Existenzgründungszuschuss
Der Begriff Existenzgründungszuschuss bezeichnet eine finanzielle Unterstützungsleistung, die insbesondere im deutschen Sozialrecht verortet ist und Gründerinnen und Gründern aus der Arbeitslosigkeit eine Hilfestellung beim Schritt in die Selbstständigkeit bietet. Die rechtliche Ausgestaltung dieses Instruments ist im Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) geregelt. Der Existenzgründungszuschuss verfolgt das Ziel, die soziale Absicherung von gründungswilligen Arbeitslosen während der Anfangsphase ihrer unternehmerischen Tätigkeit zu gewährleisten und so die Aufnahme nachhaltiger selbstständiger Erwerbstätigkeiten zu fördern.
Rechtsgrundlagen des Existenzgründungszuschusses
Gesetzliche Grundlage
Die maßgeblichen Vorschriften zum Existenzgründungszuschuss finden sich im SGB III, insbesondere in § 93 SGB III. Der Zuschuss ist eine Ermessensleistung der Bundesagentur für Arbeit und knüpft an spezifische Voraussetzungen sowie Antragserfordernisse an. Die Auszahlung des Existenzgründungszuschusses erfolgt ausschließlich an Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld I, die eine hauptberufliche selbstständige Tätigkeit aufnehmen möchten.
Historische Entwicklung
Mit In-Kraft-Treten der Hartz-Reformen wurden zunächst mehrere Instrumente zur Förderung der Selbstständigkeit geschaffen – neben dem Existenzgründungszuschuss, der ab 2006 den bisherigen Überbrückungsgeld sowie den Ich-AG-Zuschuss ablöste, kam es zu einer Straffung und Neugestaltung der gesetzlichen Förderung. Seit 2011 ist die Bewilligung des Zuschusses eine Ermessensleistung (zuvor bestand ein Rechtsanspruch, wenn die Voraussetzungen erfüllt waren).
Voraussetzungen und Anspruchsberechtigung
Persönliche Voraussetzungen
Um einen Existenzgründungszuschuss beanspruchen zu können, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
- Arbeitslosigkeit: Der Antragssteller muss zum Zeitpunkt der Antragstellung arbeitslos gemeldet sein und einen Restanspruch auf Arbeitslosengeld I von mindestens 150 Tagen haben (§ 93 Abs. 2 SGB III).
- Aufnahme einer hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit: Die Selbstständigkeit muss den Umfang einer hauptberuflichen Tätigkeit einnehmen.
- Tragfähigkeit der Existenzgründung: Die unternehmerische Idee muss wirtschaftlich tragfähig sein. Dies wird durch eine fachkundige Stellungnahme (z. B. von Kammern oder berufsständischen Vereinigungen) belegt.
- Keine vorherige Förderung: Die Existenzgründung darf nicht bereits zuvor durch den Gründungszuschuss oder das Einstiegsgeld gefördert worden sein.
Antragstellung
Der Antrag auf Existenzgründungszuschuss ist vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit bei der Agentur für Arbeit einzureichen. Neben dem ausgefüllten Antragsformular sind insbesondere ein detaillierter Businessplan sowie die fachkundige Stellungnahme zur Tragfähigkeit vorzulegen.
Umfang und Dauer der Förderung
Förderleistungen
Der Existenzgründungszuschuss gliedert sich in zwei Förderphasen:
- Erste Phase: Für die Dauer von sechs Monaten wird der Zuschuss in Höhe des zuletzt bezogenen Arbeitslosengeldes I plus 300 Euro monatlich zur sozialen Absicherung gewährt.
- Zweite Phase: Im Anschluss kann für weitere neun Monate ein Zuschuss von 300 Euro monatlich zur sozialen Absicherung beantragt werden, sofern nachgewiesen wird, dass die selbstständige Tätigkeit hauptberuflich betrieben wird.
Steuerliche Behandlung
Der Existenzgründungszuschuss ist steuerfrei und unterliegt nicht der Sozialversicherungspflicht. Es findet jedoch ein Progressionsvorbehalt nach § 32b Einkommensteuergesetz (EStG) Anwendung, d. h., der Zuschuss erhöht den Steuersatz für das übrige zu versteuernde Einkommen.
Rechtsnatur und Rechtscharakter
Ermessen und Rechtsanspruch
Seit 2011 stellt der Existenzgründungszuschuss eine sogenannte Ermessensleistung dar (§ 93 SGB III), das heißt, selbst bei Erfüllung aller Voraussetzungen besteht kein unmittelbarer Anspruch auf die Förderung. Die Agentur für Arbeit entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen und kann die Förderung gegebenenfalls versagen, wenn beispielsweise die Tragfähigkeit nicht ausreichend nachgewiesen ist oder Zweifel an der persönlichen Eignung des Antragstellers bestehen.
Aufhebung und Rückforderung
Ein Existenzgründungszuschuss kann gemäß § 48 SGB X aufgehoben und zurückgefordert werden, wenn die Voraussetzungen nachträglich entfallen, etwa weil die Selbstständigkeit nicht aufgenommen wird oder eine abhängige Beschäftigung entgegen den Angaben aufgenommen wird. Auch unzutreffende oder unvollständige Angaben im Antragsverfahren können zu Rückforderungsansprüchen führen.
Abgrenzung zu weiteren Förderinstrumenten
Der Existenzgründungszuschuss ist von anderen Gründungsförderungen, wie dem “Einstiegsgeld” nach § 16b SGB II für Beziehende von Arbeitslosengeld II, abzugrenzen. Das Einstiegsgeld dient einem ähnlichen Zweck, hat aber andere Anspruchsvoraussetzungen sowie Förderhöhen und wird in der Grundsicherung für Arbeitsuchende verankert.
Rechtsschutz und Widerspruch
Gegen einen ablehnenden Bescheid kann innerhalb eines Monats schriftlich Widerspruch bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingelegt werden. Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, kann Klage vor dem Sozialgericht erhoben werden. Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Bedeutung in der Praxis
Der Existenzgründungszuschuss stellt ein zentrales Element der aktiven Arbeitsmarktpolitik in Deutschland dar und fördert die Eigeninitiative sowie die Reintegration von Arbeitslosen in das Erwerbsleben durch nachhaltige unternehmerische Tätigkeiten. Die rechtliche Ausgestaltung betont Eigenverantwortung und Motivation der Antragstellerinnen und Antragsteller, verlangt aber gleichzeitig eine sorgfältige Prüfung der Geschäftsidee und unternehmerischen Eignung.
Weiterführende Literatur
- SGB III – Gesetz zur Förderung der Selbstständigkeit (Drittes Buch Sozialgesetzbuch)
- LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.11.2014 – L 9 AL 54/14
- Fachpublikationen zur Arbeitsförderung und Existenzgründung
Hinweis: Diese Darstellung gibt einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen des Existenzgründungszuschusses im deutschen Recht. Änderungen durch Gesetzgebung, Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung sind möglich und sollten regelmäßig geprüft werden.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Beantragung des Existenzgründungszuschusses erfüllt sein?
Für die Beantragung des Existenzgründungszuschusses nach § 93 SGB III müssen verschiedene gesetzliche Voraussetzungen vorliegen. Zunächst gilt, dass der Antragsteller arbeitslos gemeldet und zum Zeitpunkt der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit mindestens noch 150 Tage Anspruch auf Arbeitslosengeld I haben muss. Die selbstständige Tätigkeit muss hauptberuflich und auf Dauer angelegt sein; eine Nebentätigkeit wird nicht gefördert. Die Tragfähigkeit der Existenzgründung ist durch die Vorlage eines Businessplans sowie einer fachkundigen Stellungnahme (zum Beispiel von einer Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer, Berufsverband oder einem Steuerberater) nachzuweisen. Zudem darf in den letzten 24 Monaten vor Antragstellung kein Existenzgründungszuschuss oder Einstiegsgeld bezogen worden sein. Der Antrag muss vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit vollständig gestellt werden; eine rückwirkende Bewilligung ist gesetzlich ausgeschlossen. Darüber hinaus muss der Antragsteller alle relevanten Unterlagen, wie Lebenslauf, Rentenversicherungsverlauf und ggf. Nachweise über vorhandene Qualifikationen, vorlegen.
Wie gestaltet sich die rechtliche Stellung des Gründers während des Bezugs des Existenzgründungszuschusses?
Mit Beginn der geförderten Selbstständigkeit erlischt der Status als Arbeitsloser; der Gründer gilt rechtlich nicht mehr als arbeitssuchend oder arbeitslos. Während des Bezugszeitraums unterliegt der Gründer nicht mehr den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit. Er ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit alle maßgeblichen Änderungen unverzüglich anzuzeigen, die die Förderung betreffen könnten, wie zum Beispiel Veränderungen in der Geschäftstätigkeit oder eine Aufgabe der Selbstständigkeit. Auch während des Bezugszeitraums besteht keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung über die Arbeitsagentur; der Gründer muss sich privat oder freiwillig gesetzlich versichern. Die Rentenversicherungspflicht hängt von der jeweiligen Tätigkeit ab; bestimmte selbstständige Tätigkeiten können rentenversicherungspflichtig sein (§ 2 SGB VI).
Unter welchen rechtlichen Bedingungen kann der Existenzgründungszuschuss versagt oder zurückgefordert werden?
Die Bundesagentur für Arbeit kann den Existenzgründungszuschuss versagen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen nicht oder nicht mehr erfüllt sind, insbesondere wenn die Maßnahme nicht hauptberuflich betrieben wird oder wenn der Antragsteller nicht alle erforderlichen Nachweise vorlegt. Eine Rückforderung ist insbesondere dann möglich, wenn der Zuschuss unter falschen Angaben oder dem Verschweigen wesentlicher Tatsachen bewilligt wurde (vgl. § 330 SGB III in Verbindung mit § 45 SGB X). Auch wenn die Fördervoraussetzungen nach Bewilligung wegfallen – etwa bei Aufgabe oder Unterbrechung der selbstständigen Tätigkeit innerhalb der Förderphase -, kann die Agentur für Arbeit die Förderung einstellen und zu Unrecht gezahlte Beträge zurückfordern. Der Gründer ist gesetzlich verpflichtet, alle Änderungen, die den Zuschuss betreffen, unverzüglich mitzuteilen.
Welche rechtlichen Pflichten hat der Gründer während des Förderzeitraums?
Während des Förderzeitraums ist der Gründer verpflichtet, seine selbstständige Tätigkeit hauptberuflich fortzuführen und dies auf Verlangen der Agentur für Arbeit nachzuweisen, zum Beispiel anhand von Unternehmensunterlagen oder Belegen über Geschäftstätigkeit und Einnahmen. Gesetzlich ist außerdem geregelt, dass alle Änderungen, die für die Bewilligung oder die Höhe des Zuschusses relevant sein könnten, wie Änderung der Tätigkeit, relevante Einkünfte oder Einstellung der Tätigkeit, unverzüglich mitzuteilen sind. Kommt der Gründer diesen Mitwirkungspflichten nicht nach, kann dies eine Leistungseinstellung oder Rückforderung der Fördermittel zur Folge haben.
In welchem rechtlichen Verhältnis steht der Existenzgründungszuschuss zu anderen Sozialleistungen?
Der Existenzgründungszuschuss gilt rechtlich als zweckbestimmte Einnahme und ist somit nach § 11a Absatz 3 SGB II bei Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) nicht als Einkommen anzurechnen. Während des Bezugs ist ein paralleler Leistungsbezug von Arbeitslosengeld I ausgeschlossen, da die Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit beendet wird. Ein Bezug von Wohngeld oder Kinderzuschlag ist unter Berücksichtigung der Einkommenssituation des Gründers weiterhin möglich, wobei die Einnahmen aus der geförderten selbstständigen Tätigkeit in die Berechnung einfließen. Eine gleichzeitige Förderung nach anderen Programmen, insbesondere Einstiegsgeld, ist gesetzlich ausgeschlossen.
Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen im Falle einer Ablehnung des Antrags auf Existenzgründungszuschuss?
Wird ein Antrag auf Existenzgründungszuschuss abgelehnt, stellt dies einen Verwaltungsakt dar, gegen welchen der Antragsteller innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids Widerspruch gemäß § 84 SGG (Sozialgerichtsgesetz) einlegen kann. Wird dem Widerspruch nicht stattgegeben, besteht die rechtliche Möglichkeit, innerhalb eines Monats nach Zugang des Widerspruchsbescheids Klage beim zuständigen Sozialgericht zu erheben. Der Rechtsweg steht dem Antragsteller somit offen, wobei der Anspruch auf Existenzgründungszuschuss jedoch weiterhin eine Ermessensleistung bleibt und die gerichtliche Überprüfung vorrangig auf Ermessensfehler beschränkt ist.
Wie ist der Existenzgründungszuschuss steuerlich und sozialversicherungsrechtlich rechtlich einzuordnen?
Rechtlich gilt der Existenzgründungszuschuss als steuerfreie Einnahme nach § 3 Nr. 2 EStG, das heißt, er unterliegt nicht der Einkommensteuer. Sozialversicherungsrechtlich löst der Bezug des Zuschusses keine Beitragspflicht aus, weder in der Kranken-, Pflege-, noch Rentenversicherung; eine Meldepflicht an die Sozialversicherung besteht ebenfalls nicht. Die selbstständig erzielten Einkünfte sind jedoch im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften (einschließlich Einkommensteuer und gegebenenfalls Umsatzsteuer) zu versteuern und können die Versicherungspflicht oder Beitragshöhe in der Kranken- und Pflegeversicherung beeinflussen, da sie bei der Beitragsbemessung berücksichtigt werden.