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EWG


Begriffserklärung: EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft)

Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) war eine durch den Vertrag von Rom vom 25. März 1957 gegründete zwischenstaatliche Organisation, die das Ziel verfolgte, eine gemeinsame Wirtschaftsordnung für die Mitgliedstaaten Europas zu schaffen. Mit Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht im Jahr 1993 wurde die EWG offiziell in „Europäische Gemeinschaft (EG)” umbenannt und später im Rahmen des Vertrags von Lissabon (2009) vollständig in die Europäische Union (EU) integriert. Der Begriff „EWG” besitzt in der Rechtswissenschaft, im öffentlichen und privaten Wirtschaftsrecht sowie in verschiedenen europäischen und deutschen Rechtsnormen historische und weiterhin bedeutende Relevanz.


Rechtsgrundlagen der EWG

Vertrag über die Gründung der EWG

Die rechtliche Grundlage bildete der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV), im allgemeinen Sprachgebrauch als „Römische Verträge” bezeichnet. Mit der Zielsetzung der wirtschaftlichen Integration wurde die EWG parallel mit der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) ins Leben gerufen.

Zielsetzung und Prinzipien

Hauptzweck der EWG war die Errichtung eines gemeinsamen Marktes, der durch folgenden Prinzipien strukturiert war:

  • Freier Warenverkehr
  • Freier Personenverkehr
  • Freier Dienstleistungsverkehr
  • Freier Kapitalverkehr

Mit diesen Grundfreiheiten sollte schrittweise eine Zollunion entstehen sowie Wettbewerbshemmnisse und protektionistische Praktiken zwischen den Mitgliedstaaten abgebaut werden.


Institutionelle Struktur der EWG

Die Aufbauorganisation der EWG orientierte sich an einer mehrstufigen, supranationalen Verwaltungsstruktur. Die wichtigsten Organe waren:

  • Rat der EWG: Hauptentscheidungsorgan, bestehend aus Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten.
  • Kommission der EWG: Unabhängiges Exekutivorgan, zuständig für die Ausführung und Verwaltung des Gemeinschaftsrechts.
  • Europäisches Parlament: Beratendes und kontrollierendes Organ, dessen Befugnisse im Laufe der Zeit erweitert wurden.
  • Gerichtshof der EWG: Verantwortlich für die Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts.

Rechtliche Wirkungen und Bedeutung

Primärrecht

Das EWG-Primärrecht umfasste alle Gründungsakte und satzungsmäßigen Regelwerke, insbesondere den EWG-Vertrag selbst, maßgebliche Protokolle, Anhänge und spätere Vertragsänderungen.

Sekundärrecht

Hierzu zählten Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen sowie Empfehlungen und Stellungnahmen der EWG-Organe. Diese Akte unterschieden sich hinsichtlich ihrer Rechtswirkung:

  • Verordnungen waren unmittelbar und allgemein verbindlich.
  • Richtlinien verpflichteten die Mitgliedstaaten hinsichtlich des zu erreichenden Ziels, überließen aber die Wahl der Form und Mittel.
  • Entscheidungen galten für bestimmte Empfänger und waren verbindlich.

Drittwirkung und unmittelbare Wirkung

Rechtsakte der EWG konnten nicht nur für die Mitgliedstaaten bindend sein, sondern auch unmittelbare Wirkung für Einzelpersonen entfalten (sogenannte „Direktwirkung”). Das Prinzip der unmittelbaren Wirkung wurde von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH, heute: EuGH) im Zuge der zunehmenden Integration entwickelt.


Materielles Wirtschaftsrecht der EWG

Wettbewerbsrecht

Das Kartellrecht bzw. Wettbewerbsrecht stellte einen Schwerpunkt der EWG dar. Die Artikel 85 ff. EWG-Vertrag (heute Art. 101 ff. AEUV) untersagten Kartelle, wettbewerbswidrige Vereinbarungen und Missbrauch von Marktmacht.

Freier Warenverkehr

Mit dem Abbau von Zöllen und mengenmäßigen Beschränkungen (Art. 9 ff. EWG-Vertrag) wurde ein einheitlicher Binnenmarkt angestrebt.

Freizügigkeit der Arbeitnehmer

Der EWG-Vertrag sicherte das Recht, in jedem Mitgliedstaat eine Beschäftigung aufzunehmen oder sich niederzulassen. Die entsprechenden Rechtsgrundlagen wurden in zahlreichen Verordnungen und Richtlinien weiter ausgearbeitet.

Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit

Diese Freiheiten ermöglichten Unternehmen und selbständigen Berufsträgern, im gesamten EWG-Raum zu agieren.


Übergang zur Europäischen Union und Nachwirkung

Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht am 1. November 1993 wurde aus der EWG die „Europäische Gemeinschaft (EG)”, die fortan eine der drei Säulen der Europäischen Union bildete. Der Vertrag von Lissabon (2009) führte zum vollständigen Aufgehen der EG in der Europäischen Union, wobei das EWG-Recht (nun als „Unionsrecht”) weiterentwickelt und in das EU-Primärrecht integriert wurde.

Viele ursprünglich im EWG-Vertrag normierte Rechtsgrundsätze gelten bis heute fort und haben die Entwicklung des europäischen Wirtschafts- und Privatrechts maßgeblich beeinflusst.


Begriff EWG in weiteren Rechtszusammenhängen

Der Begriff „EWG” wird oder wurde in verschiedenen nationalen und europäischen Rechtsvorschriften als Synonym für Mitgliedstaaten der (damaligen) Gemeinschaft verwendet. Insbesondere im Steuerrecht, Zollrecht, Sozialversicherungsrecht und im öffentlichen Auftragswesen besitzen Übergangsregelungen und Verweise weiterhin Bedeutung.

EWG als Rechtsbegriff in deutschen Gesetzen

Einige deutsche Rechtsnormen nehmen Bezug auf die EWG, insbesondere in älteren Fassungen. Beispielhaft genannt sei § 30 a AO (Abgabenordnung) in älterer Version. Die Bezüge auf die EWG sind nachträglich häufig angepasst worden, jedoch finden sich einzelne Regelungen mit historischem Bezug weiterhin im nationalen Recht und der Rechtsprechung.


Abgrenzungen und Verwechslungsgefahren

Es bestehen Abgrenzungsprobleme, da die EWG häufig mit „EG” oder sogar unmittelbar mit der „EU” gleichgesetzt wird. In juristischen Kontexten ist die Unterscheidung zwischen den jeweiligen Integrationsstufen für das Verständnis von historischen und aktuellen Rechtsvorschriften weiterhin von Bedeutung.


Internationale Dimension: EWG im internationalen und bilateralen Recht

Die EWG war und ist als Rechtsnachfolgerin Vertragspartei zahlreicher internationaler Abkommen, insbesondere im Bereich Zoll- und Handelsabkommen (z.B. GATT, heute WTO), Assoziierungs- und Partnerschaftsabkommen mit Drittstaaten sowie Abkommen im Bereich Umweltschutz und Forschung.


Literatur und weiterführende Rechtstexte

  • Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV)
  • Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)
  • Rechtsprechung des EuGH zu den Grundfreiheiten und zur unmittelbaren Wirkung
  • Deutsches Bundesrecht mit Bezügen zur EWG (z.B. AO, Umsatzsteuergesetz)

Fazit

Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) prägte die Grundlagen des heutigen europäischen Wirtschaftsraums. Die im EWG-Vertrag niedergelegten Rechtsstrukturen und Prinzipien sind ein zentraler Bestandteil des europäischen Integrationsprozesses und wirken in zahlreichen Rechtsbereichen bis heute nach. Das Verständnis des Begriffs „EWG” ist für die historische Einordnung europäischer und nationaler Rechtsvorschriften unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Entstehung einer EWG (Einzelwirtschaftsgemeinschaft)?

Die Entstehung einer Einzelwirtschaftsgemeinschaft (EWG) ist im deutschen Recht nicht explizit normiert, sondern ergibt sich aus den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), insbesondere aus den §§ 705 ff. BGB, welche die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) regeln. Eine EWG wird durch den Zusammenschluss von mindestens zwei natürlichen oder juristischen Personen zu einem gemeinsamen Zweck gebildet, der auf die Förderung der jeweiligen Einzelwirtschaften abzielt. Der Gesellschaftsvertrag, der formfrei – also auch mündlich oder durch schlüssiges Verhalten – geschlossen werden kann, bildet dabei die rechtliche Grundlage der EWG. Eintragungen ins Handelsregister sind nicht erforderlich, da es sich bei der EWG regelmäßig um eine nicht kaufmännische Gesellschaft handelt. Zudem greifen – je nach Ausgestaltung und Zweck – ergänzend Bestimmungen anderer Rechtsgebiete, beispielsweise aus dem Steuerrecht oder dem landwirtschaftlichen Genossenschaftsrecht, sofern die EWG entsprechende Merkmale aufweist.

Wer haftet in einer EWG und wie ist die Haftungsverteilung rechtlich geregelt?

In einer EWG, die regelmäßig als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) organisiert ist, haften die Gesellschafter grundsätzlich persönlich, unbeschränkt und gesamtschuldnerisch für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Dies bedeutet, dass Gläubiger einer EWG ihre Forderungen nicht nur gegenüber dem Gesellschaftsvermögen, sondern auch unmittelbar gegenüber dem Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter geltend machen können (§ 721 BGB analog). Die interne Haftungsverteilung kann jedoch durch den Gesellschaftsvertrag individuell geregelt werden, wobei dies gegenüber außenstehenden Dritten keine Wirkung entfaltet. Es ist daher für die Gesellschafter wichtig, vertragliche Regelungen zu treffen, die eventuelle Ausgleichsansprüche im Innenverhältnis eindeutig festlegen. Der Grundsatz der unbeschränkten Haftung macht die Beteiligung an einer EWG risikobehaftet, insbesondere dann, wenn keine Haftungsbeschränkung etwa durch die Gründung einer haftungsbeschränkten Gesellschaftsform gewählt wurde.

Wie können Verträge und Rechtsgeschäfte innerhalb der EWG wirksam geschlossen werden?

Die Vertretung der EWG nach außen richtet sich nach den Absprachen der Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag und, mangels anderweitiger Regelungen, nach den gesetzlichen Vorgaben der GbR (§§ 714, 715 BGB). Grundsätzlich sind alle Gesellschafter gemeinsam vertretungsbefugt, sofern keine abweichenden Vollmachtsregelungen getroffen wurden. Rechtsgeschäfte, die die gemeinschaftlichen Belange der EWG betreffen, müssen daher im Regelfall von allen Gesellschaftern gemeinsam vorgenommen oder zumindest genehmigt werden. Einzelvertretung ist nur zulässig, wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde. Hinsichtlich der Bindungswirkung ist zu beachten, dass durch wirksam abgeschlossene Rechtsgeschäfte die gesamte EWG sowie alle Gesellschafter persönlich verpflichtet werden. Die Frage der Wirksamkeit einzelner Verträge hängt somit maßgeblich von der ordnungsgemäßen Vertretung und etwaigen Zustimmungsbedürfnissen innerhalb der EWG ab.

Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich bei Austritt oder Eintritt eines Gesellschafters?

Der Austritt oder Eintritt eines Gesellschafters aus oder in eine EWG hat weitreichende rechtliche Folgen. Gemäß § 723 BGB kann ein Gesellschafter die Gesellschaft grundsätzlich jederzeit kündigen, woraufhin die Gesellschaft im Regelfall aufgelöst wird, sofern dies nicht durch Nachfolgeklauseln oder Fortsetzungsklauseln im Gesellschaftsvertrag abweichend geregelt wird. Tritt ein neuer Gesellschafter bei, ist eine Ergänzung oder Änderung des Gesellschaftsvertrags notwendig, die von allen Gesellschaftern akzeptiert werden muss. Im Außenverhältnis haften neu eintretende Gesellschafter nach § 130 HGB analog auch für Altverbindlichkeiten, sofern die Gesellschaft fortgeführt wird. Bei Austritt beschränkt sich die Haftung für bis zum Austritt begründete Verbindlichkeiten grundsätzlich auf fünf Jahre (§ 160 HGB analog zur GbR). Es empfiehlt sich dringend, Eintritt und Austritt in notarieller Form festzuhalten, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

Welche steuerlichen Pflichten und Rechtsfolgen hat eine EWG?

Die EWG ist aus steuerlicher Sicht in erster Linie eine Mitunternehmerschaft, d.h., sie ist selbst nicht steuerpflichtig, sondern ihre Einkünfte werden den einzelnen Gesellschaftern anteilig zugerechnet. Die EWG muss jedoch eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte beim Finanzamt beantragen (§ 180 AO). Bei Überschreiten gewisser Umsatzgrenzen kann eine Umsatzsteuerpflicht bestehen (§ 2 UStG). Die EWG ist zudem zur Führung von Steuerunterlagen und zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichtet. Kapitalanlagen oder Grundstückserwerb durch die EWG können Grunderwerbsteuer oder weitere steuerliche Konsequenzen nach sich ziehen. Es ist daher ratsam, bereits bei Gründung der EWG steuerliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um Compliance-Risiken zu vermeiden und steuerliche Gestaltungspotenziale zu nutzen.

Wie erfolgt die Auflösung und Auseinandersetzung einer EWG rechtlich korrekt?

Die Auflösung der EWG erfolgt in der Regel durch Kündigung eines Gesellschafters, Ablauf einer im Gesellschaftsvertrag festgelegten Dauer, durch Erreichen oder Unmöglichwerden des Gesellschaftszwecks oder durch gerichtliche Entscheidung (§§ 726 ff. BGB). Nach Auflösung beginnt die sogenannte Auseinandersetzung, welche in den §§ 730 ff. BGB geregelt ist. Zunächst werden alle laufenden Geschäfte abgewickelt und Verbindlichkeiten beglichen. Das verbleibende Gesellschaftsvermögen wird gemäß vertraglicher oder gesetzlicher Regelung unter den Gesellschaftern verteilt. Bestehen hierzu keine ausdrücklichen Regelungen, gilt das Prinzip der Gewinn- und Verlustteilung nach Köpfen (§ 722 BGB). Jeder Gesellschafter ist berechtigt, die Durchführung der Auseinandersetzung zu verlangen und gegebenenfalls gerichtlich durchzusetzen. Besonderheiten können sich bei Vorliegen von Grundstücksvermögen oder gemeinschaftlich gehaltenen Patenten ergeben, die gesonderte Rechtsformen oder Verwertungsprozesse erforderlich machen.

Welche Melde- und Anzeigepflichten bestehen für eine EWG gegenüber Behörden?

EWGs sind verpflichtet, je nach ihrer Ausgestaltung und ihrem Tätigkeitsfeld, verschiedene behördliche Anmeldungen vorzunehmen. Dazu gehören insbesondere die steuerliche Anmeldung beim Finanzamt, das Einholen eventuell erforderlicher gewerblicher Genehmigungen und die Meldung gegenüber Sozialversicherungsträgern, wenn Arbeitnehmer beschäftigt werden. In bestimmten Branchen, wie etwa der Land- und Forstwirtschaft, bestehen zudem Meldepflichten gegenüber Fachbehörden, beispielsweise der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft. Verstöße gegen diese Anzeigepflichten können Bußgelder und nachteilige steuerliche Konsequenzen nach sich ziehen. Die jeweiligen Meldepflichten sollten vor Aufnahme der Geschäftstätigkeit detailliert geprüft und erfüllt werden, um rechtliche Risiken auszuschließen.