Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung
Das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung (auch als Einheitspatent oder Unitary Patent bezeichnet) ist ein supranationales Schutzrecht im Patentrecht der Europäischen Union, das einen einheitlichen Patentschutz innerhalb teilnehmender Mitgliedstaaten ermöglicht. Es basiert auf der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 sowie ergänzenden Regelwerken und stellt einen bedeutenden Fortschritt zur Harmonisierung des gewerblichen Rechtsschutzes in Europa dar.
Entwicklung und rechtlicher Hintergrund
Entstehungsgeschichte
Das System des Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung ist das Ergebnis jahrzehntelanger Bemühungen, einen grenzüberschreitenden, kosten- und verwaltungsarmen Schutz für technische Erfindungen innerhalb der EU zu schaffen. Traditionell konnten auf Basis des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) Patente zentral beantragt, aber nur national validiert werden. Mit der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 und dem Übereinkommen über das Einheitliche Patentgericht (EPGÜ) wurde der Grundstein für das Einheitspatent und das dazugehörige Gerichtssystem gelegt.
Rechtsgrundlagen und Geltungsbereich
Das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung gründet rechtlich vor allem auf:
- Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 über die Umsetzung der verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes
- Verordnung (EU) Nr. 1260/2012 über Übersetzungsregelungen
- Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ)
Teilnehmen können nur EU-Mitgliedstaaten, die sich im Rahmen der sogenannten verstärkten Zusammenarbeit daran beteiligen. Derzeit sind nicht alle EU-Mitgliedstaaten Teil des Systems.
Schutzgegenstand und Umfang
Definition und Schutzwirkung
Das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung ist ein europäisches Patent, dem auf Antrag des Patentinhabers ein einheitlicher Schutz für die teilnehmenden Mitgliedstaaten verliehen wird. Die Wirkung des Patents erstreckt sich damit gleichzeitig und identisch auf alle teilnehmenden Staaten.
Abgrenzung zum klassischen europäischen Patent
Im Gegensatz zum klassischen europäischen Patent, das nach der Erteilung ein Bündel von nationalen Rechten darstellt, existiert das Einheitspatent als einheitliches Recht für mehrere Staaten, ohne nationale Fragmentierung und mit einheitlicher Wirkung im gesamten Gebiet der teilnehmenden Staaten.
Antragstellung und Verfahren
Voraussetzungen für die einheitliche Wirkung
Ein europäisches Patent kann mit der einheitlichen Wirkung ausgestattet werden, wenn
- es für alle teilnehmenden Mitgliedstaaten erteilt wurde;
- ein entsprechender Antrag innerhalb eines Monats nach Veröffentlichung des Erteilungsvermerks beim Europäischen Patentamt (EPA) gestellt wird;
- die erforderlichen Übersetzungen gemäß Verordnung (EU) Nr. 1260/2012 vorgelegt werden.
Verwaltungsverfahren beim EPA
Das Europäische Patentamt übernimmt die Verwaltung des Einheitspatents. Dazu gehören Annahme, Prüfung und Veröffentlichung der Anträge auf einheitliche Wirkung sowie die Erfassung im Register.
Rechtswirkungen, Einschränkung und Erlöschen
Rechte und Verbote
Das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung verleiht seinem Inhaber das ausschließliche Recht, Dritten die Benutzung der patentierten Erfindung innerhalb der beteiligten Staaten zu untersagen. Verstöße können durch Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche verfolgt werden.
Beschränkung, Widerruf und Erlöschen
Einheitspatente können
- auf Antrag des Inhabers beschränkt oder zurückgenommen werden (gem. EPÜ);
- auf Antrag eines Dritten oder von Amts wegen durch das Einheitliche Patentgericht für nichtig erklärt werden;
- durch Zeitablauf oder Nichtzahlung von Jahresgebühren erlöschen.
Das Erlöschen oder die Nichtigerklärung wirkt einheitlich in allen teilnehmenden Staaten.
Verwaltung und Jahresgebühren
Verwaltung und Registerführung
Das EPA führt ein zentrales Register über die Einheitspatente. Änderungen, Übertragungen, Lizenzen und andere Rechte werden in das Register eingetragen und sind für alle teilnehmenden Staaten wirksam.
Gebührenregelung
Jahresgebühren werden zentral beim EPA eingezogen und decken den Schutz in allen teilnehmenden Staaten ab. Die Höhe orientiert sich an den durchschnittlichen Gebühren mehrerer größerer EU-Staaten und soll die Attraktivität für kleine und mittlere Unternehmen sowie Forschungseinrichtungen gewährleisten.
Durchsetzung: Einheitliches Patentgericht
Errichtung und Zuständigkeit
Mit dem Einheitlichen Patentgericht (EPG) wurde ein eigenständiges Gerichtsverfahren geschaffen. Das Gericht ist exklusiv zuständig für Verletzungs- und Nichtigkeitsklagen, was einheitliche und verbindliche Entscheidungen für alle teilnehmenden Staaten ermöglicht.
Vorteile der zentralen Streitentscheidung
- Wegfall paralleler nationaler Prozesse
- Schnelligkeit und Effizienz
- Verbindlichkeit der Entscheidungen für das gesamte Schutzgebiet
Sprachenregelung und Übersetzungen
Die Anmeldung und das gesamte Verfahren erfolgen in einer der Amtssprachen des EPA (Deutsch, Englisch, Französisch). Für die Eintragung der einheitlichen Wirkung sind ergänzende Übersetzungen gemäß Verordnung (EU) Nr. 1260/2012 erforderlich.
Vorteile und Herausforderungen
Vorteile
- Einheitliche Rechtswirkung in zahlreichen EU-Staaten
- Vereinfachtes Verwaltungsverfahren
- Zentrale Streitentscheidung
- Kostenvorteile bei Weiterschutz nach Patenterteilung
Herausforderungen
- Unterschiedlicher Beitrittsstatus der Mitgliedstaaten
- Kosten bei breiter oder begrenzter geografischer Abdeckung
- Komplexität der Übergangsregelungen
Verhältnis zu internationalen Abkommen und anderen Patentsystemen
Das europäische Einheitspatent steht neben dem klassischen System des EPÜ; Anmelder entscheiden nach Erteilung, ob sie den einheitlichen Schutz oder das klassische, national fragmentierte Patent wählen. Parallele internationale Patentanmeldungen (z. B. nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag, PCT) bleiben davon unberührt.
Literatur und weiterführende Rechtsquellen
- Verordnung (EU) Nr. 1257/2012
- Verordnung (EU) Nr. 1260/2012
- Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ)
- Europäisches Patentübereinkommen (EPÜ)
Fazit
Das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung stellt einen Meilenstein in der europäischen Harmonisierung des Patentrechts dar. Mit seinem zentralen Verwaltungs- und Streitregelungssystem trägt es zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, Rechtssicherheit und Effizienz des europäischen Innovationsraumes bei. Zugleich bleiben offene Fragen hinsichtlich der vollständigen Integration und Akzeptanz im gesamten EU-Raum bestehen.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Schritte sind erforderlich, um ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung in Kraft zu setzen?
Um ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung (auch Einheitspatent genannt) rechtlich wirksam zu machen, muss nach der Erteilung des europäischen Patents durch das Europäische Patentamt (EPA) ein Antrag auf einheitliche Wirkung beim EPA eingereicht werden. Dieser Antrag ist spätestens einen Monat nach der Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung im Europäischen Patentblatt zu stellen. Die rechtliche Voraussetzung ist zudem, dass das europäische Patent für alle teilnehmenden Mitgliedsstaaten des Einheitspatents erteilt wurde und in diesen Staaten gleichlautende Anspruchsfassungen vorliegen. Zusätzlich müssen die bei der Erteilung geforderten Übersetzungen nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 1260/2012 eingereicht werden: Für Patente in deutscher oder französischer Verfahrenssprache wird eine Übersetzung ins Englische verlangt, bei englischer Verfahrenssprache hingegen eine Übersetzung ins Deutsche oder Französische. Das Patent erhält die einheitliche Wirkung erst ab dem Zeitpunkt, an dem alle formellen und materiellen Anforderungen erfüllt wurden und das EPA die Eintragung bestätigt hat. Ein Rückgriff auf das klassische Validierungsverfahren in Einzelstaaten ist bei Eintritt der einheitlichen Wirkung für die teilnehmenden Staaten ausgeschlossen.
Welche rechtlichen Folgen hat die einheitliche Wirkung für die gerichtliche Durchsetzung des Patents?
Mit der einheitlichen Wirkung unterliegt das Patent einem einheitlichen Recht hinsichtlich Verletzungs- und Nichtigkeitsklagen für alle teilnehmenden EU-Staaten. Die ausschließliche Zuständigkeit für Streitigkeiten liegt grundsätzlich beim Einheitlichen Patentgericht (Unified Patent Court, UPC). Klagen wegen Patentverletzung oder Nichtigkeitserklärungen wirken damit zugleich in allen teilnehmenden Staaten. Dies bedeutet, dass ein Rechtsstreit nur einmal geführt werden muss und das Urteil flächendeckende Wirkung entfaltet. Weisungsgebend für solche Streitigkeiten sind vorrangig das einheitliche Patentrecht sowie das nationale Recht des Mitgliedsstaates als Hilfsrecht. Klagen außerhalb des UPC, zum Beispiel vor nationalen Gerichten, sind nur in Ausnahmefällen zulässig, etwa bei Opt-out oder für nicht einheitlich wirkende Validierungen. Die zentrale Durchsetzung und Anfechtung gelten als Kernvorteile des Einheitspatents.
Wie wirkt sich das einheitliche Patent auf die Lizenzierung aus rechtlicher Sicht aus?
Ein einheitliches Patent kann Gegenstand einer einheitlichen Lizenz für alle teilnehmenden Staaten sein. Rechtlich betrachtet ist hierbei jedoch zu beachten, dass die Lizenzierung grundsätzlich dem materiellen nationalen Recht des Staates unterliegt, in dem die Lizenz ihre Wirkung entfalten soll. Die Eintragung von Lizenzen ist beim EPA vorzunehmen, welches die Lizenzinformation im europäischen Patentregister veröffentlicht. Teil- und ausschließliche Lizenzen können wirksam eingeräumt werden, auch für einzelne oder für alle Staaten mit einheitlicher Wirkung. Streitigkeiten aus Lizenzverträgen fallen unter die Zuständigkeit des UPC, soweit sie das Einheitspatent betreffen. Gleichzeitig bleibt es dem Patentinhaber gestattet, die Rechte an einzelnen Staaten zu lizenzieren, solange dies mit der Einheitlichkeit des Patents vereinbar ist.
Können nachträgliche Änderungen am europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung vorgenommen werden?
Nach der Eintragung der einheitlichen Wirkung sind Änderungen am Schutzbereich – etwa durch Einschränkung, Änderung oder Rücknahme – nur nach den im Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) vorgesehenen Verfahren zulässig (z.B. Beschränkungs- oder Einspruchsverfahren). Eine partielle Rücknahme der einheitlichen Wirkung für einzelne Staaten ist rechtlich nicht möglich, das Patent entfaltet seine Wirkung stets für alle damals teilnehmenden Vertragsstaaten. Die Aufgabe der Rechte in einzelnen Ländern kann hingegen über eine vollständige Rücknahme des Patents erfolgen, nicht aber selektiv. Änderungen an den Angaben zur Inhaberschaft, zur Lizenz oder zur Vertretung sind beim EPA zur Eintragung zu bringen und unterliegen den hierfür geltenden Vorschriften.
Gibt es spezifische rechtliche Anforderungen an die Zahlung von Jahresgebühren für das Einheitspatent?
Für das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung ist eine einzige Jahresgebühr an das EPA zu entrichten, die für sämtliche teilnehmenden Staaten gilt. Die rechtliche Grundlage hierfür bildet die Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 sowie die Gebührenordnung des EPA. Es besteht keine Pflicht, weitere nationale Jahresgebühren in den teilnehmenden Staaten zu entrichten. Die Frist und die Modalitäten entsprechen im Wesentlichen denen des klassischen europäischen Patents, wobei der Verfall des Einheitspatents bei Zahlungsverzug automatisch für alle Staaten eintritt. Im Gegensatz dazu bleiben in Nichtteilnahmestaaten des Einheitspatents (z.B. Spanien, Kroatien, Polen) weiterhin nationale Gebührenpflichten bestehen, sofern dort eine Validierung erfolgt ist.
Wie verhält sich das Recht zur Priorität und zur Teilanmeldung beim europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung?
Rechtlich kann das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung wie jedes andere europäische Patent eine Priorität aus einer früheren Anmeldung beanspruchen, sofern die Voraussetzungen gemäß EPÜ Art. 87 ff. erfüllt sind. Ebenso ist eine Teilanmeldung nach den Regeln des EPÜ möglich. Wird einer Teilanmeldung ein Antrag auf einheitliche Wirkung beigefügt, so gilt das gleiche Prozedere wie bei der Stammanmeldung. Die einheitliche Wirkung kann jeweils mit Wirkung für dieselben teilnehmenden Staaten begründet werden, sofern der Antrag ordnungsgemäß gestellt wird und die formalen Anforderungen gegenüber dem EPA erfüllt sind.
Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen gegen die Entscheidung, die einheitliche Wirkung zu verweigern?
Werden Antrag oder Voraussetzungen für die einheitliche Wirkung durch das EPA als nicht erfüllt angesehen, ergeht ein rechtsmittelfähiger Beschluss. Gegen diesen kann innerhalb einer Frist gemäß Regel 97 EPÜ Beschwerde beim EPA eingelegt werden. Die rechtliche Prüfung im Beschwerdeverfahren umfasst die Einhaltung aller formellen und materiellen Anforderungen, insbesondere hinsichtlich der beantragten Staaten, der eingereichten Übersetzungen sowie der Einhaltung der Antragsfrist. Wird der Beschwerde nicht stattgegeben, steht ggf. der Rechtsweg zum Gerichtshof der Europäischen Union offen, sofern grundsätzliche unionsrechtliche Fragen betroffen sind.