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Fälschung beweiserheblicher Daten


Begriff und rechtliche Grundlagen der Fälschung beweiserheblicher Daten

Die Fälschung beweiserheblicher Daten ist ein Straftatbestand im deutschen Strafrecht, der die Manipulation elektronischer Daten zum Zweck der Täuschung im Rechtsverkehr unter Strafe stellt. Diese Vorschrift wurde mit dem 6. Strafrechtsreformgesetz durch das „Gesetz zur Bekämpfung der Computerkriminalität“ zum 1. August 1986 als § 269 in das Strafgesetzbuch (StGB) eingeführt. Sie ergänzt die klassischen Urkundendelikte um eine Regelung zum Schutz elektronisch gespeicherter oder übertragener Daten, deren Beweisfunktion im Rechtsverkehr von besonderer Bedeutung ist.

Historische Entwicklung und gesetzgeberische Intention

Mit der fortschreitenden Digitalisierung und Verlagerung von geschäftlichen sowie privaten Aktivitäten auf elektronische Medien entstand die Notwendigkeit, den Manipulationsschutz von nichtkörperlichen, elektronischen Informationen auszubauen. Dem lag die Erkenntnis zugrunde, dass elektronische Daten im Rechtsverkehr eine vergleichbare Beweisfunktion wie herkömmliche Schriftstücke erlangen, ohne als Urkunde im Sinne des § 267 StGB zu gelten. Ziel des Gesetzgebers war es, eine Regelung zu schaffen, die die Integrität, Authentizität und Verlässlichkeit elektronischer Daten schützt und eine Schutzlücke gegenüber klassischen Urkundsdelikten schließt.

Tatbestand der Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 StGB)

Objektiver Tatbestand

Der objektive Tatbestand der Fälschung beweiserheblicher Daten erfordert vier Elemente:

1. Daten: Definition und Abgrenzung

Gemäß der gesetzlichen Definition sind unter Daten solche Informationen zu verstehen, die elektronisch, magnetisch oder sonst nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeichert oder übermittelt werden. Dazu zählen Text-, Bild- und Audiodateien, E-Mails, Datenbanken, elektronische Urkunden und andere für Beweiszwecke relevante Datenträger.

2. Beweiserheblichkeit

Daten sind beweiserheblich, wenn sie eine Beweisfunktion im Rechtsverkehr erfüllen, das heißt, sie sind bestimmt und geeignet, im Rechtsverkehr Tatsachen zu beweisen. Die Daten müssen also objektiv die Möglichkeit eines Beweises für rechtlich relevante Sachverhalte besitzen.

3. Herstellen unechter Daten oder Verfälschen echter Daten

Der Täter muss entweder:

  • Unechte Daten herstellen: Dies liegt vor, wenn neue, vorher nicht existente Daten erzeugt werden, die den Anschein erwecken, von einer anderen Person als der tatsächlich verantwortlichen zu stammen oder inhaltlich wahr zu sein.
  • Echte Daten verfälschen: Hierunter fällt jede nachträgliche Änderung bereits bestehender, beweiserheblicher Daten, die auf eine Täuschung über ihre Echtheit oder ihren Ursprung abzielt.

4. Täuschungsabsicht

Der Täter muss mit dem Ziel handeln, im Rechtsverkehr eine Täuschung über die Echtheit der Daten zu bewirken; diese muss nicht zwingend tatsächlich eintreten.

Subjektiver Tatbestand

Im subjektiven Bereich ist Vorsatz hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale erforderlich. Eventualvorsatz genügt dabei, bedingter Vorsatz ist ausreichend.

Versuch und Vollendung

Der Versuch der Fälschung beweiserheblicher Daten ist gemäß § 269 Abs. 2 StGB ebenfalls strafbar. Die Tat ist vollendet, sobald die manipulativen Veränderungen vorgenommen wurden, unabhängig davon, ob die Daten tatsächlich verwendet wurden.

Rechtsfolgen und Strafmaß

Nach § 269 Abs. 1 StGB wird die Fälschung beweiserheblicher Daten mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe sanktioniert. In besonders schweren Fällen (§ 269 Abs. 3 StGB), beispielsweise bei gewerbsmäßiger oder bandenmäßiger Tatausführung, ist eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren möglich.

Eine Strafbarkeit wegen versuchter Fälschung beweiserheblicher Daten kann ebenfalls zur Anwendung kommen. Daneben besteht zudem die Möglichkeit der Einziehung von Tatmitteln nach §§ 73 ff. StGB.

Praktische Anwendungsbeispiele

Typische Fallgestaltungen sind:

  • Manipulation von E-Mails oder elektronischen Vertragsdokumenten
  • Verfälschen von digitalen Protokollen oder Logs
  • Unbefugtes Ändern von Einträgen in Datenbanken, z.B. bei Banken oder Behörden
  • Fälschung digitaler Signaturen oder elektronischer Stimmabgaben

Gerade im Bereich des Geschäftsverkehrs, bei elektronischer Beweisführung vor Gericht und in der öffentlichen Verwaltung erlangt der Tatbestand besondere Bedeutung.

Abgrenzung zu anderen Delikten

Verhältnis zur Urkundenfälschung (§ 267 StGB)

Die Fälschung beweiserheblicher Daten steht in einem engen Zusammenhang zur Urkundenfälschung, erfasst jedoch elektronische Informationen, die nicht unter den Urkundenbegriff fallen. Überschneidungen sind ausgeschlossen: Für Daten, die zugleich als elektronische Dokumente signiert werden und als Urkunde gelten, ist § 267 StGB vorrangig.

Verhältnis zu anderen Computerkriminalitätsdelikten

Neben § 269 StGB existieren weitere strafrechtliche Vorschriften zur Bekämpfung von Computerstraftaten, wie etwa § 303a StGB (Datenveränderung) oder § 202a StGB (Ausspähen von Daten). Der Tatbestand der Fälschung beweiserheblicher Daten ist jeweils dann vorrangig, wenn die Manipulation täuschungsbezogen, also auf die Beweisfunktion ausgerichtet ist.

Auslandsbezug und internationale Aspekte

Bei Straftaten mit Auslandbezug können auch die Vorschriften über internationale Rechtshilfe und die Anwendung deutschen Strafrechts auf Auslandstaten (§§ 3 ff. StGB) relevant werden, insbesondere wenn Datenmanipulationen grenzüberschreitend erfolgen.

Verfahrensrechtliche Besonderheiten und Bedeutung für die Praxis

Die Strafverfolgung bei Fälschung beweiserheblicher Daten kann durch die technische Komplexität der Delikte erschwert sein. Erforderlich sind regelmäßig sachverständige Ermittlungen und spezielle forensische Auswertungsmethoden zur Rekonstruktion von Datenmanipulationen.

Im zivilrechtlichen Kontext spielt die Integrität elektronischer Beweismittel zunehmend eine Rolle bei der Beweisaufnahme und der Beurteilung der Authentizität elektronischer Dokumente vor Gericht.

Schlussbemerkung

Die strafrechtliche Sanktionierung der Fälschung beweiserheblicher Daten stellt einen zentralen Baustein zum Schutz elektronischer Beweismittel im digitalen Zeitalter dar. Sie gewährleistet die Integrität und Beweiskraft digitaler Informationen in einem vom technischen Fortschritt geprägten Rechtsverkehr und dient als wesentliches Instrument gegen Manipulationen im elektronischen Datenverkehr.


Siehe auch:

  • Datenveränderung (§ 303a StGB)
  • Urkundenfälschung (§ 267 StGB)
  • Computerbetrug (§ 263a StGB)
  • Ausspähen von Daten (§ 202a StGB)

Häufig gestellte Fragen

Welche strafrechtlichen Konsequenzen drohen bei der Fälschung beweiserheblicher Daten?

Die Fälschung beweiserheblicher Daten ist nach § 269 StGB (Strafgesetzbuch) in Deutschland strafbar und wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Unter Umständen kann die Tat auch schwerer gewertet werden, wenn sie gewerbsmäßig oder von einer Bande begangen wird, wodurch sich die Strafe erhöht. Wird durch die Fälschung ein besonders großer Schaden verursacht oder werden durch die Handlung weitere Straftaten, wie Betrug oder Urkundenfälschung (§ 267 StGB), begangen, sind höhere Strafen möglich. Zudem kann das Gericht berufsbezogene Nebenstrafen wie Berufsverbote verhängen, insbesondere wenn die Fälschung im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit stattfand. Zivilrechtliche Folgen wie Schadensersatzansprüche der Betroffenen sind ebenso denkbar.

Wie gestaltet sich der Versuch der Fälschung beweiserheblicher Daten aus rechtlicher Sicht?

Der Versuch der Fälschung beweiserheblicher Daten ist strafbar (§ 269 Abs. 4 StGB). Bereits die unvollendete Tat, also das unmittelbare Ansetzen zur Manipulation oder Erzeugung falscher beweiserheblicher Daten, kann eine Strafbarkeit nach sich ziehen. Voraussetzung für die Strafbarkeit des Versuchs ist, dass der Täter mit Vorsatz handelt und die Handlungen unmittelbar auf die Tatvollendung abzielen. Das Gericht stellt in der Praxis besonders darauf ab, ob der Täter bereits aktiv an der Datenmanipulation gearbeitet hat und diese lediglich aus äußeren Umständen nicht vollenden konnte.

Welche Rolle spielt der Vorsatz bei der Strafbarkeit?

Vorsatz ist zwingende Voraussetzung für die Strafbarkeit nach § 269 StGB. Der Täter muss wissen und wollen, dass er beweiserhebliche Daten fälscht, um einen rechtserheblichen Nachteil oder Vorteil herbeizuführen. Fahrlässige Handlungen reichen für eine Strafbarkeit nicht aus. Der Nachweis des Vorsatzes obliegt der Staatsanwaltschaft und wird häufig anhand von Indizien, etwa E-Mail-Korrespondenz, Protokollauszügen und Zeugenaussagen, geführt. Fehlt der Vorsatz, beispielsweise bei einem technischen Fehler ohne Manipulationsabsicht, entfällt eine Strafbarkeit.

Welche Besonderheiten gelten für elektronische oder digitale Beweise?

Beweiserhebliche Daten umfassen auch elektronische oder digitale Beweise, wie E-Mails, digitale Dokumente, Datenbanken oder Logfiles. Die rechtliche Behandlung orientiert sich daran, ob die manipulierten oder hergestellten Daten dazu bestimmt sind, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen oder eine rechtliche Relevanz zu haben. Besonders bei digitalen Beweisen ergeben sich Herausforderungen bei der Sicherstellung und Authentifizierung der Originaldaten. Die Gerichte verlangen deshalb oft die Vorlage von Sicherungskopien, Logdateien oder technischer Gutachten, um das Ausmaß und die Authentizität der Fälschung zu bewerten. Spezialgesetze, etwa das Signaturgesetz oder die eIDAS-Verordnung, können ergänzend zur Anwendung kommen.

Wie unterscheidet sich die Fälschung beweiserheblicher Daten von der Urkundenfälschung?

Die Fälschung beweiserheblicher Daten nach § 269 StGB bezieht sich auf Daten, die nicht auf physischem Träger vorliegen, sondern rein digital existieren. Urkundenfälschung (§ 267 StGB) betrifft hingegen traditionelle Dokumente, wie Briefe, Verträge oder handschriftliche Schriftstücke, die als Beweismittel dienen können. Die Rechtsprechung grenzt streng danach ab, ob das Beweismittel körperlich (Urkunde) oder immateriell (Daten) ist. Überschneidungen sind möglich, etwa wenn Ausdrucke gefälschter Daten verwendet werden. Hier kann auch eine Strafbarkeit nach beiden Vorschriften geprüft werden.

Welche Möglichkeiten zur Verteidigung bestehen im Ermittlungsverfahren?

Im Ermittlungsverfahren können Beschuldigte verschiedene Verteidigungsstrategien anwenden. Zunächst besteht die Möglichkeit, sich auf mangelnden Vorsatz zu berufen oder technische Fehler nachzuweisen, die zu den vermeintlichen Fälschungen führten. Darüber hinaus können Gutachten zur Echtheit der Daten beauftragt werden, um zu belegen, dass keine Manipulation vorlag. Die Mitwirkung eines spezialisierten Strafverteidigers ist ratsam, insbesondere hinsichtlich der Prüfung, ob alle Voraussetzungen für eine Strafbarkeit erfüllt sind, und ob Beweise der Anklage rechtmäßig erhoben wurden.

Sind Unternehmen oder deren Verantwortliche bei Fälschungen im Betriebsumfeld strafrechtlich haftbar?

Im Unternehmenskontext kann die Verantwortung grundsätzlich sowohl individuelle Mitarbeiter als auch Führungskräfte oder Geschäftsleiter betreffen, wenn diese an der Fälschung beteiligt sind oder diese anweisen. Nach § 14 StGB können auch Organmitglieder für „Verfehlungen“ im Betrieb verantwortlich sein. Zudem können Unternehmen mit empfindlichen Geldbußen nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) belegt werden, wenn nachweislich betriebliche Pflichten verletzt wurden. Compliance-Maßnahmen und interne Kontrollen kommen daher sowohl der Prävention als auch der Verteidigung zugute.