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EPÜ

Begriff und Zweck des EPÜ

Das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der ein einheitliches Verfahren zur Erteilung europäischer Patente schafft. Es dient dazu, technische Erfindungen in vielen europäischen Staaten mit einem zentralen Anmelde- und Prüfungsverfahren zu schützen. Das EPÜ begründet die Europäische Patentorganisation und ihr Amt, das Europäische Patentamt (EPA), das die Anmeldung, Prüfung, Erteilung sowie zentrale Rechtsbehelfe verwaltet.

Historischer Hintergrund und institutionelle Struktur

Entstehung und Entwicklung

Das EPÜ wurde in den 1970er-Jahren ausgehandelt, um zersplitterte nationale Patentsysteme durch ein einheitliches Erteilungsverfahren zu entlasten. Seit seinem Inkrafttreten wurde es inhaltlich fortentwickelt, um technische und verfahrensbezogene Neuerungen aufzunehmen und die Zusammenarbeit der Staaten zu vertiefen.

Organe der Europäischen Patentorganisation

Die Europäische Patentorganisation besteht im Wesentlichen aus dem Verwaltungsrat, der die Aufsicht und Regelsetzung wahrnimmt, und dem Europäischen Patentamt, das die operativen Aufgaben erfüllt. Unabhängige Beschwerdekammern entscheiden über Rechtsmittel in Patentsachen innerhalb des Systems.

Anwendungsbereich und Mitgliedschaft

Vertragsstaaten

Dem EPÜ sind zahlreiche europäische Staaten beigetreten. Die Mitgliedschaft ist nicht auf Staaten der Europäischen Union beschränkt. Mit der Erteilung eines europäischen Patents kann Schutz in den ausgewählten Vertragsstaaten erlangt werden.

Erweiterungs- und Validierungsstaaten

Zusätzlich können Nichtvertragsstaaten über Erweiterungs- oder Validierungsabkommen die Wirkung eines europäischen Patents auf ihr Hoheitsgebiet erstrecken. Die konkreten Voraussetzungen richten sich nach den jeweiligen Abkommen mit dem EPA.

Das europäische Patent im System des EPÜ

Rechtsnatur (Bündelprinzip)

Ein europäisches Patent ist das Ergebnis eines zentralen Verfahrens, entfaltet nach der Erteilung aber in jedem benannten Staat die Wirkung eines nationalen Patents. Es handelt sich um ein „Bündel“ nationaler Schutzrechte mit einheitlicher Erteilungsgrundlage und dezentraler Wirkung.

Verhältnis zu anderen Regelwerken

Das EPÜ koordiniert sich mit internationalen Anmeldewegen. Über Verweise kann eine internationale Anmeldung in das europäische Verfahren übergehen. Europäische Patente stehen neben nationalen Patenten; nach der Erteilung bestimmen die nationalen Rechtssysteme Wirkung, Durchsetzung und Bestand, soweit das EPÜ keine zentralen Verfahren vorsieht.

Patentierbarkeit im Sinne des EPÜ

Allgemeine Voraussetzungen

Patentierbar sind technische Erfindungen, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Neu ist eine Erfindung, wenn sie vor dem maßgeblichen Anmeldetag nicht öffentlich zugänglich war. Eine erfinderische Tätigkeit liegt vor, wenn sich die Erfindung für eine fachkundige Person nicht in naheliegender Weise aus dem bekannten Wissen ergibt. Gewerbliche Anwendbarkeit bedeutet, dass die Erfindung in Industrie, Handwerk oder Landwirtschaft hergestellt oder benutzt werden kann.

Ausnahmen und Ausschlussgründe

Nicht als Erfindungen im Sinne des Patentschutzes gelten etwa Entdeckungen, wissenschaftliche Theorien, mathematische Methoden, ästhetische Formschöpfungen, Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder geschäftliche Tätigkeiten sowie Programme als solche. Medizinische Diagnose- und Behandlungsmethoden am menschlichen oder tierischen Körper sind von der Patentierung ausgenommen. Darüber hinaus können Erfindungen von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sein, wenn ihre gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstößt.

Sprachen und Verfahrenssprache

Amtssprachen

Amtssprachen des EPÜ sind Deutsch, Englisch und Französisch. Patentanmeldungen können in einer dieser Sprachen eingereicht und geführt werden. Übersetzungsregeln sorgen dafür, dass Anmelder und Öffentlichkeit den Inhalt verstehen und die Verfahrenshandlungen eindeutig sind.

Übersetzungen und nationale Wirkungen

Nach der Erteilung können je nach Staat Übersetzungen der Patentansprüche oder der gesamten Patentschrift erforderlich sein. Zwischenstaatliche Abkommen haben in mehreren Ländern die Übersetzungslasten reduziert.

Verfahrensablauf vor dem Europäischen Patentamt

Anmeldung

Die Anmeldung enthält unter anderem eine Beschreibung, Ansprüche und gegebenenfalls Zeichnungen. Mit dem Anmeldetag werden Fristen, unter anderem für die Inanspruchnahme einer Priorität, bestimmt.

Recherche

Das EPA erstellt einen Recherchenbericht über den relevanten Stand der Technik und eine erste Stellungnahme zur Patentierbarkeit. Diese Unterlagen dienen der weiteren Prüfung und geben Orientierung über Neuheit und erfinderische Tätigkeit.

Sachprüfung

Auf Antrag prüft das EPA die materiellen Voraussetzungen. Es kann Einwände erheben und Änderungen anregen. Der Anmelder kann Stellung nehmen und geänderte Ansprüche einreichen. Ziel ist eine Fassung, die die rechtlichen Erfordernisse erfüllt.

Erteilung und Veröffentlichung

Erfüllt die Anmeldung die Voraussetzungen, wird das europäische Patent erteilt und veröffentlicht. Ab diesem Zeitpunkt wirkt es in den benannten Staaten entsprechend den jeweiligen nationalen Regeln, einschließlich etwaiger Übersetzungsanforderungen.

Einspruch und zentrale Beschränkung/Widerruf

Innerhalb einer festgelegten Frist nach der Erteilung kann von Dritten Einspruch eingelegt werden, um das Patent zentral vor dem EPA überprüfen zu lassen. Daneben bestehen Verfahren zur zentralen Beschränkung oder zum Widerruf auf Antrag des Patentinhabers.

Beschwerdeverfahren

Gegen bestimmte Entscheidungen des EPA steht ein Beschwerdeweg zu den Beschwerdekammern offen. Diese unabhängigen Spruchkörper überprüfen die angefochtenen Entscheidungen und können sie bestätigen, aufheben oder zur weiteren Prüfung zurückverweisen.

Rechte aus dem europäischen Patent

Schutzumfang

Der Schutzumfang eines erteilten Patents wird in erster Linie durch die Ansprüche bestimmt, die durch Beschreibung und Zeichnungen ausgelegt werden. Maßgeblich ist, was fachkundigen Lesenden als technische Lehre vermittelt wird.

Dauer und Gebühren

Die Schutzdauer eines europäischen Patents beträgt in der Regel bis zu zwanzig Jahre ab Anmeldetag, sofern die erforderlichen Jahresgebühren ordnungsgemäß entrichtet werden. Vor der Erteilung fallen Gebühren beim EPA an; nach der Erteilung sind Jahresgebühren in den einzelnen benannten Staaten zu entrichten.

Durchsetzung und Verletzung

Die Durchsetzung von Rechten aus dem europäischen Patent erfolgt grundsätzlich vor nationalen Gerichten der benannten Staaten. Diese sind für Fragen der Verletzung, einstweilige Maßnahmen und die Folgen einer Verletzung zuständig.

Übertragung, Lizenz und Register

Patente und Anmeldungen können übertragen oder lizenziert werden. Eintragungen in die entsprechenden Register dienen der Publizität der Rechtsverhältnisse und wirken sich auf die Rechtsstellung gegenüber Dritten aus.

Verhältnis zum Einheitspatent

Das Einheitspatent baut auf der Erteilung eines europäischen Patents auf und verleiht einheitliche Wirkung in teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten. Das EPÜ stellt das Erteilungsverfahren bereit; die einheitliche Wirkung und deren Durchsetzung richten sich nach gesonderten Regelungen. Nach der Erteilung kann zwischen nationaler Bündelwirkung und einheitlicher Wirkung gewählt werden, soweit die Voraussetzungen vorliegen.

Bedeutung und praktische Einordnung

Das EPÜ erleichtert den Zugang zu Patentschutz in Europa, harmonisiert Prüfungsmaßstäbe und reduziert Mehrfachverfahren. Es verbindet zentrale Qualitätssicherung mit nationaler Wirkung und Zuständigkeit, wodurch technische Innovationen in einem breiten geografischen Raum abgesichert werden können.

Häufig gestellte Fragen zum EPÜ

Was ist das EPÜ und wofür dient es?

Das EPÜ ist ein internationaler Vertrag, der ein zentrales Verfahren zur Erteilung europäischer Patente bereitstellt. Es ermöglicht, mit einer Anmeldung Schutz in mehreren europäischen Staaten zu erlangen und vereinheitlicht die materiellen und formellen Anforderungen.

Worin unterscheidet sich ein europäisches Patent von einem nationalen Patent?

Ein europäisches Patent wird zentral erteilt, wirkt nach der Erteilung aber in den benannten Staaten wie ein nationales Patent. Ein nationales Patent wird vollständig im nationalen System erteilt und geprüft. Das europäische Patent bündelt den Erteilungsprozess, während Wirkung und Durchsetzung in die Zuständigkeit der einzelnen Staaten fallen.

Welche Anforderungen muss eine Erfindung nach dem EPÜ erfüllen?

Erforderlich sind Neuheit, erfinderische Tätigkeit und gewerbliche Anwendbarkeit. Zudem darf die Erfindung nicht unter die Ausnahmen oder Ausschlussgründe fallen, etwa reine Entdeckungen, mathematische Methoden oder medizinische Verfahren am Körper.

Welche Sprache gilt im Verfahren vor dem Europäischen Patentamt?

Das Verfahren wird in Deutsch, Englisch oder Französisch geführt. Die Verfahrenssprache richtet sich nach der Einreichung oder bestimmten Umstellungsregeln. Übersetzungen sichern die Verständlichkeit und die Rechtsklarheit.

Gibt es nach der Erteilung einen zentralen Rechtsbehelf?

Ja. Innerhalb einer festgelegten Frist kann Einspruch beim EPA eingelegt werden, um das erteilte Patent zentral überprüfen zu lassen. Darüber hinaus sind zentrale Verfahren zur Beschränkung oder zum Widerruf auf Antrag des Inhabers vorgesehen.

Wie lange gilt ein europäisches Patent?

In der Regel bis zu zwanzig Jahre ab dem Anmeldetag, vorbehaltlich der fristgerechten Zahlung von Jahresgebühren. Nach der Erteilung sind diese in den benannten Staaten zu entrichten.

Wer entscheidet über Patentverletzungen eines europäischen Patents?

Über Fragen der Verletzung entscheiden grundsätzlich die nationalen Gerichte der Staaten, in denen das Patent wirkt. Das EPA ist für die Erteilung und zentrale Rechtsbehelfe zuständig, nicht für Verletzungsverfahren.