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Erinnerungswert (Erinnerungsposten)


Erinnerungswert (Erinnerungsposten) – Begriffserklärung und rechtlicher Kontext

Definition

Der Erinnerungswert (auch Erinnerungsposten) ist ein Begriff aus dem Handelsrecht und der Rechnungslegung. Er bezeichnet einen geringfügigen Buchwert, der auf Gegenstände des Anlage- oder Umlaufvermögens in der Bilanz angesetzt wird, obwohl ihr eigentlicher Wert bereits abgeschrieben ist oder keiner nennenswerten wirtschaftlichen Bedeutung mehr zukommt. Der Erinnerungswert dient dazu, die fortdauernde Existenz oder Nutzung des Vermögensgegenstandes in den Büchern anzuzeigen und die Bilanzübersichtlichkeit zu wahren.

Rechtsgrundlagen

Der Erinnerungswert findet insbesondere im deutschen Handelsrecht Anwendung. Grundlegend sind hier die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (HGB), insbesondere im Zusammenhang mit den Vorschriften zur Bilanzierung und Abschreibung (§§ 253 ff. HGB). Auch nach den Vorschriften der Abgabenordnung (AO) sowie verschiedenen Richtlinien zur Rechnungslegung, beispielsweise den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB), spielt der Erinnerungsposten eine Rolle.

Handelsgesetzbuch (HGB)

Im HGB ist eine explizite Definition des Erinnerungswertes nicht enthalten. Allerdings ermöglichen die Vorschriften zur Abschreibung und Bewertung von Vermögensgegenständen implizit die Anwendung eines Erinnerungswertes. Die handelsrechtliche Bilanzierung verlangt, dass Gegenstände, die noch vorhanden und nutzbar sind, weiterhin in der Bilanz ausgewiesen werden, auch wenn ihr bilanzieller Wert zum Großteil bereits abgeschrieben ist. In der Praxis wird hierfür häufig ein Erinnerungswert von 1,00 EUR angesetzt.

Steuerrechtliche Grundlagen

Steuerlich finden sich vergleichbare Regelungen im Einkommensteuergesetz (EStG), insbesondere im Rahmen der Vorschriften zur Absetzung für Abnutzung (AfA, § 7 EStG). Die Abschreibung eines Wirtschaftsguts auf einen Erinnerungswert ist zulässig, um dessen fortgesetzte Nutzung bis zu dessen Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen zu dokumentieren.

Anwendungsbereiche

Abschreibungen und Bilanzierung

Der Erinnerungswert findet häufig Anwendung im Zusammenhang mit vollständig abgeschriebenen Anlagegütern, die jedoch weiterhin im Betrieb genutzt werden. Beispiele sind Maschinen, Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie Software. Kommt es zu einer vollständigen planmäßigen oder außerplanmäßigen Abschreibung, bleibt der Vermögensgegenstand mit einem Erinnerungswert in der Bilanz, bis er tatsächlich aus dem Unternehmen ausscheidet.

Geringwertige Wirtschaftsgüter

Im Zusammenhang mit geringwertigen Wirtschaftsgütern (GWG) wird der Erinnerungswert ebenfalls verwendet. Hier kann es vorkommen, dass aus Gründen der Übersichtlichkeit und Nachverfolgbarkeit bei Sachanlagen, die unterhalb der GWG-Grenze liegen und sofort abgeschrieben werden, der Erinnerungswert in der Bilanz verbleibt.

Funktion und Zweck

Bilanzwahrheit und Bilanzklarheit

Der Erinnerungswert dient der Einhaltung der Grundsätze der Bilanzwahrheit und Bilanzklarheit. Solange ein Vermögensgegenstand noch im Betrieb genutzt wird, muss er in der Bilanz fortgeführt werden, um die tatsächlichen Verhältnisse zutreffend wiederzugeben. Der Erinnerungswert kennzeichnet dabei, dass der Gegenstand bilanziell schon nahezu vollständig abgeschrieben wurde, aber physisch noch vorhanden ist.

Dokumentations- und Nachweisfunktion

Die Fortschreibung eines Erinnerungswertes erleichtert die Inventarisierung und stellt sicher, dass Abgänge ordnungsgemäß ausgebucht werden. Sie ist auch für die steuerliche Nachweisführung von Bedeutung, insbesondere bei Anlagenabgängen oder im Rahmen von Betriebsprüfungen.

Behandlung bei Inventar und Ausscheiden

Bei Aussonderung, Entnahme oder Verkauf des betreffenden Vermögensgegenstandes ist der Erinnerungswert auszubuchen und entsprechend im Anlagenverzeichnis sowie in der Buchführung zu dokumentieren. Erst mit dem tatsächlichen Abgang darf der Posten aus der Bilanz entfernt werden.

Buchhalterische Behandlung

Ansatz und Bewertung

Der Erinnerungswert wird typischerweise mit einem symbolischen Wert von 1,00 Euro angesetzt. Eine von den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung abweichende oder willkürliche Höhe ist unzulässig, da der Erinnerungswert rein deklaratorischen Charakter hat.

Handels- und steuerrechtliche Unterschiede

Während handelsrechtlich der Erinnerungswert allgemein akzeptiert ist, kann es im Steuerrecht zu abweichenden Auffassungen kommen. Die fortwährende Aktivierung auf Basis eines Erinnerungspostens ist grundsätzlich zulässig, allerdings sind steuerliche Besonderheiten wie die GWG-Grenze und die Sofortabschreibung zu berücksichtigen. Die steuerliche Anerkennung des Erinnerungspostens ist vom jeweiligen Einzelfall abhängig.

Rechtsprechung

Die Gerichte haben die Zulässigkeit des Erinnerungswertes vielfach bestätigt, insbesondere als Mittel zur Wahrung der Bilanzkontinuität und zur Dokumentation des Vermögensbestandes. Voraussetzung bleibt, dass die Ansatz- und Bewertungsvorschriften des HGB und EStG eingehalten werden.

Abgrenzung und Abwandlungen

Abzugrenzen ist der Erinnerungswert von anderen Bilanzposten wie Rückstellungen oder Rechnungsabgrenzungsposten, bei denen es sich um separate, inhaltlich eigenständige Positionen handelt.

Internationale Rechnungslegung

Ein Erinnerungswert im engen Sinne ist im internationalen Bilanzrecht (beispielsweise nach IFRS) nicht explizit geregelt, jedoch finden vergleichbare Prinzipien, wie die Weiterführung voll abgeschriebener Vermögensgegenstände in den Anlagenlisten, auch dort Anwendung.

Zusammenfassung

Der Erinnerungswert (Erinnerungsposten) ist ein wichtiges Instrument der handelsrechtlichen und steuerlichen Rechnungslegung, das der Darstellung und Dokumentation geringwertiger oder abgeschriebener, jedoch weiterhin vorhandener Vermögensgegenstände dient. Er gewährleistet Bilanzklarheit und -wahrheit und unterstützt die ordnungsgemäße Nachverfolgung von Vermögensgegenständen bis zu deren vollständigem Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen. Bei Ansatz und Ausbuchung sind die jeweiligen handelsrechtlichen und steuerlichen Vorschriften sorgfältig zu beachten.

Häufig gestellte Fragen

Wie erfolgt die steuerliche Behandlung des Erinnerungswerts in der Bilanz?

Der Erinnerungswert (Erinnerungsposten) wird im Rahmen der Handels- und Steuerbilanz vor allem bei der Abschreibung von Vermögensgegenständen verwendet, die weiterhin im Unternehmen bestehen, jedoch deren Wert nach vollständiger planmäßiger oder außerplanmäßiger Abschreibung nicht mehr bilanziell erfasst werden müsste. Gemäß § 253 Abs. 1 HGB sind Vermögensgegenstände höchstens mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzüglich Abschreibungen auf den niedrigeren beizulegenden Wert anzusetzen. Bei einer vollständigen Abschreibung auf null erfolgt in der Praxis oftmals ein Erinnerungswert von 1,- Euro (gelegentlich 1 DM bei alten Bilanzen), um den Gegenstand weiterhin im Anlageverzeichnis zu führen. Steuerrechtlich wird dies aus Nachweis- und Dokumentationsgründen geduldet, obwohl der Gesetzgeber dies nicht explizit verlangt. Die tatsächliche Notwendigkeit des Erinnerungswerts beruht darauf, dass trotz wertmäßiger Abschreibung die Eigentumsverhältnisse und Nutzungsdauer der Vermögensgegenstände weiterhin übersichtlich dargestellt werden können.

Wann darf ein Erinnerungswert angesetzt werden?

Ein Erinnerungswert darf grundsätzlich dann angesetzt werden, wenn materielle oder immaterielle Vermögensgegenstände vollständig abgeschrieben wurden, aber physisch noch im Betrieb vorhanden und nutzbar sind. Der Ansatz ist jedoch nur zulässig, wenn der Vermögensgegenstand aus rechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen weiterhin im Unternehmen verbleibt. Dabei handelt es sich nicht um ein Muss, sondern um eine in der Praxis anerkannte Vereinfachung zur Aufrechterhaltung der Übersicht im Anlageverzeichnis und zur Sicherstellung der Nachvollziehbarkeit der Vermögensverhältnisse. Zu beachten ist allerdings, dass mit dem Erinnerungswert kein fiktiver zusätzlicher Wert geschaffen werden darf, sondern lediglich eine formale Buchung vorgenommen wird.

Gibt es rechtliche Vorschriften zum Erinnerungswert?

Eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift zum Erinnerungswert existiert weder im Handelsgesetzbuch (HGB) noch in den steuerlichen Vorschriften wie dem Einkommensteuergesetz (EStG) oder der Abgabenordnung (AO). Der Erinnerungswert hat seine Wurzeln vielmehr in handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Praxisgepflogenheiten. In reinen Abschreibungsvorschriften (§ 253 Abs. 3 HGB; § 7 EStG) wird der Erinnerungswert nicht erwähnt. Die Notwendigkeit ergibt sich aus dem Gebot der vollständigen, klaren und übersichtlichen Darstellung der Vermögens- und Finanzlage gemäß § 238 Abs. 1 HGB und dem Grundsatz der Nachvollziehbarkeit. Finanzverwaltungen akzeptieren daher den Ansatz des Erinnerungswerts aus bilanziellen Dokumentationsgründen, insbesondere zur Vermeidung von Nachweisschwierigkeiten bei Betriebs- oder Steuerprüfungen.

Kann der Erinnerungswert rückgängig gemacht werden?

Der Ansatz eines Erinnerungswerts ist grundsätzlich so lange beizubehalten, wie der jeweilige Vermögensgegenstand im Betriebsvermögen vorhanden ist. Bei Ausbuchung, Verkauf, Verschrottung oder Entnahme des Gegenstandes wird der Erinnerungswert ebenfalls ausgebucht, was steuerlich zum Ansatz eines Veräußerungs- oder Entnahmegewinns von 1,- Euro führen kann. Eine vorzeitige Rückgängigmachung oder Anpassung des Erinnerungswertes ist rechtlich nicht vorgesehen und würde dem Prinzip widersprechen, dass erst mit Wegfall der tatsächlichen Verfügungsmacht über das Wirtschaftsgut auch dessen Erinnerungswert in der Bilanz zu tilgen ist. Unternehmen müssen aus Gründen der Bilanzklarheit und Belegnachweispflicht eine lückenlose Dokumentation führen.

Welche Risiken bestehen bei fehlerhaftem Umgang mit dem Erinnerungswert?

Ein unsachgemäßer Umgang mit dem Erinnerungswert kann sowohl handels- als auch steuerrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Wird ein Erinnerungswert fälschlicherweise angesetzt, obwohl der Gegenstand nicht mehr existent ist, handelt es sich um eine unzulässige Bilanzierung, die zu einer unrichtigen Vermögensdarstellung führen kann (§ 246 HGB). Ebenso ist das Unterlassen des Erinnerungswerts bei tatsächlich weiter im Einsatz befindlichen Anlagegütern problematisch, da dies die Nachvollziehbarkeit der Anlagenbuchhaltung erschwert und bei Betriebsprüfungen zu Nachfragen führen kann. Zudem kann das Finanzamt die Nachholung von Korrekturen und gegebenenfalls sogar steuerliche Sanktionen anordnen, wenn durch fehlerhaften Umgang der steuerliche Gewinn beeinflusst wurde.

Ist ein Erinnerungswert bei allen Wirtschaftsgütern zulässig?

Der Ansatz eines Erinnerungswertes ist juristisch nur bei abnutzbaren immateriellen und materiellen Anlagegütern üblich, die weiterhin genutzt werden. Bei geringwertigen Wirtschaftsgütern (GWG), die gemäß § 6 Abs. 2 EStG sofort vollständig abgeschrieben werden, ist die Praxis hingegen uneinheitlich. Ein Erinnerungswert ist bei GWGs nicht zulässig, da für diese keine fortlaufende Anlagenbuchhaltung vorgeschrieben ist. Ebenso kann ein Erinnerungswert bei Umlaufvermögen oder Forderungen keinesfalls angesetzt werden; hier ist nach handels- und steuerrechtlichen Vorschriften nach vollständigem Wertverlust zwingend auszubuchen. Das gilt insbesondere für ausländische Beteiligungen oder nicht abnutzbare Anlagegüter, bei denen eine dauerhafte Wertminderung vorliegt – auch hier scheidet der Erinnerungswert aus rechtlichen Gründen aus.