Begriff und Definition: Erklärung der Menschenrechte
Die Erklärung der Menschenrechte bezeichnet eine feierliche, meist völkerrechtlich bedeutsame Proklamation grundlegender Rechte, Freiheiten und Pflichten des Menschen. Diese Erklärungen beanspruchen universelle Gültigkeit für alle Menschen ohne Unterscheidung nach Herkunft, Rasse, Geschlecht, Religion oder sonstigem Status. Sie bilden einen grundlegenden Referenzrahmen für das Verständnis und die Durchsetzung von Menschenrechten im internationalen sowie im nationalen Recht.
Historische Entwicklung der Menschenrechtserklärungen
Frühe Dokumente und Vorläufer
Bereits in der Antike finden sich erste Ansätze menschenrechtlicher Überlegungen. Zu den bedeutenden historischen Vorläufern zählen die Magna Carta (1215), die Bill of Rights (1689) in England, die Virginia Bill of Rights (1776) und die Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen (1789) in Frankreich. Diese frühen Dokumente legten die Grundlage für spätere, systematischere Erklärungen der Menschenrechte.
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) der Vereinten Nationen von 1948
Entstehung und Bedeutung
Am 10. Dezember 1948 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) als Reaktion auf die Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs. Die AEMR besteht aus einer Präambel und 30 Artikeln und stellt den weltweit bedeutendsten Bezugspunkt für internationale Menschenrechte dar. Auch wenn die AEMR rechtlich als Deklaration und nicht als bindender Vertrag konzipiert ist, entfaltet sie durch ihre breite Akzeptanz eine starke rechtliche und politische Wirkung.
Inhalt und Aufbau
Die AEMR gliedert sich grob in vier Abschnitte:
* Präambel: Grundsatzüberlegungen und Zielsetzung
* Artikel 1-2: Grundlegende Prinzipien (Würde, Gleichheit, Verbot der Diskriminierung)
* Artikel 3-21: Bürgerliche und politische Rechte (z. B. Recht auf Leben, Freiheit, Meinungsfreiheit, Rechtsgleichheit)
* Artikel 22-27: Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (z. B. Recht auf Arbeit, soziale Sicherung, Bildung)
* Artikel 28-30: Verpflichtungen und Grenzen der Rechte
Weitere internationale Menschenrechtserklärungen
Neben der AEMR existieren weitere relevante Erklärungen, darunter die Erklärung über die Rechte des Kindes (1959, 1989/90 als UN-Kinderrechtskonvention), die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte indigener Völker (2007) sowie zahlreiche themen- und regionalspezifische Dokumente, wie die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker (1981).
Rechtliche Wirkung und völkerrechtlicher Status
Deklaratorischer Charakter und faktische Bindung
Obwohl die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte völkerrechtlich keine förmliche Bindungswirkung entfaltet, hat sie durch ihre breite Anerkennung und durch die Verankerung zentraler Rechte in internationalen Verträgen (z. B. Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966) eine faktische Verbindlichkeit erlangt. In der Praxis hat sich die AEMR als interpretativer Maßstab für Menschenrechte innerhalb und außerhalb der Vereinten Nationen etabliert.
Verankerung in völkerrechtlichen Verträgen
Viele der in der AEMR formulierten Prinzipien wurden in mehreren internationalen Verträgen kodifiziert. Hierzu zählen insbesondere:
* Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR, 1966)
* Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR, 1966)
* Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK, 1950)
* Amerikanische Menschenrechtskonvention (1969)
* Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker (1981)
Diese Verträge sind für die jeweiligen Ratifikationsstaaten völkerrechtlich verbindlich und sehen vielfach auch Überwachungsmechanismen und Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen vor.
Anerkennung im nationalen Recht
Viele Staaten, darunter auch Deutschland (Art. 1-20 GG), haben menschenrechtliche Grundsätze ihrer Verfassung angeglichen oder übernommen. In unterschiedlichen Rechtstraditionen kommt der jeweils maßgeblichen Menschenrechtserklärung sowohl als Auslegungshilfe wie auch als Quelle für die fortschreitende Entwicklung von Grund- und Menschenrechten Bedeutung zu.
Aufbau und Systematik der Menschenrechtserklärungen
Unteilbarkeit und Universalität der Rechte
Ein zentrales Prinzip sämtlicher Menschenrechtserklärungen ist die Universalität: Menschenrechte stehen jedem Menschen allein aufgrund seines Menschseins zu. Daneben wird die Unteilbarkeit aller Rechte betont, da bürgerliche, politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte als gleichwertig erachtet werden.
Negative und positive Rechte
Erklärungen der Menschenrechte umfassen sowohl negative Rechte (Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe, z. B. Schutz der Freiheit) als auch positive Rechte (Anspruch auf Leistungen seitens des Staates, z. B. Recht auf Bildung oder soziale Sicherheit).
Individuelle und kollektive Rechte
Neben individuellen Freiheitsrechten erkennen neuere Dokumente vermehrt kollektive Rechte an, etwa Rechte von Minderheiten, indigenen Völkern oder Völkern auf Selbstbestimmung.
Bedeutung für Rechtsprechung und Rechtsanwendung
Interpretative Leitlinie
Internationale Menschenrechtserklärungen werden von Gerichten und Behörden weltweit als Maßstab zur Auslegung nationaler Gesetze und Verfassungen herangezogen. Sie beeinflussen sowohl die Gesetzgebung als auch die Rechtsprechung, insbesondere im Bereich der Grundrechtsprüfung.
Bedeutung für die Entwicklung des Völkergewohnheitsrechts
Einige Grundsätze aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte haben sich zu internationalem Gewohnheitsrecht entwickelt und sind somit auch für Staaten verbindlich, die einzelne Menschenrechtsverträge nicht ratifiziert haben.
Anwendung auf nichtstaatliche Akteure
Moderne Interpretationen der Menschenrechtserklärungen erfassen auch die Verantwortung nichtstaatlicher Akteure, etwa internationaler Unternehmen, und begründen Sorgfaltspflichten im Rahmen der Unternehmensverantwortung.
Fazit
Die Erklärung der Menschenrechte, insbesondere verkörpert in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, bildet das fundamentale Rahmenwerk für den Schutz der Menschenwürde, die Sicherung grundlegender Freiheitsrechte sowie die Förderung sozialer Gerechtigkeit auf globaler Ebene. Rechtlich sind diese Erklärungen sowohl als Interpretationsmaßstab wie auch als Grundlage für die Entwicklung verbindlicher Normen von überragender Bedeutung für das Völkerrecht, regionales Recht und nationale Grundrechtsordnungen. Ihre ständige Fortentwicklung und der Ausbau effektiver Schutzmechanismen bleibt ein zentrales Anliegen des internationalen Rechts sowie der staatlichen und gesellschaftlichen Praxis.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtliche Verbindlichkeit haben die Erklärung der Menschenrechte auf internationaler Ebene?
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) von 1948 wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen, stellt jedoch als Resolution der Vereinten Nationen formal kein völkerrechtlich verbindliches Dokument dar. Sie entfaltet zunächst rechtlich gesehen nur empfehlenden Charakter. Dennoch hat sie als sogenannte „soft law”-Quelle enorme Bedeutung erlangt: Viele ihrer Grundsätze wurden in nachfolgenden, rechtlich bindenden Menschenrechtsverträgen – wie dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) sowie dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) – übernommen und konkretisiert. Darüber hinaus werden einzelne Bestimmungen der AEMR häufig als Ausdruck des Völkergewohnheitsrechts betrachtet, was bedeutet, dass sie unabhängig von der Unterzeichnung durch einzelne Staaten allgemeinverbindlich gelten können. Im nationalen Recht einiger Staaten ist die AEMR Grundlage oder Bestandteil der Verfassung oder Gesetzgebung geworden. Letztlich ist ihr Einfluss auch über Gerichtsentscheidungen – sowohl national als auch vor internationalen Gerichtshöfen – herstellbar und hat so zur Entwicklung allgemeiner Menschenrechtsstandards beigetragen.
Wie wurden Rechte aus der AEMR in bindendes Recht überführt?
Viele Rechte, wie sie in der AEMR festgehalten sind, wurden in den 1966 verabschiedeten internationalen Menschenrechtsverträgen – namentlich dem IPbpR und dem IPwskR – konkretisiert und für die Vertragsstaaten völkerrechtlich verbindlich gemacht. Diese Verträge enthalten detaillierte Verpflichtungen für die einzelnen Staaten hinsichtlich des Schutzes und der Achtung der Menschenrechte. Durch Ratifizierung dieser Pakte verpflichten sich Staaten, die genannten Menschenrechte in ihre nationale Gesetzgebung zu integrieren und unterliegen darüber hinaus Überwachungsmechanismen, beispielsweise in Form von Staatenberichtsverfahren vor dem jeweiligen Vertragsorgan der Vereinten Nationen. Zusätzlich haben sich zahlreiche regionale Menschenrechtsverträge entwickelt, die zum Teil noch über die Standards der AEMR hinausgehen, wie die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), die Amerikanische Menschenrechtskonvention oder die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker. Auf nationaler Ebene ist die Umsetzung abhängig von Verfassungsrang, unmittelbarer Anwendbarkeit oder der Notwendigkeit weiterer Ausführungsgesetze.
Welche Durchsetzungsmechanismen gibt es für die in der Erklärung formulierten Rechte?
Da die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte selbst keine unmittelbare Verbindlichkeit besitzt und keine Sanktionen vorsieht, sind ihre Durchsetzungsmechanismen begrenzt. Rechtliche Durchsetzung entsteht primär über bindende Menschenrechtsverträge, welche gerichtliche Verfahren oder Beschwerdemechanismen ermöglichen, etwa vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) oder vor Sonderausschüssen der Vereinten Nationen. Staaten können zivilgesellschaftlich und politisch unter Druck gesetzt werden, etwa durch öffentliche Kritik, Resolutionen oder “Naming and Shaming”. Einige Staaten haben die in der AEMR formulierten Rechte in ihre Verfassungen aufgenommen und dadurch eine rechtliche Grundlage für die nationale Rechtsprechung geschaffen. Internationaler Schutz erfolgt außerdem über Monitoring-Systeme, Staatenberichte und Empfehlungen durch VN-Sonderverfahren oder Berichterstatter, wenngleich diese im Regelfall keine verbindlichen Anordnungen treffen können.
Welche Rolle spielen nationale Gerichte bei der Umsetzung der Menschenrechte?
Nationale Gerichte können eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung menschenrechtlicher Standards spielen, sofern diese im jeweiligen Land Teil des innerstaatlichen Rechts sind. In vielen Ländern haben Gerichte das Recht, sich auf internationale Menschenrechte zu berufen, sofern diese in das nationale Recht überführt wurden. Beispielsweise überprüfen Verfassungsgerichte häufig die Vereinbarkeit von Gesetzen mit den anerkannten Menschenrechten. In Staaten mit monistischer Rechtsordnung werden völkerrechtliche Verträge direkt angewendet, wohingegen dualistische Staaten eine Übertragung in nationales Recht fordern. Nationale Gerichte sind auch zentral für die individuelle Rechtsdurchsetzung – so können Einzelpersonen bei Verletzungen von Menschenrechten Klage erheben. In einigen Fällen, wie etwa bei der EMRK, können nationale Gerichte durch Fehlentscheidungen letztlich von internationalen Gerichtshöfen überprüft werden.
Welche Bedeutung hat der Begriff der „Unteilbarkeit” der Menschenrechte im rechtlichen Kontext?
Im rechtlichen Kontext bedeutet die Unteilbarkeit der Menschenrechte, dass die in der AEMR aufgestellten Rechte und Freiheiten als einheitliches Ganzes verstanden werden müssen: Bürgerliche, politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sind in ihrer Geltung gleichwertig („indivisibel”) und bedingen sich gegenseitig. Völkerrechtlich wird damit betont, dass kein Recht willkürlich anderen Rechten oder Interessen untergeordnet werden darf. Dieses Prinzip wurde auch in den beiden UN-Menschenrechtspakten übernommen und von zahlreichen internationalen Dokumenten und Gerichtsurteilen bestätigt. Gesetzgeber und Gerichte müssen daher stets eine Gesamtbetrachtung vornehmen, damit die Ausübung eines Menschenrechts nicht durch das Zurückstellen anderer grundlegend eingeschränkt wird.
Können Staaten von den in der Menschenrechtserklärung formulierten Rechten abweichen?
Formell ist die AEMR als Resolution nicht rechtlich bindend, so dass Staaten an ihre Regelungen nicht wie an einen völkerrechtlichen Vertrag gebunden sind. In Bezug auf völkerrechtlich verbindliche Menschenrechtsverträge ist jedoch regelmäßig eine Möglichkeit der Abweichung vorgesehen, die sogenannten „Derogationsklauseln”. Diese erlauben es Staaten – etwa im Falle eines nationalen Notstands – einzelne Rechte auszusetzen, sofern dies verhältnismäßig, befristet und mit dem Völkerrecht im Einklang steht. Manche Rechte – sogenannte „nicht derogierbare Rechte”, wie das Folterverbot – genießen absoluten Schutz und dürfen unter keinen Umständen außer Kraft gesetzt werden. Die Voraussetzungen für zulässige Abweichungen und deren Kontrollmechanismen sind international geregelt und unterliegen meist einer wichtigen Kontrollfunktion durch internationale Gremien. Auch im Rahmen der AEMR sind die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Vorrangs bestimmter Rechte anerkannt.