Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Rechtsbegriffe (allgemein)»Europäische Kommission

Europäische Kommission


Begriff und Funktion der Europäischen Kommission

Die Europäische Kommission (kurz: Kommission oder EU-Kommission) ist das zentrale Exekutivorgan der Europäischen Union (EU) und übernimmt die Rolle der Verwaltung und der politischen Führung. Die Kommission ist sowohl Initiativorgan für Rechtsakte als auch Hüterin der Verträge und Wahrerin der Unionsinteressen. Als solche besitzt sie weitreichende Befugnisse im Unionsrecht, die sie in enger Abstimmung mit anderen Organen der EU ausübt.

Rechtsgrundlagen der Europäischen Kommission

Primäres Unionsrecht

Die Rechtsgrundlagen der Europäischen Kommission finden sich vor allem im Vertrag über die Europäische Union (EUV) und im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Wichtige Bestimmungen umfassen insbesondere die Artikel 17-19 EUV und Artikel 244-250 AEUV. Diese regeln Zusammensetzung, Aufgaben, Ernennungsverfahren und Kompetenzen der Kommission.

Sekundärrechtliche Regelungen

Ergänzt wird das primäre Unionsrecht durch verschiedene Verordnungen und Beschlüsse, welche die Arbeitsweise, Organisation und interne Verwaltung der Europäischen Kommission weiter ausgestalten.

Aufbau und Zusammensetzung der Europäischen Kommission

Mitgliederzahl und Ernennung

Die Kommission besteht aus einer Anzahl von Mitgliedern, die der Zahl der Mitgliedstaaten entspricht, wobei jeder Mitgliedstaat einen Kommissar oder eine Kommissarin stellt. Die Amtszeit der Kommission beträgt fünf Jahre.

Das Ernennungsverfahren gestaltet sich wie folgt:

  • Der Europäische Rat schlägt im Einvernehmen mit dem Europäischen Parlament den designierten Präsidenten der Kommission vor.
  • Die Mitgliedstaaten benennen im Benehmen mit dem designierten Präsidenten die Kommissionsmitglieder.
  • Das Europäische Parlament stimmt über das Kommissionskollegium ab.
  • Nach Zustimmung des Parlaments wird die Kommission vom Europäischen Rat ernannt.

Der Präsident kann die Ressortverteilung vornehmen, Kommissionsmitglieder auffordern, zurückzutreten, und ist für die Gesamtleitung der Kommission zuständig.

Unabhängigkeit und Amtsführung

Nach Artikel 17 Absatz 3 EUV sind die Mitglieder der Kommission verpflichtet, vollkommen unabhängig und ausschließlich im Interesse der Union tätig zu sein. Sie dürfen während ihrer Amtszeit weder Weisungen von Regierungen noch von anderen Stellen entgegennehmen.

Aufgaben und Zuständigkeiten der Europäischen Kommission

Initiativrecht für Gesetzgebung

Die Kommission besitzt das Initiativmonopol für Vorschläge zu EU-Rechtsakten (Art. 17 Abs. 2 EUV). Sie reicht Vorschläge für Richtlinien, Verordnungen und Beschlüsse beim Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union ein. Ausnahmen bestehen nur in wenigen rechtlich geregelten Bereichen, in denen auch andere Organe das Initiativrecht besitzen.

Überwachung der Einhaltung des Unionsrechts

Als “Hüterin der Verträge” (Art. 17 Abs. 1 EUV) überwacht die Kommission die Anwendung des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten. Sie kann Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten einleiten (Art. 258 ff. AEUV).

Verwaltung und Durchführung

Die Kommission ist zuständig für die Durchführung und Verwaltung des Haushalts der EU (Art. 317 AEUV), die Kontrolle der Einhaltung von Wettbewerbsregeln (Art. 101 ff. AEUV) sowie die Verwaltung diverser weiterer Politikbereiche wie Landwirtschaft, Energie oder Regionalförderung.

Vertretung nach außen

Gemäß Art. 17 Abs. 1 EUV vertritt die Kommission die EU nach außen, soweit nicht ausdrücklich dem Europäischen Rat oder dem Hohen Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik vorbehalten.

Rechtliche Kontrolle und Verantwortlichkeit

Kontrolle durch das Europäische Parlament

Das Europäische Parlament übt eine politische Kontrolle über die Kommission aus. Es kann die Kommission mit einem Misstrauensvotum zum Rücktritt zwingen (Art. 234 AEUV). Die Kommission ist dem Parlament gegenüber berichtspflichtig.

Kontrolle durch den Gerichtshof der Europäischen Union

Gegen Akte und Unterlassungen der Kommission können Nichtigkeits-, Untätigkeits- und Vertragsverletzungsklagen beim Gerichtshof der Europäischen Union erhoben werden (Art. 263, 265, 258 ff. AEUV).

Arbeitsweise und Organisation der Europäischen Kommission

Kollegialprinzip und Ressortverteilung

Die Kommission arbeitet nach dem Kollegialprinzip. Entscheidungen werden grundsätzlich von der Gesamtheit der Kommissionsmitglieder getroffen. Die Geschäftsordnung der Kommission regelt das Verfahren für die Beschlussfassung und Organisation.

Zur Führung der Geschäfte ist die Kommission in Generaldirektionen unterteilt. Jede Generaldirektion ist für einen Politikbereich zuständig und wird von je einem Kommissionsmitglied beaufsichtigt.

Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip

Bei Erlass von Maßnahmen beachtet die Kommission das Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 3 EUV) und das Verhältnismäßigkeitsprinzip (Art. 5 Abs. 4 EUV), um die Interessen der Mitgliedstaaten und die Grenzen der Unionskompetenzen zu wahren.

Besonderheiten und Rechtsmittel

Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Kommission

Gegen Entscheidungen der Kommission – insbesondere im Wettbewerbsrecht oder im Rahmen von Beihilfenverfahren – können betroffene Unternehmen und Mitgliedstaaten nach Maßgabe des Art. 263 AEUV Klagen vor dem Gerichtshof der Europäischen Union erheben.

Vergabe von Fördermitteln und Kompetenzen in der Wirtschaftspolitik

Die Kommission vergibt EU-Fördermittel über verschiedene Programme und Fonds, koordiniert die Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten, überwacht die Einhaltung der Haushaltsdisziplin und veröffentlicht Berichte zur wirtschaftlichen Entwicklung.

Zusammenfassung und Bedeutung im Europäischen Verfassungsgefüge

Die Europäische Kommission ist das zentrale Exekutivorgan der Europäischen Union mit umfangreichen und vielfältigen Kompetenzen, die auf verschiedenen Ebenen des Unionsrechts verankert sind. Sie steht als Institution im Zentrum des politischen, rechtlichen und administrativen Handelns der EU. Ihre Tätigkeit ist rechtlich detailliert ausgestaltet und unterliegt verschiedenen Kontrollmechanismen, was ihr eine Schlüsselstellung im institutionellen System der Union verleiht.

Häufig gestellte Fragen

Wie ist die rechtliche Stellung der Europäischen Kommission im institutionellen Gefüge der Europäischen Union?

Die Europäische Kommission ist nach den Verträgen der Europäischen Union, insbesondere nach dem Vertrag über die Europäische Union (EUV) und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), ein zentrales Organ der EU. Sie repräsentiert die Exekutive der Union und verfügt über das Initiativmonopol für die Gesetzgebung. Rechtlich handelt die Kommission im Rahmen der Kompetenzen, die ihr durch die EU-Verträge übertragen werden, und ist dabei zur Wahrung des EU-Rechts sowie zur Umsetzung der Verträge verpflichtet. Die Kommission agiert unabhängig von den Mitgliedstaaten, sie darf keine Weisungen von Regierungen einholen oder entgegennehmen (Art. 17 Abs. 3 EUV). Gleichwohl wird ihre Zusammensetzung durch die Mitgliedstaaten – gemäß Art. 17 Abs. 4 EUV – bestimmt und ihre Mitglieder müssen das Europäische Parlament bestätigen. Im rechtlichen Kontext ist zu betonen, dass sie als Hüterin der Verträge auftritt, Verstöße gegen das Unionsrecht verfolgt und die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts überwacht (Art. 17 Abs. 1 EUV i.V.m. Art. 258 AEUV).

Welche rechtlichen Befugnisse hat die Europäische Kommission im Bereich der Gesetzgebung?

Die Kommission besitzt nach Art. 17 Abs. 2 EUV das alleinige Initiativrecht für Gesetzgebungsvorschläge, das sogenannte Initiativmonopol, soweit die Verträge nichts anderes vorsehen. Sie bereitet Gesetzesvorlagen vor, die dem Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament zur Annahme vorgelegt werden. In bestimmten Fällen (z. B. im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik) teilen sich die Kommission, die Mitgliedstaaten und der Hohe Vertreter diese Befugnisse. Rechtlich betrachtet ist die Kommission an die Verträge gebunden und darf in ihren Vorschlägen die Kompetenzordnung nicht überschreiten. Sie muss Stellungnahmen einholen (z. B. von Fachgremien) und Folgenabschätzungen im Rahmen der Gesetzgebungsvorbereitung durchführen, um die Rechtmäßigkeit und Angemessenheit ihrer Vorschläge zu sichern.

Auf welcher rechtlichen Grundlage kontrolliert die Europäische Kommission die Einhaltung des Unionsrechts durch die Mitgliedstaaten?

Das sogenannte Vertragsverletzungsverfahren ist in den Artikeln 258-260 AEUV geregelt. Die Kommission ist verpflichtet, für die Anwendung der Verträge sowie der von den Organen der Union erlassenen Maßnahmen zu sorgen, unterstützt durch die Regierung der Mitgliedstaaten. Verstößt ein Mitgliedstaat gegen Unionsrecht, kann die Kommission nach einer Phase der informellen Konsultationen und der förmlichen Aufforderung ein Verfahren beim Europäischen Gerichtshof einleiten. Der EuGH entscheidet sodann, ob ein Vertragsverstoß vorliegt, und kann im Falle der Nichtumsetzung seiner Entscheidungen finanzielle Sanktionen verhängen. Die rechtliche Grundlage und das Verfahren sind detailliert in den genannten Artikeln sowie in ergänzenden Verfahrensvorschriften festgelegt.

Welche Rolle spielt die Europäische Kommission beim Erlass delegierter Rechtsakte?

Delegierte Rechtsakte sind in Art. 290 AEUV geregelt. Die Kommission erhält hierbei von Parlament und Rat ausdrücklich die Befugnis, Rechtsakte mit allgemeiner Geltung zu erlassen, die bestimmte nicht wesentliche Vorschriften eines Gesetzgebungsakts ergänzen oder ändern. Das Mandat muss die Ziele, den Inhalt, den Geltungsbereich und die Dauer genau bestimmen. Die Europäische Kommission ist verpflichtet, während des gesamten Prozesses Transparenz und Beteiligungsmöglichkeiten für Parlament und Rat zu gewährleisten, die die Möglichkeit besitzen, die Delegation zu widerrufen oder Einspruch einzulegen. Die Bedingungen für solche Akte und ihre Kontrolle sind in den jeweiligen Basisrechtsakten sowie in allgemeinen institutionellen Vereinbarungen konkretisiert.

Welche rechtlichen Befugnisse hat die Europäische Kommission im Wettbewerbsrecht?

Im Bereich des Wettbewerbsrechts (Art. 101-109 AEUV) nimmt die Kommission eine besonders intensive Rolle ein. Sie kann Verstöße gegen das EU-Kartellrecht, wie etwa Absprachen zwischen Unternehmen oder den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, untersuchen, aufdecken und entscheiden. Die Kommission kann im Rahmen von Untersuchungen Durchsuchungen anordnen, Auskünfte verlangen und hat das Recht, Bußgelder gegen Unternehmen zu verhängen. Ihre Entscheidungen sind unmittelbar anfechtbar und unterliegen der Kontrolle durch das Gericht und den Gerichtshof der EU. Die relevanten Verfahren und Befugnisse sind detailliert in der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 und anderen Rechtsakten geregelt.

Inwiefern ist die Europäische Kommission rechtlich zur Rechenschaft verpflichtet?

Die Kommission unterliegt einer umfassenden rechtlichen Kontrolle durch andere Organe der Union, insbesondere durch das Europäische Parlament, das ihr das Misstrauensvotum aussprechen kann (Art. 17 Abs. 8 EUV, Art. 234 AEUV). Zudem können ihre Entscheidungen vor dem Gericht/EuGH auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden (Art. 263 ff. AEUV). Die Kommission hat Rechenschaftsberichte vorzulegen, ist zu Transparenz (u. a. durch das Amtsblatt, Register und Berichte) verpflichtet und haftet für rechtswidriges Verhalten gegenüber dritten Personen nach Art. 340 AEUV. Interne und externe Prüfstellen, etwa der Europäische Rechnungshof, kontrollieren zudem die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit ihrer Ausgabentätigkeit.