Legal Lexikon

EuMahnVO


Begriff und Einführung zur EuMahnVO

Die EuMahnVO ist die geläufige Abkürzung für die Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines europäischen Mahnverfahrens. Die Verordnung regelt die europaweite Vereinfachung, Beschleunigung und Harmonisierung des gerichtlichen Mahnverfahrens zur grenzüberschreitenden Beitreibung unbestrittener Geldforderungen im Zivil- und Handelsrecht. Ziel ist es, den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr im Binnenmarkt durch ein einheitliches, grenzüberschreitendes Mahnverfahren zu stärken.

Anwendungsbereich der EuMahnVO

Sachlicher Anwendungsbereich

Die EuMahnVO findet Anwendung auf zivilrechtliche und handelsrechtliche Forderungen zwischen Parteien aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten der EU. Sie betrifft ausschließlich unbestrittene, bezifferte Geldforderungen. Ausgenommen sind insbesondere:

  • Forderungen aus Ehegüterrechts- und Unterhaltssachen
  • Erbsachen
  • Insolvenzrechtliche Verfahren
  • Sozialrechtliche Ansprüche
  • Schiedsverfahren

Räumlicher Geltungsbereich

Die Verordnung gilt in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Ausnahme von Dänemark. Grundlage ist Artikel 2 der Verordnung. Der Anwendungsbereich setzt voraus, dass mindestens eine der Parteien ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen EU-Mitgliedstaat als das angerufene Gericht hat.

Persönlicher Geltungsbereich

Die EuMahnVO richtet sich an natürliche und juristische Personen, die berechtigt sind, Forderungen mittels Mahnverfahrens geltend zu machen, sowie an Gerichte und Behörden, die mit der Durchführung betraut sind.

Ablauf und Verfahren nach der EuMahnVO

Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls

Das Verfahren startet mit einem formalisierten Antragsvordruck, der beim zuständigen Gericht eines Mitgliedstaats einzureichen ist. Die Voraussetzungen sowie der Ablauf sind unmittelbar in der Verordnung geregelt. Der Antrag kann schriftlich oder, soweit vorgesehen, elektronisch übermittelt werden.

Benötigte Angaben:

  • Name und Anschrift der Parteien
  • Betrag der Forderung, ggf. Zinsen, Nebenforderungen und deren Berechnung
  • Sachverhalt, aus dem sich die Forderung ableitet

Das Gericht prüft den Antrag nicht auf seine materielle Richtigkeit, sondern ausschließlich auf formelle Voraussetzungen und Plausibilität gemäß Artikel 8 bis 12 der Verordnung.

Erlass und Zustellung des Europäischen Zahlungsbefehls

Entspricht der Antrag den Anforderungen, erlässt das Gericht den Europäischen Zahlungsbefehl in der Sprache seiner Zuständigkeit. Die Zustellung erfolgt an die Antragsgegnerin oder den Antragsgegner nach den Vorschriften des jeweiligen nationalen Rechts, erweitert um Sicherstellung der tatsächlichen Kenntnisnahme durch die betroffene Person.

Widerspruch gegen den Zahlungsbefehl

Der Antragsgegner hat ab Zustellung des Zahlungsbefehls eine Frist von 30 Tagen, in der er gegen den Zahlungsbefehl Widerspruch einlegen kann. Der Widerspruch muss keinem materiellen Begründungserfordernis genügen und führt dazu, dass das Verfahren in ein normales Zivilverfahren des Ursprungsstaates übergeht, sofern der Antragsteller dies beantragt hat.

Vollstreckbarkeit des Europäischen Zahlungsbefehls

Legt der Antragsgegner keinen fristgerechten Widerspruch ein, wird der Zahlungsbefehl automatisch für vollstreckbar erklärt. Die Vollstreckbarkeit ist unionsweit möglich, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung (Exequatur) bedarf. Die Anerkennung und Vollstreckung richten sich nach den Vorschriften der Verordnung sowie den nationalen Regelungen zum Zwangsvollstreckungsrecht.

Vorteile und Zielsetzung der EuMahnVO

Die EuMahnVO verfolgt folgende Zielsetzungen:

  • Beschleunigung und Vereinfachung des grenzüberschreitenden Forderungseinzugs
  • Reduzierung der Kosten für Gläubiger durch standardisierte Antragsformulare und Wegfall von Exequaturverfahren
  • Rechtsicherheit durch einheitliche und verbindliche Verfahrensvorgaben
  • Unterstützung des Binnenmarkts durch Abbau rechtlicher Hürden

Formulare und Amtssprache

Die EuMahnVO sieht obligatorische, unionsweit harmonisierte Formulare für Antrag, Entscheidung, Widerspruch und sonstige Verfahrenserklärungen vor. Die vom Gericht benutzte Sprache ist im Regelfall die Amtssprache des angerufenen Gerichts. Die Verordnung garantiert Verständlichkeit für alle Parteien durch vollständige Übersetzungen im Bedarfsfall (Artikel 21 Abs. 2).

Verhältnis der EuMahnVO zu nationalen Mahnverfahren

Die EuMahnVO ist nicht exklusiv, sondern existiert neben den nationalen Mahnverfahren der Mitgliedstaaten (z. B. deutsches Mahnverfahren nach §§ 688 ff. ZPO). Der Antragsteller hat Wahlfreiheit, ob er das europäische oder nationale Verfahren nutzt. Im Kollisionsfall bestimmt die Verordnung, dass nationale Verfahrensregeln dem europäischen Verfahren nicht entgegenstehen dürfen.

Einschränkungen und Besonderheiten

  • Anwendung nur für grenzüberschreitende Fälle
  • Beschränkung auf unbestrittene Geldforderungen
  • Kein Zwang zur Inanspruchnahme des Verfahrens
  • Kein Einfluss der Regelung auf das materielle Schuldrecht der Mitgliedstaaten

Rechtsgrundlagen und Weiterführendes

  • Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 (ABl. L 399/1 v. 30.12.2006)
  • Verordnung (EU) 2015/2421 betreffend Änderungen zur Vereinfachung bestimmter Verfahren im Zivilprozess
  • Erwägungsgründe, die detaillierte Hinweise zum Verständnis und zur Auslegung der Regelungen bieten

Bedeutung und Praxisrelevanz

Das Verfahren nach der EuMahnVO hat sich in der zivilrechtlichen Rechtsdurchsetzung grenzüberschreitender Geldansprüche als effizientes Instrument bewährt. Besonders Unternehmen nutzen die Möglichkeit, offene Forderungen im europäischen Ausland rechtssicher, schnell und ohne aufwendige Anerkennungsverfahren geltend zu machen.

Literatur und Weblinks


Der vorliegende Artikel erklärt die EuMahnVO umfassend, strukturiert und praxisnah, stellt die rechtlichen Grundlagen und alle relevanten Verfahrensschritte anschaulich und präzise dar und ermöglicht so ein tiefgehendes Verständnis für ihre praktische Anwendung im Rahmen der grenzüberschreitenden Rechtsdurchsetzung.

Häufig gestellte Fragen

Kann ein einmal erlassener europäischer Zahlungsbefehl nachträglich abgeändert oder widerrufen werden?

Ein bereits erlassener europäischer Zahlungsbefehl gemäß der EuMahnVO (Verordnung (EG) Nr. 1896/2006) kann grundsätzlich nur unter bestimmten Voraussetzungen abgeändert oder widerrufen werden. Nach Artikel 10 der Verordnung kann der Antragsteller den Antrag auf Erlass des Zahlungsbefehls bis zur Zustellung des Zahlungsbefehls an den Antragsgegner jederzeit zurücknehmen oder ändern. Nach Zustellung ist eine Abänderung nicht mehr möglich; der Widerruf ist dann nur über das nationale Prozessrecht möglich, wenn ein Widerspruch eingelegt wurde und das Verfahren in nationales Recht übergeht. Weiterhin sieht Artikel 18 vor, dass nach Eintritt der Rechtskraft des Zahlungsbefehls gemäß Artikel 12 dessen Rücknahme oder Änderung nur noch im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens nach nationalem Recht erfolgen kann, etwa bei Verfahrensfehlern oder neuen Beweismitteln. Ein Widerruf durch den Antragsgegner ist nach Erlass und Zustellung des Zahlungsbefehls nicht mehr vorgesehen. Der Schutz des Schuldners bleibt zudem durch die Möglichkeit des Widerspruchs gemäß Artikel 16 – Frist von 30 Tagen ab Zustellung – gewährleistet. Damit ist die Abänderung oder der Widerruf im Interesse der Rechtssicherheit und des Gläubigerschutzes nur in engen Ausnahmefällen und nach detaillierten Verfahrensvorschriften rechtlich zulässig.

Welche Fristen sind im Verfahren nach der EuMahnVO zwingend zu beachten?

Die EuMahnVO enthält diverse, zwingend einzuhaltende Fristen, die sowohl für Antragsteller als auch für Antragsgegner bindend sind. Die maßgebliche Frist für die Reaktion des Antragsgegners ist jene für den Widerspruch nach Artikel 16: Der Antragsgegner hat 30 Tage ab Zustellung des europäischen Zahlungsbefehls an ihn Zeit, um Widerspruch einzulegen. Versäumt der Antragsgegner diese Frist, wird der Zahlungsbefehl gemäß Artikel 18 für vollstreckbar erklärt. Der Antragsteller hingegen hat formell keine besonderen Fristen zur Antragstellung zu wahren; der Antrag kann jederzeit vor Verjährung des Anspruchs gestellt werden. Nach nationalem Recht können unter Umständen Verjährungsfristen eine Rolle spielen. Für den Antrag auf Überprüfung gemäß Artikel 20 (Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) gilt eine Frist von 30 Tagen ab Kenntnis der maßgeblichen Umstände, längstens aber innerhalb eines Jahres nach Erlass der Vollstreckbarkeitserklärung. Die genaue Kontrolle und Einhaltung dieser Fristen ist im rechtlichen Kontext essentiell, da Fristversäumnisse Rechtsverluste nach sich ziehen.

In welchen Staaten ist der europäische Zahlungsbefehl nach der EuMahnVO vollstreckbar, und wie erfolgt die Anerkennung?

Ein auf Grundlage der EuMahnVO erlassener europäischer Zahlungsbefehl ist in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Ausnahme von Dänemark vollstreckbar. Die Vollstreckbarkeit ergibt sich unmittelbar aus Artikel 19 der Verordnung, ohne dass es eines zusätzlichen Anerkennungs- oder Exequaturverfahrens bedarf; die Erklärung der Vollstreckbarkeit erfolgt bereits im Ursprungsstaat. Für die tatsächliche Vollstreckung im Zielstaat genügt die Vorlage einer Ausfertigung des vollstreckbaren Zahlungsbefehls und – sofern erforderlich – einer Übersetzung in die Amtssprache des Vollstreckungsstaates nach Artikel 21. Die Anerkennung erfolgt somit automatisch, es wird insbesondere keine inhaltliche Prüfung (z.B. hinsichtlich der Begründetheit der Forderung) im Vollstreckungsstaat vorgenommen. Die Behörden sind zur Annahme und Weiterverfolgung der Vollstreckung unmittelbar verpflichtet, sofern die formalen Voraussetzungen erfüllt sind.

Welche Rechtsbehelfe stehen dem Schuldner gegen einen europäischen Zahlungsbefehl offen?

Dem Schuldner stehen nach der EuMahnVO insbesondere zwei Rechtsbehelfe zur Verfügung: Zum einen kann er nach Artikel 16 innerhalb von 30 Tagen ab Zustellung form- und fristgerecht Widerspruch gegen den Zahlungsbefehl einlegen. Der Widerspruch muss keine Begründung enthalten; schon die formale Einlegung innerhalb der Frist führt zur Beendigung des Mahnverfahrens in dieser Form und zur Überleitung in ein ordentliches Zivilverfahren im Ursprungsstaat. Zum anderen besteht in Ausnahmefällen, siehe Artikel 20, das Recht auf einen Antrag auf Überprüfung („Wiedereinsetzung”), wenn der Zahlungsbefehl unter besonderen Umständen ergangen ist, beispielsweise wenn dem Schuldner das Schriftstück nicht ordnungsgemäß zugestellt wurde oder er sich aufgrund höherer Gewalt nicht verteidigen konnte. Der Antrag auf Überprüfung ist mit besonderen Darlegungs- und Nachweispflichten verbunden und grundsätzlich innerhalb von 30 Tagen ab Kenntnis der maßgeblichen Umstände zu stellen. Darüber hinaus sind keine weiteren ordentlichen Rechtsmittel im Sinne einer Berufung oder Revision vorgesehen; die Verordnung ist auf eine rasche und klare Anspruchsdurchsetzung angelegt.

Wie verhält sich der europäische Zahlungsbefehl im Verhältnis zu nationalen Mahnverfahren?

Die EuMahnVO schafft ein eigenständiges, supranationales Verfahren, das ausschließlich für grenzüberschreitende Fälle innerhalb der EU (mit Ausnahme Dänemarks) anwendbar ist. Es steht den Parteien grundsätzlich frei, alternativ ein nationales Mahnverfahren zu wählen, sofern das nationale Recht dies vorsieht und die internationale Zuständigkeit gegeben ist. Wer das EuMahnVO-Verfahren wählt, genießt den Vorteil einer EU-weiten, vereinfachten und raschen Durchsetzung; das Urteil ist in allen Mitgliedstaaten (außer Dänemark) vollstreckbar, ohne dass ein Anerkennungsverfahren nötig wäre. Das nationale Mahnverfahren ist hingegen nur im jeweiligen Land rechtskräftig und erfordert für die Vollstreckung in anderen EU-Staaten weiterhin deren Anerkennung (ggf. per Europäischem Vollstreckungstitel u.Ä.). Die Entscheidung für das europäische oder das nationale Verfahren ist daher eine grundlegende strategische Weichenstellung mit erheblichen rechtlichen Konsequenzen hinsichtlich Zuständigkeit, Vollstreckbarkeit und Verfahrensdauer.

Welche Anforderungen bestehen an die Zustellung des europäischen Zahlungsbefehls?

Die korrekte Zustellung des europäischen Zahlungsbefehls ist eine zentrale Voraussetzung für die Wirksamkeit des Verfahrens nach der EuMahnVO. Nach Artikel 13 der Verordnung muss die Zustellung entweder durch persönliche Übergabe gegen Empfangsbestätigung oder nach dem Recht des Staates, in dem die Zustellung erfolgt, bewirkt werden. Die wichtigsten Mindestanforderungen sind entweder ein förmlicher Nachweis der Zustellung (Empfangsbestätigung durch den Empfänger, den Empfang bestätigende Urkunde des Zustellers etc.) oder der Nachweis, dass die Zustellung an dessen Wohn- oder Geschäftssitz ordnungsgemäß erfolgt und eine tatsächliche Inkenntnissetzung gewährleistet ist. Die Verordnung enthält zahlreiche Regelungen zur Rechtssicherheit, um sicherzustellen, dass der Schuldner von dem Verfahren Kenntnis erhält und seinen Anspruch auf rechtliches Gehör wahrnehmen kann. Fehlerhafte Zustellungen können eine Überprüfung und ggf. Aufhebung des Zahlungsbefehls nach sich ziehen.

Welche Kosten entstehen im Verfahren nach der EuMahnVO und wie werden diese verteilt?

Die Kosten des Verfahrens nach der EuMahnVO richten sich nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem der Antrag gestellt wird. In der Regel handelt es sich um Gerichtsgebühren, die mit der Einreichung des Antrags fällig werden. Nach Artikel 25 der Verordnung gilt, dass keine höheren oder anderen Gerichtskosten verlangt werden dürfen als in vergleichbaren nationalen Verfahren. Die Kostenverteilung erfolgt nach nationalem Recht; richtet sich also nach dem Verfahrensausgang: Im Regelfall trägt der unterlegene Schuldner die entstandenen Kosten. Zudem können, abhängig vom Einzelfall, auch Kosten für Übersetzungen, Rechtsanwaltshonorare oder Vollstreckungsmaßnahmen hinzukommen. Die gerichtlichen Kosten müssen transparent und verhältnismäßig sein, um den Zugang zum Recht gewährleistet zu lassen. In den jeweiligen Mitgliedstaaten existieren hierzu unterschiedliche Gebührentabellen und Kostengesetze.