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Errungenschaftsgemeinschaft


Errungenschaftsgemeinschaft im Überblick

Die Errungenschaftsgemeinschaft ist ein gesetzlicher Güterstand im Eherecht. Sie regelt, wie das Vermögen von Ehepartnern während der Ehe verwaltet wird, wie es sich im Verlauf der Ehe verändert und wie es im Fall der Auflösung – insbesondere durch Scheidung oder Tod – zwischen den Ehegatten aufgeteilt wird. In Deutschland ist sie als „Zugewinngemeinschaft“ ausgestaltet (§§ 1363 ff. BGB). Das Schweizer Recht kennt ausdrücklich die „Errungenschaftsbeteiligung“ als ordentlichen Güterstand nach Art. 196 ff. ZGB. Beide Formen folgen dem Ziel, während der Ehe erworbenes Vermögen gerecht zwischen den Ehegatten zu verteilen, ohne das vor der Ehe vorhandene Vermögen miteinzubeziehen.


Grundkonzept der Errungenschaftsgemeinschaft

Die Errungenschaftsgemeinschaft beruht auf dem Prinzip, dass die während der Ehe gemeinsam erworbenen Vermögenswerte als gemeinsam errungene Güter betrachtet werden. Im Gegensatz zur Gütergemeinschaft, bei der das gesamte Vermögen gemeinschaftlich wird, bleiben das voreheliche Vermögen und – je nach System – bestimmte persönliche Gegenstände weiterhin dem jeweiligen Ehepartner zugeordnet.


Grundlagen und Rechtsquellen

Deutschland: Zugewinngemeinschaft als Erfüllungsform

In Deutschland ist die sogenannte Zugewinngemeinschaft der gesetzliche Güterstand, der in wesentlichen Punkten einer Errungenschaftsgemeinschaft entspricht. Die wichtigsten Regelungen finden sich in den §§ 1363-1390 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Kernstück ist, dass während der Ehe das jeweilige Vermögen der Ehepartner getrennt bleibt, beim Ende des Güterstands jedoch der Zugewinn hälftig ausgeglichen wird.

Zugewinnausgleich

Beim Ende des Güterstandes (z.B. im Scheidungsfall oder bei Tod eines Ehegatten) wird berechnet, welchen Vermögenszuwachs („Zugewinn“) jeder Partner in der Ehe erzielt hat. Derjenige Ehegatte, der während des Bestehens der Zugewinngemeinschaft einen geringeren Zugewinn erzielt hat, erhält eine Ausgleichsforderung in Höhe der Hälfte der Differenz zum höheren Zugewinn des anderen Partners.

Vermögensverwaltung

Während der Ehe bleibt das Vermögen der Partner getrennt. Jeder Ehegatte verwaltet sein Vermögen eigenständig. Für Verfügungen über das gesamte – wesentliche – Vermögen (z.B. Wohnhaus) wird jedoch die Zustimmung des anderen Ehepartners benötigt (§ 1365 BGB).

Schweiz: Errungenschaftsbeteiligung als Güterstand

Das schweizerische Eherecht sieht explizit die Errungenschaftsbeteiligung als ordentlichen Güterstand vor (Art. 196-220 ZGB). Hierbei wird das Vermögen in Eigengut und Errungenschaft unterschieden.

Eigengut

Eigengut umfasst Vermögenswerte, die ein Ehegatte in die Ehe eingebracht oder während der Ehe durch Erbschaft oder Schenkung erhalten hat. Ebenfalls dazu zählen ausschließlich persönliche Gegenstände.

Errungenschaft

Als Errungenschaft gilt das während der Ehe erworbene Vermögen, insbesondere Arbeitserwerb, Sozialleistungen, Einkünfte aus dem Eigengut sowie Erträge der Errungenschaft.

Auflösung und Teilung

Im Fall der Auflösung des Güterstandes wird die während der Ehe erzielte Errungenschaft beider Ehegatten hälftig geteilt. Eigengut bleibt jeweils dem Inhaber vorbehalten.


Vermögensaufteilung und Ausgleichsansprüche

Berechnung des Zugewinns / der Errungenschaft

Die Berechnung erfolgt durch einen Vergleich des Anfangs- und Endvermögens beider Ehepartner. Vom Endvermögen (bei Auflösung des Güterstandes) wird das Anfangsvermögen (bei Eheschließung) abgezogen. Schenkungen und Erbschaften während der Ehe werden dem Anfangsvermögen zugeschlagen (Deutschland) beziehungsweise als Eigengut behandelt (Schweiz).

Ausgleichspflicht

Der Ehepartner mit dem geringeren Zugewinn bzw. der geringeren Errungenschaft hat Anspruch auf den Ausgleich. Dieser Anspruch ist regelmäßig auf Zahlung einer Geldforderung gerichtet und keine dingliche Teilung der Vermögensgegenstände. Immobilien, Unternehmensbeteiligungen und andere Vermögenswerte werden für den Zweck des Ausgleichs bewertet.

Ausführungsmodalitäten

Es sind Fristen, Formvorschriften und Mitwirkungspflichten zu beachten. Die Berechnung erfordert Offenlegung sämtlicher relevanter Vermögenswerte, oftmals unter Hinzuziehung sachkundiger Bewertung und Darstellung in Bestandsverzeichnissen.


Besondere Konstellationen und Ausnahmen

Ehevertragliche Modifizierungen

Über Eheverträge können Ehegatten abweichende Vereinbarungen zum Güterstand treffen, z.B. Gütertrennung oder modifizierte Zugewinngemeinschaft bzw. Errungenschaftsbeteiligung. Solche Vereinbarungen bedürfen in Deutschland der notariellen Beurkundung (§ 1410 BGB).

Auswirkungen auf Dritte

Für Gläubiger von Ehegatten ist die Errungenschaftsgemeinschaft von Bedeutung, da grundsätzlich nur das persönliche Vermögen des Schuldners zur Haftung herangezogen werden kann. Bei Verfügungen über das Gesamtvermögen besteht ein Schutzmechanismus durch die Zustimmungspflichten des anderen Ehepartners.

Schutzmechanismen

Bei unerlaubten oder missbräuchlichen Vermögensverschiebungen oder Schmälerung des Vermögens bestehen in beiden Rechtssystemen Möglichkeiten zur Anfechtung oder zum Ausgleich. In Deutschland kann zum Beispiel bei illoyalen Schenkungen an Dritte in der Trennungsphase eine Ausgleichspflicht entstehen (§ 1375 Abs. 2 BGB).


Internationale und steuerrechtliche Aspekte

Anerkennung im internationalen Umfeld

Bei Ehen mit Auslandsbezug ist das internationale Privatrecht maßgeblich. So kann nach dem EU-Güterrecht (EheVO 2016/1103) beispielsweise deutsches oder schweizerisches Güterrecht zur Anwendung kommen, abhängig vom gewöhnlichen Aufenthalt oder der Staatsangehörigkeit der Partner. Die gegenseitige Anerkennung der güterrechtlichen Wirkungen ist im europäischen und internationalen Kontext weitgehend geregelt.

Steuerliche Rahmenbedingungen

Die Zuwendungskraft des Zugewinnausgleichs oder der Errungenschaftsteilung kann bei der steuerlichen Veranlagung (Schenkungs- oder Erbschaftsteuer) Bedeutung erlangen. In Deutschland wird der Zugewinnausgleich im Erbfall beispielsweise als erbschaftsteuerfrei behandelt (§ 5 ErbStG).


Fazit

Die Errungenschaftsgemeinschaft stellt einen Güterstand dar, der das während der Ehe gemeinsam erworbene Vermögen ausgewogen und rechtssicher zwischen den Ehegatten aufteilt. Sie fördert die wirtschaftliche Teilhabe beider Partner am Erwerb während der Ehe und berücksichtigt dabei sowohl den Schutz individuelles Vermögens als auch den Ausgleich gemeinsamer Errungenschaften. Die gesetzliche Ausgestaltung reicht dabei von getrenntem Vermögensbestand während der Ehe bis zum verpflichtenden Ausgleich bei Auflösung des Güterstandes. Die genaue Wirkung der Errungenschaftsgemeinschaft ergibt sich aus den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen sowie den getroffenen vertraglichen Regelungen.


Siehe auch

  • Zugewinngemeinschaft
  • Gütertrennung
  • Gütergemeinschaft
  • Ehevertrag
  • Eherecht im internationalen Vergleich

Quellen:

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 1363-1390
  • Schweizer Zivilgesetzbuch (ZGB), Art. 196-220
  • EU-Verordnung 2016/1103
  • Literatur zum Ehegüterrecht

Häufig gestellte Fragen

Was geschieht mit während der Ehe erworbenem Vermögen im Rahmen der Errungenschaftsgemeinschaft?

Im Rahmen der Errungenschaftsgemeinschaft bleibt das vor der Eheschließung erworbene Vermögen (Eigengut) grundsätzlich in alleiniger Verfügung jedes Ehegatten. Während der Ehe durch Arbeitserwerb, Rentenansprüche, Ersparnisse oder Zinserträge erworbenes Vermögen wird hingegen als Errungenschaft erfasst. Im Fall einer Auflösung des Güterstandes (durch Scheidung oder Tod) wird die während der Ehe zusammengekommene Errungenschaft beider Ehepartner grundsätzlich hälftig geteilt. Dies umfasst insbesondere Erwerbseinkommen, aber beispielsweise auch Sozialversicherungsleistungen, Entschädigungen für Arbeitsunfähigkeiten und andere Zuwächse, die während der Ehe entstehen. Schenkungen, Erbschaften und Gegenstände des persönlichen Gebrauchs sind davon in der Regel ausgenommen und zählen weiterhin zum Eigengut. Die genaue Berechnung und der Nachweis der Zugehörigkeit zu Errungenschaft oder Eigengut obliegen im Streitfall den jeweils beteiligten Ehegatten, weshalb eine klare Dokumentation von Vermögenszugängen ratsam ist.

Welche Arten von Gütern werden unterschieden und wie erfolgt die Vermögensteilung?

Das Vermögen der Ehegatten wird im System der Errungenschaftsgemeinschaft in zwei Hauptkategorien unterteilt: Eigengut und Errungenschaft. Zum Eigengut zählen alle Vermögenswerte, die ein Ehepartner bereits vor der Ehe besaß, sowie Erbschaften, Schenkungen und Gegenstände zum ausschließlichen persönlichen Gebrauch, auch wenn sie während der Ehe erworben wurden. Die Errungenschaft umfasst das während der Ehe durch Arbeit oder anderweitige Leistungen gemeinsam erworbene Vermögen. Bei der Auflösung der Errungenschaftsgemeinschaft, etwa durch Scheidung, wird ausschließlich die Errungenschaft geteilt, und zwar nach Abzug allfälliger Schulden, die im Zusammenhang mit der Errungenschaft stehen. Das Eigengut bleibt jedem Ehepartner ungeteilt. Die Teilung erfolgt regelmässig zu gleichen Teilen, außer es wurde im Ehevertrag eine abweichende Regelung vereinbart.

Wie werden Schulden in der Errungenschaftsgemeinschaft behandelt?

Schulden werden innerhalb der Errungenschaftsgemeinschaft danach unterschieden, aus welchem Vermögen sie finanziert wurden oder welchem Zweck sie dienten. Verbindlichkeiten, die einem bestimmten Vermögensteil zuzuordnen sind, werden grundsätzlich mit diesem verrechnet: Gehören Schulden zum Eigengut (z. B. Verbindlichkeiten, die zum Erwerb des Eigenguts aufgenommen wurden), können sie nur mit diesem beglichen werden. Schulden, die zur Finanzierung der Errungenschaft aufgenommen wurden (beispielsweise ein Kredit zur Anschaffung gemeinsamer Haushaltsgegenstände), werden mit der Errungenschaft verrechnet. Bei der Auflösung der Errungenschaftsgemeinschaft wird zunächst das jeweilige Vermögen mit den dazugehörigen Schulden verrechnet, bevor eine Teilung der Errungenschaft stattfindet. Darüber hinaus haftet jeder Ehegatte in der Regel nur für eigene Schulden; eine gesamtschuldnerische Haftung besteht nur in Ausnahmefällen, etwa wenn beide Ehegatten gemeinsam einen Vertrag abgeschlossen haben.

Wie kann eine abweichende Regelung zur gesetzlichen Errungenschaftsgemeinschaft getroffen werden?

Die gesetzliche Regelung zur Errungenschaftsgemeinschaft kann durch einen notariell beurkundeten Ehevertrag modifiziert werden. Innerhalb bestimmter gesetzlicher Schranken können Ehegatten beispielsweise vereinbaren, bestimmte Vermögensteile zum Eigengut zu erklären oder die Art der Teilung der Errungenschaft anders zu regeln. Allerdings ist es nicht möglich, auf den Grundsatz der Teilung der Errungenschaft vollständig zu verzichten, da diese zum Schutz der wirtschaftlich schwächeren Partei dient. Zudem können die Ehegatten Vermögenswerte von der Errungenschaft ausschließen oder eine andere Aufteilung bei der Auflösung der Ehe vereinbaren. Änderungen und Ergänzungen des Güterstandes sind jedoch nur wirksam, wenn sie notariell beurkundet und einvernehmlich vereinbart werden.

Wie erfolgt der Ausgleich der Errungenschaft im Falle der Scheidung?

Im Scheidungsfall wird das während der Ehe gemeinsam erworbene Vermögen (Errungenschaft) festgestellt. Hierzu werden Anfangs- und Endvermögen beider Ehepartner ermittelt, wobei Schenkungen, Erbschaften und vor der Ehe erlangte Vermögenswerte als Eigengut unberücksichtigt bleiben. Nach Bestimmung der jeweiligen Errungenschaft werden hiervon die auf diesen Vermögensanteil entfallenden Schulden abgezogen. Abschließend erfolgt ein Ausgleich, indem die Nettobeträge beider Parteien verglichen werden; ist das Ergebnis nicht identisch, wird ein Ausgleichszahlungsanspruch zugunsten der wirtschaftlich benachteiligten Partei festgelegt. Dabei werden auch bereits zu Lebzeiten zugeflossene Werte, etwa aus Erbschaften, gesondert geprüft, um entsprechende Ausgleichsansprüche korrekt zu berechnen.

Welche Transparenz- und Nachweispflichten bestehen für die Ehegatten?

Jeder Ehegatte ist verpflichtet, über sein Vermögen einschließlich Schulden, sowohl beim Eintritt in den Güterstand als auch im Verlauf der Ehe und spätestens bei deren Auflösung vollständige und wahrheitsgemäße Auskünfte zu erteilen. Im Streitfall ist jeder Ehegatte dazu angehalten, Belege zu erbringen, die Aufschluss über Herkunft und Entwicklung des Vermögens geben. Dazu zählen beispielsweise Kontoauszüge, Schenkungsverträge, Erbschaftsnachweise oder Rechnungen. Eine mangelhafte oder verweigerte Auskunft kann nachteilige Rechtsfolgen nach sich ziehen und z. B. zur Schätzung durch das Gericht führen. Die Mitwirkungspflicht dient dazu, eine gerechte Aufteilung der Errungenschaft sicherzustellen und mögliche Streitigkeiten über Vermögenswerte und Schulden zu vermeiden.

Was geschieht im Todesfall eines Ehepartners bei bestehender Errungenschaftsgemeinschaft?

Verstirbt ein Ehegatte, wird zunächst die Errungenschaftsgemeinschaft güterrechtlich aufgelöst. Zunächst erfolgt die Berechnung und Aufteilung der Errungenschaft zwischen dem überlebenden Ehegatten und dem Nachlass des verstorbenen Ehegatten. Der Anteil an der Errungenschaft, der dem Verstorbenen zustand, wird Teil seines Nachlasses und unterliegt der sodann folgenden erbrechtlichen Auseinandersetzung mit den übrigen Erben. Der Überlebende erhält sein Eigengut und die Hälfte der gemeinschaftlichen Errungenschaft; die andere Hälfte geht zunächst in den Nachlass ein und wird von dort gemäß Testament oder gesetzlicher Erbfolge aufgeteilt. Dies führt im Regelfall dazu, dass der überlebende Ehepartner sowohl im güterrechtlichen als auch im erbrechtlichen Verfahren Ansprüche geltend machen kann.