Begriff und rechtlicher Rahmen: Fahnen verbotener Vereinigungen
Der Begriff „Fahnen verbotener Vereinigungen“ bezeichnet Fahnen, Standarten, Banner oder ähnliche Symbole, die einer Organisation zuzuordnen sind, deren Aktivitäten oder Zielsetzungen in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Vereinsgesetz oder auf Grundlage anderer Vorschriften untersagt oder verboten wurden. Dazu zählen insbesondere Vereinigungen, die wegen verfassungswidriger Bestrebungen, Verstoßes gegen Strafgesetze oder staatsgefährdender Zielsetzungen beziehungsweise aufgrund eines gerichtlichen oder staatlichen Verbots nicht mehr bestehen dürfen. Das Zeigen, Verwenden oder Verbreiten entsprechender Fahnen ist in einer Vielzahl von Gesetzen geregelt und kann unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich ziehen.
Rechtliche Grundlagen
Vereinsgesetz (VereinsG)
Die maßgebliche Rechtsvorschrift bezüglich Fahnen verbotener Vereinigungen ist das Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz, VereinsG). Gemäß § 9 Abs. 1 VereinsG ist das Verwenden von Kennzeichen verbotener Vereine untersagt. Unter Kennzeichen werden gemäß § 9 Abs. 2 VereinsG ausdrücklich auch Fahnen verstanden.
§ 9 Abs. 1 VereinsG bestimmt:
„Es ist verboten, Kennzeichen eines Vereins, der durch vollziehbare Verfügung verboten wurde, öffentlich, in einer Versammlung, unter Mitwirkung eines Vereinsmitglieds oder in einer Weise zu verwenden, die geeignet ist, den Anschein des Fortbestehens des Vereins zu erwecken.“
Im Sinne des Gesetzes gelten als Kennzeichen unter anderem:
- Abzeichen
- Uniformteile
- Parolen
- Fahnen und Banner
Strafgesetzbuch (StGB)
Neben dem Vereinsgesetz enthält auch das Strafgesetzbuch einschlägige Vorschriften. Nach § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) ist es strafbar, Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen – dazu zählen auch Fahnen – öffentlich oder in Drucksachen zu verwenden, zu verbreiten oder zu besitzen.
Definition und Reichweite
Begriff der Fahne
Fahnen im Sinne des Verbotes sind alle textilen (oder stoffähnlichen) Flächen, die als Symbolträger einer Organisation konzipiert sind und nach außen sichtbar ein erkennbares Zeichen darstellen. Dies umfasst Schwenkfahnen, Banner, Standarten sowie Abbildungen von Fahnen auf Kleidung, Aufklebern oder digitalen Medien.
Verbotene Vereinigungen
Eine Vereinigung im Sinne des VereinsG kann verboten werden, wenn sie nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Mitglieder gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist oder sich gegen den Staat wendet. Nach § 3 VereinsG ist bereits das Bestehen einer Organisationsstruktur, die geeignet ist, einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen, ausreichend – unabhängig von einer formalen Mitgliedschaft.
Zu den typischerweise verbotenen Vereinigungen zählen:
- Neonazistische oder andere extremistische Gruppierungen (z. B. NSDAP, IS, Hizbollah)
- Nachfolgeorganisationen bereits verbotener Gruppierungen
- Vereinigungen, die aufgrund strafbarer Handlungen untersagt wurden
Kennzeichenbegriff und Gleichstellungsprinzip
Nicht nur die originale Fahne einer verbotenen Vereinigung ist verboten; auch solche Darstellungen, die den Eindruck dieser Fahnen erwecken, sind erfasst (sog. Gleichstellungsprinzip). Dies betrifft auch modifizierte oder verfremdete Darstellungen, sofern der Bezug erkennbar bleibt.
Beispiel: Eine stilisierte Abbildung einer Hakenkreuzfahne, selbst wenn das Hakenkreuz abgewandelt wurde, kann bereits vom Verbot erfasst sein.
Strafbarkeit und Sanktionen
Strafrechtliche Folgen
Die unbefugte Verwendung von Fahnen verbotener Vereinigungen kann nach § 20 VereinsG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe geahndet werden. Für Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a StGB droht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
Neben der Verwendung ist auch das bloße Besitzen, Herstellen oder Verbreiten (z. B. Veräußern über das Internet) von Fahnen verboten.
Mögliche Ausnahmen
Eine Ausnahme kann vorliegen, wenn die Verwendung ausschließlich der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst, der Wissenschaft, Forschung oder Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient (§ 86 Abs. 3 StGB). Die Ausnahmen gelten jedoch eng und müssen im Einzelfall einer Prüfung unterzogen werden.
Fahnen verbotener Vereinigungen im Kontext der Versammlungs- und Meinungsfreiheit
Das Verbot, Fahnen verbotener Vereinigungen zu zeigen, steht im Spannungsfeld zur Versammlungs- und Meinungsfreiheit, wie sie im Grundgesetz garantiert werden. Allerdings erkennt das Bundesverfassungsgericht die Notwendigkeit solcher Verbote zum Schutze des demokratischen Rechtsstaates und der öffentlichen Sicherheit an. Verstöße gegen das Verbot werden daher regelmäßig stärker gewichtet als die freie Meinungsäußerung bei Versammlungen mit Bezug zu solchen Vereinigungen.
Abgrenzungen und Sonderfälle
Abgrenzung zu ähnlichen Symbolen
Die Unterscheidung, ob eine Fahne tatsächlich dem Kennzeichenverbot unterliegt, ist häufig Gegenstand gerichtlicher Bewertung. Entscheidend ist hierbei, ob für einen durchschnittlichen Betrachter ein erkennbarer Bezug zur verbotenen Organisation besteht. Manche religiöse oder kulturelle Symbole, die mit verbotenen Gruppierungen assoziiert sein könnten, fallen möglicherweise nicht unter das Verbot, sofern keine konkrete Zuordnung gegeben ist.
Rechtsprechung
Die Rechtsprechung tendiert dazu, im Zweifelsfall zugunsten eines umfassenden Verbots zu entscheiden, sofern der Schutz der Allgemeinheit vor verfassungswidrigen Bestrebungen das Vorgehen rechtfertigt. Zahlreiche Urteile der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofs beschäftigen sich mit der Auslegung von § 86a StGB und der Frage, welche Fahnen oder Zeichen im Einzelfall verboten sind.
Internationale Aspekte
Das Verwenden von Fahnen verbotener Organisationen ist nicht nur in Deutschland untersagt. Auch andere Staaten – insbesondere innerhalb der Europäischen Union – kennen vergleichbare Verbote, etwa zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder zur Bekämpfung von Extremismus. Unterschiede bestehen jedoch hinsichtlich der betroffenen Organisationen und der Reichweite des Verbots.
Zusammenfassung
Das Zeigen und Verbreiten von Fahnen verbotener Vereinigungen stellt in Deutschland einen rechtlich klar geregelten Verstoß gegen öffentliches Recht dar. Die wesentlichen Regelungen ergeben sich aus dem Vereinsgesetz und dem Strafgesetzbuch. Sie verfolgen das Ziel, verfassungsfeindliche und staatsgefährdende Bestrebungen zu unterbinden und die öffentliche Ordnung zu schützen. Die Ausnahmen vom Verbot sind eng auszulegen und unterliegen einer strengen Einzelfallprüfung. Das Verwenden von Fahnen verbotener Vereinigungen kann mit empfindlichen Strafen geahndet werden und ist ein bedeutender Aspekt der Sicherheitsarchitektur des demokratischen Rechtsstaates.
Häufig gestellte Fragen
Wann gilt das öffentliche Zeigen einer Fahne als strafbar?
Das öffentliche Zeigen einer Fahne ist dann strafbar, wenn es sich dabei um ein Kennzeichen einer in Deutschland verbotenen Vereinigung handelt, wie es in § 86a StGB geregelt ist. Hierzu zählen insbesondere Symbole, Zeichen und Fahnen extremistischer Organisationen, die durch das Bundesministerium des Innern explizit verboten wurden. Die Strafbarkeit umfasst sowohl das Zeigen bei Versammlungen, Demonstrationen als auch im privaten, wenn dadurch eine öffentliche Wirkung erzielt wird. Eine Strafbarkeit entfällt, wenn das Zeigen ausschließlich der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Kunst, der Wissenschaft, der Forschung oder Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient (§ 86 Abs. 3 StGB: Sozialadäquanzklausel). Die Abgrenzung erfordert stets eine Prüfung des Einzelfalls.
Wer entscheidet, ob eine Vereinigung und damit deren Fahnen verboten sind?
Die Entscheidung über das Verbot einer Vereinigung, ihrer Symbole und Möglichkeiten zu deren Kennzeichnung, obliegt dem Bundesministerium des Innern auf Grundlage des Vereinsgesetzes (§3 VereinsG). Das Verbot kann sich auf staats- oder verfassungsfeindliche Bestrebungen stützen und wird häufig per Allgemeinverfügung oder gerichtlicher Entscheidung ausgesprochen. Mit dem Verbot geht regelmäßig eine Liste der untersagten Kennzeichen und Fahnen einher, die regelmäßig aktualisiert wird und den Strafverfolgungsbehörden sowie der Öffentlichkeit kommuniziert wird.
Gibt es eine amtliche Liste verbotener Fahnen und Symbole?
Eine zentrale, für jedermann einsehbare amtliche Liste gibt es nicht, jedoch werden nach einem Vereinsverbot im Bundesanzeiger und auf Webseiten des Bundesinnenministeriums regelmäßig die wichtigsten Kennzeichen, darunter Fahnen, veröffentlicht. Die Polizei und andere Strafverfolgungsbehörden verfügen über interne Handreichungen und Übersichtsdokumente, um aktuelle Symbol- und Fahnenverbote nachzuhalten. Darüber hinaus existieren diverse Bildungsinitiativen und Fachliteratur, die die jeweils bekannten verbotenen Fahnen dokumentieren. Für den Rechtsanwender empfiehlt sich immer die individuelle Rückfrage bei den zuständigen Behörden im Zweifelsfall.
Welche Konsequenzen drohen bei einem Verstoß gegen das Fahnenverbot?
Bei einem Verstoß gegen das Verbot des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, einschließlich des Zeigens verbotener Fahnen, droht gemäß § 86a Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Zu einer Strafbarkeit kann es auch bereits beim bloßen Verbreiten, Ausstellen oder Zugänglichmachen einer verbotenen Fahne kommen. Bei Jugendlichen und Heranwachsenden gelten die Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes, wodurch vorrangig Erziehungsmaßnahmen in Betracht kommen können. Zusätzlich können polizeirechtliche Maßnahmen wie Sicherstellungen, Platzverweise oder Versammlungsauflösungen folgen.
Ist eine Fahne immer dann verboten, wenn sie anderen ähnelt, aber nicht identisch ist?
Eine Strafbarkeit setzt grundsätzlich voraus, dass die Fahne entweder exakt dem Kennzeichen einer verbotenen Organisation entspricht oder ihr zum Verwechseln ähnlich ist. Nach ständiger Rechtsprechung reicht eine sogenannte Verwechslungsgefahr aus; dies liegt vor, wenn „ein unbefangener Betrachter“ von der Zugehörigkeit zur verbotenen Organisation ausgehen könnte. Lediglich eine stilistische Anlehnung oder eine ironische Modifikation reicht nicht zwangsläufig aus, kann aber strafbar sein, wenn sie die Wiedererkennbarkeit des verbotenen Symbols beibehält. Die Bewertung muss jeweils am Einzelfall erfolgen und berücksichtigt etwa Farbe, Form und Kombination der Elemente.
Gibt es Ausnahmen vom Verbot für gewisse Kontexte, wie Bildung oder Kunst?
Das Gesetz sieht in § 86 Abs. 3 StGB explizite Ausnahmen für das Verwenden von verbotenen Kennzeichen, und damit auch Fahnen, für Zwecke der staatsbürgerlichen Aufklärung, Wissenschaft, Forschung, Lehre, Kunst oder Berichterstattung vor. Voraussetzung ist, dass das Zeigen in einem eindeutig sachbezogenen, nicht propagandistischen Kontext geschieht. Maßgebend ist dabei die Art der Präsentation: Führt die Nutzung zu einer Verherrlichung oder Verharmlosung der verbotenen Organisation, ist die Sozialadäquanzklausel nicht mehr anwendbar und es bleibt bei der Strafbarkeit.
Welche Rolle spielt die Intention des Zeigenden?
Die Intention des Zeigenden kann für die Strafbarkeit entscheidend sein, ist aber nicht in jedem Fall maßgeblich. Das Gesetz verlangt für eine Strafbarkeit grundsätzlich keinen besonderen Vorsatz hinsichtlich der Unterstützung oder Propagierung der verbotenen Organisation, wohl aber das Bewusstsein, ein entsprechendes Kennzeichen zu verwenden. Wer sich nachweislich ernsthaft und unwiderlegbar irrt, kann sich unter Umständen auf einen Tatbestandsirrtum gemäß § 16 StGB berufen, was zur Straffreiheit führen kann. Aber: Das allgemeine Ignorieren von Verboten oder Fahrlässigkeit reicht nicht zur Entschuldigung. Die Gerichte prüfen immer die Umstände des jeweiligen Falls.