Begriff und rechtliche Einordnung von Extremisten
Der Begriff Extremisten beschreibt im rechtlichen Kontext Personen oder Gruppierungen, deren Ziele, Einstellungen oder Handlungen auf die Beseitigung, Negierung oder grundlegende Änderung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eines Staates gerichtet sind. Der Terminus findet insbesondere im öffentlichen Recht, im Strafrecht sowie im Verfassungsrecht eine maßgebliche Anwendung und ist Gegenstand gesetzlicher Regelungen und behördlicher Praxis.
Definition von Extremisten
Der Begriff “Extremisten” hat im deutschen Recht keine abschließende Legaldefinition, wird jedoch in verschiedenen Gesetzen und Verwaltungsrichtlinien herangezogen. Häufig orientiert sich die Begriffsbestimmung an der sogenannten freiheitlichen demokratischen Grundordnung nach Artikel 21 Absatz 2 Grundgesetz (GG) sowie an der Definition in den Verfassungsschutzgesetzen.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz definiert Extremismus als eine Haltung, die darauf abzielt, zentrale Verfassungsgrundsätze wie Menschenwürde, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit oder Demokratieprinzip außer Kraft zu setzen. Dies umfasst etwa das Streben nach einer Gewaltherrschaft, den Einsatz verfassungswidriger Mittel oder die Ablehnung fundamentaler Rechte.
Abgrenzung zu verwandten Begriffen
Nicht jeder, der kritisch gegenüber dem bestehenden System oder einzelnen Gesetzen eingestellt ist, gilt rechtlich als Extremist. Erforderlich ist vielmehr eine “aktiv kämpferische, aggressive Haltung” gegen die Grundordnung. Die Begriffe Radikalismus und Extremismus werden im behördlichen Sprachgebrauch zudem strikt unterschieden: Während Radikale Reformen und fundamentale Änderungen anstreben (aber prinzipiell noch innerhalb verfassungsrechtlicher Schranken agieren), zielen Extremisten auf die Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung ab.
Erscheinungsformen von Extremismus
Politischer und religiöser Extremismus
Im rechtlichen Kontext werden verschiedene Formen des Extremismus unterschieden:
- Rechtsextremismus: Strebt meist eine autoritäre, nationalistische bis rassistische Herrschaftsform an, die wesentliche Grundrechte beseitigen oder diskriminierende Systeme etablieren will.
- Linksextremismus: Bezeichnet Bestrebungen, die auf die Überwindung der bestehenden Staats- und Wirtschaftsordnung und oftmals auf die Errichtung einer sozialistisch-kommunistischen Herrschaft abzielen.
- Islamistischer Extremismus: Ziel ist hier die Schaffung eines Staatswesens nach strenger Auslegung religiös begründeter Gesetzgebung unter Ablehnung von Demokratie und Menschenrechten.
- Sonstige Extremismen: Auch Formen wie Ausländerextremismus oder sonstige ideologisch motivierte Bestrebungen, beispielsweise von sogenannten Reichsbürgern, werden von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet.
Rechtliche Grundlagen und Normen
Verfassungsrechtliche Grundlage
Das Grundgesetz sichert die freiheitliche demokratische Grundordnung gegen extremistische Bestrebungen ab. So sind politische Parteien, die diese Grundordnung beseitigen wollen, nach Artikel 21 Absatz 2 GG verfassungswidrig und können vom Bundesverfassungsgericht verboten werden.
Strafrechtliche Vorschriften
Das Strafgesetzbuch (StGB) enthält zahlreiche Tatbestände, die häufig im Zusammenhang mit extremistischen Aktivitäten einschlägig werden. Wichtige Beispiele sind:
- Staatsgefährdende Straftaten (§§ 81 ff. StGB): Hoch- und Landesverrat, Gefährdung der demokratischen Grundordnung.
- Volksverhetzung (§ 130 StGB): Strafbar ist die Aufstachelung zum Hass und die Aufforderung zu Gewalt gegen bestimmte Gruppen.
- Bildung krimineller und terroristischer Vereinigungen (§§ 129, 129a, 129b StGB): Verboten ist die Gründung wie auch das Unterstützen extremistischer Gruppierungen.
Öffentliches Recht und Sicherheitsrecht
Verfassungsschutzgesetz
Das Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) sowie entsprechende Landesgesetze ermächtigen die Verfassungsschutzbehörden, extremistische Bestrebungen zu beobachten, Daten zu erheben und zur Prävention beizutragen. Maßgeblich sind hier unter anderem:
- Beobachtungspraxis: Personen und Organisationen, die gezielt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung agieren, können vom Verfassungsschutz beobachtet und im jährlichen Verfassungsschutzbericht aufgeführt werden.
Polizeirechtliche Maßnahmen
Die Polizeigesetze der Länder sehen spezielle Befugnisse zur Gefahrenabwehr bei extremistischen Bedrohungslagen vor. Dies kann beispielsweise Gefährderansprachen, Platzverweise oder Aufenthaltsverbote umfassen.
Maßnahmen gegen Extremisten
Vereins- und Parteiverbote
Vereine und Parteien, die sich extremistischen Zielen verschreiben, können gemäß Artikel 9 Absatz 2 GG (Vereinsverbot) und Artikel 21 Absatz 2 GG (Parteiverbot) verboten werden. Zuständig für Parteiverbote ist ausschließlich das Bundesverfassungsgericht, für Vereinsverbote das Bundesministerium des Innern oder entsprechende Landesbehörden.
Disziplinarrecht und Beamtenrecht
Im öffentlichen Dienst finden sich besondere Regelungen: Wer als Extremist auftritt, kann aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Grundlage hierfür sind unter anderem das Bundesbeamtengesetz (BBG) und das Beamtenstatusgesetz (BeamtStG), die die Treuepflicht gegenüber der Verfassung vorschreiben.
Versammlungsrechtliche Auflagen
Extremisten unterliegen bei öffentlichen Versammlungen oder Demonstrationen speziellen Auflagen. So können zuständige Ordnungsbehörden Versammlungen untersagen oder mit strengen Auflagen versehen, wenn von ihnen Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht.
Überwachung und Prävention
Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel
Die Verfassungsschutzbehörden sind nach geltendem Recht befugt, verschiedene nachrichtendienstliche Mittel einzusetzen, um extremistische Aktivitäten aufzuklären. Dazu gehören unter anderem Observation, Einsatz von Vertrauenspersonen oder Telekommunikationsüberwachung.
Präventions- und Aussteigerprogramme
Staatliche Stellen bieten eine Vielzahl von Präventionsmaßnahmen und Beratungen an, um dem Wachstum extremistischer Bewegungen zu begegnen und Einzelpersonen den Ausstieg zu erleichtern (zum Beispiel Programme gegen Radikalisierung und zur Demokratieförderung).
Rechtlicher Schutz Betroffener und Rechtsschutzmöglichkeiten
Betroffene von Maßnahmen wegen des Verdachts auf Extremismus, etwa durch Überwachungsmaßnahmen oder Vereinsverbote, haben Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Dies umfasst den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten, gegebenenfalls mit anschließendem Zugang zum Bundesverfassungsgericht, etwa bei Grundrechtseingriffen.
Literatur und Rechtsprechung
Die rechtliche Bewertung von Extremisten wird sowohl in der Fachliteratur als auch durch die Rechtsprechung fortlaufend weiterentwickelt. Leitentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sowie Kommentierungen zu den einschlägigen Gesetzen liefern eine wichtige Auslegungshilfe.
Zusammenfassung
Der Begriff “Extremisten” nimmt im deutschen Recht eine zentrale Rolle ein und wird durch eine Vielzahl von Normen, Maßnahmen und gerichtlichen Kontrollen flankiert. Entscheidungserheblich ist dabei stets die Zielrichtung der betreffenden Aktivitäten auf die Beseitigung oder wesentliche Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die begriffliche wie auch tatsächliche Einstufung als Extremist hat weitreichende Konsequenzen im Hinblick auf Vereins-, Parteien-, Straf- und Beamtenrecht sowie in Fragen des polizeilichen und verfassungsrechtlichen Staatsschutzes.
Häufig gestellte Fragen
Wie erkennt der Verfassungsschutz extremistische Bestrebungen und wann wird eine Gruppierung oder Einzelperson überwacht?
Der Verfassungsschutz überwacht Einzelpersonen oder Gruppierungen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Bestrebungen verfolgen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (§ 3 Bundesverfassungsschutzgesetz – BVerfSchG). Die Überwachung geschieht unter strengen rechtlichen Vorgaben, insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Grundrechtsschutz der Betroffenen. Der Verfassungsschutz verwendet verschiedene Methoden, darunter offene Recherchen, das Sammeln öffentlich zugänglicher Informationen, verdeckte Ermittlungen und gegebenenfalls spezielle nachrichtendienstliche Mittel wie das Abhören von Telekommunikation, wobei hierfür meist richterliche oder behördliche Anordnungen notwendig sind. Die Entscheidung über eine Überwachungsmaßnahme basiert auf einer Einzelfallprüfung, wobei Belege über verfassungsfeindliche Aktivitäten, etwa Aufrufe zur Gewalt oder die gezielte Destabilisierung staatlicher Strukturen, ausschlaggebend sind. Die Ergebnisse der Überwachung werden regelmäßig in Verfassungsschutzberichten dokumentiert, wobei personenbezogene Daten nur unter engen Vorgaben und mit Zweckbindung verarbeitet werden dürfen.
Welche strafrechtlichen Konsequenzen drohen Personen, die sich extremistisch betätigen?
Personen, die sich extremistisch betätigen, können sich je nach Art und Ausmaß ihrer Handlungen verschiedener Straftatbestände schuldig machen. Dazu gehören insbesondere die Bildung, Unterstützung oder Werbung für eine kriminelle oder terroristische Vereinigung (§§ 129, 129a, 129b StGB), Volksverhetzung (§ 130 StGB), öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB), Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen (§ 86a StGB) oder die Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten (§ 89a StGB). Das Strafmaß variiert dabei erheblich, reicht von Geldstrafen bis hin zu langjährigen Haftstrafen. Auch bereits der Versuch oder die Vorbereitung solcher Taten kann strafbar sein. Darüber hinaus können bestimmte extremistische Aktivitäten zu Maßnahmen nach dem Vereinsgesetz führen, etwa dem Verbot von Vereinigungen, Beschlagnahmung von Vermögen oder Auflösung strukturierter Gruppierungen. Zudem kann der Besitz extremistischer Propagandamaterialien nach § 86 StGB strafbar sein. Bei ausländischen Personen kann ein schwerwiegendes, extrem motiviertes Fehlverhalten eine Ausweisung aus Deutschland begründen (§ 54 AufenthG).
Welche rechtlichen Mittel stehen dem Staat zur Verfügung, um extremistische Organisationen oder Parteien zu verbieten?
Rechtlich steht dem Staat nach dem Vereinsgesetz (§§ 3 ff. VereinsG) die Möglichkeit offen, extremistische Vereine zu verbieten, wenn deren Zwecke oder Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Ein solches Vereinsverbot ergeht in der Regel durch das zuständige Innenministerium (Bund oder Land) und hat erhebliche Konsequenzen: Die Organisation wird aufgelöst, ihr Vermögen kann eingezogen und die weitere Betätigung untersagt werden. Für politische Parteien ist das Parteiverbotsverfahren gemäß Artikel 21 Abs. 2 Grundgesetz (GG) einschlägig. Über das Verbot entscheidet ausschließlich das Bundesverfassungsgericht auf Antrag des Bundestages, Bundesrates oder der Bundesregierung. Ein Parteienverbot wird ausgesprochen, wenn die Partei nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgeht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, und dadurch die Gefahr des Erfolgs besteht. Auch Propaganda- und Ersatzorganisationen unterliegen diesen Vorgaben.
Welche Rechte haben Personen, die im Verdacht stehen, extremistische Bestrebungen zu verfolgen?
Betroffene Personen stehen unter dem Schutz zahlreicher Grundrechte, insbesondere des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und des Rechts auf ein faires Verfahren. Gegen Überwachungsmaßnahmen des Verfassungsschutzes oder polizeilicher Behörden stehen ihnen gerichtliche Rechtsschutzmöglichkeiten offen, etwa durch Anträge auf Auskunft, Berichtigung, Löschung oder Sperrung personenbezogener Daten (§ 15 BVerfSchG, § 19 Bundesdatenschutzgesetz). Vor behördlichen Maßnahmen, etwa bei Vereinsverboten, gibt es die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen und den Rechtsweg zu beschreiten. Auch im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gelten die Rechte eines Beschuldigten, wie das Schweigerecht, das Recht auf einen Anwalt und auf Akteneinsicht. Daten, die zu Unrecht erhoben wurden, unterliegen zudem datenschutzrechtlichen Löschungsansprüchen.
Welche Möglichkeiten gibt es, sich gegen rechtswidrige Überwachungen oder Eingriffe durch Sicherheitsbehörden zu wehren?
Personen, die meinen, zu Unrecht Ziel von Maßnahmen des Verfassungsschutzes, der Polizei oder anderer Behörden geworden zu sein, können verschiedene Rechtsmittel einlegen. Sie können zunächst Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten verlangen (§ 15 BVerfSchG, § 34 BDSG). Werden dabei unrechtmäßige Erfassungen festgestellt, besteht das Recht auf Berichtigung oder Löschung. Gegen förmliche Maßnahmen wie Vereinsverbote, Durchsuchungen oder Ausweisungen kann Widerspruch eingelegt und anschließend Klage vor den Verwaltungsgerichten erhoben werden. Bei verdeckten Überwachungsmaßnahmen, die ohne Wissen der Betroffenen stattfinden, ist nachträglicher Rechtsschutz – etwa durch Anträge auf gerichtliche Kontrolle oder Feststellung der Rechtswidrigkeit – möglich. Auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz oder Landesdatenschutzbeauftragte können angerufen werden. Schließlich besteht die Möglichkeit, im Einzelfall Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht zu erheben, falls Grundrechte verletzt wurden.
Unter welchen Voraussetzungen dürfen personenbezogene Daten von (mutmaßlichen) Extremisten durch Sicherheitsbehörden erhoben und gespeichert werden?
Personenbezogene Daten dürfen grundsätzlich nur dann durch Sicherheitsbehörden erhoben und gespeichert werden, wenn dies zur Erfüllung gesetzlich bestimmter Aufgaben erforderlich ist und wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine extremistische Betätigung vorliegen (§§ 8 ff. BVerfSchG, § 20 Bundespolizeigesetz). Es gilt der Grundsatz der Zweckbindung; die Daten dürfen nur für den legitimen, vorgegebenen Zweck verwendet werden. Zudem unterliegen die Behörden einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung: Die Maßnahmen müssen geeignet, erforderlich und angemessen sein. Die Datenverarbeitung muss transparent und nachvollziehbar erfolgen; Betroffene müssen grundsätzlich über die Datenerhebung informiert werden, es sei denn, dies würde den Untersuchungszweck gefährden. Auch für die Weitergabe an andere Behörden gelten enge gesetzliche Voraussetzungen, um einen Missbrauch auszuschließen.
Welche spezifischen Unterschiede bestehen im Umgang mit politisch motivierter Kriminalität zwischen „rechts”, „links” und religiös motivierten Extremisten aus rechtlicher Sicht?
Rechtlich werden Straftaten von Extremisten unabhängig von der politischen oder religiösen Motivation grundsätzlich nach denselben Strafgesetzen verfolgt. Die Einordnung als „politisch motivierte Kriminalität” (PMK) durch die Polizei und den Verfassungsschutz dient in erster Linie der statistischen Auswertung und Erkennung von Phänomenbereichen („rechts”, „links”, „ausländische Ideologie”, „religiöse Ideologie”, insbesondere islamistisch). Bestimmte Normen, wie zum Beispiel das Verbot nationalsozialistischer Kennzeichen (§ 86a StGB), betreffen spezifisch rechten Extremismus, während andere Straftaten – wie Landfriedensbruch oder Sachbeschädigungen – unabhängig von der Motivation geahndet werden. Das Vereinsverbot oder das Parteienverbot können sowohl für rechtsextreme, linksextreme wie auch religiös motivierte Organisationen Anwendung finden, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Unterschiede ergeben sich häufig bei der behördlichen Einordnung, der Einschätzung der Gefährdungslage und der Ausgestaltung von Präventions- und Deradikalisierungsprogrammen, während der rechtliche Rahmen vergleichbare Anforderungen an alle Formen des Extremismus stellt.