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Europäische Gemeinschaft (EG)


Begriff und Entstehung der Europäischen Gemeinschaft (EG)

Die Europäische Gemeinschaft (EG) war eine supranationale Organisation, die bis zum Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon einen zentralen Bestandteil der Europäischen Union (EU) bildete. Sie entstand durch die Weiterentwicklung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und umfasste eine Vielzahl politischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Zuständigkeiten. Ziel der EG war es, die Integration der Mitgliedstaaten im Bereich des gemeinsamen Binnenmarktes, der Regionalpolitik, des Wettbewerbsrechts sowie weiterer Politikfelder zu fördern.

Die EG wurde auf der Grundlage des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG-Vertrag, später EG-Vertrag) vom 25. März 1957 geschaffen. Der Vertrag trat am 1. Januar 1958 in Kraft. Mit dem Vertrag von Maastricht (1992) wurde die EWG offiziell in Europäische Gemeinschaft umbenannt und dessen rechtlicher Rahmen erweitert. Erst mit dem Vertrag von Lissabon (2009) ging die EG rechtlich im Konstrukt der Europäischen Union auf und stellte eine eigenständige Organisation dar.

Rechtsgrundlagen und Struktur

EG-Vertrag (Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft)

Die rechtlichen Grundlagen der EG bildete der EG-Vertrag (früher EWG-Vertrag). Dieser Vertrag regelte Organisation, Zuständigkeiten und Ziele der Gemeinschaft sowie die Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten. Die wichtigsten Vertragstexte waren:

  • Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM)
  • Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, bis 2002)
  • Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), später Europäische Gemeinschaft (EG-Vertrag)

Mit der Umwandlung der EWG in die EG durch den Vertrag von Maastricht erhielt die Gemeinschaft Rechtspersönlichkeit und umfassende Kompetenzen.

Organe der Europäischen Gemeinschaft

Die EG verfügte über eigene Institutionen, die ihr rechtliches Gefüge bestimmten. Die wichtigsten Organe waren:

  • Rat der Europäischen Gemeinschaft (Ministerrat): Gesetzgebungs- und Entscheidungsorgan, bestehend aus Vertretern der Mitgliedstaaten.
  • Europäische Kommission: Exekutivorgan mit Initiativrecht und Kontrollfunktion gegenüber Mitgliedstaaten.
  • Europäisches Parlament: Legislativorgan mit wachsenden Mitwirkungsrechten, direkt gewählt von den Unionsbürgern.
  • Europäischer Gerichtshof (EuGH): Gerichtliche Instanz zur Auslegung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts.
  • Rechnungshof: Kontrollorgan öffentliche Finanzen der EG.

Diese Organe bildeten zugleich den institutionellen Kern der EU und waren bis 2009 maßgeblich für die EG zuständig.

Rechtliche Stellung und Rechtssetzung

Rechtspersönlichkeit und Fähigkeit

Die EG war eine völkerrechtliche Organisation mit eigener Rechtspersönlichkeit (Art. 281 EGV). Damit konnte sie selbst Rechte erwerben, Verpflichtungen eingehen, internationale Verträge abschließen und vor Gerichten klagen sowie verklagt werden.

Rechtsquellen

Das Recht der Europäischen Gemeinschaft gründete sich auf verschiedene Rechtsquellen:

  • Primärrecht: Ursprungsverträge (z. B. EG-Vertrag, Änderungsverträge)
  • Sekundärrecht: Von den Gemeinschaftsorganen erlassene Rechtsakte wie Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen
  • Allgemeine Rechtsgrundsätze: Unionsrechtliche Prinzipien, wie etwa Gleichbehandlung, Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit
  • Völkerrechtliche Abkommen: Verträge mit Drittstaaten und internationalen Organisationen

Kompetenzen der EG

Die EG besaß Kompetenzen in folgenden Kernbereichen:

  • Binnenmarkt: Schaffung und Gewährleistung des freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs
  • Gemeinsame Handelspolitik: Vertretung der Mitgliedstaaten gegenüber Drittstaaten
  • Wettbewerbsrecht: Kontrolle von Marktmissbräuchen und Fusionskontrolle
  • Landwirtschafts- und Fischereipolitik
  • Regionalpolitik: Ausgleich regionaler Ungleichgewichte
  • Sozialpolitik: Arbeitnehmerfreizügigkeit, Diskriminierungsverbot
  • Umweltpolitik
  • Forschung und technologische Entwicklung

Die Übertragung von Kompetenzen erfolgte nach dem „Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung“. Die EG konnte nur dann tätig werden, wenn eine ausdrückliche Rechtsgrundlage in den Verträgen bestand.

Rechtswirkung

Das Gemeinschaftsrecht entfaltete Unmittelbare Geltung und Vorrang gegenüber dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten. Dies bedeutet, dass Verordnungen und teilweise auch Richtlinien der EG unmittelbar für die Bürger und Unternehmen galten. Nationales Recht, das dem Gemeinschaftsrecht widersprach, war unanwendbar.

Die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts erfolgte einerseits durch die Mitgliedstaaten, andererseits durch die Organe der Gemeinschaft selbst. Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung des EG-Rechts wurden durch den Europäischen Gerichtshof entschieden.

Entwicklung, Erweiterung und Auflösung

Entwicklung und Erweiterungen

Die EG erfuhr im Laufe ihres Bestehens zahlreiche Erweiterungen hinsichtlich der Zahl der Mitgliedstaaten, so wuchs sie von ursprünglich sechs auf 27 Mitglieder an. Durch den Vertrag von Maastricht im Jahr 1992 wurde die EG Teil der Europäischen Union im Rahmen eines Drei-Säulen-Modells, das die EG als „erste Säule“ mit supranationalen Befugnissen ausstattete. Die zweite und dritte Säule umfassten die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres, die intergouvernemental organisiert waren.

Auflösung und Übergang in die EU

Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon zum 1. Dezember 2009 wurde die EG als eigenständige Organisation aufgelöst. Die Europäische Union trat an ihre Stelle und übernahm sämtliche Rechte und Pflichten der EG. Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ersetzte den ehemaligen EG-Vertrag, und die Unionsbürgerschaft wurde weiter gestärkt. Die Rechtsnachfolge sicherte insbesondere Kontinuität in den Bereichen Recht, Verwaltung und Verträge.

Bedeutung und rechtliches Vermächtnis

Die rechtlichen Errungenschaften der EG prägen die derzeitige Gestaltung der Europäischen Union weiterhin maßgeblich. Viele zentrale Prinzipien, wie etwa der Vorrang und die unmittelbare Wirkung des Unionsrechts, das Wettbewerbsrecht oder die Grundfreiheiten, entwickelten sich aus der EG-Rechtsprechung und -Gesetzgebung. Insbesondere die umfassende Rechtsangleichung, die Harmonisierung der Lebensverhältnisse sowie der Schutz der Grundrechte finden sich im heutigen Unionsrecht wieder.


Zusammenfassung:
Die Europäische Gemeinschaft war eine supranationale Organisation, die europäische Integration in den Bereichen Wirtschaft, Recht und Politik förderte. Ihre komplexe Rechtsordnung, die auf einem eigenständigen Vertragswerk und spezialisierten Organen beruhte, bildet das Fundament des heutigen Unionsrechts. Mit der Verschmelzung durch den Vertrag von Lissabon endete die EG formell, ihr rechtliches Erbe bleibt jedoch zentraler Bestandteil der Europäischen Union.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen bildeten die Europäische Gemeinschaft (EG)?

Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Gemeinschaft (EG) wurden maßgeblich durch den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag, kurz auch EGV) geschaffen, der zuvor als Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG-Vertrag) bekannt war. Mit Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht (1993) wurde die EWG in EG umbenannt und als eine der drei Säulen der Europäischen Union (EU) positioniert. Der EG-Vertrag regelte Zuständigkeiten, Organe, Entscheidungsverfahren sowie die Rechtsetzungsinstrumente der Gemeinschaft. Wesentliche Ergänzungen und Änderungen erfolgten durch nachfolgende Verträge wie den Vertrag von Amsterdam (1999), den Vertrag von Nizza (2003) und den Vertrag von Lissabon (2009). Insbesondere seit dem Vertrag von Lissabon 2009 wurde die EG in die nunmehr einzige juristische Person der EU integriert und als eigenständige Gemeinschaft aufgelöst, was eine vollständige Verschmelzung der rechtlichen Kompetenzen der EG in die EU zur Folge hatte.

Welche Rechtsakte konnte die Europäische Gemeinschaft erlassen und wie unterschieden sich diese?

Die EG war befugt, verschiedene Arten von Rechtsakten zu erlassen, die in Art. 249 EG-Vertrag (später Art. 288 AEUV) definiert waren. Dazu gehörten Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen. Verordnungen wirkten unmittelbar und galten in allen Mitgliedstaaten direkt, ohne dass es einer Umsetzung in nationales Recht bedurfte. Richtlinien hingegen verpflichteten die Mitgliedstaaten zur Zielerreichung, überließen ihnen aber Wahl der Form und Mittel der Umsetzung binnen einer festgelegten Frist. Entscheidungen waren adressatenspezifisch und für diejenigen verbindlich, an die sie sich richteten. Empfehlungen und Stellungnahmen waren nicht verbindlich, dienten aber als wichtige Orientierung für das Verhalten der Mitgliedstaaten. Die Auswahl des geeigneten Rechtsakts erfolgte nach dem sogenannten Prinzip der Verhältnismäßigkeit und nach den im Vertrag vorgeschriebenen Verfahren.

Wie waren die Organe der EG rechtlich strukturiert und welche Befugnisse hatten sie?

Die EG besaß eine eigenständige institutionelle Struktur mit den wichtigsten Organen: Europäisches Parlament, Rat der Europäischen Union (früher Ministerrat), Europäische Kommission, Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft und Rechnungshof. Der EG-Rat sowie die Kommission hatten das Initiativ- und Entscheidungsrecht im Rahmen der Rechtsetzung, wobei die Kommission das alleinige Initiativrecht betreffend Vorschläge im Bereich der Gemeinschaftspolitik innehatte. Das Europäische Parlament besaß zunächst nur beratende Kompetenzen, wurde jedoch schrittweise – vor allem durch den Vertrag von Maastricht – zu einem mitentscheidenden Gesetzgebungspartner im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens (jetzt ordentliches Gesetzgebungsverfahren) aufgewertet. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) sicherte die einheitliche Auslegung des EG-Rechts, entschied bei Streitigkeiten zwischen den Institutionen und konnte Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten einleiten. Der Rechnungshof prüfte die Recht- und Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsführung.

Inwieweit war das EG-Recht in den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten anwendbar?

Das EG-Recht besaß Vorrang gegenüber dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten, ein Grundsatz, der vom Europäischen Gerichtshof in seinen berühmten Urteilen „Costa/ENEL“ und „Simmenthal“ entwickelt wurde. Dies bedeutete, dass nationales Recht, welches mit EG-Recht kollidierte, im Widerspruchsfall außer Anwendung zu bleiben hatte. Ferner wurde dem EG-Recht unmittelbare Wirkung zugesprochen: Bestimmte Bestimmungen des EG-Primär- und Sekundärrechts konnten direkt von Einzelpersonen vor nationalen Gerichten geltend gemacht werden, sofern diese inhaltlich hinreichend bestimmt und unbedingt waren. Nationale Gerichte waren verpflichtet, das EG-Recht von Amts wegen anzuwenden und bei Zweifeln an der Auslegung dem EuGH die betreffende Frage vorzulegen.

Welche Bedeutung hatten die Grundfreiheiten im EG-Recht?

Die Grundfreiheiten, bestehend aus der Warenverkehrsfreiheit, der Dienstleistungsfreiheit, der Niederlassungsfreiheit und der Arbeitnehmerfreizügigkeit (ergänzt durch die Kapitalverkehrsfreiheit), bildeten das Fundament des Binnenmarktes der EG. Sie waren unmittelbar anwendbar und zielten darauf ab, Hindernisse zwischen den Mitgliedstaaten abzubauen, um einen einheitlichen Markt zu schaffen. Diese Grundfreiheiten wurden in den relevanten Vertragsartikeln (bspw. Art. 28 ff. und 39 ff. EGV) verankert. Die Ausgestaltung und Fortentwicklung dieser Freiheiten wurde durch eine reichhaltige Rechtsprechung des EuGH geprägt, insbesondere hinsichtlich der Rechtfertigungsgründe etwaiger Beschränkungen und der Definition von Ausnahmen aus Gründen des Allgemeinwohls. Sie stellten ein zentrales Element sowohl für die Integration des Binnenmarkts als auch für die praktische Rechtsprechung nationaler und europäischer Gerichte dar.

Wie wurden Streitigkeiten im Rahmen der EG gelöst?

Rechtliche Streitigkeiten innerhalb der EG wurden primär durch den Europäischen Gerichtshof entschieden. Mitgliedstaaten, Organe der Gemeinschaft und unter bestimmten Voraussetzungen auch Einzelpersonen konnten Klage erheben, zum Beispiel im Rahmen einer Nichtigkeitsklage, einer Untätigkeitsklage oder eines Vorabentscheidungsverfahrens. Vertragsverletzungsverfahren erlaubten es der Kommission, die Einhaltung des EG-Rechts zu überwachen und Verstöße der Mitgliedstaaten zu sanktionieren. Im Falle konkreter Zweifel über die Auslegung oder Wirksamkeit des EG-Rechts konnten nationale Gerichte Vorabentscheidungen des EuGH einholen, die die einheitliche Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten sicherstellten.

Welche Bedeutung hatte die Rechtsangleichung durch die EG?

Die EG verfolgte das Ziel, die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten anzugleichen, um Hemmnisse für den Binnenmarkt abzubauen und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Dies erfolgte insbesondere durch Richtlinien, die harmonisierende Mindeststandards für nationale Rechtsordnungen setzten und so die Grundlage für eine möglichst reibungslose Integration schufen. Die Rechtsangleichung bezog sich auf eine Vielzahl an Rechtsgebieten, darunter Wirtschaftsrecht, Arbeitsschutzrecht, Umweltrecht und Verbraucherschutzrecht. In sensiblen Bereichen wie Steuern oder Sozialpolitik war für umfassende Harmonisierung allerdings häufig Einstimmigkeit im Rat erforderlich, wodurch die Geschwindigkeit und Tiefe der Rechtsangleichung durch politische Kompromisse beeinflusst wurden.

Was geschah mit den rechtlichen Bestimmungen der EG nach dem Vertrag von Lissabon?

Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon 2009 wurde die EG als eigenständige Rechtsgemeinschaft aufgelöst und ihre Kompetenzen vollständig in die Europäische Union übertragen. Das bisherige EG-Recht ging im sogenannten „unionsrechtlichen Besitzstand“ (acquis communautaire) auf und bleibt weiterhin in Kraft, soweit es nicht durch spätere Rechtsakte geändert oder aufgehoben wurde. Seitdem gibt es nur noch eine einzige juristische Person – die Europäische Union – und die Trennung zwischen EG- und EU-Recht besteht nicht mehr. Die materiell-rechtlichen Vorschriften der EG wurden überwiegend in den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) überführt, der nun die rechtliche Grundlage für die Politikbereiche und Rechtsakte der EU bildet.