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Erbschaftserwerber


Begriff und rechtliche Einordnung des Erbschaftserwerbers

Der Begriff Erbschaftserwerber bezeichnet im deutschen Erbrecht jene Person oder Personen, welche durch den Tod eines Erblassers (Verstorbenen) kraft Gesetzes oder letztwilliger Verfügung (zum Beispiel durch Testament oder Erbvertrag) das Vermögen des Erblassers oder einen Teil davon erwerben. Im rechtlichen Sinne umfasst der Begriff sowohl den Erben (§ 1922 BGB) als auch den Vermächtnisnehmer, obwohl Letzterer nicht Gesamtrechtsnachfolger wird. Der Erbschaftserwerber steht im Zentrum zahlreicher rechtlicher Regelungen, welche Aufgabe und Pflichten, Haftung, Rechte und Verwaltungsbefugnisse im Zusammenhang mit dem Nachlass betreffen.


Abgrenzung: Erbe und Vermächtnisnehmer

Erbe

Unter Erben versteht man jene Person(en), die mit dem Tod des Erblassers (Erbfall) unmittelbar Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers werden (§ 1922 BGB). Der oder die Erben treten vollständig in die Vermögensstellung des Verstorbenen ein, das heißt, sie übernehmen Nachlassgegenstände, Schulden und sämtliche Rechtspositionen (Aktiva und Passiva).

Vermächtnisnehmer

Vermächtnisnehmer erhält hingegen nur einzelne Vermögenswerte oder Rechte aus dem Nachlass (§ 1939 BGB), ohne Gesamtrechtsnachfolger zu werden. Die Unterscheidung ist bedeutsam, da der Vermächtnisnehmer gegenüber den Erben einen schuldrechtlichen Anspruch auf Herausgabe des Vermächtnisgegenstands hat, während der Erbe mit dem ganzen Nachlass direkt verbunden ist.


Erwerbstatbestände und Arten des Erbschaftserwerbs

Gesetzliche Erbfolge

Liegt keine Verfügung von Todes wegen (wie Testament oder Erbvertrag) vor, bestimmt sich die Erbfolge nach den gesetzlichen Vorschriften der §§ 1924 bis 1936 BGB. Erbschaftserwerber sind sodann die gesetzlichen Erben, in einer festgelegten Reihenfolge nach Ordnungen (Abkömmlinge, Eltern, Geschwister, usw.).

Testamentarische Erbfolge

Hat der Erblasser eine letztwillige Verfügung errichtet, so richtet sich die Erbschaft nach deren Inhalt, sofern diese wirksam ist (§§ 1937 ff. BGB). Sowohl Einzelpersonen als auch Personengesamtheiten (wie Stiftungen oder Vereine) können Erbschaftserwerber sein.

Erbvertrag

Durch einen Erbvertrag kann der Erblasser verbindlich regeln, wer Erbschaftserwerber werden soll. Ein Erbvertrag wirkt stärker bindend als ein Testament (§§ 2274 ff. BGB).


Rechte und Pflichten des Erbschaftserwerbers

Gesamtrechtsnachfolge

Der Erbe als Erbschaftserwerber tritt, wie bereits dargestellt, mit dem Erbfall in sämtliche Rechtspositionen des Erblassers ein. Hierzu zählen Eigentumsrechte, Vertragsverhältnisse, Mitgliedschaften, Ansprüche, Verbindlichkeiten und Steuerschulden.

Pflicht zur Nachlassverwaltung

Erben obliegen verwaltende und sichernde Aufgaben (§§ 1960 ff. BGB). Besteht ein Sicherungsbedürfnis, etwa wegen unbekanntem oder entfernt wohnendem Erbschaftserwerber, können Gerichte Nachlasspfleger bestellen.

Haftung des Erbschaftserwerbers

Erben haften grundsätzlich unbeschränkt für die Nachlassverbindlichkeiten (§ 1967 BGB). Um sich vor einer Übernahme von Verlusten zu schützen, bietet das Gesetz folgende Möglichkeiten:

  • Ausschlagung der Erbschaft: Innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis von Anfall und Grund kann die Erbschaft ausgeschlagen werden (§ 1944 BGB).
  • Nachlassverwaltung und Nachlassinsolvenz: Antragstellung möglich, um Haftung auf den Nachlass zu begrenzen (§§ 1975 ff. BGB).

Rechte des Erbschaftserwerbers

Zu den maßgeblichen Rechten zählen:

  • Erlangung des Erbscheines (§ 2353 ff. BGB) als Legitimationsnachweis
  • Anspruch auf Auskunft gegenüber Miterben (§ 2027 BGB) und auf Nachlassteilung (§§ 2042 ff. BGB)
  • Möglichkeit zur Ausschlagung und Anfechtung der Erbschaft

Besondere Konstellationen beim Erbschaftserwerb

Mehrere Erbschaftserwerber: Erbengemeinschaft

Wird die Erbschaft von mehreren Personen erworben, entsteht eine Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB). Die Erben sind gemeinsam Inhaber des Nachlasses, der erst durch Auseinandersetzung unter ihnen geteilt wird.

Minderjährige Erbschaftserwerber

Ist der Erbschaftserwerber minderjährig, muss für ihn in der Regel der gesetzliche Vertreter erklären, ob die Erbschaft angenommen oder ausgeschlagen werden soll. Häufig ist auch eine Genehmigung des Familiengerichts nötig (§ 1643 BGB).


Steuerliche Aspekte beim Erbschaftserwerber

Jeder Erbschaftserwerb unterliegt grundsätzlich der Erbschaftsteuer nach dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG). Die Steuerpflicht, die Steuerklasse und der Steuersatz hängen vom Verwandtschaftsverhältnis und vom Wert des Erworbenen ab. Erbschaftserwerber haben unverzüglich die zuständigen Finanzbehörden über den Erwerb zu informieren (§ 30 ErbStG).


Ausschlagung und Anfechtung des Erbschaftserwerbs

Ein Erbschaftserwerber hat die Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen, insbesondere um eine Haftung für Nachlassverbindlichkeiten zu vermeiden. Die Ausschlagungsfrist und -form sind gesetzlich geregelt (§§ 1943 ff. BGB). Auch die Annahme kann angefochten werden, etwa bei Irrtum oder Drohung (§ 1954 BGB).


Internationale Aspekte des Erbschaftserwerbs

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten (zum Beispiel Auslandsvermögen des Erblassers oder Wohnsitz des Erbschaftserwerbers im Ausland) sind das internationale Privatrecht und europäische erbrechtliche Regelungen, insbesondere die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) zu beachten. Hierdurch wird die Bestimmung des anwendbaren Erbrechts und die grenzüberschreitende Anerkennung der Rechtsstellung des Erbschaftserwerbers geregelt.


Literatur und weiterführende Informationen

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) §§ 1922 ff., 1937, 1942 ff., 2353 ff.
  • Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG)
  • Europäische Erbrechtsverordnung (VO (EU) Nr. 650/2012)

Der Begriff Erbschaftserwerber ist im deutschen Recht von zentraler Bedeutung. Er bezieht sich auf sämtliche Rechtsfolgen, die mit dem Erwerb einer Erbschaft verbunden sind, und bestimmt maßgeblich die Rechte, Pflichten und die Stellung des Erhaltenden im Nachlassverfahren. Die umfassende Kenntnis all dieser Regelungen bildet das Fundament für die rechtssichere Abwicklung von Erbfällen.

Häufig gestellte Fragen

Wer gilt rechtlich als Erbschaftserwerber?

Der Erbschaftserwerber ist aus rechtlicher Sicht die Person oder die Personen, die im Todesfall eines Erblassers aufgrund gesetzlicher Erbfolge oder aufgrund einer Verfügung von Todes wegen (zum Beispiel Testament oder Erbvertrag) das Vermögen des Verstorbenen (Erbschaft) ganz oder zu einem Anteil erwerben. Zu den Erbschaftserwerbern zählen primär die Erben, also diejenigen, die nach § 1922 BGB Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers werden. Miterben bilden eine Erbengemeinschaft und verfügen gesamthänderisch über den Nachlass. Auch Vermächtnisnehmer und Pflichtteilsberechtigte erhalten zwar Ansprüche aus der Erbschaft, gelten aber nicht als Erbschaftserwerber im engeren zivilrechtlichen Sinne, da sie nicht Teil der Erbengemeinschaft werden. In steuerrechtlicher Hinsicht können jedoch auch Vermächtnisnehmer, Pflichtteilsberechtigte und Erwerber durch Auflage als Erbschaftserwerber im Sinne des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) gelten.

Welche Rechte und Pflichten hat ein Erbschaftserwerber nach deutschem Recht?

Erbschaftserwerber treten mit Annahme der Erbschaft in die Rechte und Pflichten des Erblassers ein (Gesamtrechtsnachfolge, § 1922 BGB). Das bedeutet, sie übernehmen das gesamte Vermögen, einschließlich Vermögenswerte (Aktiva) und Verbindlichkeiten (Passiva), uneingeschränkt und grundsätzlich auch im Umfang möglicher Schulden. Zu den Rechten zählen beispielsweise das Verfügungsrecht über Nachlassgegenstände, die Verwaltung und Nutzung des Erbes sowie die Teilnahme an der Aufteilung des Erbes unter Miterben. Zu den Pflichten gehören unter anderem die Nachlassverwaltung, die Begleichung von Nachlassverbindlichkeiten (zum Beispiel offene Rechnungen, Kredite, Pflichtteilsansprüche), Steuererklärungen für den Nachlass abzugeben und gegebenenfalls Erbschaftssteuer zu zahlen. Der Erbschaftserwerber kann die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten durch bestimmte Maßnahmen begrenzen (zum Beispiel Nachlassverwaltung, Nachlassinsolvenzverfahren).

Kann ein Erbschaftserwerber die Erbschaft ausschlagen und welche Fristen gelten hierbei?

Ja, ein Erbschaftserwerber kann das Erbe ausschlagen. Die Ausschlagung der Erbschaft ist nach § 1942 ff. BGB möglich und muss innerhalb einer gesetzlichen Frist von sechs Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, an dem der Erbschaftserwerber vom Anfall und dem Grund der Berufung (gesetzlich oder testamentarisch) Kenntnis erlangt (§ 1944 BGB). Befindet sich der Erbe zum Zeitpunkt des Erbanfalls im Ausland oder hatte der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland, verlängert sich die Frist auf sechs Monate. Die Ausschlagung muss gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden und ist unwiderruflich. Nach Fristablauf gilt die Erbschaft als angenommen.

Welche steuerrechtlichen Verpflichtungen treffen einen Erbschaftserwerber?

Ein Erbschaftserwerber ist verpflichtet, nach Erhalt einer Erbschaft innerhalb von drei Monaten das zuständige Finanzamt über den Erwerb zu informieren (§ 30 ErbStG). Dazu zählen auch Erwerbe durch Vermächtnis oder Pflichtteilsansprüche. Im Anschluss fordert das Finanzamt eine Erbschaftsteuererklärung an, die alle relevanten Vermögenswerte und Verbindlichkeiten zu enthalten hat. Der steuerpflichtige Erwerb wird gemäß den Vorgaben des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes bewertet und ist – soweit ein Freibetrag überschritten wird – erbschaftsteuerpflichtig. Die Höhe der Steuer orientiert sich am Wert des Erwerbs und am Verwandtschaftsverhältnis zwischen Erblasser und Erwerber. Es existieren unterschiedliche Steuerklassen, Freibeträge und Steuersätze.

Was passiert, wenn mehrere Personen als Erbschaftserwerber auftreten?

Sind mehrere Erben berufen, bilden diese eine Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB). Sie werden gemeinschaftliche Eigentümer des Nachlasses (Gesamthandsgemeinschaft) und verfügen nicht über feste Anteile an den einzelnen Vermögenspositionen, sondern an dem Gesamtvermögen. Entscheidungen hinsichtlich Verwaltung, Veräußerung oder Aufteilung von Nachlassgegenständen müssen grundsätzlich gemeinschaftlich getroffen werden. Die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft erfolgt entweder einvernehmlich zwischen den Miterben oder durch Teilungsklage. Bis zur vollständigen Auseinandersetzung haften alle Miterben gesamtschuldnerisch für Nachlassverbindlichkeiten.

Welche Bedeutung hat die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft für die Haftung des Erbschaftserwerbers?

Mit der Annahme der Erbschaft haftet der Erbschaftserwerber für die Nachlassverbindlichkeiten grundsätzlich unbeschränkt, das heißt sowohl mit dem Nachlassvermögen als auch mit dem eigenen Privatvermögen (§ 1967 BGB). Um sich vor einer persönlichen Haftung zu schützen, kann der Erwerber unter bestimmten Voraussetzungen haftungsbegrenzende Maßnahmen beantragen, wie die Nachlassverwaltung (§ 1975 BGB) oder das Nachlassinsolvenzverfahren (§ 1980 BGB). Durch Ausschlagung hingegen wird der Erwerber behandelt, als hätte er den Erbanfall nicht erlebt; alle Rechte und Pflichten aus der Erbschaft fallen an den nächsten berufenen Erben.

Unter welchen Umständen kann ein Erbschaftserwerber die Annahme oder Ausschlagung anfechten?

Die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft kann gemäß §§ 1954 ff. BGB angefochten werden, beispielsweise bei Irrtum über eine erhebliche Eigenschaft der Erbschaft (z. B. Verschuldung des Nachlasses), Drohung oder Täuschung. Die Anfechtungserklärung muss gegenüber dem Nachlassgericht erfolgen. Die Frist zur Anfechtung beträgt sechs Wochen ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes. Wird die Anfechtung wirksam erklärt, gilt die Annahme oder Ausschlagung als von Anfang an nicht erfolgt, und es greifen die allgemeinen Regelungen zur Erbenfolge.