Legal Lexikon

Erlass


Begriff und Rechtsnatur des Erlasses

Der Begriff „Erlass” bezeichnet im rechtlichen Kontext eine rechtsgeschäftliche oder hoheitliche Maßnahme, durch die eine Forderung, Verpflichtung oder ein Verwaltungsakt aufgehoben, reduziert oder angepasst wird. Der Erlass ist sowohl im Zivilrecht als auch im öffentlichen Recht, insbesondere im Steuerrecht und im Verwaltungsrecht, von maßgeblicher Bedeutung. Seine praktische Relevanz entsteht vor allem durch die Möglichkeit, rechtliche Pflichten ganz oder teilweise zu beseitigen.

Erlass im Zivilrecht

Rechtsgrundlagen und Funktionsweise

Im Zivilrecht stellt der Erlass gemäß § 397 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) einen Vertrag dar, durch den der Gläubiger dem Schuldner die geschuldete Leistung endgültig erlässt. Der Erlassvertrag ist ein zweiseitiges Rechtsgeschäft und setzt übereinstimmende Willenserklärungen beider Parteien voraus. Der Schuldner muss das Angebot auf Erlass ausdrücklich annehmen.

Beispiel für einen Erlassvertrag

  • Ein Gläubiger ist bereit, auf die Rückzahlung eines Darlehens zu verzichten. Durch Abschluss eines Erlassvertrages erlischt die Verpflichtung des Schuldners.

Rechtsfolgen

Durch den Erlassvertrag erlischt die Forderung. Bereits mit Vertragsschluss entfällt die Leistungspflicht des Schuldners, soweit nichts anderes vereinbart wird. Wird der Erlass unter einer Bedingung oder mit einer Auflage vereinbart, gelten die gleichen Grundsätze wie bei bedingten Rechtsgeschäften.

Verhältnis zu anderen Rechtsinstituten

Der Erlass ist von verwandten Instituten wie dem Vergleich (§ 779 BGB) und der Verjährung zu unterscheiden. Während beim Vergleich ein gegenseitiges Nachgeben vorliegt, führt allein der Erlassvertrag ohne Gegenleistung zum Wegfall der Forderung.

Erlass im öffentlichen Recht

Erlass im Verwaltungsrecht

Im Verwaltungsrecht bezeichnet der Begriff „Erlass” eine hoheitliche Maßnahme, mit der eine Behörde generelle Anordnungen oder interne Weisungen für nachgeordnete Dienststellen trifft. Hierbei handelt es sich rechtlich nicht um Verwaltungsakte, sondern um Verwaltungsvorschriften, die keine unmittelbare Außenwirkung gegenüber Bürgerinnen und Bürgern entfalten.

Typische Anwendungsbereiche

  • Handlungsanweisungen an nachgeordnete Behörden
  • Richtlinien zur Auslegung von Gesetzen oder Verfahren

Verwaltungsvorschriften in Form von Erlassen binden die Verwaltung intern, jedoch nicht unmittelbar die Bürger. Dennoch üben sie faktisch eine erhebliche Wirkung auf die Verwaltungspraxis aus.

Erlass im Steuerrecht

Im Steuerrecht hat der Begriff „Erlass” eine besondere Bedeutung. Gemäß § 227 Abgabenordnung (AO) kann die Finanzbehörde ganz oder teilweise auf Steueransprüche verzichten, wenn deren Einziehung nach Lage des Einzelfalls unbillig wäre.

Voraussetzungen

Ein Steuererlass setzt in der Regel voraus:

  • Unbilligkeit der Einziehung (persönliche oder sachliche Unbilligkeit)
  • Antrag des Steuerpflichtigen
  • Ermessen der Finanzbehörde

Der Steuererlass ist ein Teil der sog. Billigkeitsmaßnahmen. Er unterscheidet sich vom Steuererlass kraft Gesetzes, wie beispielsweise im Insolvenzverfahren, bei dem die abgetretenen Ansprüche nach Ablauf des Verfahrens unter bestimmten Voraussetzungen erlöschen.

Rechtsfolgen

Im Fall eines Steuererlasses erlischt die Steuerschuld ganz oder teilweise rückwirkend. Gegen die Versagung eines Erlassantrags kann grundsätzlich Einspruch eingelegt werden.

Unterschiedliche Erlassformen in der Praxis

  • Teilweiser Erlass (sog. „Teilerlass”): Nur ein Teil der Forderung wird erlassen.
  • Bedingter Erlass: Der Erlass gilt nur, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.
  • Stundung und Erlass: Rechtlich zu unterscheiden ist der Erlass von der Stundung, bei der zwar die Fälligkeit aufgeschoben, die Forderung jedoch nicht aufgehoben wird.

Besonderheiten und Abgrenzungen

Abgrenzung von Verzicht, Vergleich und Stundung

Der Erlass unterscheidet sich vom bloßen Verzicht darauf, Rechte geltend zu machen (der Anspruch bleibt bestehen), und der Stundung, bei der nur ein Zahlungsaufschub gewährt wird. Im Vergleich werden gegenseitige Nachgiebigkeiten vereinbart.

Formvorschriften

Im deutschen Zivilrecht ist für den Erlassvertrag grundsätzlich keine besondere Form erforderlich, es sei denn, das zugrundeliegende Geschäft unterliegt einer Formvorschrift (z. B. bei Immobiliengeschäften).

Bedeutung in der gerichtlichen Praxis

Erlasse können auch prozessual relevant werden, etwa wenn ein Gläubiger nach Klageerhebung auf Teile der Forderung verzichtet und der Anspruch damit teilweise erlischt. Dies ist bei der Feststellung des Streitgegenstandes und bei Kostenentscheidungen zu berücksichtigen.

Internationaler Kontext

Auch in anderen Rechtsordnungen existiert der Rechtsbegriff des Erlasses, wenn auch unter anderen Bezeichnungen (z. B. englisch: “release” oder “remission of debt”). Die jeweils nationalen Rechtsgrundlagen und die dogmatische Einordnung können abweichen.

Zusammenfassung

Der Erlass ist ein vielgestaltiges Instrument des Zivil- und öffentlichen Rechts, das entweder durch vertragliche Vereinbarung oder durch hoheitliche Verfügung eine Forderung, Verpflichtung oder Rechtsfolge aufhebt oder reduziert. Von erheblicher praktischer Bedeutung ist der Erlass insbesondere im Steuerrecht, Verwaltungsrecht und bei privaten Forderungen. Die Voraussetzungen, Rechtsfolgen und Anwendungsbereiche des Erlasses sind im jeweiligen Rechtsgebiet unterschiedlich ausgestaltet und durch eine Vielzahl von Gesetzen und Vorschriften geregelt.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist berechtigt, einen Erlass auszusprechen?

Ein Erlass kann grundsätzlich nur vom Gläubiger erklärt werden, da dieser über das Recht verfügt, auf die ihm zustehende Forderung zu verzichten. Im rechtlichen Kontext ist der Erlass ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, das entweder durch Vertragsschluss oder durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung zustande kommen kann. Besonders im Schuldrecht ist zu beachten, dass der Erlassvertrag §§ 397 ff. BGB besonderen Formvorschriften unterliegt, sofern diese im Einzelfall gesetzlich vorgesehen oder individualvertraglich vereinbart wurden. Eine Vertretung des Gläubigers beim Erlass ist zulässig, sofern eine wirksame Bevollmächtigung oder gesetzliche Vertretung – etwa durch einen Insolvenzverwalter – besteht. Beim Erlass öffentlich-rechtlicher Forderungen, z. B. Steuerschulden, ist die jeweils zuständige Behörde entscheidungsbefugt, wobei hier spezialgesetzliche Regelungen und verwaltungsinterne Vorgaben zur Anwendung kommen.

Welche Formen und Voraussetzungen muss ein Erlass erfüllen?

Der Erlass bedarf im deutschen Recht keiner besonderen Form, es sei denn, eine solche ist explizit vorgeschrieben (beispielsweise bei Grundstücksgeschäften nach § 311b BGB). In der Praxis wird ein Erlass aus Gründen der Rechtssicherheit meist schriftlich festgehalten, etwa durch einen „Schuldschein-Erlassvertrag”. Notwendig ist stets eine Einigung zwischen Gläubiger und Schuldner über den Erlass der Forderung („Erlassvertrag” gemäß § 397 BGB). Die Willenserklärungen müssen auf den Eintritt der Rechtsfolge – die vollständige oder teilweise Aufgabe des Anspruchs – gerichtet sein. Die Zustimmung des Schuldners ist in der Regel erforderlich, da es sich um einen zweiseitigen Vertrag handelt; in Ausnahmen (z. B. konkludentes Verhalten oder Annahmeverzug des Schuldners) sind einseitige Erlasserklärungen denkbar.

Welche Wirkungen hat ein Erlass auf die Forderung und etwaige Sicherheiten?

Mit dem wirksamen Erlass erlischt nach § 397 Abs. 1 BGB die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner vollständig oder, bei Teilerlass, in dem vereinbarten Umfang. Etwa bestehende Sicherheiten, wie Bürgschaften oder Hypotheken, erlöschen grundsätzlich akzessorisch mit dem zugrundeliegenden Anspruch, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wurde. Allerdings gilt dies nicht immer für Sicherheiten Dritter, da solche im Zweifel nach dem Willen der Parteien fortbestehen sollen. Der Gläubiger kann z. B. auf einer separaten Vereinbarung zur Sicherheitenfreigabe bestehen. Ferner entfaltet der Erlass nur Wirkung zwischen den Parteien; etwaige Regress-, Ausgleichs- oder Rückgriffsansprüche unbeteiligter Dritter können weiterhin bestehen bleiben, sofern nicht auch ihnen gegenüber ein Erlass erklärt wurde.

Wie ist der Erlass im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zu behandeln?

Im Insolvenzverfahren ist der Erlass von Forderungen sowohl in materiell-rechtlicher als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht von Bedeutung. Stellt der Schuldner einen Antrag auf Insolvenz, kann der Gläubiger im Rahmen eines Insolvenzplans einem teilweisen oder vollständigen Forderungsverzicht (vergleichsweise „Erlass”) zustimmen, wodurch sich die Höhe der zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung verringert. Im Konkursverfahren ist zu beachten, dass eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärte Erlassvereinbarung mit dem Schuldner nach § 81 InsO unter Umständen unwirksam sein kann, da über die Forderungen nur noch der Insolvenzverwalter verfügen darf. Bereits vor Insolvenzeröffnung ausgesprochene Erlasse bleiben dagegen grundsätzlich wirksam, sofern keine anfechtbaren Rechtshandlungen nach §§ 129 ff. InsO vorliegen.

Kann ein früheres Schuldanerkenntnis durch Erlass aufgehoben werden?

Ein Schuldanerkenntnis ist grundsätzlich ein eigenständiges Schuldversprechen (§ 780 BGB) oder Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB), das von dem eigentlichen Rechtsgrund losgelöst sein kann. Auch solche Ansprüche können durch Erlassvertrag gemäß § 397 BGB aufgehoben werden, sofern sowohl der Gläubiger als auch der Schuldner dies einvernehmlich wünschen. Der Erlass bezieht sich dann auf das abstrakte oder das kausale Anerkenntnis, je nach inhaltlicher Ausgestaltung des vorangegangenen Rechtsgeschäfts. Die Aufhebung kann sowohl explizit durch einen Erlassvertrag als auch durch konkludente Vereinbarungen oder schlüssiges Verhalten erfolgen, wobei stets die jeweilige Rechtsnatur des Anerkenntnisses zu berücksichtigen ist.

Gelten besondere Regelungen für den Erlass öffentlicher Forderungen (z.B. Steuern und Abgaben)?

Für den Erlass öffentlicher Forderungen – insbesondere Steuern und Abgaben – gelten spezielle rechtliche Bestimmungen. Maßgeblich sind hier § 227 Abgabenordnung (AO) für Steuerschulden sowie die jeweiligen Landesgesetze für kommunale Abgaben. Der Erlass kann nur aus Billigkeitsgründen erfolgen, etwa wenn die Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Hierfür sind umfangreiche Einzelfallprüfungen erforderlich und in aller Regel ein schriftlicher Antrag des Schuldners bei der zuständigen Behörde. Die Entscheidung liegt im Ermessen der Behörde und unterliegt oftmals strengen Nachweispflichten sowie ggf. einer weiteren Überprüfung durch gerichtliche Instanzen im Verwaltungsstreitverfahren. Ein Rechtsanspruch auf Erlass besteht demnach nicht; der Gläubiger ist lediglich verpflichtet, sein Ermessen ordnungsgemäß auszuüben.

Ist ein Erlass widerrufbar oder anfechtbar?

Nach Wirksamwerden ist der Erlass grundsätzlich nicht mehr einseitig widerrufbar, da er ein zweiseitiges Rechtsgeschäft ist, welches auf dem übereinstimmenden Willen beider Parteien beruht. Eine Anfechtung bleibt jedoch nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 119 ff. BGB) möglich, insbesondere bei Irrtum, arglistiger Täuschung oder Drohung. Wird die Anfechtung erfolgreich erklärt, so ist der Erlass ex tunc nichtig, das heißt, die Forderung lebt rückwirkend wieder auf. Im Rahmen von Insolvenzverfahren sind zudem die besonderen Anfechtungsrechte nach InsO zu beachten, welche es erlauben, bestimmte Rechtshandlungen, insbesondere ungerechtfertigte Schuldbefreiungen kurz vor Insolvenzeröffnung, rückabzuwickeln.