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Evangelische Kirche


Begriff und rechtliche Grundlagen der Evangelischen Kirche

Die Evangelische Kirche bezeichnet im deutschen Rechtsverständnis die Körperschaften, Einrichtungen und Unternehmen, die die evangelische Religionsausübung im Sinne der Reformationstraditionen organisieren. Sie nimmt eine zentrale Stellung im Religionsverfassungsrecht Deutschlands ein und ist Trägerin weitreichender Rechte und Pflichten. Der folgende Artikel beleuchtet die rechtliche Struktur, die gesetzlichen Grundlagen, das Verhältnis zum Staat sowie die Vermögens- und Arbeitsverhältnisse der Evangelischen Kirche.


Definition und Verfassung der Evangelischen Kirche

Begriffliche Abgrenzung

Die Evangelische Kirche ist ein Oberbegriff für verschiedene Landeskirchen, die in Deutschland vorwiegend in der “Evangelischen Kirche in Deutschland” (EKD) zusammengefasst sind. Im rechtlichen Sinne kann die Evangelische Kirche sowohl die EKD, die einzelnen Gliedkirchen als auch spezifische Gemeinde- und Verbandsebenen umfassen.

Rechtliche Stellung als Körperschaft öffentlichen Rechts

Die Evangelische Kirche und ihre Gliedkirchen sind in der Regel als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt (§ 140 GG, Art. 137 WRV). Diese Rechtsform verschafft ihnen eine besondere Rechtsstellung, die unter anderem zur autonomen Verwaltung interner Angelegenheiten, zur Erhebung von Kirchensteuern und zum Tragen von Hoheitszeichen berechtigt. Die Verleihung dieser Rechtsform erfolgt auf Antrag und ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden, wie Dauerhaftigkeit, Mitgliederzahl und Gewähr der Rechtstreue.


Rechtliche Grundlagen und Verfassungsrechtliche Stellung

Verfassungsrechtliche Einordnung

Die rechtliche Grundlage für die Autonomie und das Wirken der Evangelischen Kirche ergibt sich analog aus dem deutschen Grundgesetz (Art. 4 und Art. 140 GG i.V.m. Art 137 ff. WRV). Diese Bestimmungen garantieren das Selbstverwaltungsrecht, die Gleichstellung mit anderen Religionsgemeinschaften sowie das Recht, öffentlich-rechtliche Ämter zu schaffen.

Staat-Kirche-Verhältnis (Grundsatz der Trennung)

Die Beziehung zwischen der Evangelischen Kirche und dem Staat ist durch das Prinzip der hinkenden Trennung (“paritätische Kooperation”) geprägt. Während einerseits organisatorische und finanzielle Unabhängigkeit garantiert wird, bestehen andererseits enge Kooperationen, etwa in sozialen, pädagogischen und ethischen Bereichen.


Kirchenrecht und innerkirchliche Organisation

Autonomie und Satzungsrecht

Die Evangelische Kirche besitzt das Recht, ihre Angelegenheiten eigenständig zu ordnen und zu regeln (Kirchenautonomie). Dies umfasst insbesondere die Errichtung von Satzungen, Kirchenverfassungen, Kirchengesetzen sowie eigener Gerichte zur Klärung innerkirchlicher Streitigkeiten.

Kirchengesetzgebung

Die Gliedkirchen der EKD erlassen auf Grundlage ihrer jeweiligen Verfassung eigenständige Kirchengesetze, welche die verwaltungsrechtliche und disziplinarrechtliche Ordnung der Kirche bestimmen. Diese Gesetze entfalten Wirkung gegenüber Mitgliedern sowie sonstigen der Kirche zugeordneten Personen.

Kirchenwechsel und Austritt

Die Mitgliedschaft in der Evangelischen Kirche unterliegt dem Prinzip der Freiwilligkeit. Der Kirchenaustritt ist nach staatlichem Recht gegenüber dem Standesamt oder Amtsgericht zu erklären, woraufhin die Verpflichtungen, insbesondere die Kirchensteuerpflicht, enden.


Vermögensrechtliche Aspekte und Finanzverwaltung

Kirchensteuerrecht

Zu den hervorstechendsten Rechten der als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannten Evangelischen Kirche zählt das Kirchensteuererhebungsrecht (§ 140 GG, Art 137 Abs. 6 WRV). Die Verwaltung und Erhebung der Kirchensteuer erfolgt in Kooperation mit den staatlichen Finanzbehörden auf Grundlage entsprechender landesrechtlicher Vorschriften.

Einnahmequellen und Finanzverwaltung

Neben der Kirchensteuer finanziert sich die Evangelische Kirche durch Spenden, Kollekten, Vermögenserträge (z.B. Stiftungen), Zuschüsse staatlicher Stellen und Leistungen für soziale Einrichtungen. Die Finanzverwaltung unterliegt interner Kontrolle sowie externen Prüfungen im Rahmen der Haushaltsordnung der jeweiligen Gliedkirche.


Rechtliche Stellung kirchlicher Einrichtungen und Unternehmen

Sozial- und Bildungseinrichtungen

Die Evangelische Kirche ist Träger einer Vielzahl sozialer Einrichtungen wie Kindergärten, Krankenhäuser, Altenheime und Bildungsträger. Diese Einrichtungen unterliegen kirchlichem Recht, zugleich aber auch staatlichen Regulierungen, insbesondere im Sozial- und Arbeitsrecht.

Arbeitsrechtliche Sonderstellung (Dritter Weg)

Das Arbeitsrecht der evangelischen Kirche weicht in Teilen vom allgemeinen Arbeitsrecht ab. Nach den Maßgaben des sogenannten Dritten Weges finden Tarifverhandlungen in Form von paritätisch besetzten Kommissionen statt. Die Anwendung des „kirchlichen Arbeitsrechts”, einschließlich Loyalitätsanforderungen, ist Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung und europarechtlicher Diskussionen.


Evangelische Kirche im internationalen und europäischen Recht

Die Evangelische Kirche ist in Deutschland rechtlich eigenständig, arbeitet aber mit internationalen Kirchen, insbesondere in Europa, eng zusammen. Bei grenzüberschreitender Tätigkeit unterliegt sie den jeweiligen in- und ausländischen rechtlichen Vorgaben, etwa zum Datenschutz (DSGVO), Arbeitsrecht oder Steuerrecht.


Rollen im Zivilrecht und im öffentlichen Recht

Zivilrechtliche Handlungsfähigkeit

Als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist die Evangelische Kirche zugleich Trägerin zivilrechtlicher Rechte und Pflichten. Sie kann Verträge abschließen, Eigentum erwerben und Trägerin von Stiftungen und anderen Vermögen sein.

Öffentlich-rechtliche Hoheitsrechte

Zur Erfüllung ihrer Aufgaben ist der Evangelischen Kirche die Verleihung bestimmter Hoheitsrechte möglich, etwa das Führen eigener Matrikelämter, Erteilung von Religionsunterricht in staatlichen Schulen (Art. 7 Abs. 3 GG) oder Beteiligung an öffentlich-rechtlichen Gremien.


Datenschutz, Archivrecht und Meldewesen

Die Evangelische Kirche erlässt eigene Datenschutzgesetze, die den Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) angepasst sind. Das Kirchenbuchwesens- und Archivrecht regelt die Führung und Nutzung personenbezogener Daten und Archive.


Zusammenfassung

Die Evangelische Kirche ist im deutschen Recht als Körperschaft des öffentlichen Rechts verankert und genießt weitreichende Rechte im Bereich der Selbstverwaltung, der Steuererhebung und der rechtlichen Selbstorganisation. Ihre rechtliche Stellung ist geprägt vom Grundsatz der Trennung und Kooperation mit dem Staat. Sie nimmt eine bedeutende Rolle in der sozialen und gesellschaftlichen Infrastruktur ein und unterliegt sowohl eigenem Kirchenrecht als auch staatlichen Vorgaben, insbesondere im Steuer-, Arbeits- und Datenschutzrecht. Dies unterstreicht ihre Vielschichtigkeit im Kontext des Religionsverfassungsrechts und ihre Wichtigkeit für das gesellschaftliche Gefüge.

Häufig gestellte Fragen

Welche staatskirchenrechtliche Stellung hat die Evangelische Kirche in Deutschland?

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) besitzt in der Bundesrepublik Deutschland den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV. Dieser besondere Status ermöglicht es ihr, eigenständige Rechtsnormen zu erlassen (Kirchenordnungen), Religionsunterricht in öffentlichen Schulen anzubieten, sowie Steuern – sogenannte Kirchensteuern – von ihren Mitgliedern zu erheben. Die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts erfolgt nach Länderrecht durch die jeweiligen Kultusministerien, wobei der Anspruch nach Artikel 137 Absatz 5 WRV bereits durch das kontinuierliche Bestehen und die Mitgliederzahl begründet wird. Die EKD regelt ihre inneren Angelegenheiten eigenständig und ist in ihren Verwaltungstätigkeiten lediglich der allgemeinen staatlichen Rechtsaufsicht unterworfen.

Inwieweit ist die evangelische Kirche staatsunabhängig und was bedeutet das rechtlich?

Die Trennung von Kirche und Staat ist in Deutschland durch Art. 140 GG in Verbindung mit den Weimarer Kirchenartikeln grundlegt verankert. Die evangelische Kirche verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes (Art. 137 Abs. 3 WRV). Dies bedeutet, dass die Evangelische Kirche im Bereich der eigenen Regelungsbefugnisse eine weitgehende Autonomie genießt, insbesondere in Fragen der Lehre, der Verwaltung, des Kultus und der Bestimmung ihres inneren Aufbaus. Staatliche Eingriffe sind lediglich zulässig, wenn die Kirche gegen allgemeine Gesetze verstößt oder das öffentliche Interesse beeinträchtigt wird, beispielsweise im Rahmen von Arbeitsrecht oder Bauvorschriften bei kirchlichen Gebäuden. Außerdem ist der Staat aufgrund der sog. “Parität” zur Neutralität verpflichtet und darf keinen privilegierten status einer bestimmten Konfession gewähren.

Welche rechtlichen Regelungen gelten für die Kirchensteuer der Evangelischen Kirche?

Die Erhebung der Kirchensteuer ist rechtlich im Kirchensteuerrecht der Bundesländer geregelt und findet seine Grundlage in der Verfassung (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV). Danach können Religionsgesellschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, von ihren Mitgliedern Steuern nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen erheben. Die Festsetzung, Erhebung und Verwaltung der Kirchensteuer erfolgt meist über die staatlichen Finanzbehörden im Verwaltungsauftrag, wofür der Kirche Verwaltungsgebühren gezahlt werden. Die Rechtsbeziehung besteht unmittelbar zwischen dem einzelnen Kirchenmitglied und der Kirche; der Staat fungiert lediglich als Treuhänder bei der Einziehung. Etwaige Streitigkeiten über Steuerpflicht, -höhe oder -austritt unterliegen der Zuständigkeit der Finanzgerichte.

Welches Arbeitsrecht gilt innerhalb der Evangelischen Kirche?

Innerhalb der evangelischen Kirche gilt das sogenannte kirchliche Arbeitsrecht, welches durch das Selbstbestimmungsrecht nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV und § 118 Abs. 2 BetrVG geprägt ist. Die Evangelische Kirche kann besondere Regelungen für ihre Arbeitnehmer aufstellen, was sich im sogenannten “Dritten Weg” zeigt: Arbeitsverträge und Arbeitsbedingungen werden nicht durch Tarifverträge oder Streikrecht, sondern auf dem Weg der paritätisch besetzten Kommissionen ausgehandelt. Rechtsgrundlage für diese Besonderstellung sind entsprechende Kirchenordnungen und das Arbeitsrecht der Kirche, wobei staatliche Gerichte eine Kontrollfunktion hinsichtlich der Einhaltung zwingender arbeitsrechtlicher Bestimmungen und der Grundrechte wahrnehmen. Auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) findet mit Modifikationen Anwendung, soweit es um konfessionsspezifische Anforderungen geht.

Wie regelt die Evangelische Kirche das Datenschutzrecht?

Für die Evangelische Kirche gilt ein eigenständiges Datenschutzrecht, nämlich das “Kirchengesetz über den Datenschutz der Evangelischen Kirche in Deutschland” (DSG-EKD). Dieses Gesetz erfüllt die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gemäß Art. 91 DSGVO, die Kirchen eigene Datenschutzregelungen gestattet, wenn diese mit der DSGVO in Einklang stehen. Die EKD hat einen eigenen Datenschutzbeauftragten sowie eigene Aufsichtsbehörden. Die Bestimmungen des DSG-EKD regeln u.a. die Verarbeitung, Speicherung, Weitergabe und Löschung personenbezogener Daten im kirchlichen Bereich und umfassen auch spezifische Vorgaben für kirchliche Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen oder diakonische Werke. Kläger haben die Möglichkeit, sich an kirchliche Beschwerdestellen oder die staatlichen Gerichte zu wenden, wenn sie ihre Rechte verletzt sehen.

Welche Rechtswege bestehen für Streitigkeiten innerhalb der Evangelischen Kirche?

Streitigkeiten in innerkirchlichen Angelegenheiten – etwa hinsichtlich der Kirchenmitgliedschaft, kirchlicher Disziplinarmaßnahmen oder dienstlicher Belange kirchlicher Mitarbeiter – unterliegen grundsätzlich der kirchlichen Gerichtsbarkeit. Die EKD sowie die Landeskirchen unterhalten eigene Kirchengerichte, die nach kircheneigenem Prozessrecht entscheiden. Bei Auseinandersetzungen, die das Staatskirchenrecht, das Steuerrecht oder das Arbeitsrecht betreffen, können auch staatliche Gerichte zuständig sein. Über die Zulässigkeit des Rechtswegs entscheidet die Abgrenzung zwischen innerkirchlichen (Glaubens- und Bekenntnisfragen) und weltlichen Angelegenheiten (vermögensrechtliche, arbeitsrechtliche Fragen). Im Bereich kirchlichen Arbeitsrechts findet regelmäßig eine parallele Kontrolle durch staatliche Arbeitsgerichte statt.

Was ist die rechtliche Bedeutung eines Austritts aus der Evangelischen Kirche?

Der Austritt aus der Evangelischen Kirche ist rechtlich eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die gegenüber einer staatlichen Stelle (meist Standesamt oder Amtsgericht) abgegeben werden muss. Die rechtlichen Folgen des Austritts, geregelt etwa durch das Kirchensteuergesetz der Länder, sind der Verlust der Kirchenmitgliedschaft sowie sofort die Befreiung von der Kirchensteuerpflicht. Weitere kirchenrechtliche Folgen betreffen den Ausschluss von kirchlichen Amtshandlungen, bestimmten kirchlichen Dienstleistungen und Ämtern. Der Staat informiert nach erfolgtem Austritt die betreffende Kirche, die personenbezogenen Daten werden entsprechend angepasst. Ein Kirchenaustritt ist jederzeit möglich und bedarf keinen besonderen Grundes; gebührenrechtlich können die Länder unterschiedliche Regelungen (bis zu ca. 30 EUR) treffen. Der Austritt ist auch Grundlage für die Beendigung des Status einer pflichtigen Person nach Datenschutzrecht der Kirche.