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Evangelische Kirche

Begriff und rechtliche Stellung der Evangelischen Kirche

Die Evangelische Kirche bezeichnet in Deutschland den Zusammenschluss lutherischer, reformierter und unierter Landeskirchen sowie ihrer Einrichtungen unter dem Dach der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Sie ist keine Staatskirche, wirkt jedoch in einem kooperativen System mit dem Staat zusammen. Rechtlich ist sie in ihren Gliedkirchen und vielen ihrer Körperschaften als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert und verfügt über ein verfassungsrechtlich geschütztes Selbstbestimmungsrecht in eigenen Angelegenheiten.

Abgrenzung und Bekenntnis

Der Begriff „evangelisch“ bezieht sich auf Kirchen der Reformation. In Deutschland ist die Evangelische Kirche plural aufgebaut: Landeskirchen besitzen eigene Ordnungen, Synoden und Leitungsorgane. Einheit stiftet das gemeinsame Bekenntnis, nicht eine einheitliche zentrale Leitung.

Verfassungsrechtliche Einordnung

Die Evangelische Kirche und ihre Landeskirchen sind Religionsgemeinschaften mit eigener Ordnung. Sie sind vom Staat getrennt, kooperieren aber in Feldern von gemeinsamem Interesse. Ihr Selbstbestimmungsrecht umfasst insbesondere Organisation, Ämter, Lehre, Gottesdienst, Disziplin, Mitgliedschaft sowie Regelungen des inneren Dienstrechts.

Organisation und Rechtsformen

Die Evangelische Kirche ist vielschichtig strukturiert. Rechtlich bedeutsam ist die Unterscheidung zwischen der kirchlichen Körperschaft und ihren rechtlich verselbstständigten Werken und Einrichtungen.

EKD, Landeskirchen und Gemeinden

Die EKD ist ein Zusammenschluss von Landeskirchen. Die Landeskirchen gliedern sich in Kirchenkreise und Kirchengemeinden. Kirchengemeinden und Kirchenkreise sind häufig Körperschaften des öffentlichen Rechts mit eigener Vermögensfähigkeit.

Verbundene Rechtsträger

Mit der Kirche verbunden sind Stiftungen, Vereine und gemeinnützige Kapitalgesellschaften, insbesondere im Bereich der Diakonie. Diese Einrichtungen handeln im Rahmen staatlicher Rechtsformen, bleiben aber in ihrem kirchlichen Auftrag verankert.

Selbstbestimmungsrecht und inneres Recht

Kirchen erlassen für ihre Angelegenheiten eigenes Recht. Dieses wirkt innerhalb des kirchlichen Bereichs und gegenüber den Personen und Einrichtungen, die ihm unterstehen.

Kirchengesetze und Ordnungen

Landeskirchen geben sich Verfassungen, Kirchengesetze, Rechtsverordnungen und Ordnungen. Synoden und Leitungsorgane beschließen das Recht, das gottesdienstliches Leben, Amt und Verwaltung sowie Vermögensangelegenheiten strukturiert.

Disziplinarrecht, Ämter und Mitgliedschaft

Für ordinierte und andere kirchliche Amtsträger bestehen eigene Regelungswerke, inkl. Qualifikation, Beauftragung, Dienstpflichten und Disziplinarordnung. Die Mitgliedschaft richtet sich nach kirchlicher Ordnung, wobei Erwerb und Beendigung der Mitgliedschaft rechtlich klar geregelte Voraussetzungen haben.

Verhältnis von Staat und Evangelischer Kirche

Das deutsche System beruht auf Freiheit der Religionsausübung, Selbständigkeit der Religionsgemeinschaften und kooperativer Partnerschaft.

Kooperation und staatliche Neutralität

Der Staat wahrt religiöse und weltanschauliche Neutralität. Zugleich ermöglicht er Kooperation, etwa in Bildung, Sozialwesen, Rundfunk, Militär-, Krankenhaus- und Gefängnisseelsorge.

Staatskirchenverträge und Absprachen

Landeskirchen schließen mit Ländern Verträge und Vereinbarungen. Diese ordnen dauerhaft Zusammenarbeit, z. B. bei Feiertagsschutz, Religionsunterricht, Seelsorge oder Vermögensfragen.

Religionsunterricht und Seelsorge

Religionsunterricht ist ein ordentliches Fach, inhaltlich verantwortet von der jeweiligen Kirche. Seelsorge wird in öffentlichen Einrichtungen institutionell ermöglicht; die inhaltliche Ausgestaltung liegt bei der Kirche.

Finanzen und Aufsicht

Die Finanzierung ruht auf mehreren Säulen und unterliegt innerkirchlicher Kontrolle.

Kirchensteuer

Als Körperschaften des öffentlichen Rechts können Landeskirchen Kirchensteuern erheben. Erhoben wird regelmäßig auf Basis staatlicher Einkommensteuerdaten. Die staatliche Finanzverwaltung unterstützt die Einziehung nach öffentlich-rechtlichen Verfahren.

Weitere Einnahmen

Weitere Mittel sind Kollekten, Spenden, Erbschaften, Erträge aus Vermögen sowie Zuwendungen für bestimmte Aufgaben. Diakonische Einrichtungen refinanzieren Leistungen regelmäßig über Entgelte, Kostenträger und öffentliche Förderungen.

Rechnungswesen und Kontrolle

Kirchen besitzen eigene Haushaltsordnungen, Rechnungsprüfung und Gremienaufsicht. Synoden wirken bei Haushalts- und Vermögensentscheidungen mit und üben Kontrolle aus.

Beschäftigung und Arbeitsrecht

Kirchliche Arbeit ist rechtlich geprägt durch das Selbstbestimmungsrecht und den besonderen Charakter kirchlicher Einrichtungen.

Dienstgemeinschaft und Tendenzcharakter

Kirchliche Arbeitgeber verfolgen einen religiösen Auftrag. Das prägt Anforderungsprofile, Loyalitätserwartungen und die Ausgestaltung von Dienstverhältnissen. Der Tendenzcharakter kann die Anwendung allgemeiner Arbeitsregeln beeinflussen.

Arbeitsvertragsrecht und Mitbestimmung

In vielen Bereichen gelten kircheneigene Regelwerke (z. B. Arbeitsvertragsrichtlinien, kirchliche Tarifwerke). Die Mitbestimmung erfolgt über kirchenspezifische Mitarbeitervertretungen nach kirchlichem Recht, die an die Stelle betrieblicher Gremien des allgemeinen Arbeitsrechts treten.

Gleichbehandlung und Loyalität

Allgemeine Gleichbehandlungsgrundsätze sind zu beachten. Aufgrund des kirchlichen Auftrags können besondere berufliche Anforderungen bestehen, die nach Funktionen differenzieren. Die Verhältnismäßigkeit solcher Anforderungen ist wesentlich.

Datenschutz und Dokumentation

Kirchliche Stellen verarbeiten personenbezogene Daten auf Grundlage eigener Datenschutzgesetze, die sich an den europäischen Standards orientieren.

Kirchliche Datenschutzaufsicht

Unabhängige kirchliche Datenschutzaufsichten überwachen die Einhaltung der kirchlichen Datenschutzregelungen. Sie sind zuständig für Beschwerden, Kontrollen und Aufsicht über kirchliche und diakonische Stellen.

Kirchenbücher und Register

Tauf-, Trau- und Bestattungsregister dienen der Dokumentation kirchlicher Handlungen. Einsicht ist nach kirchlichen und datenschutzrechtlichen Vorgaben möglich, insbesondere zu genealogischen, wissenschaftlichen oder seelsorglichen Zwecken.

Vermögen, Bauen und Kultur

Kulturelles Erbe und Vermögensverwaltung sind rechtlich besonders geschützt.

Eigentum und Denkmalschutz

Kirchen und kirchliche Stiftungen sind Eigentümer zahlreicher Gebäude und Kulturgüter. Bauliche Maßnahmen stehen im Spannungsfeld kirchlicher Widmung und staatlichen Denkmalschutzes. Änderungen bedürfen regelmäßig besonderer Verfahren und Zustimmungen.

Widmung und Profanierung

Gottesdienststätten sind kirchlich gewidmet. Eine Aufhebung der Widmung (Profanierung) richtet sich nach kirchlichem Recht und ist Voraussetzung für eine andersartige Nutzung oder Veräußerung.

Friedhöfe

Kirchliche Friedhöfe werden von kirchlichen Rechtsträgern betrieben und unterliegen Friedhofsordnungen. Sie sind öffentlich zugänglich im Rahmen der jeweiligen Ordnung und des Bestattungsrechts.

Mitgliedschaft, Taufe und Austritt

Mitgliedschaft ist eine kirchliche Zugehörigkeit mit rechtlichen Wirkungen.

Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft

Die Mitgliedschaft wird regelmäßig durch Taufe begründet; sie kann durch Wechsel, Eintritt oder Austritt enden. Die Einzelheiten ergeben sich aus der Ordnung der Landeskirchen.

Rechtsfolgen des Austritts

Der Austritt beendet die Mitgliedschaft und betrifft kirchliche Rechte und Pflichten. Steuerliche Zugehörigkeit und kirchliche Inanspruchnahmen knüpfen an die Mitgliedschaft an; mit dem Austritt entfallen entsprechende Mitgliedschaftsrechte und -pflichten.

Öffentlichkeitsauftrag und Medien

Die Evangelische Kirche wirkt im öffentlichen Raum mit.

Rundfunk und Medienvertretung

Kirchliche Beauftragte wirken in Rundfunkgremien mit, kirchliche Verkündung erhält Sendezeiten. Die Ausgestaltung folgt medienrechtlichen Vorgaben und den Grundsätzen staatlicher Pluralitätssicherung.

Diakonie als Teil der Wohlfahrtspflege

Die Diakonie ist das soziale Werk der Evangelischen Kirche und bedeutender Träger sozialer Angebote.

Rechtsstellung diakonischer Träger

Diakonische Einrichtungen sind rechtlich eigenständige Träger in kirchlicher oder staatlicher Rechtsform, die an kirchliche Grundsätze gebunden bleiben.

Leistungsbeziehungen

Die Erbringung sozialer Leistungen erfolgt in öffentlich finanzierten Systemen nach allgemeinen Leistungs- und Vergaberegeln. Trägerpluralität und Wahlfreiheit der Leistungsberechtigten sind leitend.

Konfliktlösung und Rechtsschutz

Rechtsstreitigkeiten können innerkirchlich oder vor staatlichen Gerichten verhandelt werden, je nach Streitgegenstand.

Kirchliche Gerichte und Schlichtung

Für innerkirchliche Angelegenheiten bestehen kirchliche Gerichte oder Schlichtungsstellen, etwa in Disziplinarsachen, Wahlprüfungen oder Auslegungsfragen kirchlichen Rechts.

Staatlicher Rechtsschutz

In Angelegenheiten mit Wirkung im staatlichen Rechtsraum, etwa im Arbeits-, Steuer- oder Baurecht, ist der Weg zu staatlichen Gerichten eröffnet. Die Abgrenzung richtet sich nach der Zuordnung des Streitgegenstands zum kirchlichen oder staatlichen Bereich.

Häufig gestellte Fragen zur Evangelischen Kirche (rechtlicher Kontext)

Welche rechtliche Bedeutung hat der Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts?

Er ermöglicht insbesondere das Erheben von Kirchensteuern, die Verleihung von Dienstsiegeln, das Führen eigener Amtsbezeichnungen und die Wahrnehmung bestimmter öffentlicher Aufgaben. Zugleich bleiben Organisation und Aufsicht in kirchlicher Verantwortung.

In welchen Bereichen kann die Evangelische Kirche eigenes Recht setzen?

Eigenes Recht besteht vor allem in Organisation, Amt, Gottesdienst, Mitgliedschaft, Disziplin, Arbeitsvertragsrecht der Kirche sowie im inneren Verwaltungs- und Haushaltswesen. Es gilt für kirchliche Körperschaften, Werke und die ihnen zugeordneten Personen.

Wie wirkt sich das kirchliche Selbstbestimmungsrecht im Arbeitsverhältnis aus?

Es erlaubt die Festlegung kirchlicher Anforderungsprofile, Loyalitätspflichten und eigener Arbeitsvertragsordnungen. Dabei gelten die allgemeinen arbeits- und gleichbehandlungsrechtlichen Grenzen, die im Lichte des kirchlichen Auftrags ausgelegt werden.

Wer beaufsichtigt den Datenschutz in der Evangelischen Kirche?

Unabhängige kirchliche Datenschutzaufsichten überwachen die Einhaltung der kirchlichen Datenschutzgesetze. Diese orientieren sich an europäischen Vorgaben und regeln Rechte der Betroffenen sowie Pflichten der kirchlichen Stellen.

Wie wird die Kirchensteuer erhoben?

Die Erhebung erfolgt auf Grundlage der kirchlichen Steuerordnungen mit Unterstützung staatlicher Finanzverwaltungen, die die Einziehung organisatorisch abwickeln. Maßstab sind regelmäßig staatliche Steuerdaten.

Welche Folgen hat ein Kirchenaustritt?

Mit dem Austritt enden die kirchliche Mitgliedschaft und die daran geknüpften Rechte und Pflichten. Dies betrifft insbesondere die kirchensteuerliche Zugehörigkeit sowie die Teilnahme an innerkirchlichen Rechten.

Hat die Evangelische Kirche hoheitliche Befugnisse?

Sie nimmt in begrenztem Umfang öffentlich-rechtliche Aufgaben wahr, insbesondere bei der Kirchensteuererhebung. Ansonsten handelt sie überwiegend als Trägerin eigener, vom Staat getrennter Ordnung.

Wer entscheidet über Umbau, Verkauf oder andere Nutzung eines Kirchengebäudes?

Zuständig sind die kirchlichen Leitungsorgane nach kirchlichem Recht. Zusätzlich sind staatliche Vorschriften, etwa aus dem Denkmal- und Baurecht, zu beachten, die Genehmigungen und Verfahren vorsehen können.