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Erwerbsfähige Leistungsberechtigte


Erwerbsfähige Leistungsberechtigte – Begriff und rechtliche Bedeutung

Definition und grundlegende Einordnung

Der Begriff Erwerbsfähige Leistungsberechtigte (auch: erwerbsfähige leistungsberechtigte Personen, kurz: ELB) ist ein zentraler Rechtsbegriff im deutschen Sozialrecht, insbesondere im Kontext des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) – Grundsicherung für Arbeitsuchende. Erwerbsfähige Leistungsberechtigte sind jene Personen, die Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (allgemein bekannt als „Hartz IV”) besitzen.

Gesetzliche Grundlage

SGB II – § 7 Erwerbsfähige Leistungsberechtigte

Die maßgebliche rechtliche Grundlage ist § 7 SGB II, der die Voraussetzungen für die Leistungsberechtigung näher definiert. Demnach ist erwerbsfähig leistungsberechtigt, wer

  • das 15. Lebensjahr vollendet und das für die Regelaltersrente maßgebliche Lebensalter noch nicht erreicht hat,
  • erwerbsfähig ist,
  • hilfebedürftig ist,
  • seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat,
  • und keine Ausschlusstatbestände nach § 7 Abs. 1 SGB II erfüllt.

Voraussetzungen für die Leistungsberechtigung

1. Vollendung des 15. Lebensjahres und Regelaltersgrenze

Leistungen nach dem SGB II erhalten Personen ab dem vollendeten 15. Lebensjahr bis zur Regelaltersgrenze nach dem SGB VI. Ab Erreichen der Altersgrenze entfällt die Leistungsberechtigung nach dem SGB II.

2. Erwerbsfähigkeit

Erwerbsfähig ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich arbeiten kann (§ 8 SGB II). Dabei ist entscheidend, dass gesundheitliche oder sonstige Einschränkungen aus Sicht des Trägers der Grundsicherung keine dauerhafte vollständige Erwerbsunfähigkeit zur Folge haben.

3. Hilfebedürftigkeit

Die Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II liegt vor, wenn der Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenem Einkommen oder Vermögen beziehungsweise durch vorrangige Leistungen Dritter (z. B. Arbeitslosengeld I, Unterhalt, Wohngeld) sichergestellt werden kann.

4. Gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland

Nur Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland sind gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich leistungsberechtigt. Der gewöhnliche Aufenthalt bezeichnet den Ort, an dem eine Person nicht nur vorübergehend verweilt und den Lebensmittelpunkt hat.

5. Keine Ausschlussgründe

Einige Personengruppen sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 und weiteren Vorschriften vom Leistungsbezug ausgeschlossen, beispielsweise:

  • Ausländer während der ersten drei Monate ihres Aufenthalts in Deutschland
  • Leistungsberechtigte gemäß Asylbewerberleistungsgesetz
  • Personen, die ausschließlich aufenthaltsrechtliche Leistungen nach EU-Recht oder aufgrund der Arbeitsuche beanspruchen

Rechtliche Abgrenzungen

Abgrenzung zu nichterwerbsfähigen Leistungsberechtigten

Eine wichtige Differenzierung besteht gegenüber den sogenannten nichterwerbsfähigen Leistungsberechtigten. Diese umfassen z. B. Kinder unter 15 Jahren und Personen, die wegen Krankheit, Behinderung oder anderer Gründe auf absehbare Zeit (länger als sechs Monate) nicht mindestens drei Stunden täglich arbeiten können. Die Leistungen für nichterwerbsfähige Angehörige werden in sogenannten Bedarfsgemeinschaften ebenfalls im Rahmen des SGB II geregelt, konkret nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 und § 28 SGB II bzw. als Sozialhilfe nach SGB XII.

Bedarfsgemeinschaft

Erwerbsfähige Leistungsberechtigte stehen in der Regel im Kontext einer Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 SGB II), zu der z. B. Partner, minderjährige Kinder oder Mitbewohner gehören können. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft können die Leistungsberechtigung beeinflussen.

Rechte und Pflichten

Anspruch auf Leistungen

Erwerbsfähige Leistungsberechtigte haben Anspruch auf:

  • Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II, Sozialgeld)
  • Kosten für Unterkunft und Heizung (soweit angemessen)
  • Leistungen zur Eingliederung in Arbeit (Fördermaßnahmen, Weiterbildung usw.)

Mitwirkungspflichten

Mit dem Leistungsbezug sind umfangreiche Mitwirkungspflichten verbunden (§§ 60 ff. SGB I, §§ 31 ff. SGB II). Dazu zählen u. a.:

  • Offenlegung von Einkommen und Vermögen
  • Meldung von Veränderungen der Lebensverhältnisse
  • Teilnahme an Fördermaßnahmen und Bewerbungsprozessen
  • Annahme oder Ausübung zumutbarer Arbeit, Arbeitsgelegenheiten oder Maßnahmen

Verletzungen dieser Pflichten können zu Sanktionen führen, darunter Leistungskürzungen.

Sanktionen bei Pflichtverletzungen

Bei Pflichtverletzungen sehen die Regelungen des SGB II Leistungsminderungen, sog. Sanktionen, vor (§ 31 SGB II). Die Höhe und Dauer richten sich nach Art und Häufigkeit der Pflichtverletzung; dabei hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 05. November 2019, Az. 1 BvL 7/16) klargestellt, dass Kürzungen von mehr als 30 % des Regelbedarfs unzulässig sind.

Besonderheiten im Leistungsbezug

Aufstockung bei Erwerbseinkommen

Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen und deren Einkommen zur Deckung des Lebensunterhalts nicht ausreicht (sog. „Aufstocker”), haben ebenfalls Anspruch auf ergänzende Leistungen nach dem SGB II (§ 11 SGB II).

Sonderfälle: Ausbildung, Studium, Aufenthaltstitel

Bestimmte Gruppen wie Auszubildende, Studierende und in Deutschland lebende Ausländer unterliegen speziellen Regelungen und teilweise Ausschlüssen (§ 7 Abs. 5 SGB II, § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II).

Rechtsweg und Zuständigkeiten

Für Verfahren und Streitigkeiten bezüglich der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet. Zuständige Behörden sind in der Regel die Jobcenter, die als gemeinsame Einrichtungen von Bundesagentur für Arbeit und Kommunen oder als kommunale Träger agieren.

Literatur und weiterführende Quellen

  • Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) – https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_2/
  • Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS): Informationen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende
  • Bundessozialgericht: Rechtsprechung zur Grundsicherung

Dieser Artikel bietet eine detaillierte, umfassende und aktuelle Übersicht über den Begriff „Erwerbsfähige Leistungsberechtigte” im deutschen Sozialrecht, erläutert die gesetzlichen Voraussetzungen, die Abgrenzungen, die mit dem Status verbundenen Rechte und Pflichten sowie Besonderheiten und veranschaulicht die wichtigsten Aspekte für das Verständnis des sozialrechtlichen Kontexts.

Häufig gestellte Fragen

Wie wird die Erwerbsfähigkeit im rechtlichen Sinne festgestellt?

Die Feststellung der Erwerbsfähigkeit erfolgt nach § 8 SGB II und ist eine zentrale Voraussetzung für den Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Maßgeblich ist, ob eine Person unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich arbeiten kann. Die Beurteilung nimmt regelmäßig das Jobcenter anhand ärztlicher Gutachten oder Stellungnahmen des Ärztlichen Dienstes vor. Werden Zweifel an der Erwerbsfähigkeit geäußert, kann das Jobcenter eine medizinische Begutachtung veranlassen. Entscheidend sind dabei nicht nur die körperlichen, sondern auch psychischen Fähigkeiten der betroffenen Person sowie die Berücksichtigung besonderer Belastungen und Einschränkungen. Die Entscheidung der Erwerbsfähigkeit kann außerdem befristet getroffen werden, wenn eine Besserung oder Verschlimmerung des Gesundheitszustands zu erwarten ist. Sollte die Person nicht erwerbsfähig sein, kann gegebenenfalls ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII (Sozialhilfe) bestehen.

Welche Mitwirkungspflichten bestehen für erwerbsfähige Leistungsberechtigte?

Erwerbsfähige Leistungsberechtigte unterliegen umfangreichen Mitwirkungspflichten, die insbesondere in § 60 bis § 66 SGB I und § 31 SGB II geregelt sind. Dazu gehört, alle Änderungen in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen unverzüglich dem Jobcenter mitzuteilen, auf Verlangen Unterlagen vorzulegen und an Untersuchungen teilzunehmen, die zur Feststellung der Erwerbsfähigkeit erforderlich sind. Ebenso müssen sie aktiv an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung mitwirken, Vermittlungsvorschlägen Folge leisten und Eigenbemühungen zur Arbeitsaufnahme nachweisen. Verstöße gegen die Mitwirkungspflichten können zu Leistungsminderungen (Sanktionen) führen und in schwerwiegenden Fällen auch den vollständigen Wegfall des Leistungsanspruchs nach sich ziehen.

Welche Leistungen stehen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten rechtlich zu?

Erwerbsfähige Leistungsberechtigte haben nach dem SGB II Anspruch auf verschiedene Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Hierzu zählen insbesondere der Regelbedarf, Mehrbedarfe, Bedarfe für Unterkunft und Heizung sowie Leistungen zur Eingliederung in Arbeit, wie zum Beispiel Vermittlungs- und Beratungsleistungen oder Maßnahmen zur Aktivierung und Qualifizierung. Die Leistungen werden nach dem Nachrangigkeitsprinzip gewährt, das heißt, sie erhalten nur diejenigen, die ihren Lebensunterhalt und den ihrer Bedarfsgemeinschaft nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können und keinen vorrangigen Anspruch auf andere Sozialleistungen (wie Arbeitslosengeld I, Renten oder Sozialhilfe) haben. Die Leistungen werden in der Regel als Geldleistungen gezahlt, in bestimmten Fällen – etwa bei notwendigen Sachleistungen – auch als Dienst- oder Sachleistungen.

Können Sanktionen gegen erwerbsfähige Leistungsberechtigte verhängt werden?

Nach § 31 ff. SGB II können bei Pflichtverletzungen Sanktionen (Leistungsminderungen) verhängt werden. Dies betrifft beispielsweise die Weigerung, eine zumutbare Arbeit oder Eingliederungsmaßnahme aufzunehmen, vorgeschriebene Bewerbungsbemühungen nicht nachzuweisen oder Meldepflichten beim Jobcenter zu verletzen. Die Höhe der Sanktionen hängt von Art und Häufigkeit der Pflichtverletzung ab und beträgt im Regelfall 10 % des maßgeblichen Regelbedarfs für die Dauer von einem Monat. Wiederholte Pflichtverletzungen können zu weitergehenden Kürzungen führen. Jugendlichen unter 25 Jahren können bei wiederholten Pflichtverletzungen auch die Kosten für Unterkunft und Heizung vollständig gekürzt werden. Zu beachten ist, dass Sanktionen grundsätzlich nur dann zulässig sind, wenn das Jobcenter zuvor schriftlich über die Rechtsfolgen belehrt hat.

Unter welchen Umständen kann der Leistungsanspruch verloren gehen?

Der Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II kann unter mehreren rechtlichen Voraussetzungen entfallen. Hauptgründe sind unter anderem das Ausscheiden aus der Erwerbsfähigkeit (etwa aufgrund einer dauerhaften gesundheitlichen Einschränkung), das Überschreiten bestimmter Einkommens- und Vermögensgrenzen, der Aufenthalt außerhalb Deutschlands von mehr als vier Wochen, das Vorliegen vorrangiger Ansprüche (wie z. B. Anspruch auf Arbeitslosengeld I oder eine Erwerbsminderungsrente) oder das nachhaltige Verweigern der Mitwirkungspflichten. Mit dem Wegfall einer dieser Anspruchsvoraussetzungen erlischt der Leistungsanspruch, und es kann zu Rückforderungen bereits gezahlter Leistungen kommen.

Welche Rolle spielt die Bedarfsgemeinschaft bei der Bewertung erwerbsfähiger Leistungsberechtigter?

Die Bedarfsgemeinschaft ist ein zentrales Konzept im SGB II und definiert den Personenkreis, dessen Einkommen und Vermögen gemeinsam zur Bedarfsdeckung herangezogen werden. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören neben dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten unter anderem der Partner oder die Partnerin sowie Kinder unter 25 Jahren, sofern sie im Haushalt leben und kein eigenes Einkommen oder Vermögen zur vollständigen Deckung ihres Bedarfs haben. Einkommen und Vermögen aller Mitglieder werden bei der Berechnung des Leistungsanspruchs berücksichtigt. Bestimmte Personengruppen wie volljährige Kinder mit eigenem Haushalt oder dauerhaft getrennt lebende (Ehe-)Partner zählen nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft. Die korrekte Zuordnung ist rechtlich entscheidend, da sie Einfluss auf die Höhe der Leistungen und die Mitwirkungspflichten hat.

Wie erfolgt die rechtliche Überprüfung und der Widerspruchsprozess bei Entscheidungen des Jobcenters?

Gegen Bescheide des Jobcenters, insbesondere zur Ablehnung oder Kürzung von Leistungen, können erwerbsfähige Leistungsberechtigte schriftlich Widerspruch einlegen. Die Frist hierfür beträgt grundsätzlich einen Monat nach Zugang des Bescheides. Das Jobcenter prüft den Widerspruch im sogenannten Widerspruchsverfahren und trifft eine neue Entscheidung (Widerspruchsbescheid). Sollte der Widerspruch zurückgewiesen werden, besteht die Möglichkeit einer Klage vor dem zuständigen Sozialgericht. Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens wird der Fall umfassend überprüft, wobei Antragsteller gegebenenfalls auch Prozesskostenhilfe beantragen können. Die rechtzeitige Anfechtung von Bescheiden ist essenziell, da nach Ablauf der Fristen Rechtskraft eintritt und eine Überprüfung erschwert oder ausgeschlossen werden kann.