Legal Lexikon

EuGüVO

Begriff und Zweck der EuGüVO

Die Europäische Güterrechtsverordnung (EuGüVO) regelt in grenzüberschreitenden Fällen innerhalb der Europäischen Union, welches Gericht zuständig ist, welches Recht auf den ehelichen Güterstand anzuwenden ist und wie Entscheidungen in den teilnehmenden Staaten anerkannt und vollstreckt werden. Ziel ist es, bei Ehen mit Auslandsbezug einheitliche, vorhersehbare und verlässliche Regeln bereitzustellen, um widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden und die Abwicklung güterrechtlicher Fragen zu erleichtern.

Die EuGüVO betrifft ausschließlich die vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen Ehegatten. Sie entscheidet nicht über die Scheidung selbst, Unterhalt, elterliche Verantwortung oder Namensrecht, kann aber mit diesen Themen zusammenhängen, wenn über Vermögensfragen im Zusammenhang mit Trennung, Scheidung oder Tod zu befinden ist.

Anwendungsbereich

Sachlicher Anwendungsbereich

Erfasst sind sämtliche vermögensrechtlichen Aspekte zwischen Ehegatten, etwa:

  • Zuordnung von Vermögenswerten während der Ehe (ehebezogenes versus persönliches Vermögen)
  • Verwaltung und Nutzung gemeinsamer Vermögenswerte
  • Haftung für Verbindlichkeiten
  • Abwicklung und Verteilung des Vermögens bei Auflösung des Güterstandes (z. B. durch Scheidung oder Tod)

Nicht erfasst sind unter anderem Unterhalt, Erbrecht als solches, Rechts- und Handlungsfähigkeit, Namensrecht oder die Existenz der Ehe. Für eingetragene Partnerschaften gilt ein gesonderter Rechtsakt.

Persönlicher Anwendungsbereich

Die EuGüVO gilt für Ehegatten unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, sobald ein grenzüberschreitender Bezug zum Güterstand besteht (z. B. Wohnsitz, Vermögen oder Verfahren in verschiedenen Staaten). Für eingetragene Lebenspartnerschaften findet eine eigene Verordnung Anwendung.

Räumlicher Anwendungsbereich

Die EuGüVO gilt in den EU-Mitgliedstaaten, die an der vertieften Zusammenarbeit in diesem Bereich teilnehmen. Nicht alle Mitgliedstaaten nehmen teil. Die Regelungen zur Bestimmung des anwendbaren Rechts sind universell ausgelegt: Auch das Recht eines Nicht-EU-Staates kann maßgeblich sein, wenn die Anknüpfungsregeln der EuGüVO dorthin führen.

Zeitlicher Anwendungsbereich

Die EuGüVO findet auf Verfahren, öffentliche Urkunden und gerichtliche Vergleiche Anwendung, die ab ihrem Geltungsbeginn wirksam werden. Sie erfasst auch bereits bestehende Ehen, soweit die güterrechtliche Frage erst nach diesem Zeitpunkt rechtlich relevant wird. Frühere Dispositionen können fortgelten, wenn sie die damals geltenden Form- und Gültigkeitsanforderungen erfüllen.

Zuständigkeit der Gerichte

Verknüpfung mit anderen Verfahren

Güterrechtliche Fragen können mit familienrechtlichen Verfahren verknüpft werden. In vielen Konstellationen sind die Gerichte zuständig, die bereits mit Scheidung oder Nachlass befasst sind, sofern dies sachgerecht und nach den Zuständigkeitsregeln der EuGüVO vorgesehen ist. Ziel ist, zusammenhängende Fragen möglichst aus einer Hand zu entscheiden.

Alternative Anknüpfungspunkte

Ist keine Verknüpfung mit einem anderen Verfahren gegeben, kann sich die Zuständigkeit insbesondere nach dem gewöhnlichen Aufenthalt eines oder beider Ehegatten richten. Auch die letzte gemeinsame Wohnstätte oder die Staatsangehörigkeit kann als Anknüpfung eine Rolle spielen, sofern die EuGüVO dies vorsieht.

Parallelverfahren und Vermeidung von Konflikten

Um parallele Verfahren in verschiedenen Staaten zu vermeiden, enthält die EuGüVO Mechanismen zur Koordinierung: Läuft bereits ein Verfahren in einem Staat, kann ein später angerufenes Gericht in einem anderen Staat das Verfahren aussetzen oder die Zuständigkeit ablehnen, um widersprechende Entscheidungen zu vermeiden.

Anwendbares Recht

Rechtswahl der Ehegatten

Ehegatten können das auf ihren Güterstand anzuwendende Recht wählen. In Betracht kommt insbesondere das Recht des Staates, in dem einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten besitzt. Die Rechtswahl bedarf besonderer Form, in der Regel schriftlich, datiert und unterzeichnet; zusätzliche Formanforderungen einzelner Staaten können zu beachten sein. Die Rechtswahl kann vor oder während der Ehe getroffen werden.

Gesetzliche Anknüpfung ohne Rechtswahl

Fehlt eine wirksame Rechtswahl, legt die EuGüVO fest, welches Recht gilt. Regelmäßig knüpft sie an den ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt nach der Eheschließung an. Fehlt ein solcher, kann die gemeinsame Staatsangehörigkeit maßgeblich sein. Besteht auch diese nicht, wird auf den Staat abgestellt, zu dem die ehelichen Vermögensverhältnisse die engste Verbindung aufweisen. Diese Mechanik soll Vorhersehbarkeit schaffen.

Universelle Anwendung und Grenzen

Das ermittelte Recht gilt unabhängig davon, ob es sich um das Recht eines teilnehmenden EU-Staates, eines nicht teilnehmenden EU-Staates oder eines Drittstaates handelt. Grenzen bestehen bei zwingenden Schutzvorschriften des Forums und bei Verstößen gegen grundlegende Wertentscheidungen (ordre public). In Einzelfällen können spezielle Schutzmechanismen für Dritte (z. B. Gläubiger) eingreifen.

Anerkennung und Vollstreckung

Gerichtliche Entscheidungen

Entscheidungen über güterrechtliche Fragen, die in einem teilnehmenden Staat ergangen sind, werden in den anderen teilnehmenden Staaten grundsätzlich anerkannt. Für die Vollstreckung ist ein vereinfachtes Verfahren vorgesehen. Anerkennung und Vollstreckung können abgelehnt werden, wenn dafür eng begrenzte Gründe vorliegen, etwa bei schwerwiegenden Verfahrensmängeln.

Öffentliche Urkunden und gerichtliche Vergleiche

Öffentliche Urkunden (z. B. notarielle Vereinbarungen) und gerichtliche Vergleiche, die in einem teilnehmenden Staat errichtet wurden, entfalten in anderen teilnehmenden Staaten Wirkung, wenn sie dort rechtlich als solche anerkannt werden. Regelmäßig ist hierfür eine Bescheinigung nach dem in der EuGüVO vorgesehenen Muster erforderlich.

Versagungsgründe

Die Anerkennung kann versagt werden, wenn grundlegende Mindestgarantien verletzt wurden (z. B. fehlende ordnungsgemäße Ladung oder offensichtlicher Verstoß gegen elementare Rechtsgrundsätze). Diese Versagungsgründe sind restriktiv ausgestaltet, um die unionsweite Wirksamkeit zu sichern.

Vermögensauseinandersetzung in der Praxis

Einordnung und Verwaltung des Vermögens

Das anwendbare Recht bestimmt, ob Vermögenswerte dem gemeinschaftlichen oder dem persönlichen Vermögen zuzuordnen sind, wie sie verwaltet werden und ob für bestimmte Geschäfte die Mitwirkung des anderen Ehegatten erforderlich ist. Es beeinflusst auch, wie Wertsteigerungen, Nutzungen und Erträge zu behandeln sind.

Haftung für Verbindlichkeiten

Die Haftung für Schulden kann je nach Güterstand variieren. Das anwendbare Recht regelt, ob und inwieweit ein Ehegatte für Verbindlichkeiten des anderen haftet und welche Wirkungen gegenüber Dritten eintreten.

Auflösung des Güterstands bei Trennung, Scheidung, Tod

Bei der Auflösung des Güterstandes legt das maßgebliche Recht fest, wie Vermögenswerte zu verteilen sind, welche Ausgleichs- oder Zahlungsverpflichtungen bestehen und wie der Ausgleich praktisch vollzogen wird. Stirbt ein Ehegatte, wirkt das güterrechtliche Ergebnis auf den Umfang des Nachlasses; die eigentliche Erbfolge richtet sich nach gesonderten Regeln.

Verhältnis zu anderen Rechtsakten

Scheidung und elterliche Verantwortung

Die EuGüVO trifft keine Regelungen zu Scheidung, Trennung, elterlicher Verantwortung oder Unterhalt. Gleichwohl können die Zuständigkeit und das Verfahren in güterrechtlichen Fragen mit familienrechtlichen Verfahren verbunden sein, um widersprüchliche Ergebnisse zu vermeiden.

Erbrecht und Nachlassabwicklung

Im Todesfall interagiert die EuGüVO mit der unionsweit geltenden Nachlasskoordination. Zunächst wird der eheliche Güterstand abgewickelt, wodurch sich die Zusammensetzung des Nachlasses ergibt. Die anschließende erbrechtliche Verteilung folgt eigenständigen Regeln.

Eingetragene Partnerschaften

Die vermögensrechtlichen Wirkungen eingetragener Partnerschaften fallen nicht unter die EuGüVO, sondern unter eine eigene unionsrechtliche Regelung. Maßgeblich ist daher zu unterscheiden, ob eine Ehe oder eine eingetragene Partnerschaft vorliegt.

Formvorschriften und Nachweise

Form von Rechtswahl- und Güterstandsvereinbarungen

Vereinbarungen der Ehegatten zum Güterstand und zur Rechtswahl unterliegen Formvorschriften. Regelmäßig sind Schriftform, Datierung und Unterzeichnung erforderlich; zusätzlich können je nach beteiligtem Staat weitergehende Formerfordernisse gelten, etwa besondere Beglaubigung oder Beurkundung.

Nachweise und Bescheinigungen

Für die Anerkennung und Vollstreckung in anderen Staaten kommen standardisierte Bescheinigungen und Nachweise zum Einsatz. Diese erleichtern die grenzüberschreitende Anerkennung von Entscheidungen, öffentlichen Urkunden und gerichtlichen Vergleichen.

Schutz Dritter und Register

Zum Schutz des Rechtsverkehrs berücksichtigt die EuGüVO, inwiefern Dritte auf veröffentlichte oder registrierte Angaben vertrauen dürfen. Nationale Register und Publizitätsvorschriften können Bedeutung für die Wirkung güterrechtlicher Regelungen gegenüber Dritten entfalten.

Häufig gestellte Fragen

Was regelt die EuGüVO in einfachen Worten?

Sie legt fest, welches Gericht in der EU für güterrechtliche Fragen zwischen Ehegatten zuständig ist, welches Recht auf den Güterstand anzuwenden ist und wie entsprechende Entscheidungen in anderen teilnehmenden Staaten anerkannt und vollstreckt werden.

Gilt die EuGüVO in allen EU-Mitgliedstaaten?

Nein. Die EuGüVO gilt in den Mitgliedstaaten, die an der vertieften Zusammenarbeit teilnehmen. Einige EU-Staaten wirken nicht mit. Ihre Regeln zur Bestimmung des anwendbaren Rechts sind jedoch so ausgestaltet, dass auch das Recht eines Drittstaats maßgeblich sein kann.

Können Ehegatten das auf ihren Güterstand anwendbare Recht wählen?

Ja. Ehegatten können eine Rechtswahl treffen, in der Regel zugunsten des Rechts eines Staates, in dem einer von ihnen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder dessen Staatsangehörigkeit einer von ihnen besitzt. Die Vereinbarung muss in einer bestimmten Form erfolgen, meist schriftlich, datiert und unterzeichnet.

Hat die EuGüVO Auswirkungen auf Scheidung oder Unterhalt?

Die EuGüVO regelt nicht die Scheidung oder Unterhalt. Sie betrifft ausschließlich die vermögensrechtlichen Aspekte der Ehe. Zuständigkeit und Verfahren können jedoch koordiniert werden, wenn güterrechtliche Fragen im Zusammenhang mit einer Scheidung behandelt werden.

Wie wirkt sich die EuGüVO im Todesfall aus?

Bei Tod eines Ehegatten wird zunächst der eheliche Güterstand abgewickelt. Das Ergebnis bestimmt, welche Vermögenswerte in den Nachlass fallen. Die Verteilung des Nachlasses richtet sich anschließend nach eigenständigen erbrechtlichen Vorschriften.

Werden güterrechtliche Entscheidungen automatisch in anderen Staaten anerkannt?

Grundsätzlich ja, in den teilnehmenden Staaten. Es gilt ein vereinfachtes Anerkennungs- und Vollstreckungssystem. Anerkennung kann nur aus eng begrenzten Gründen verweigert werden, etwa bei schwerwiegenden Verfahrensmängeln.

Gilt die EuGüVO auch, wenn das anwendbare Recht außerhalb der EU liegt?

Ja. Die EuGüVO sieht eine universelle Anknüpfung vor. Führt die Regelung zum Recht eines Drittstaates, wird dieses angewendet, sofern nicht zwingende Schutzvorschriften oder fundamentale Grundsätze entgegenstehen.