Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Strafrecht»Fälschung beweiserheblicher Daten

Fälschung beweiserheblicher Daten


Fälschung beweiserheblicher Daten

Begriffserklärung und allgemeine Einordnung

Die Fälschung beweiserheblicher Daten ist ein Straftatbestand des deutschen Strafrechts, der die Manipulation digitaler Daten unter Strafe stellt, sofern diese Daten zur Beweisführung im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt sind. Sie bildet einen wichtigen Bestandteil des Cybercrime-Rechts und trägt dem Umstand Rechnung, dass in der modernen Informationsgesellschaft zunehmend digitale Dokumente und elektronische Daten als Beweismittel eingesetzt werden.

Der Straftatbestand wurde mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Computerkriminalität (BGBl. I 2007, S. 1786) eingeführt und ist in § 269 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt.

Normativrechtlicher Hintergrund

Gesetzestext (§ 269 StGB)

§ 269 StGB lautet im Kern:

„Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr beweiserhebliche Daten so speichert oder verändert, dass bei ihrer Wahrnehmung eine unechte oder verfälschte Urkunde vorliegen würde, wird […] bestraft.“

Die Vorschrift ergänzt die §§ 267 ff. StGB (Urkundsdelikte) und erweitert den Schutz auf elektronische Dokumente, die keine körperliche Urkunde im klassischen Sinne darstellen.

Gesetzgebungsmotiv und Schutzzweck

Die Vorschrift dient dem Schutz der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs in Bezug auf elektronische Beweisführung und trägt damit der Digitalisierung wesentlicher Geschäftsvorgänge Rechnung. Sie soll verhindern, dass durch unbefugte Manipulation von Daten die Aussagekraft und Authentizität elektronischer Beweismittel untergraben wird.

Tatbestandsmerkmale

1. Beweiserhebliche Daten

Beweiserheblich sind Daten, wenn sie fähig und dazu bestimmt sind, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen. Darunter fallen insbesondere digitale Dateien, die Erklärungen über rechtlich relevante Tatsachen enthalten (z.B. elektronische Verträge, Rechnungen, Zeugenaussagen in Textform).

  • Objektiver Tatbestand: Erfasst werden ausschließlich solche Daten, denen eine rechtliche Beweisfunktion zukommt.
  • Keine Anwendbarkeit: Reine Kommunikationsdaten ohne Beweisbestimmung (z.B. private E-Mails ohne rechtliche Bedeutung) sind nicht geschützt.

2. Täuschung im Rechtsverkehr

Der Täter muss mit dem Vorsatz handeln, eine Täuschung im Rechtsverkehr herbeizuführen. Zweck ist die rechtswidrige Beeinflussung eines laufenden oder künftigen Rechtsverhältnisses oder einer Beweisführung.

3. Tathandlung

Tathandlungen sind das Speichern oder Verändern beweiserheblicher Daten. Dies kann sowohl das erstmalige Erstellen unwahrer Daten als auch die nachträgliche Veränderung bereits gespeicherter, zunächst richtiger Daten sein.

  • Speichern: Die erstmalige Eingabe und Abspeicherung getäuschter Informationen in ein Datensystem.
  • Verändern: Die Manipulation bereits bestehender, ursprünglich korrekter Daten zu Täuschungszwecken.

4. Auswirkung: Urkundenäquivalenz

Die manipulierenden Daten müssen so gestaltet sein, dass sie bei ihrer Wahrnehmung (z.B. Ausdruck oder Anzeigen am Bildschirm) den Eindruck einer unechten oder verfälschten Urkunde vermitteln. Damit wird das sogenannte „Urkundenäquivalent“ geschaffen.

Rechtsfolgen und Strafmaß

§ 269 StGB sieht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor. Der Versuch ist gemäß § 269 Abs. 2 StGB ebenfalls strafbar.

Verhältnis zu anderen Straftatbeständen

Fälschung beweiserheblicher Daten und Urkundenfälschung

Anders als die klassische Urkundenfälschung (§ 267 StGB), die nur für körperliche Dokumente greift, bezieht sich § 269 StGB allein auf elektronische, nicht körperliche Beweisobjekte. Soweit Daten nach Ausdruck in eine Urkunde überführt werden, konkurrieren die Delikte.

Weitere relevante Vorschriften

  • Datenveränderung (§ 303a StGB): Schützt die Integrität von Daten unabhängig von deren Beweisfunktion, greift also subsidiär gegenüber § 269 StGB.
  • Computersabotage (§ 303b StGB): Kommt bei gezielter Störung von datenverarbeitenden Anlagen in Betracht.

Strafprozessuale Aspekte

Beweissicherung und technische Ermittlungen

Die Aufklärung von Delikten nach § 269 StGB erfordert in der Regel den Einsatz spezialisierter Ermittlungsverfahren und digitalforensischer Methoden, um Manipulationen an Daten nachweisbar zu machen. Wichtige Rolle spielen dabei die Dokumentation von Datenzugriffen, Protokolldateien und IT-Sicherungssysteme.

Praxisbeispiele

  • Manipulation von digitalen Fahrtenbüchern zwecks Steuerhinterziehung
  • Nachträgliche Änderung von gespeicherten Zeugenaussagen in digitalen Gerichtsakten
  • Fälschung digitaler Nachweise für arbeitsrechtliche Vorgänge (z. B. Arbeitszeiterfassung)
  • Erstellung vermeintlich authentischer elektronischer Rechnungen in betrügerischer Absicht

Internationale Bezugspunkte

Der Straftatbestand der Fälschung beweiserheblicher Daten ist in ähnlicher Form auch in anderen Rechtsordnungen etabliert oder befindet sich in Entwicklung, etwa im Umfeld des Übereinkommens über Computerkriminalität des Europarats („Budapester Übereinkommen“).

Bedeutung für die Rechtspraxis

Die Anwendung des § 269 StGB gewinnt angesichts der fortschreitenden Digitalisierung des Rechts- und Geschäftsverkehrs stetig an Bedeutung. Insbesondere Unternehmen, Behörden und Gerichte sind angehalten, angemessene Vorkehrungen zur Sicherung der Integrität elektronischer Beweismittel zu treffen.

Literaturhinweise

  • Joecks, Günter, Studienkommentar StGB, § 269
  • Kindhäuser, Strafgesetzbuch, § 269
  • Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, § 269
  • Trüg, Computerstrafrecht und Datenschutz

Dieser Artikel bietet eine umfassende und differenzierte Betrachtung des Begriffs Fälschung beweiserheblicher Daten im deutschen Strafrecht, beleuchtet sämtliche rechtlichen Aspekte und bietet vertiefende Einblicke zu Tatbestandsmerkmalen, strafrechtlichen Folgen sowie dem systematischen Kontext im Bereich der Computer- und Internetkriminalität.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei der Fälschung beweiserheblicher Daten?

Die Fälschung beweiserheblicher Daten stellt in Deutschland nach § 269 StGB (Strafgesetzbuch) eine Straftat dar, die mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden kann. Bei der Strafzumessung werden insbesondere die Beweggründe, die kriminelle Energie und der verursachte Schaden berücksichtigt. In besonders schweren Fällen, etwa wenn durch die Fälschung erhebliche Vermögensschäden verursacht wurden oder ein besonders hohes Maß an krimineller Energie vorlag, kann das Strafmaß auch höher ausfallen. Daneben sind außerdem weitere strafrechtliche Vorschriften betroffen, wie zum Beispiel der Versuch der Strafvereitelung (§ 258 StGB) oder Urkundenfälschung (§ 267 StGB). Zivilrechtlich kann die Fälschung beweiserheblicher Daten einen Schadensersatzanspruch nach sich ziehen, wenn Dritte durch die Tat einen Vermögensschaden erlitten haben. Außerdem können beamtenrechtliche, berufsrechtliche oder arbeitsrechtliche Konsequenzen entstehen, etwa Disziplinarmaßnahmen oder Kündigungen.

Wann ist der Tatbestand der Fälschung beweiserheblicher Daten erfüllt?

Der Tatbestand der Fälschung beweiserheblicher Daten ist erfüllt, wenn jemand zur Täuschung im Rechtsverkehr beweiserhebliche Daten so speichert, verändert oder gebraucht, dass bei ihrer Wahrnehmung eine unechte oder verfälschte Urkunde vorliegen würde. Die Daten müssen dabei geeignet und bestimmt sein, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen – beispielsweise in Gerichtsverfahren, bei behördlichen Vorgängen oder Verträgen. Der Täter muss vorsätzlich handeln, das heißt, er muss Kenntnis von der Beweisbestimmung der Daten haben und die Täuschung im Rechtsverkehr bezwecken. Eine fahrlässige Fälschung ist nicht strafbar. Daten, die rein privaten Zwecken dienen oder offensichtlich keinen Beweiswert haben, sind in der Regel nicht tatbestandsrelevant.

Welche Unterschiede bestehen zwischen Urkundenfälschung und Fälschung beweiserheblicher Daten?

Während die Urkundenfälschung (§ 267 StGB) sich auf die Herstellung oder Veränderung körperlicher Urkunden bezieht, umfasst die Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 StGB) das Fälschen von digitalen oder elektronischen Daten mit Beweisfunktion. Eine Urkunde ist eine verkörperte Gedankenerklärung, die bestimmt und geeignet ist, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen. Bei digitalen Daten fehlt es an der Körperlichkeit, dennoch können sie im gleichen Maße Beweisfunktion haben. Der Gesetzgeber hat daher die Fälschung digitaler Daten als eigenständigen Straftatbestand aufgenommen, um dem technischen Fortschritt Rechnung zu tragen. In vielen Fällen ist jedoch eine Kombination beider Tatbestände denkbar, wenn digitale Daten ausgedruckt und als Urkunden verwendet werden.

Welche Bedeutung hat der Begriff „beweiserheblich“ im rechtlichen Sinne?

„Beweiserheblich“ bedeutet im rechtlichen Kontext, dass es sich um Daten handelt, die im Rechtsverkehr als Grundlage für die Feststellung rechtserheblicher Tatsachen dienen können und damit geeignet und bestimmt sind, Beweis über eine Tatsache zu erbringen. Dies umfasst etwa Verträge, Buchungsdaten, Prüfergebnisse, E-Mails mit rechtsverbindlichem Inhalt oder sonstige elektronische Dokumente, die in Gerichts- oder Verwaltungsverfahren als Beweis verwendet werden können. Unbedeutende oder rein informelle Daten, deren Beweiswert ausgeschlossen ist, fallen nicht unter den Begriff der Beweiserheblichkeit im Sinne von § 269 StGB.

Welche Verfahrenshandlungen sind zulässig, wenn ein Verdacht auf Fälschung beweiserheblicher Daten besteht?

Beim Verdacht einer Fälschung beweiserheblicher Daten kann die Staatsanwaltschaft Ermittlungen einleiten. Hierzu zählen insbesondere die Sicherstellung und Auswertung von Datenträgern, Durchsuchung von Räumlichkeiten nach § 102 ff. StPO, Zeugenbefragungen, technische Gutachten zur Datenmanipulation sowie das Einholen von Auskünften bei Internet- oder Hostingdienstleistern. Betroffene und Beschuldigte haben das Recht auf rechtliches Gehör und können sich eines Rechtsanwalts bedienen. Die durch die Ermittlungen gewonnenen Beweismittel werden im Strafverfahren ausgewertet und im Falle einer Anklageerhebung zur Urteilsbildung herangezogen.

Können Unternehmen für die Fälschung beweiserheblicher Daten verantwortlich gemacht werden?

Unternehmen als juristische Personen können nicht strafrechtlich im klassischen Sinn verantwortlich gemacht werden, da das deutsche Strafrecht grundsätzlich nur natürliche Personen sanktioniert. Gleichwohl sieht das Ordnungswidrigkeitenrecht nach dem OWiG (§ 30) die Möglichkeit vor, gegen Unternehmen Geldbußen zu verhängen, wenn eine Leitungsperson eine Straftat (wie die Fälschung beweiserheblicher Daten) zugunsten des Unternehmens oder unter Verletzung der Aufsichtspflicht begeht. Darüber hinaus kann das betroffene Unternehmen zivilrechtlich haftbar gemacht werden, etwa bei Schadensersatzforderungen durch geschädigte Dritte. Interne arbeitsrechtliche Konsequenzen gegenüber beteiligten Mitarbeitern (wie Kündigungen oder Schadensersatzforderungen) sind ebenfalls möglich.

Wie wird die Echtheit beweiserheblicher Daten im Strafverfahren festgestellt?

Zur Feststellung der Echtheit beweiserheblicher Daten werden im Strafverfahren unterschiedliche Methoden eingesetzt. Dazu zählen die forensische Analyse von Datenträgern und Systemprotokollen, Rückverfolgung von Bearbeitungsschritten durch sog. Hash-Werte, Prüfung von Meta- und Protokolldaten sowie der Einsatz von Sachverständigen, die Manipulationen feststellen oder ausschließen können. So kann beispielsweise analysiert werden, wann und wie oft bestimmte Daten geändert wurden. Ferner wird geprüft, ob die Zugriffsrechte und -möglichkeiten ordnungsgemäß protokolliert wurden und ob Manipulationen technisch nachvollziehbar sind. Die Beweiskraft digitaler Daten hängt maßgeblich von der Integrität der Datensicherung und dem lückenlosen Nachweis der Bearbeitungsketten („Chain of Custody“) ab.