Begriff und Rechtsstellung des Europäischen Parlaments
Das Europäische Parlament (EP) ist eines der sieben Organe der Europäischen Union (EU) und stellt das direkt gewählte Legislativorgan der Mitgliedstaaten dar. Es ist verankert im Primärrecht der EU, insbesondere im Vertrag über die Europäische Union (EUV) und im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Das Europäische Parlament ist maßgeblich an der europäischen Gesetzgebung, Haushaltskontrolle und politischen Kontrolle beteiligt.
Rechtsgrundlagen
Primärrechtliche Verankerung
Die grundlegende Rechtsbasis für das Europäische Parlament bilden die Artikel 10 bis 12 sowie 223 bis 234 AEUV. Auch Artikel 14 EUV definiert seine grundlegenden Kompetenzen, Zusammensetzung und Funktionsweise.
Art. 14 EUV legt fest, dass das Parlament gemeinsam mit dem Rat die Gesetzgebungs- und Haushaltsbefugnisse ausübt und politische Kontrolle sowie Beratungsfunktionen wahrnimmt. Darüber hinaus spezifizieren die Vorschriften des AEUV seine Auswahl, Zusammensetzung, Verfahren und besonderen Rechte.
Sekundärrechtliche Regelungen
Die Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments und diverse Verordnungen konkretisieren die innerparlamentarischen Abläufe, Rechte und Pflichten der Mitglieder sowie die Verfahren der parlamentarischen Arbeiten.
Zusammensetzung und Wahlmodus
Zusammensetzung
Das Europäische Parlament besteht seit 2024 aus 720 Abgeordneten, die die Unionsbürgerinnen und -bürger repräsentieren. Die Sitzverteilung erfolgt nach dem Prinzip der degressiven Proportionalität gemäß Art. 14 Abs. 2 EUV, wobei jedem Mitgliedstaat eine bestimmte Mindest- und Maximalanzahl an Sitzen zugeteilt ist.
Wahlsystem
Die Wahl der Mitglieder des Parlaments erfolgt alle fünf Jahre auf Grundlage allgemeiner, unmittelbarer, freier und geheimer Wahlen. Die rechtlichen Einzelheiten hierzu sind in den jeweiligen nationalen Wahlgesetzen in Verbindung mit der Richtlinie 93/109/EG geregelt.
Kompetenzen und Aufgaben
Gesetzgebungsfunktionen
Das Parlament ist gemeinsam mit dem Rat der Europäischen Union im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens (Art. 294 AEUV) gesetzgebend tätig. In bestimmten Bereichen besitzt es das Mitentscheidungsrecht, in anderen Bereichen das Zustimmungs- beziehungsweise Anhörungsrecht.
Ordentliches Gesetzgebungsverfahren
Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren (früher Mitentscheidungsverfahren) verleiht dem Europäischen Parlament ein gleichberechtigtes Mitentscheidungsrecht mit dem Rat. Ein Gesetz kann in diesem Verfahren nur erlassen werden, wenn beide Organe zustimmen.
Sondergesetzgebungsverfahren
In bestimmten Fällen sieht das EU-Primärrecht ein besonderes Gesetzgebungsverfahren vor, bei dem das Parlament entweder nur konsultiert wird (Anhörungsverfahren) oder seine Zustimmung erteilen muss (Zustimmungsverfahren), beispielsweise bei Erweiterungen der Europäischen Union.
Haushaltsbefugnisse
Artikel 314 AEUV bestimmt, dass das Europäische Parlament gemeinsam mit dem Rat den Jahreshaushaltsplan der Union erlässt. Es besitzt das Recht auf Änderungsvorschläge und kann den Gesamthaushalt ablehnen.
Kontrollrechte und politische Kontrolle
Das Europäische Parlament übt umfassende Kontroll- und Aufsichtsrechte über die Organe der Europäischen Union aus. Es kann Anfragen an die Kommission und den Rat stellen, Untersuchungsausschüsse einsetzen (Art. 226 AEUV) sowie Misstrauensanträge gegen die Kommission beschließen (Art. 234 AEUV).
Wahl und Kontrolle der Kommission
Das Parlament ist an der Wahl des Präsidenten der Kommission beteiligt und genehmigt das Kommissionskollegium als Ganzes (Art. 17 EUV, Art. 230 AEUV). Es kann der Kommission das Misstrauen aussprechen, was zu ihrem Rücktritt verpflichtet.
Weitere Aufgaben
Zu den weiteren Aufgaben zählen unter anderem die Zustimmung zu internationalen Übereinkommen (Art. 218 AEUV), Zustimmung zur Ernennung der Mitglieder des Europäischen Rechnungshofs, des Präsidenten der Europäischen Zentralbank und des Hohen Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik.
interne Organisation und Arbeitsweise
Organe und Fraktionen
Das Europäische Parlament wählt aus seiner Mitte den Präsidenten und das Präsidium, dem auch Vizepräsidenten angehören (Art. 232 AEUV). Die Fraktionen basieren auf politischen Linien und erfordern eine Mindestzahl an Mitgliedern.
Ausschüsse
Zur Vorbereitung der Entscheidungen existieren ständige und temporäre Ausschüsse, die Gesetzentwürfe vorberaten, Berichte ausarbeiten und Empfehlungen abgeben.
Sitzordnung und Arbeitsorte
Der Sitz des Europäischen Parlaments befindet sich offiziell in Straßburg (Art. 341 AEUV), während Ausschuss- und Fraktionssitzungen überwiegend in Brüssel stattfinden. Die Verwaltung wird hauptsächlich in Luxemburg wahrgenommen.
Rechtsstellung der Abgeordneten
Die Rechte und Pflichten der Abgeordneten, darunter Immunitätsrechte, Vergütung, Unvereinbarkeiten und Transparenzregeln, sind in Protokollen (Nr. 7 zum AEUV), europäischen Rechtsakten und in den jeweiligen nationalen Vorschriften geregelt.
Verhältnis zu den anderen Organen der Europäischen Union
Das Europäische Parlament ist Teil des institutionellen Gleichgewichts der Europäischen Union. Es steht im engen Zusammenspiel mit Rat, Kommission, Europäischem Rat, Gerichtshof, Rechnungshof und weiteren Organen, wobei Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten im Primärrecht bestimmt sind.
Aktuelle Entwicklungen und Reformen
Die Kompetenzen und die Arbeitsweise des Europäischen Parlaments wurden in mehrfachen EU-Vertragsreformen, zuletzt durch den Vertrag von Lissabon, kontinuierlich gestärkt. Zu den aktuellen Herausforderungen und Entwicklungen zählen Debatten um die parlamentarische Mitwirkung an der Außenpolitik, Stärkung demokratischer Legitimation und Transparenzinitiativen.
Literatur und weiterführende Informationen
- Vertrag über die Europäische Union (EUV)
- Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)
- Offizielle Website des Europäischen Parlaments
- Protokoll Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union
Dieser Artikel gibt eine detaillierte und umfassende Darstellung des Begriffs „Europäisches Parlament” im Kontext des europäischen Rechts, einschließlich seiner Stellung, Kompetenzen, Arbeitsweise und rechtlichen Besonderheiten.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Grundlagen regeln das Europäische Parlament?
Die rechtlichen Grundlagen des Europäischen Parlaments sind in erster Linie in den Verträgen der Europäischen Union verankert, insbesondere im Vertrag über die Europäische Union (EUV) und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Artikel 14 EUV beschreibt die Zusammensetzung und die Hauptaufgaben des Parlaments, während zahlreiche Artikel im AEUV (insbesondere die Artikel 223 bis 234) detaillierte Regelungen zu Organisation, Zuständigkeiten, Verfahren sowie zu Rechten und Pflichten der Abgeordneten enthalten. Zusätzlich zu den Verträgen gibt es die Geschäftsordnung des Parlaments selbst, die verbindlich für interne Abläufe und Verfahren ist. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) spielt ebenfalls eine maßgebliche Rolle, indem sie Unklarheiten und Streitigkeiten im Zusammenhang mit parlamentarischen Befugnissen und Abläufen klärt.
Wie gestaltet sich die Gesetzgebungsbefugnis des Europäischen Parlaments im Rahmen der EU?
Das Europäische Parlament teilt sich die Gesetzgebungsbefugnis hauptsächlich mit dem Rat der Europäischen Union im sogenannten ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, das in Artikel 294 AEUV geregelt ist. In diesem Verfahren besitzt das Parlament volles Mitentscheidungsrecht: Ein Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission kann nur dann angenommen werden, wenn sowohl das Parlament als auch der Rat einen gemeinsamen Text beschließen. In Sondergesetzgebungsverfahren hat das Parlament dagegen meist weniger weitgehende Befugnisse; es gibt Konsultations- und Zustimmungsverfahren, bei denen sein Mitwirken unterschiedlich ausgestaltet ist. Neben der direkten Mitwirkung an Gesetzen steht dem Parlament das Initiativrecht zur Gesetzgebung jedoch nicht unmittelbar zu – dieses liegt formal bei der Europäischen Kommission, wenngleich das Parlament die Kommission auffordern kann, einen entsprechenden Vorschlag vorzulegen (Artikel 225 AEUV).
Welche Kontrollrechte hat das Europäische Parlament gegenüber anderen EU-Organen?
Das Europäische Parlament verfügt über ausgeprägte Kontrollrechte, um die Arbeit der Europäischen Kommission, des Rates und anderer EU-Organe zu überwachen. Zu den wichtigsten Instrumenten zählt das Misstrauensvotum gegen die Kommission gemäß Artikel 234 AEUV, das – bei erfolgreicher Abstimmung – zur kollektiven Entlassung der Kommission führt. Das Parlament hat zudem das Recht, Einzelmitglieder der Kommission anzuhören und zu befragen sowie die Wahl der Kommissionspräsidentin/des Kommissionspräsidenten zu bestätigen oder abzulehnen (Artikel 17 (7) EUV). Weitere Kontrollmechanismen sind Untersuchungsausschüsse, das Fragerecht an die Kommission und den Rat, die Anhörung bei internationalen Abkommen und die jährliche Entlastung über die Haushaltsführung der Union (Artikel 319 AEUV).
Inwiefern sind die Rechte der einzelnen Abgeordneten des Europäischen Parlaments rechtlich geschützt?
Die Rechte der Mitglieder des Europäischen Parlaments werden vor allem durch das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union (Protokoll Nr. 7) geschützt. Dazu gehören die parlamentarische Immunität (Artikel 8 und 9), die die Abgeordneten sowohl im Heimatland als auch in allen anderen EU-Mitgliedstaaten vor Strafverfolgung im Zusammenhang mit ihrer parlamentarischen Tätigkeit schützt, sowie Rechte auf freie Meinungsäußerung innerhalb des Parlaments. Außerdem haben sie Anspruch auf Zugang zu Informationen, Teilnahme an Ausschüssen, Antrags- und Rederecht sowie auf Teilnahme an den Abstimmungen. Nähere Regelungen finden sich darüber hinaus in der Geschäftsordnung des Parlaments.
Wie ist die Wahl des Europäischen Parlaments rechtlich geregelt?
Die Wahl des Europäischen Parlaments erfolgt auf Grundlage des direkt anwendbaren EU-Rechts und ergänzender nationaler Regelungen. Die Gesamtgrundlage ist der Akt zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments (1976, mehrfach geändert), der Grundprinzipien wie Allgemeinheit, Direktheit, Gleichheit und Geheimhaltung der Wahl vorsieht. Die konkrete Ausgestaltung der Wahlmodalitäten (z. B. Wahlkreiseinteilung, Sperrklauseln, Verhältniswahlrecht oder Listenwahl) obliegt den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer jeweiligen nationalen Rechtsordnungen, solange sie die EU-rechtlichen Vorgaben beachten. Details zu Bewerbungsverfahren, Wahlausschlüssen und Übertragbarkeit der Mandate sind ebenfalls geregelt.
Welche Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem Mandat eines Abgeordneten des Europäischen Parlaments?
Das Mandat eines Abgeordneten wird frei, unabhängig und ohne imperatives Mandat ausgeübt, wie es die Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments und das Protokoll Nr. 7 bestimmen. Abgeordnete stehen in keinem dienstrechtlichen Unterordnungsverhältnis zu ihrer Heimatregierung oder Partei. Zu ihren Pflichten gehören die Einhaltung der Verhaltensregeln des Parlaments und die Offenlegung etwaiger Interessenskonflikte. Zudem unterliegen sie durch das Abgeordnetenstatut gemeinsamen Vergütungs- und Pensionsregelungen. Pflichten betreffen ferner die Teilnahme an Sitzungen und Abstimmungen sowie die Rechenschaftspflicht gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit.
Welche rechtlichen Regelungen gelten für die Ausschussarbeit im Europäischen Parlament?
Die Arbeit der parlamentarischen Ausschüsse ist detailliert in der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments geregelt (insbesondere Titel V). Die Ausschüsse sind für die inhaltliche Vorberatung der legislativen Vorschläge, die Vorbereitung der Plenarsitzungen und die Kontrolle der EU-Organe zuständig. Rechtlich ist die Besetzung der Ausschüsse nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen geregelt. Ferner sind die Rechte der Ausschussvorsitzenden, die Antragstellung, die Berichterstattung, die Öffentlichkeit der Sitzungen sowie die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen und Sonderausschüssen präzise normiert, sodass eine transparente und nachvollziehbare Arbeit gewährleistet ist.