit Fragen der Falschaussage, insbesondere zu den Themen Aussagepsychologie, Wahrnehmungsfehler und dem Maßstab der Wahrheitspflicht. Prägende Urteile stützen sich oftmals auf Gutachten und komplexe Beweiswürdigung der Aussagen.


Bedeutung der Falschaussage im Rechtsverkehr

Die strafrechtliche Verfolgung von Falschaussagen dient dem Schutz der Justiz vor Irreführung und verhindert falsche Urteile. Sie ist essentiell für die Rechtssicherheit und das Funktionieren der gerichtlichen Wahrheitsfindung.


Literaturhinweise und weiterführende Informationen

  • § 153, § 154 StGB (Strafgesetzbuch)
  • Kommentare zum deutschen Strafrecht
  • Rechtsprechungsdatenbanken (z.B. juris, beck-online)
  • Handbücher der Strafverteidigung

Die Falschaussage ist ein zentraler Begriff im Strafrecht und unterliegt klar definierten gesetzlichen Vorgaben. Ihre rechtlichen Implikationen erstrecken sich auf zahlreiche Bereiche des Zivil-, Straf- und öffentlichen Rechts und sichern die Grundlagen eines funktionierenden Rechtssystems.

Häufig gestellte Fragen

Welche Strafen drohen im Falle einer Falschaussage vor Gericht?

Im deutschen Strafrecht wird die Falschaussage vor Gericht gemäß § 153 StGB („Falsche Aussage vor Gericht“) und verwandten Vorschriften geahndet. Wer als Zeuge vor Gericht vorsätzlich eine falsche Aussage macht, kann mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden. In besonders schweren Fällen – beispielsweise durch falsche Angaben in einem bedeutsamen Strafprozess – kann die Strafe auch höher ausfallen, wobei mildernde Umstände, wie etwa ein Geständnis oder die Korrektur der Aussage, berücksichtigt werden können. Bei fahrlässiger Falschaussage droht keine Bestrafung, da nach § 153 StGB nur Vorsatz strafbar ist. Es besteht jedoch die Möglichkeit einer Strafmilderung unter gewissen Umständen (§ 157 StGB), beispielsweise wenn die unwahre Aussage noch vor Abschluss der jeweiligen Verhandlung eingeräumt wird. Darüber hinaus kann eine Falschaussage auch berufsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, etwa bei Personen in öffentlichen Ämtern, und führt regelmäßig zum Eintrag ins polizeiliche Führungszeugnis.

Gilt das Aussageverweigerungsrecht auch bei drohender Falschaussage?

Das Aussageverweigerungsrecht nach §§ 52 ff. StPO schützt Zeugen davor, sich selbst oder nahe Angehörige durch eine Aussage zu belasten. Dieses Recht besteht unabhängig davon, ob die Gefahr bestünde, durch eine wahre Aussage eine Straftat zu offenbaren oder durch eine Falschaussage strafbar zu werden. Es ist jedoch zu beachten, dass das Recht zur Aussageverweigerung vor der Gerichtsverhandlung ausdrücklich geltend gemacht werden muss und die bewusste Abgabe einer Falschaussage trotz Bestehen eines Aussageverweigerungsrechts keinen strafbefreienden Einfluss hat. Wer wissentlich falsch aussagt, obwohl er hätte schweigen dürfen, macht sich dennoch strafbar. Es ist daher dringend anzuraten, im Zweifelsfall vor einer Aussage rechtlichen Beistand in Anspruch zu nehmen.

Ist auch das Verschweigen von Informationen eine Falschaussage?

Das bloße Verschweigen von Tatsachen stellt nicht zwangsläufig eine Falschaussage im Sinne des Gesetzes dar. Eine Falschaussage im strafrechtlichen Sinn setzt voraus, dass der Zeuge aktiv eine unwahre Tatsache behauptet oder eine wahre Tatsache bestreitet. Das bloße Nichtbeantworten von Fragen, sofern dies nicht durch das Aussageverweigerungsrecht gedeckt ist, kann allerdings als unvollständige Zeugenaussage gewertet werden. Wird durch das Verschweigen der Gesamteindruck aber dergestalt verfälscht, dass dadurch eine irreführende oder falsche Aussage entsteht, besteht die Gefahr der Strafbarkeit wegen einer uneidlichen Falschaussage. Es besteht zudem die Pflicht, gerichtliche Fragen vollständig und wahrheitsgemäß zu beantworten; selektive oder unvollständige Angaben können in bestimmten Konstellationen diese Pflicht verletzen und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Was ist der Unterschied zwischen uneidlicher und eidlicher Falschaussage?

Der Unterschied liegt im Eidesstatus der Aussage. Die uneidliche Falschaussage nach § 153 StGB betrifft falsche Aussagen als Zeuge, Sachverständiger oder Dolmetscher vor Gericht ohne Eid. Wird diese Aussage unter Eid getätigt, handelt es sich um einen besonders schweren Fall: den Meineid nach § 154 StGB. Die Strafandrohung ist hier bedeutend höher, nämlich mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe. Der Gesetzgeber misst eidlichen Aussagen eine größere Relevanz zu, da der Eid eine erhöhte Verpflichtung zur Wahrheitstreue begründet. Die Schwelle für die Strafbarkeit ist bei beiden Varianten gleich hoch; entscheidend für die Unterscheidung ist, ob zusätzlich ein Eid abgelegt wurde.

Können auch Angeklagte wegen Falschaussage bestraft werden?

Angeklagte oder Beschuldigte stehen unter dem sogenannten nemo-tenetur-Grundsatz, der besagt, dass niemand verpflichtet ist, sich selbst zu belasten. Daher sind Angeklagte im Gegensatz zu Zeugen strafrechtlich nicht zur Wahrheit verpflichtet und können nicht wegen einer Falschaussage bestraft werden. Sie dürfen im Strafverfahren lügen, ohne diesbezüglich Strafverfolgung befürchten zu müssen. Allerdings gibt es Ausnahmen bei besonderen Delikten, etwa bei falscher Verdächtigung (§ 164 StGB) oder Prozessbetrug (§ 263 StGB in Verbindung mit gerichtlichen Verfahren), wenn durch gezielte Falschangaben andere Personen zu Unrecht belastet werden oder das Gericht in die Irre geführt wird, um einen geldwerten Vorteil zu erlangen.

Gibt es Verjährungsfristen bei der Verfolgung einer Falschaussage?

Ja, auch bei Falschaussagen gelten die allgemeinen Verjährungsregelungen des Strafrechts. Die Verjährungsfrist richtet sich dabei nach der Höhe des angedrohten Strafmaßes. Bei einer uneidlichen Falschaussage (§ 153 StGB) beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Im Falle des Meineides (§ 154 StGB), dessen Strafandrohung bei mindestens einem Jahr liegt, beläuft sich die Verjährungsfrist auf zehn Jahre. Die Frist beginnt grundsätzlich mit dem Tag der Tatbeendigung zu laufen. Nachdem die Verjährung abgelaufen ist, kann eine Tat nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden.

Welche Pflichten haben Zeugen bezüglich der Wahrheitspflicht?

Zeugen sind verpflichtet, vor Gericht wahrheitsgemäße und vollständige Angaben zu machen (§ 48 StPO). Bei Vorsatz zur Falschaussage, sei es durch aktives Lügen oder durch das Verleugnen einer Tatsache, macht sich der Zeuge strafbar. Neben der Pflicht zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Aussage besitzen Zeugen allerdings auch Rechte, insbesondere das Aussageverweigerungsrecht in bestimmten Fällen. Verletzt ein Zeuge seine Wahrheitspflicht vorsätzlich, drohen die oben genannten strafrechtlichen Konsequenzen, zudem kann ein Ordnungs- oder Zwangsgeld verhängt werden, wenn der Zeuge seiner Aussagepflicht ohne triftigen Grund nicht nachkommt.