Legal Lexikon

Erbfall


Begriff und Bedeutung des Erbfalls

Der Erbfall ist ein zentrales Konzept des deutschen Erbrechts und markiert den Zeitpunkt, zu dem eine Person verstirbt und damit das Vermögen (Nachlass) auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) übergeht. Der Erbfall hat weitreichende zivilrechtliche, steuerliche und verwaltungsrechtliche Konsequenzen und stellt den Ausgangspunkt für die Erbfolge sowie die damit verbundenen Rechtsgeschäfte und Pflichten dar.

Rechtliche Grundlagen des Erbfalls

Zeitpunkt und Auslösung des Erbfalls

Der Erbfall tritt gemäß § 1922 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) im Moment des Todes einer natürlichen Person ein („Erbfall“ gilt als Synonym für den Tod des Erblassers). Ab diesem Zeitpunkt gehen das Vermögen und sämtliche Rechte und Verbindlichkeiten (Erbmasse) unmittelbar auf die Erben über.

Inhalt und Umfang des Erbfalls

Mit dem Erbfall wird der gesamte Nachlass übertragen. Dazu zählen:

  • Vermögenswerte: Immobilien, Bankguthaben, Wertpapiere, Forderungen, bewegliche Gegenstände
  • Verbindlichkeiten: Schulden, Pflichtteilsansprüche, Unterhaltsverpflichtungen, Steuerschulden
  • Rechtspositionen: Mietverhältnisse, Gesellschaftsanteile, laufende Verträge (soweit vererblich)

Der Nachlass geht als Ganzes, als „Einheit“, auf die Erben über; die Erbengemeinschaft entsteht automatisch, sofern mehrere Personen erben (§ 2032 BGB).

Die gesetzliche Erbfolge und das Testament

Gesetzliche Erbfolge beim Erbfall

Liegt kein Testament oder Erbvertrag vor, greift die gesetzliche Erbfolge nach den Vorschriften der §§ 1924 ff. BGB. Hierbei erben zunächst die Verwandten des Erblassers nach Ordnungen (Abstammungsprinzip) sowie Ehegattinnen oder Lebenspartnerinnen nach einer Sonderregelung (§ 1931 BGB).

Erben erster bis vierter Ordnung

  • Erben erster Ordnung: Abkömmlinge des Verstorbenen (Kinder, Enkel)
  • Erben zweiter Ordnung: Eltern des Verstorbenen und deren Abkömmlinge (Geschwister, Nichten, Neffen)
  • Erben dritter Ordnung: Großeltern und deren Abkömmlinge
  • Erben vierter Ordnung: Urgroßeltern und deren Abkömmlinge

Erbfolge durch Verfügung von Todes wegen

Der Erblasser kann durch Testament oder Erbvertrag eine von der gesetzlichen Erbfolge abweichende Regelung treffen. Trifft der Erblasser keine Regelung, findet die gesetzliche Erbfolge Anwendung. Diese sogenannte Testierfreiheit ist ein zentrales Merkmal im deutschen Erbrecht.

Rechtswirkungen des Erbfalls

Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession)

Mit dem Erbfall tritt die sogenannte Gesamtrechtsnachfolge ein: Die Erben werden automatisch Inhaber aller Rechte und Pflichten des Erblassers (§ 1922 BGB). Einzelne Nachlassbestandteile müssen nicht individuell übertragen werden; auch laufende Verträge, Forderungen oder Schulden gehen auf die Erben über, sofern sie vererblich sind.

Annahme und Ausschlagung der Erbschaft

Erben können die Erbschaft annehmen oder ausschlagen (§§ 1942 ff. BGB). Die Annahme kann ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Die Ausschlagung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht innerhalb von sechs Wochen (bei Auslandsbezug: sechs Monate) nach Kenntnis vom Erbfall und Berufung als Erbe.

Nachlassverwaltung und Nachlassinsolvenz

Sind Nachlassverbindlichkeiten vorhanden oder unübersichtlich, kann eine Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz beantragt werden (§§ 1975 ff. BGB). Ziel ist die geordnete Befriedigung der Nachlassgläubiger, ohne dass die Erben mit ihrem eigenen Vermögen haften.

Steuerliche Aspekte des Erbfalls

Mit Eintritt des Erbfalls entsteht grundsätzlich eine Steuerpflicht der Erben nach dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG). Die Steuerpflicht knüpft an den Erwerb von Todes wegen an und umfasst neben Vermögenswerten auch bestimmte Schenkungen des Erblassers innerhalb von zehn Jahren vor dem Tod.

Freibeträge und Steuerklassen

Die Höhe der Erbschaftsteuer hängt insbesondere von der Steuerklasse und dem Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser sowie von bestehenden Freibeträgen (§ 16 ErbStG, z. B. 500.000 € für Ehepartner*innen, 400.000 € für Kinder) ab.

Sonstige Rechtsfolgen und Pflichten nach dem Erbfall

Mitteilungspflichten und Nachlassverzeichnis

Erben sind verpflichtet, das Nachlassgericht und ggf. Gläubiger über den Erbfall zu informieren und ein Nachlassverzeichnis zu erstellen. In bestimmten Fällen (z. B. Pflichtteilsforderungen) muss ein vollständiges Vermögensverzeichnis erstellt werden, um Ansprüche berechnen zu können.

Grundbuch- und Handelsregisterberichtigungen

Grundstücks- oder Firmenanteile, die auf die Erben übergehen, müssen im Grundbuch bzw. Handelsregister aktualisiert werden. Dies erfolgt durch Vorlage des Erbscheins oder anderer Nachweisdokumente beim zuständigen Amt.

Sonderfälle: Internationaler Erbfall

Tritt der Erbfall mit Auslandsbezug ein (etwa durch Wohnsitz im Ausland oder ausländisches Vermögen), gilt das internationale Privatrecht (IPR) oder die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO). Es ist zu prüfen, welches Erbrecht Anwendung findet und welche Gerichte zuständig sind.

Zusammenfassung

Der Erbfall stellt den zentralen Moment im Erbrecht dar, in dem das Vermögen einer verstorbenen Person auf deren Rechtsnachfolger übergeht. Dies hat zahlreiche rechtliche und steuerliche Folgen und ist Ausgangspunkt für Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft, Pflichtteilsansprüche und Nachlassabwicklung. Ein umfassendes Verständnis des Erbfalls ist wesentlich für die Nachlassregelung und eine rechtssichere Abwicklung der Erbfolge.

Häufig gestellte Fragen

Wer muss im Erbfall einen Erbschein beantragen und wann ist dies notwendig?

Der Erbschein ist ein amtliches Zeugnis, das vom Nachlassgericht ausgestellt wird und die erbrechtliche Stellung einer Person nachweist. Er muss insbesondere dann beantragt werden, wenn der Erbe seine Erbenstellung gegenüber Dritten – insbesondere Banken, Grundbuchämtern oder Versicherungen – nachweisen muss, und kein notarielles Testament oder ein Erbvertrag mit gerichtlicher Eröffnungsniederschrift vorliegt. In der Praxis ist ein Erbschein häufig erforderlich, wenn der Nachlass unbewegliches Vermögen (Grundstücke, Eigentumswohnungen) umfasst, da das Grundbuchamt ohne Erbschein im Regelfall keine Umschreibung vornimmt. Auch Banken und andere Institutionen fordern häufig einen Erbschein, um Konten freizugeben oder Auszahlungen vorzunehmen, sofern keine anderen ausreichenden Nachweise der Erbenstellung vorliegen. Der Antrag kann von jedem Erben gestellt werden, unabhängig von der Größe des Nachlasses oder der Erbquote; auch Miterben können einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragen. Zu beachten ist, dass die Ausstellung mit Gebühren verbunden ist und die Richtigkeit der Angaben insbesondere im Hinblick auf die Verwandtschaftsverhältnisse und das Bestehen oder Nichtbestehen letztwilliger Verfügungen von Amts wegen überprüft wird. Die Beantragung eines Erbscheins ist jedoch nicht zwingend vorgeschrieben; in vielen Fällen – insbesondere bei Bankguthaben oder beweglichen Vermögenswerten – kann ein eröffnetes, notarielles Testament ausreichend sein.

Welche Fristen müssen im Erbfall beachtet werden?

Im Erbfall bestehen mehrere gesetzlich normierte Fristen, die jeweils unterschiedliche rechtliche Wirkungen entfalten. Besonders bedeutsam ist hierbei die Ausschlagungsfrist: Erben müssen eine Erbschaft innerhalb von sechs Wochen nach Kenntniserlangung ausschlagen, wenn sie das Erbe nicht antreten wollen. Befindet sich der Erblasser oder der Erbe im Ausland oder hatte der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland, verlängert sich die Frist auf sechs Monate. Die Frist beginnt auch hier mit dem Zeitpunkt, zu dem der Erbe von dem Anfall und dem Grunde seiner Berufung – etwa durch das Nachlassgericht – Kenntnis erlangt. Nach Ablauf der Frist gilt die Erbschaft als angenommen, auch wenn noch keine explizite Erklärung abgegeben wurde. Neben der Ausschlagungsfrist ist außerdem die Anzeigepflicht beim Finanzamt zu beachten: Innerhalb von drei Monaten nach dem Erbfall muss jeder Erwerb durch Erbanfall dem zuständigen Finanzamt angezeigt werden, es sei denn, es handelt sich um Erwerbe unterhalb des Freibetrags gemäß § 30 ErbStG zwischen Angehörigen ersten Grades ohne Nachlass von Immobilien oder Geschäftsanteilen. Weitere Fristen betreffen etwa Pflichtteilsansprüche, die innerhalb von drei Jahren geltend gemacht werden müssen; hier beginnt die Verjährung zum Jahresende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis davon erlangt hat.

Was haben potenzielle Erben im Hinblick auf Nachlassverbindlichkeiten zu beachten?

Mit dem Anfall der Erbschaft gehen gemäß § 1967 BGB nicht nur das Vermögen, sondern auch sämtliche Verbindlichkeiten des Erblassers auf den oder die Erben über. Die Erben haften grundsätzlich unbeschränkt, also auch mit ihrem eigenen Privatvermögen, sofern keine Haftungsbeschränkung (z. B. durch Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz) beantragt wird. Nachlassverbindlichkeiten umfassen neben Schulden des Erblassers (z. B. Krediten, offenen Rechnungen, Steuerschulden) auch Verpflichtungen, die durch den Erbfall selbst entstehen, wie Beerdigungskosten, Pflichtteils- oder Vermächtnisansprüche. Zur Risikominimierung sollte der Erbe eine sogenannte Drei-Monats-Einrede (§ 2014 BGB) geltend machen sowie ein Nachlassverzeichnis anfertigen und ggf. die Erbenhaftung auf den Nachlass beschränken, etwa durch die Beantragung einer Nachlassverwaltung, Nachlassinsolvenz oder die Anordnung der Dürftigkeitseinrede. Die Entscheidung hierfür sollte stets nach sorgfältiger Prüfung der Aktiva und Passiva des Nachlasses getroffen werden, da andernfalls das Privatvermögen gefährdet werden kann.

Welche Rechte und Pflichten haben Miterben in einer Erbengemeinschaft?

Bei mehreren gesetzlichen oder testamentarisch bestimmten Erben entsteht kraft Gesetzes automatisch eine Erbengemeinschaft. Diese ist auf die gemeinsame Verwaltung und Auseinandersetzung des Nachlasses gerichtet. Kein Miterbe kann über einen einzelnen Nachlassgegenstand allein verfügen; vielmehr bedürfen Verfügungen über Nachlassgegenstände grundsätzlich der Zustimmung aller Miterben. Zu denverwaltungshandlungen gehören etwa die Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten oder die Fortführung von Mietverhältnissen. Jeder Miterbe kann die Verwaltung des Nachlasses verlangen, muss sich jedoch auch an der Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten beteiligen. Die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft kann grundsätzlich nur einvernehmlich erfolgen, es sei denn, die Teilung ist durch Verfügung von Todes wegen ausgeschlossen oder ausgeschlossen worden. Streitigkeiten über die Verwaltung kann das Nachlassgericht durch Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder durch die Bestellung eines Nachlasspflegers schlichten. Zudem kann jeder Miterbe jederzeit die Aufhebung der Erbengemeinschaft verlangen, es sei denn, es wurde durch letztwillige Verfügung eine Auseinandersetzungsanordnung getroffen.

Welche Möglichkeiten bestehen zur Anfechtung eines Testaments oder Erbvertrags?

Ein Testament oder Erbvertrag kann aus unterschiedlichen Gründen angefochten werden. Die Anfechtung kommt in Betracht, wenn der Erblasser bei der Errichtung einem Irrtum hinsichtlich des Inhalts oder der rechtlichen Folgen seiner Verfügung unterlag, getäuscht, bedroht oder zur Errichtung gezwungen wurde (§§ 2078, 2079 BGB). Darüber hinaus ist eine Anfechtung möglich, wenn ein Pflichtteilsberechtigter übergangen wurde oder nachträglich ein Pflichtteilsberechtigter geboren wurde. Die Anfechtung ist dem Nachlassgericht gegenüber zu erklären und muss innerhalb eines Jahres ab Kenntnis der Anfechtungsgründe erfolgen, spätestens jedoch innerhalb von 30 Jahren nach dem Erbfall. Ein erfolgreicher Anfechtungsantrag führt zur Unwirksamkeit der angefochtenen Verfügung mit Wirkung ab dem Zeitpunkt des Erbfalls.

Wie wirkt sich der Erbfall steuerlich aus, insbesondere in Bezug auf die Erbschaftsteuer?

Mit dem Erbfall fällt auf den Erwerb von Vermögenswerten grundsätzlich die Erbschaftsteuer an. Steuerpflichtig ist der unbeschränkte oder beschränkte Erwerb aufgrund des Wohnsitzes des Erblassers oder des Erben. Das Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) sieht je nach Verwandtschaftsgrad unterschiedliche Steuersätze und Freibeträge vor. Ehegatten und Kinder genießen Freibeträge von 500.000 bzw. 400.000 Euro; Geschwister, Nichten, Neffen und andere entfernte Verwandte haben hingegen lediglich einen Freibetrag von 20.000 Euro. Nachlassverbindlichkeiten und bestimmte persönliche Freibeträge werden vor Berechnung der Steuerlast abgezogen. Der Erwerb muss vom Erben dem zuständigen Finanzamt innerhalb von drei Monaten gemeldet werden; anschließend setzt das Finanzamt die Steuer fest. Immobilien und Betriebsvermögen werden unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich begünstigt behandelt, z. B. durch Verschonungsregelungen und Dauerwohnrecht. Es empfiehlt sich, für komplexe Nachlässe rechtzeitig steuerliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um eine optimale Gestaltung zu gewährleisten.

Was ist bei Pflichtteilsansprüchen zu beachten und wie erfolgt deren Berechnung?

Pflichtteilsberechtigt sind nach § 2303 BGB die Kinder, der Ehegatte sowie unter Umständen die Eltern des Erblassers, sofern sie durch Verfügung von Todes wegen von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen wurden. Der Pflichtteilsanspruch besteht ausschließlich in Geld und beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Die Bemessungsgrundlage ist der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls, abzüglich Nachlassverbindlichkeiten. Bei der Berechnung werden Schenkungen, die der Erblasser innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Tod getätigt hat, ggf. dem Nachlass hinzugerechnet (sogenannte Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 BGB). Der Anspruch muss gegenüber den Erben geltend gemacht werden; diese sind verpflichtet, Auskünfte und Wertermittlungen über den Nachlass zu erteilen. Der Anspruch verjährt innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis vom Anspruch und dem Erben, spätestens jedoch 30 Jahre nach dem Erbfall. Bei Streitigkeiten über die Höhe oder Berechtigung des Pflichtteils ist gegebenenfalls gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.