Begriff und Definition: Erdwärme im Rechtssinne
Erdwärme, auch als Geothermie bezeichnet, beschreibt die im zugänglichen Teil der Erdkruste gespeicherte Wärmeenergie. Aus rechtlicher Sicht ist Erdwärme ein natürliches Gut, das zur Energiegewinnung, insbesondere zur Gewinnung von Heizwärme oder zur Stromerzeugung, erschlossen werden kann. Die Nutzung von Erdwärme unterliegt in Deutschland und der Europäischen Union einem umfangreichen rechtlichen Regelwerk, dessen Grundlagen im Folgenden detailliert erläutert werden.
Rechtsgrundlagen der Nutzung von Erdwärme
Gesetzliche Grundlage im deutschen Recht
Die Nutzung und Erschließung von Erdwärme im untertägigen Bereich werden maßgeblich durch das Bundesberggesetz (BBergG) geregelt. Nach § 3 Abs. 3 BBergG zählt Erdwärme zu den sogenannten „bergfreien Bodenschätzen“, sofern sie sich unterhalb einer bestimmten Tiefe befindet respektive für gewerbliche Zwecke genutzt wird. Darüber hinaus finden sich Regelungen im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und in den jeweiligen Landeswassergesetzen, sofern Bohrungen das Grundwasser beeinflussen.
Unionsrechtliche Vorgaben
Die Nutzung erneuerbarer Energien, einschließlich der Geothermie, wird zudem durch Richtlinien und Verordnungen auf EU-Ebene beeinflusst, insbesondere durch die Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen.
Arten und tiefenrechtliche Einordnung
Oberflächennahe vs. tiefe Geothermie
Die rechtliche Einordnung unterscheidet zwischen oberflächennaher Geothermie (bis etwa 400 Meter Tiefe) und tiefer Geothermie (ab ca. 400 Meter Tiefe). Während oberflächennahe Erdwärmenutzungen meist nicht unter das Bergrecht fallen und daher primär durch Wasser-, Bodenschutz- und Bauordnungsrecht reguliert werden, ist die tiefe Geothermie in der Regel bergrechtlich genehmigungspflichtig.
Eigentumsverhältnisse und Nutzungsrechte an Erdwärme
Zuordnung der Erdwärme
Nach § 905 BGB erstreckt sich das Eigentum an einem Grundstück grundsätzlich auf den Raum über und unter der Oberfläche. Mit zunehmender Tiefe reduziert sich jedoch das Herrschaftsrecht des Grundstückseigentümers zugunsten der Allgemeinheit, insbesondere bei der gewerblichen Nutzung nach dem BBergG (§ 3 BBergG).
Erdwärme als „bergfreier Bodenschatz“
Erdwärme gilt als bergfreier Bodenschatz, sobald die Nutzung wirtschaftlich erfolgt oder eine Tiefe von über 100 Metern erreicht wird. In diesem Fall steht das Recht zur Erschließung grundsätzlich jedem zu, jedoch bedarf es einer bergrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung, die bei der zuständigen Bergbehörde zu beantragen ist (vgl. § 7 ff. BBergG).
Oberflächennahe Erdwärmenutzung
Im Bereich der oberflächennahen Geothermie bleibt das Nutzungsrecht weitgehend beim Grundstückseigentümer. Die rechtlichen Einschränkungen ergeben sich hier vor allem aus dem Wasserhaushaltsrecht sowie aus umweltrechtlichen Vorschriften.
Genehmigungsverfahren und behördliche Zuständigkeit
Bergrechtliche Genehmigungsverfahren
Für die tiefe Geothermie ist ein förmliches Erlaubnis- bzw. Bewilligungsverfahren vorgesehen (§§ 7 ff. BBergG). Dazu zählen auch umfassende Prüfungen wie Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP), ggf. Teilbetriebspläne sowie Einwirkungs- und Informationspflichten gegenüber Dritten.
Wasser- und bodenschutzrechtliche Anforderungen
Für die Installation von Erdwärmesonden (insbesondere oberflächennahe Geothermie) ist in aller Regel eine wasserrechtliche Erlaubnis nach § 8 WHG erforderlich, insbesondere wenn Bohrungen Grundwasserschichten durchbrechen oder beeinträchtigen.
Bauordnungsrechtliche Vorgaben
Ergänzend sind die jeweiligen landesrechtlichen Bauvorschriften zu beachten, die zusätzliche Anzeige- oder Genehmigungspflichten vorsehen können.
Naturschutz-, Umwelt- und Haftungsaspekte
Umweltrecht und Naturschutz
Die Nutzung von Erdwärme darf keine erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt nach sich ziehen. Umweltverträglichkeitsprüfungen sind insbesondere bei größeren geothermischen Projekten verpflichtend (§ 7 UVPG). Boden-, Wasser- sowie Artenschutzrecht sind zu beachten.
Haftung bei Schäden durch Erdwärmenutzung
Das Haftungsregime bei der Nutzung von Erdwärme richtet sich je nach Sachverhalt nach dem Bundesberggesetz, dem Wasserhaushaltsgesetz sowie nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. Schadensersatzansprüche können insbesondere beim Absinken des Bodens, bei Beeinträchtigungen an Nachbargrundstücken oder bei Grundwasserverunreinigungen entstehen.
Erdwärme und öffentliche Interessen
Vorrang und Sicherungsvermutung
Die Nutzung von Erdwärme steht im öffentlichen Interesse, was sich etwa in der staatlichen Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) widerspiegelt. Gleichwohl findet eine Interessenabwägung mit anderen Bodenschätzen, Eigentümerinteressen und dem Umweltschutz statt.
Nutzungskonflikte, Nachbarschutz und Rechtschutzmöglichkeiten
Nachbarrechte und Drittschutz
Die Nachbarn eines von einer Erdwärmenutzung betroffenen Grundstücks können insbesondere nach § 906 BGB Schutz vor wesentlichen Beeinträchtigungen verlangen. Darüber hinaus sehen die Fachgesetze Rechtsbehelfe im Verwaltungsverfahren sowie die Möglichkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes vor.
Regelungen zu Enteignung und Entschädigung
In besonderen Fällen kann die Nutzung von Erdwärme mit Maßnahmen der Enteignung oder der Auferlegung von Dienstbarkeiten verbunden werden. Hier greifen die allgemeinen Vorschriften über Enteignung und Entschädigungszahlungen nach Maßgabe von § 153 BauGB und §§ 76 ff. BBergG.
Zusammenfassung und Ausblick
Die Nutzung von Erdwärme ist in Deutschland und auf europäischer Ebene rechtlich umfangreich geregelt. Ausschlaggebend für die rechtliche Bewertung sind insbesondere die Tiefe der Erschließung, der Nutzungszweck sowie die Auswirkungen auf Umwelt und Nachbarschaft. Für Vorhaben, die Erdwärme betreffen, ist eine sorgfältige Berücksichtigung des Berg-, Wasser-, Bauordnungs- und Umweltrechts ebenso notwendig wie die Beachtung nachbarrechtlicher Belange. Die Rechtslage kann sich künftig durch Entwicklungen im Energie-, Umwelt- und Klimaschutzrecht weiter verändern.
Häufig gestellte Fragen
Welche Genehmigungen sind für die Errichtung einer Erdwärmeanlage erforderlich?
Für die Errichtung einer Erdwärmeanlage müssen in Deutschland verschiedene Genehmigungsverfahren durchlaufen werden, je nach Art, Tiefe und Standort der Bohrung. Zunächst ist nach § 49 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) eine wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung erforderlich, da das Grundwasser ein besonders geschütztes Gut darstellt. Für oberflächennahe Geothermieanlagen, bei denen bis zu einer Tiefe von 100 Metern gebohrt wird, ist in der Regel eine Anzeige oder Genehmigung durch die untere Wasserbehörde notwendig. Bei tieferen Anlagen greift das Bergrecht nach Bundesberggesetz (BBergG); hier muss bei der zuständigen Bergbehörde ein Betriebsplan eingereicht und genehmigt werden. Neben bundesrechtlichen Vorgaben sind auch landesrechtliche Regelungen und mögliche kommunale Satzungen zu berücksichtigen. In Gebieten mit besonderen Schutzzonen (z. B. Wasserschutzgebieten) können zusätzliche Anforderungen gelten, etwa strengere Auflagen oder sogar Bohrverbote. Ferner ist unter Umständen eine Baugenehmigung notwendig, insbesondere wenn im Rahmen der Erdwärmenutzung bauliche Anlagen außerhalb des eigentlichen Gebäudes errichtet werden. Die Einhaltung der verschiedenen Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften ist von zentraler Bedeutung, um Ordnungswidrigkeiten oder strafrechtliche Konsequenzen zu vermeiden.
Welche Haftungsrisiken bestehen im Zusammenhang mit Geothermiebohrungen?
Im Rahmen von Erdwärme- bzw. Geothermiebohrungen können verschiedene Haftungsrisiken auftreten, die sowohl das Bohrunternehmen als auch den Anlagenbetreiber betreffen. Gemäß § 823 Abs. 1 BGB haftet derjenige, der schuldhaft Schäden verursacht, etwa an fremden Grundstücken, Gebäuden oder am Grundwasser, auf Schadensersatz. Bohrschäden können beispielsweise Setzungen, Rissbildungen an Nachbargebäuden oder eine Grundwasserverunreinigung auslösen. Insbesondere die Beeinträchtigung des Grundwassers, z. B. durch Eintrag von Oberflächenwasser oder chemischen Stoffen während der Bohrung, kann weitreichende Folgen haben und zieht ggf. Ansprüche von Geschädigten oder ordnungsrechtliche Maßnahmen der Behörden nach sich. Auch der Rückbau der Bohrungen und ihre ordnungsgemäße Verfüllung sind haftungsrechtlich relevant, um Folgeschäden zu verhindern. Betreiber sollten darauf achten, dass eine ausreichende Betriebshaftpflicht- bzw. Umwelt-Haftpflichtversicherung für solche Fälle besteht. Die Haftung kann auch dann greifen, wenn nicht alle behördlichen Vorgaben und technischen Regeln eingehalten wurden, da dies als Fahrlässigkeit gewertet werden kann.
Wie sind die Eigentums- und Nutzungsrechte an der gewonnenen Erdwärme geregelt?
Juristisch betrachtet ist zwischen dem Eigentum am Grundstück und dem Nutzungsrecht an den darunter befindlichen Bodenschätzen bzw. der Wärme zu differenzieren. Für oberflächennahe Geothermie (bis etwa 400 Meter Tiefe) gilt grundsätzlich das sogenannte Grundeigentümerprinzip nach § 905 BGB, wonach die Nutzung des Untergrunds zur Gewinnung von Erdwärme dem Eigentümer des Grundstücks zusteht, solange dadurch keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften oder Rechte Dritter beeinträchtigt werden. Bei tiefer Geothermie, das heißt ab einer Tiefe von mehr als 400 Metern, gilt das Bergrecht (BBergG), das Erdwärme als bergfreien Bodenschatz klassifiziert. In diesem Fall ist eine bergrechtliche Erlaubnis erforderlich, und das Nutzungsrecht wird von der zuständigen Behörde vergeben, unabhängig vom Eigentum am Grundstück. Hieraus können sich mitunter komplexe Rechtsverhältnisse, insbesondere bei der Führung von Leitungen über fremde Grundstücke, sowie Fragen zu Dienstbarkeiten und Entschädigungszahlungen ergeben.
Welche Rolle spielen Umweltgesetze und -auflagen bei Geothermieprojekten?
Bei sämtlichen Geothermievorhaben, insbesondere solchen mit größeren Eingriffen in den Untergrund, sind eine Vielzahl umweltrechtlicher Bestimmungen zu beachten. Das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) stellt den Schutz des Grundwassers und der Oberflächengewässer in den Mittelpunkt. Die Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSchV) kann greifen, etwa bei Lärmemissionen im Rahmen der Bohrarbeiten. Ferner sind das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) sowie landesrechtliche Naturschutzvorschriften zu prüfen, etwa wenn sich das Vorhaben in einem Naturschutzgebiet oder in der Nähe von Biotopen, Fauna-Flora-Habitat-Gebieten (FFH) oder Vogelschutzgebieten befindet. Auch das Baugesetzbuch (BauGB) kann Vorgaben zum zulässigen Maß der Untergrundnutzung enthalten. Im Rahmen der Planung und Genehmigung müssen häufig Umweltprüfungen, wie eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), durchgeführt werden, um schädliche Umweltauswirkungen zu erkennen und ggf. zu vermeiden oder auszugleichen. Umweltauflagen können beispielsweise Maßnahmen zum Schutz des Bodens, des Wassers oder besonderer Artengemeinschaften beinhalten.
Welche Auswirkungen hat eine Erdwärmeanlage auf Nachbarrechte und wie sind Konflikte zu lösen?
Erdwärmeanlagen können nachbarrechtliche Konflikte auslösen, vor allem durch mögliche Gefährdungen, wie Setzungen, Veränderungen des Grundwasserflusses oder Lärmbelästigungen während der Bauphase. Das Nachbarrecht wird im BGB sowie in den jeweiligen Landesnachbarrechtsgesetzen geregelt. Bei Beeinträchtigungen fremder Grundstücke kommt insbesondere § 906 BGB ins Spiel, der das sogenannte nachbarrechtliche Gemeinschaftsverhältnis beschreibt. Hier müssen die Interessen des Bohrenden und des Nachbarn gegeneinander abgewogen werden. Bei unzumutbaren Beeinträchtigungen (wie Rissbildungen durch Bohrungen) hat der Nachbar möglicherweise einen Unterlassungs-, Beseitigungs- oder Schadensersatzanspruch. Auch vorbeugende Verhandlungen mit Nachbarn und gegebenenfalls die Eintragung entsprechender Grunddienstbarkeiten oder Baulasten zur Nutzung von Leitungsrechten können ratsam sein. Konflikte werden häufig außergerichtlich durch Mediation oder Schlichtungsstellen gelöst; ansonsten bleibt der ordentliche Rechtsweg offen.
Welche Pflichten bestehen hinsichtlich der Rückbauverpflichtung und Nachsorge von Erdwärmeanlagen?
Bei der Errichtung einer Erdwärmeanlage verpflichten die behördlichen Auflagen und die einschlägigen gesetzlichen Vorgaben zu einem ordnungsgemäßen Rückbau nach Stilllegung der Anlage. Gemäß den wasser- bzw. bergrechtlichen Bewilligungen und § 49 WHG müssen Bohrungen fachgerecht verschlossen und der ursprüngliche Zustand des Grundstücks wiederhergestellt werden, um Gefahren für Mensch und Umwelt – insbesondere für das Grundwasser – zu vermeiden. Der Rückbau muss nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erfolgen und ist durch die Baubehörde oder Wasserbehörde zu überwachen und abzunehmen. Im Falle von Umweltschäden bleibt die Haftung des Betreibers auch nach Rückbau bestehen, solange nicht nachgewiesen werden kann, dass alle gesetzlichen Vorgaben und behördlichen Auflagen eingehalten wurden. Es können zudem Sicherheiten (z. B. finanzielle Rückstellungen) verlangt werden, um die ordnungsgemäße Durchführung des Rückbaus zu gewährleisten.
Welche Melde- und Dokumentationspflichten müssen im Zusammenhang mit Geothermie beachtet werden?
Während des gesamten Lebenszyklus einer Erdwärmeanlage – von der Planung über den Bau bis hin zum Betrieb und Rückbau – bestehen diverse Melde- und Dokumentationsverpflichtungen. Trink- und Grundwasserschutzrechtliche Vorschriften verlangen, dass alle relevanten technischen und umweltbezogenen Daten der Anlage erfasst und der zuständigen Behörde zur Verfügung gestellt werden. Dazu gehört die Vorlage von Bohrprotokollen, Gutachten zur Grundwassergefährdung sowie Nachweise über eingesetzte Materialien. Im Rahmen der bergrechtlichen Genehmigung nach BBergG ist ein detaillierter Betriebsplan einzureichen und fortlaufend zu aktualisieren. Jede wesentliche Änderung der Anlage, unerwartete Ereignisse wie Bohrzwischenfälle oder festgestellte Gefahrenlagen, müssen umgehend gemeldet und dokumentiert werden. Im Falle einer Betriebsstörung oder eines Unfalls mit Auswirkungen auf Umwelt oder Nachbargrundstücke sind weitere besondere Anzeige- und Berichtspflichten zu beachten, um eine zeitnahe behördliche Reaktion und Schadensminimierung zu ermöglichen.