Rechtslexikon: EUROFOUND – Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen
Einführung und Begriffsbestimmung
EUROFOUND ist die Kurzbezeichnung für die Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (englisch: European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions). Dabei handelt es sich um eine spezialisierte Agentur der Europäischen Union (EU), die im Jahr 1975 durch die Verordnung (EWG) Nr. 1365/75 des Rates der Europäischen Gemeinschaft gegründet wurde. Der Sitz der Stiftung befindet sich in Dublin, Irland.
EUROFOUND dient als Forschungs- und Informationsdienststelle für Organe, Mitgliedstaaten und Sozialpartner der Europäischen Union. Die Einrichtung fördert den sozialen Dialog, die Entwicklung arbeitsrechtlicher Standards sowie die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen im europäischen Raum.
Rechtliche Grundlage und institutioneller Rahmen
Gründung und Rechtsform
Die Gründung von EUROFOUND erfolgte auf Basis der Ratsverordnung (EWG) Nr. 1365/75 vom 26. Mai 1975, die mehrfach novelliert und durch weitere Verordnungen angepasst wurde. Die Stiftung ist eine sogenannte Agentur der Europäischen Union gemäß Art. 187 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Sie weist rechtliche Selbstständigkeit auf und ist mit eigener Rechtsfähigkeit ausgestattet. EUROFOUND kann Verträge abschließen, Eigentum besitzen und vor Gericht auftreten.
Gesetzlicher Auftrag
Gemäß ihrer Gründungsverordnung hat EUROFOUND den gesetzlichen Auftrag, objektive, verlässliche und vergleichbare Informationen und Analysen zu Lebens- und Arbeitsbedingungen zu ermitteln, bereitzustellen und deren Entwicklung auf europäischer und mitgliedstaatlicher Ebene zu beobachten. Ziel ist die Förderung einer evidenzbasierten europäischen Sozialpolitik.
Aufgaben und Funktionen
Forschung und Analyse
EUROFOUND führt umfassende wissenschaftliche Untersuchungen durch, sammelt Daten und erstellt Berichte zu folgenden Rechtsgebieten:
- Arbeitsrecht: Entwicklung und Vergleich arbeitsrechtlicher Bestimmungen in den Mitgliedstaaten
- Sozialrecht: Analyse sozialpolitischer Maßnahmen wie soziale Sicherung, Kündigungsschutz und Gesundheitsvorsorge
- Gleichbehandlungsrecht: Monitoren diskriminierungsfreier Arbeitsbedingungen, Gleichstellung in Beschäftigungsverhältnissen
Unterstützung der EU-Institutionen
Die Stiftung unterstützt die politischen Entscheidungsprozesse der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments, des Rates der Europäischen Union sowie von nationalen Regierungen durch datenbasierte Grundlage für Legislativvorhaben sowie für die Bewertung bestehender Richtlinien und Verordnungen.
Sozialpartnerschaft und Interessenausgleich
EUROFOUND fördert den Dialog zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretungen auf EU-Ebene, insbesondere im Rahmen der Entwicklung und Reform europäischer Sozialstandards. Hierzu werden Foren, Studien und Berichte organisiert, die die Stellungnahmen der Sozialpartner zusammentragen.
Organisatorischer Aufbau und Governance
Struktur der Organe
EUROFOUND verfügt über folgende Leitungsstrukturen:
- Verwaltungsrat: Höchstes Entscheidungsgremium aus Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten, der Sozialpartner und der Europäischen Kommission.
- Exekutivdirektor: Leitet die laufenden Geschäfte, wird vom Verwaltungsrat ernannt.
- Drei Interessengruppen: Arbeitnehmer, Arbeitgeber, öffentliche Hand. Jede hat Einfluss auf die strategische Ausrichtung der Stiftung.
Rechtsaufsicht
EUROFOUND unterliegt der Kontrolle durch die Europäischen Antibetrugsbehörde (OLAF), den Europäischen Rechnungshof sowie der Aufsicht durch das Europäische Parlament, das insbesondere hinsichtlich der Haushaltsführung Kontrollrechte ausübt. Ihre Tätigkeit erfolgt gemäß den Vorgaben der EU-Finanzverordnung und speziellen Durchführungsbestimmungen.
Rechtswirksame Instrumente und Publikationen
Studien und Rechtsgutachten
Die Arbeitsergebnisse von EUROFOUND richten sich primär an politische Entscheidungsträger und die interessierte Öffentlichkeit. Das Instrumentarium umfasst Rechtsgutachten, Empfehlungen, Benchmarking-Berichte und die Veröffentlichung von Leitfäden.
Rechtscharakter und Bindungswirkung
Die von EUROFOUND vorgelegten Berichte, Analysen und Empfehlungen besitzen informierenden und beratenden Charakter. Sie entfalten keine unmittelbare Rechtswirkung im Sinne unmittelbar anwendbarer Normen, bilden aber eine bedeutende Grundlage für die Weiterentwicklung des europäischen Arbeits- und Sozialrechts.
Datenschutz, Transparenz und Rechtszugang
Datenschutzbestimmungen
Als EU-Agentur ist EUROFOUND an die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gebunden und gewährleistet in sämtlichen Forschungs- und Analyseprojekten ein hohes Schutzniveau personenbezogener Daten.
Öffentlichkeitsbeteiligung und Recht auf Zugang zu Dokumenten
Die Stiftung ist gemäß Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten verpflichtet, Transparenz und Zugang zu ihren Akten zu gewährleisten, soweit keine schutzwürdigen Interessen entgegenstehen.
Bedeutung im europäischen Rechtssystem
Einfluss auf Gesetzgebung und Rechtsprechung
EUROFOUND leistet einen wichtigen Beitrag zur Harmonisierung des Arbeits- und Sozialrechts in der Europäischen Union, indem die Forschungsergebnisse systematisch in Gesetzgebungsprozesse und politische Debatten einfließen. Die Stiftung ist eine wesentliche Instanz in der Evaluation existierender Richtlinien – beispielsweise zur Arbeitszeitrichtlinie, Gleichbehandlungsrichtlinie oder Mutterschutzrichtlinie.
Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen
Die Rechtsstellung der Stiftung erlaubt Kooperationsprojekte mit anderen internationalen Organisationen wie der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
Fazit
EUROFOUND nimmt als spezialisierte EU-Stiftung eine zentrale Rolle in der Beobachtung, Analyse und Förderung sozialer und arbeitsrechtlicher Standards in Europa ein. Durch die Verbindung von Forschung, politischer Beratung und Förderung des sozialen Dialogs trägt die Organisation maßgeblich zur Weiterentwicklung des europäischen Sozialmodells und zu Verbesserungen im Arbeitsleben bei. Rechtlich ist die Agentur umfassend in die institutionellen und normativen Strukturen der Europäischen Union eingebunden und agiert mit einem klar abgegrenzten gesetzlichen Auftrag sowie unter strikter Beachtung europäischer Transparenz-, Kontroll- und Datenschutzregelungen.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Tätigkeiten von EUROFOUND?
Die Tätigkeiten von EUROFOUND stützen sich maßgeblich auf europäische Rechtsakte, insbesondere die Verordnung (EU) Nr. 1365/75 des Rates vom 26. Mai 1975 zur Errichtung der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, die im Laufe der Jahre mehrfach aktualisiert wurde. Diese Verordnung legt den rechtlichen Rahmen, die Ziele, Aufgaben und die organisatorische Struktur der Agentur fest. Weiterhin erfolgt die Kontrolle der Stiftung durch übergeordnete EU-Organe, wie die Europäische Kommission und den Europäischen Rechnungshof. Darüber hinaus ist EUROFOUND als Agentur der Europäischen Union verpflichtet, das Sekundärrecht der EU, insbesondere bezüglich Transparenz, Datenschutz, Öffentlichkeitsarbeit sowie Vergabe- und Haushaltsrecht, strikt einzuhalten. Die Agentur unterliegt zusätzlich den Vorschriften der EU-Grundrechtecharta, insbesondere im Hinblick auf Datenerhebung und -verarbeitung. Somit ist EUROFOUND rechtlich klar in das System EU-rechtlicher Vorgaben eingebettet und arbeitet ausschließlich auf Basis der ihr zugewiesenen rechtlichen Zuständigkeiten.
Wie ist EUROFOUND rechtlich gegenüber den Mitgliedstaaten und anderen EU-Institutionen verpflichtet?
EUROFOUND ist gemäß ihrer Rechtsgrundlage in erster Linie der Europäischen Union verpflichtet und handelt unabhängig von Einzelinteressen der Mitgliedstaaten. Die Stiftung unterliegt dabei als dezentrale EU-Agentur der Kontrolle verschiedener Organe, insbesondere dem Verwaltungsrat, der sich aus Vertretern der nationalen Regierungen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden sowie der Europäischen Kommission zusammensetzt. Dieser Verwaltungsrat überwacht die Einhaltung rechtlicher Vorgaben und ist zudem für das Arbeitsprogramm und den Haushalt der Stiftung verantwortlich. Weiter bereitgestellte Daten und Forschungsergebnisse müssen den jeweiligen Jurisdiktionen der Mitgliedstaaten Rechnung tragen, ohne nationale Rechtsvorschriften zu verletzen. Gleichsam hat EUROFOUND eine Berichtspflicht gegenüber dem Europäischen Parlament, insbesondere hinsichtlich finanzieller Transparenz, was im EU-Haushaltsrecht und den Finanzvorschriften für dezentrale Agenturen detailliert geregelt ist.
Unterliegt EUROFOUND speziellen Datenschutzvorschriften?
Ja, als EU-Agentur unterliegt EUROFOUND streng den Datenschutzbestimmungen der Europäischen Union, insbesondere der Verordnung (EU) 2018/1725 über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Union. Diese Verordnung verpflichtet EUROFOUND, personenbezogene Daten nur auf eindeutiger Rechtsgrundlage zu erheben, zu speichern, zu verarbeiten und zu übermitteln. EUROFOUND muss außerdem einen Datenschutzbeauftragten bestellen, der die Einhaltung der Datenschutzvorschriften überwacht. Im Rahmen von Forschungsprojekten, Datenerhebungen oder Befragungen, etwa im Rahmen des European Working Conditions Survey, müssen stets die Grundsätze von Datensparsamkeit, Transparenz und Zweckbindung beachtet werden. Betroffene Personen haben ein umfassendes Auskunfts-, Berichtigungs- und Löschungsrecht bezogen auf ihre Daten.
Wie erfolgt die rechtliche Kontrolle und Rechenschaftslegung von EUROFOUND?
Die Kontrolle über EUROFOUND wird rechtlich durch mehrere Mechanismen sichergestellt. Zum einen ist die Stiftung der Haushaltsordnung der Europäischen Union unterworfen, was regelmäßige interne und externe Prüfungen, vor allem durch den Europäischen Rechnungshof, vorsieht. Missbräuche und Unregelmäßigkeiten müssen gemäß der Verordnung über Betrugsbekämpfung (OLAF-Verordnung) gemeldet und verfolgt werden. Darüber hinaus ist der jährliche Tätigkeitsbericht dem Verwaltungsrat sowie der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament vorzulegen. Letzteres kann die Stiftung im Rahmen seiner Budgetkontrollfunktion jederzeit ansprechen und Prüfberichte anfordern. Bei Verstößen gegen das EU-Recht kann zudem der Europäische Gerichtshof angerufen werden, was für eine umfassende rechtliche Kontrolle sorgt.
Inwieweit ist EUROFOUND in ihren Handlungen rechtlich an ihre Satzung gebunden?
Die Stiftung muss sämtliche Aktivitäten, Projekte und Publikationen streng im Rahmen ihrer satzungsgemäßen Aufgaben und Zuständigkeiten durchführen, wie sie in der Gründungsverordnung und den jeweiligen Fortschreibungen festgelegt sind. Das bedeutet, dass EUROFOUND sich ausschließlich auf ihre Rolle als Forschungs- und Informationsdienstleister im Bereich Arbeitsbedingungen, Lebensqualität und industrielle Beziehungen konzentrieren darf. Eigene Initiativen, die über diesen Satzungszweck hinausgehen – etwa politisch bindende Empfehlungen, Regulierungstätigkeiten oder Rechtssetzungsakte – sind rechtlich ausgeschlossen. Diese Beschränkung ist nicht nur in der Gründungsverordnung, sondern auch in den internen Arbeitsanweisungen und Geschäftsordnungen der Stiftung detailliert geregelt und wird vom Verwaltungsrat regelmäßig überwacht.
Welche Haftungsregelungen gelten für EUROFOUND bei Fehlern oder Verstößen?
EUROFOUND haftet gemäß den allgemeinen Haftungsgrundsätzen des Unionsrechts (Art. 340 AEUV) für Schäden, die im Rahmen ihrer Tätigkeiten entstehen, sofern diese auf vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten zurückzuführen sind. Schadensersatzansprüche können von geschädigten Dritten unmittelbar beim Europäischen Gerichtshof geltend gemacht werden. Zudem gelten spezielle Verfahrensvorschriften im Umgang mit potenziellen Rechtsverletzungen, darunter die Möglichkeit zur außergerichtlichen Streitbeilegung und das Recht auf Einsicht in interne Ermittlungen. Mitarbeitende unterliegen zudem disziplinarrechtlichen Regelungen nach dem Statut der EU-Beamten, falls sie Dienstpflichten verletzen und dadurch Schäden verursachen.
Wie ist der Zugang zu Informationen und Dokumenten von EUROFOUND rechtlich geregelt?
Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der EU-Institutionen genießen Bürgerinnen und Bürger sowie Organisationen ein grundsätzliches Recht auf Zugang zu den bei EUROFOUND vorliegenden Dokumenten. EUROFOUND muss sicherstellen, dass Anträge schnell, umfassend und im Rahmen der gesetzlichen Ausnahmen bearbeitet werden. Einschränkungen dürfen nur geltend gemacht werden, wenn Schutzinteressen – wie Datenschutz, Geschäftsgeheimnisse oder institutionelle Sicherheitsinteressen – betroffen sind. Gegen negative Entscheidungen können Rechtsmittel eingelegt werden, unter anderem eine Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten oder eine Klage vor dem Gericht der Europäischen Union.