Grundlagen des Fahreignungs-Bewertungssystems
Das Fahreignungs-Bewertungssystem ist ein zentrales Instrument der deutschen Straßenverkehrsordnung zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und dient der Überwachung und Einschätzung der Fahreignung von Kraftfahrzeugführern. Es bildet die Grundlage für Maßnahmen im Falle von Verkehrsverstößen und ist im Wesentlichen im Straßenverkehrsgesetz (StVG) sowie in der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) geregelt. Über die Jahre wurde das System kontinuierlich angepasst, um aktuellen verkehrspolitischen Herausforderungen und Präventionszielen gerecht zu werden.
Rechtlicher Rahmen des Fahreignungs-Bewertungssystems
Gesetzliche Grundlagen
Das Fahreignungs-Bewertungssystem ist schwerpunktmäßig im § 4 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) festgelegt. Die einschlägigen Regelungen umfassen:
- Bedingungen und Ablauf der Bewertung von Verstößen
- Punktesystem (Punktebewertung)
- Konsequenzen aus dem Erreichen bestimmter Punktegrenzen
- Verfahren zur Tilgung und Verjährung von Punkten
Ergänzend regelt die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV), insbesondere in § 29 FeV, ausführliche Details zur Tilgungsfrist von Punkten und zur Führung des Fahreignungsregisters.
Fahreignungsregister und das Kraftfahrt-Bundesamt
Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) führt das Fahreignungsregister (früher Verkehrszentralregister) in Flensburg. Im Register werden sämtliche Verstöße gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften mit Relevanz für die Verkehrssicherheit sowie daraus resultierende Maßnahmen dokumentiert. Die Eintragungspflicht ergibt sich unmittelbar aus dem § 28 ff. StVG.
Das Punktesystem im Detail
Erfassung und Bewertung von Verstößen
Verstöße gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften werden je nach Schwere und Relevanz für die Verkehrssicherheit mit 1 bis 3 Punkten im Fahreignungsregister bewertet. Die Bewertung erfolgt nach dem bundeseinheitlichen Tatbestandskatalog.
- 1 Punkt: Ordnungswidrigkeiten mit Bedeutung für die Verkehrssicherheit (z. B. Geschwindigkeitsüberschreitungen)
- 2 Punkte: Grobe Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten ohne Entziehung der Fahrerlaubnis, jedoch mit besonderer Gefährdung
- 3 Punkte: Straftaten mit Entziehung der Fahrerlaubnis oder Fahrverbot
Bewertungsgesichtspunkte
Nicht jeder Verkehrsverstoß ist eintragungspflichtig; maßgeblich ist die Auswirkung auf die Verkehrssicherheit. Bagatellverstöße werden nicht im Register vermerkt. Die Systematik zielt auf die Einschätzung ab, ob eine Person dauerhaft zur sicheren Führung von Kraftfahrzeugen geeignet ist.
Konsequenzen des Punktestandes – Maßnahmen und Rechtsfolgen
Punktekontostände und gestufte Maßnahmen
Das Fahreignungs-Bewertungssystem sieht drei Verhaltensstufen mit korrespondierenden Maßnahmen vor:
- Ermahnung: Ab 4 bis 5 Punkten erfolgt eine schriftliche Ermahnung durch die Fahrerlaubnisbehörde mit Hinweis auf die Möglichkeit eines Fahreignungsseminars zur Punktereduzierung.
- Verwarnung: Ab 6 bis 7 Punkten folgt die förmliche Verwarnung durch die Behörde; weiteres Fahreignungsseminar kann nicht mehr zur Punktereduktion genutzt werden.
- Entziehung der Fahrerlaubnis: Ab 8 oder mehr Punkten wird die Fahrerlaubnis zwingend entzogen. Die Neuerteilung ist frühestens nach Ablauf der gesetzlichen Sperrfrist sowie ggf. nach positiver medizinisch-psychologischer Untersuchung (MPU) möglich.
Maßgeblicher Zeitpunkt
Für die Bewertung ist der Tag der Rechtskraft des jeweiligen Verkehrsverstoßes entscheidend.
Rechtsmittel und Verfahrensschutz
Gegen behördliche Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Fahreignungs-Bewertungssystem stehen Betroffenen die üblichen Rechtsmittel offen, insbesondere der Widerspruch und ggf. gerichtliche Klage. Umfangreiche Regelungen der Verwaltungsverfahrensgesetze und des Verwaltungsprozessrechts gewährleisten Verfahrensgerechtigkeit.
Tilgung und Verjährung im Fahreignungsregister
Tilgungsfristen
Die Tilgungsfristen sind nach der Schwere des Verstoßes gestaffelt:
- Ordnungswidrigkeiten mit 1 Punkt: 2,5 Jahre ab Rechtskraft
- Ordnungswidrigkeiten und Straftaten mit 2 Punkten: 5 Jahre
- Straftaten mit 3 Punkten: 10 Jahre
Mit Ablauf der Frist werden die betreffenden Eintragungen gelöscht, sofern keine neuen schwerwiegenden Verstöße zwischenzeitlich begangen wurden, die die Tilgung hemmen könnten.
Hemmung der Tilgung
Nach § 29 Abs. 6 FeV ist die Tilgung dann gehemmt, wenn eine neue eintragungsrelevante Tat vor Ablauf der ursprünglichen Tilgungsfrist rechtskräftig festgestellt wird.
Bedeutung im Kontext der Fahrerlaubnissicherung
Das Fahreignungs-Bewertungssystem verfolgt das Ziel, die Sicherheit im Straßenverkehr durch frühzeitige Erkennung von Eignungsmängeln und risikobehaftetem Verhalten zu erhöhen. Es bietet eine objektive und für Betroffene nachvollziehbare Möglichkeit, das eigene Fahrverhalten zu reflektieren und ggf. Korrekturmaßnahmen zu ergreifen.
Maßnahmen zur Prävention
Die Möglichkeit, im Rahmen der sog. freiwilligen Teilnahme an einem Fahreignungsseminar Punkte abbauen zu können, dient der präventiven Verhaltenslenkung. Zudem fördern Hinweisschreiben und Beratungsangebote die Selbstkontrolle der Betroffenen.
Rechtsschutz und Datenschutz
Das Fahreignungsregister unterliegt besonderen datenschutzrechtlichen Regelungen nach § 30 StVG. Abfragen zum eigenen Punktestand sind für jedermann möglich, die Übermittlung an Dritte erfolgt jedoch nur unter den gesetzlich definierten Voraussetzungen, etwa gegenüber Gerichten, Behörden oder bei berechtigtem Interesse Dritter, insbesondere im Zusammenhang mit dem Erwerb einer gewerblichen Fahrerlaubnis.
Reformen und Ausblick
Im Zuge mehrerer Novellierungen, zuletzt mit der Reform des Punktsystems im Jahr 2014, wurde das Fahreignungs-Bewertungssystem übersichtlicher und rechtssicherer ausgestaltet. Zentrale Ziele der Gesetzgebung sind die stärkere Fokussierung auf risikobehaftete Verstöße sowie ein transparenteres System zur Vermeidung von Fahrerlaubnisentziehungen bei Bagatellfällen.
Zukünftig stehen insbesondere die Digitalisierung des Registers und die EU-weit einheitliche Erfassung von Verkehrsverstößen im Fokus weiterer Anpassungen.
Zusammenfassung:
Das Fahreignungs-Bewertungssystem ist ein gesetzlich geregeltes Instrument zur Erfassung, Bewertung und Sanktionierung verkehrsrelevanter Verstöße. Es dient unmittelbar dem Schutz der Verkehrssicherheit und bietet zahlreiche Rechtsschutz- und Kontrollmechanismen zur Wahrung der Interessen der Betroffenen. Umfassende rechtliche Grundlagen, differenzierte Tilgungsregelungen und behördliche Maßnahmen gewährleisten ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Prävention, Sanktionierung und dem Schutz vor Wiederholungstätern im Straßenverkehr.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Grundlagen regeln das Fahreignungs-Bewertungssystem in Deutschland?
Das Fahreignungs-Bewertungssystem ist in Deutschland im Wesentlichen durch das Straßenverkehrsgesetz (StVG), insbesondere in den §§ 4 und 4a StVG, sowie die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) gesetzlich geregelt. Ergänzend dazu wurde das Punktesystem zum 1. Mai 2014 reformiert und klare, einheitliche Maßstäbe für die Bewertung von Verkehrsverstößen geschaffen. Die Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) bestimmt dabei die genauen Verkehrsverstöße, deren Ahndung mit Punkten verbunden ist und deren Eintrag ins Fahreignungsregister (FAER) nach § 28 StVG erfolgt. Die rechtliche Aufgabe der Bewertung liegt beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), das für die Erfassung und Führung des Registers verantwortlich ist. Im Gesamtkontext basiert das Fahreignungs-Bewertungssystem damit auf einer klaren gesetzlichen Grundlage, die rechtsstaatliche Verfahren sowie den Datenschutz bei der Punktevergabe und -löschung regelt.
Wie läuft das behördliche Verfahren zur Punktevergabe und -mitteilung rechtlich ab?
Wird eine Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr festgestellt, die mit Punkten sanktioniert wird, erfolgt zunächst die Ahndung durch die zuständige Verwaltungs- oder Bußgeldbehörde. Das anschließende Verwaltungsverfahren ist durch die Vorschriften des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG), insbesondere §§ 55 ff., geregelt. Nach rechtskräftigem Abschluss des Bußgeldbescheids – also wenn kein Einspruch mehr möglich ist oder der Einspruch zurückgewiesen wurde – meldet die Verwaltungsbehörde den Verstoß sowie die verhängte Punktzahl an das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Das KBA trägt die Punkte in das Fahreignungsregister ein und informiert gemäß § 4a Abs. 5 StVG die betroffene Person über den Punktestand, sofern dies zu Maßnahmen führt. Rechtsmittel gegen die Bußgeldentscheidung bleiben davon unberührt. Die gesamte Punktevergabe ist somit formalisiert und unterliegt strengen, rechtsstaatlichen Vorgaben.
Welche Rechtsfolgen drohen bei Erreichen bestimmter Punktestände?
Das Fahreignungs-Bewertungssystem sieht abgestufte Maßnahmen gemäß § 4 StVG für verschiedene Punkteschwellen vor. Ab 4 bis 5 Punkten erfolgt eine Ermahnung, bei 6 bis 7 Punkten eine Verwarnung, jeweils schriftlich durch die zuständige Fahrerlaubnisbehörde. Diese Schritte sind als administrative Maßnahmen ausgestaltet und dienen dem Zweck der Verkehrserziehung. Erreicht oder überschreitet der Punktestand 8 Punkte, ist die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG). In diesem Fall handelt es sich um eine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen, die zum Verlust der Fahrerlaubnis führt. Rechtsmittel gegen die behördlichen Entscheidungen – namentlich der Widerspruch und Klage nach den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) – sind nach Zustellung des Bescheids möglich.
Wie ist das Verfahren zur Löschung von Punkten rechtlich geregelt?
Die Löschung von Punkten im Fahreignungsregister richtet sich nach § 29 StVG. Die Tilgungsfristen variieren je nach Schwere und Art des eingetragenen Verstoßes: Ordnungswidrigkeiten werden nach 2,5 bis 5 Jahren, Straftaten mit Fahrerlaubnisbezug erst nach 10 Jahren gelöscht. Wichtig ist, dass eine Überliegefrist von einem weiteren Jahr gilt, innerhalb derer getilgte Eintragungen aus Gründen der Verfahrenssicherheit noch berücksichtigt werden können, etwa bei bereits laufenden behördlichen Verfahren (§ 29 Abs. 7 StVG). Die jeweiligen Fristen laufen unabhängig vom aktuellen Punktestand und eine Verlängerung findet nur in gesetzlich normierten Ausnahmefällen statt. Personenbezogene Daten sowie Punkte sind nach Ablauf der Frist zwingend aus dem Register zu entfernen.
Welche Möglichkeiten zur Rechtsverteidigung bestehen gegen Punktvergaben?
Betroffene Personen können sich gegen die Erhebung von Punkten zunächst mit Einspruch gegen den Bußgeldbescheid (§ 67 OWiG) zur Wehr setzen. Erfolgt die Feststellung trotz Einspruchs, besteht die Möglichkeit, Einsicht in das Fahreignungsregister beim KBA nach § 30 StVG zu beantragen. Weist der Eintrag inhaltliche Fehler oder Verfahrensmängel auf, können weitergehende Rechtsmittel, insbesondere der Widerspruch beziehungsweise die Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht (§ 68 ff. VwGO), eingelegt werden. Auch bei drohendem Führerscheinentzug kann im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vorläufiger Rechtsschutz (§ 80 VwGO) beantragt werden. Es empfiehlt sich zudem, insbesondere bei komplexen Sachverhalten, anwaltliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
Inwiefern ist der Datenschutz im Zusammenhang mit dem Fahreignungs-Bewertungssystem rechtlich geregelt?
Der Datenschutz beim Fahreignungs-Bewertungssystem basiert maßgeblich auf den Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) und der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Nach § 30 StVG dürfen personenbezogene Daten, einschließlich Punkteintragungen, nur zu den in den gesetzlichen Bestimmungen normierten Zwecken verarbeitet und übermittelt werden. Die Auskunft aus dem Fahreignungsregister ist grundsätzlich nur betroffenen Personen sowie bestimmten berechtigten Behörden und Gerichten gestattet. Die technische und organisatorische Sicherung der Daten wird durch das KBA als verantwortlicher Registerführer gewährleistet, und unbefugte Einsichtnahmen sind strafbar. Die Betroffenen haben ferner ein umfassendes Recht auf Akteneinsicht, Berichtigung und Löschung unrichtiger Daten.
Welche Rolle spielen Fahreignungsseminare im rechtlichen Rahmen des Bewertungssystems?
Fahreignungsseminare stellen eine Maßnahme nach § 4a StVG dar, die dem Zweck der verkehrspädagogischen Aufarbeitung und Prävention dient. Teilnahmeberechtigt sind Personen mit 1 bis 5 Punkten, wobei ab 5 Punkten eine Reduzierung um einen Punkt möglich ist, sofern seit der letzten Maßnahmenreduzierung mindestens fünf Jahre vergangen sind. Die Seminare sind gesetzlich normiert, inhaltlich von anerkannten Trägern durchzuführen und bestehen aus verkehrspädagogischen und -psychologischen Teilen. Die Teilnahme ist freiwillig, es besteht kein Rechtsanspruch auf eine Reduzierung bei nicht ordnungsgemäßer Teilnahme. Die Durchführung und Anerkennung der Seminare unterliegt der Überprüfung durch die Landesbehörden und ist Teil der amtlichen Maßnahmen im Maßnahmenkatalog des Fahreignungs-Bewertungssystems.