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Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis


Begriff und Bedeutung der Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis

Die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis bezeichnet im deutschen Gesellschaftsrecht die gerichtliche oder durch Gesellschafterbeschluss vermittelte Aufhebung oder Einschränkung der zuvor einem Geschäftsführer eingeräumten Befugnis zur Führung der Geschäfte einer Gesellschaft. Dieser Vorgang betrifft insbesondere Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), kann jedoch auch für offene Handelsgesellschaften (OHG) und Kommanditgesellschaften (KG) sowie selten im Bereich der Aktiengesellschaften (AG) relevant werden. Ziel der Entziehung ist es, die Gesellschaft vor schädigendem Verhalten oder groben Pflichtverletzungen eines oder mehrerer Geschäftsführer zu schützen.


Rechtliche Grundlagen der Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis

Gesetzliche Regelung bei der GmbH

Gemäß § 35 GmbHG (GmbH-Gesetz) steht einem oder mehreren Geschäftsführern die Vertretungsmacht und die interne Geschäftsführungsbefugnis zu. Die rechtliche Möglichkeit, diese Befugnisse zu entziehen, ergibt sich insbesondere aus § 38 GmbHG, wobei zwischen der Bestellung und dem Widerruf der Bestellung einerseits und der weitergehenden Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis unterschieden werden muss.

Interne und externe Geschäftsführungsbefugnis

  • Interne Geschäftsführungsbefugnis: Betrifft die Fähigkeit des Geschäftsführers, im Innenverhältnis gegenüber den Gesellschaftern die Geschäfte der Gesellschaft zu führen.
  • Externe (Vertretungs-)Befugnis: Bezieht sich auf die rechtliche Vertretung nach außen gegenüber Dritten.

Die Entziehung ist vorrangig auf die interne Geschäftsführungsbefugnis bezogen, da die Vertretungsbefugnis nach außen grundsätzlich nur durch gerichtliche Entscheidung oder Änderung des Handelsregisters eingeschränkt werden kann.


Voraussetzungen und Gründe für die Entziehung

Wichtiger Grund

Die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis setzt in aller Regel das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus. Die Rechtsprechung und Literatur verlangen ferner, dass das weitere Verbleiben des Geschäftsführers in seiner Funktion unzumutbar wäre.

Typische wichtige Gründe sind:

  • Grobe Pflichtverletzungen (beispielsweise eigenmächtige Geschäftsführung, Missachtung von Gesellschafterbeschlüssen)
  • Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung (z. B. dauerhafte Krankheit, persönliche Unzuverlässigkeit)
  • Vertrauensbruch gegenüber der Gesellschaft (z.B. Untreue, Veruntreuung)
  • Zusammenarbeit mit Wettbewerbern oder Verstoß gegen gesellschaftsinterne Wettbewerbsverbote

Weitere Gründe

Ein weiterer Grund könnte die Verhinderung eines Schadens oder die Sicherung des Gesellschaftsvermögens sein. Hier können auch wirtschaftliche Fehlentscheidungen oder nachhaltige Differenzen mit den übrigen Gesellschaftern als Grund gewertet werden, solange sie das Wohl der Gesellschaft beeinträchtigen.


Verfahren zur Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis

Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung

Die Gesellschafterversammlung ist berechtigt, die Geschäftsführungsbefugnis einzelner oder aller Geschäftsführer durch Mehrheitsbeschluss zu entziehen, sofern dies durch die Satzung nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt ist (§ 37 Abs. 1 GmbHG). In dringenden Ausnahmefällen kann auch ein gerichtlicher Beschluss erwirkt werden.

Erforderliche Mehrheit: Mangels abweichender Regelungen genügt in der Praxis die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

Gerichtliches Verfahren

Verweigern die Gesellschafter die erforderlichen Maßnahmen trotz Vorliegen eines wichtigen Grundes, kann jeder Gesellschafter gemäß § 39 GmbHG beim zuständigen Gericht auf Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis klagen. Das Gericht prüft das Vorliegen eines wichtigen Grundes und kann entsprechende Maßnahmen anordnen.

Eilrechtsschutz

Ausschlaggebend kann hierbei auch der Eilrechtsschutz sein, etwa mittels einstweiliger Verfügung, wenn sofortiges Handeln nötig ist, um die Gesellschaft vor Schaden zu bewahren.


Rechtsfolgen der Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis

Die Rechtsfolgen der Entziehung unterscheiden zwischen dem Innen- und Außenverhältnis:

  • Im Innenverhältnis: Der Geschäftsführer verliert die Befugnis zur eigenständigen Geschäftsführung. Er ist den Gesellschaftern unterstellt und hat Weisungen Folge zu leisten.
  • Im Außenverhältnis: Die Entziehung wirkt gegenüber Dritten grundsätzlich erst nach Eintragung im Handelsregister (§ 15 HGB). Bis dahin bleibt die Vertretungsmacht meist bestehen, kann aber auch mittels Vollmachtentziehung und Information der Vertragspartner eingeschränkt werden.

Verhältnis zur Abberufung

Die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis ist nicht mit der vollständigen Abberufung als Geschäftsführer gleichzusetzen, die ebenfalls eines wichtigen Grundes im Sinne des § 38 Abs. 2 GmbHG bedarf. Häufig findet zunächst eine Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis statt, die ggf. als Vorstufe zur späteren Abberufung dient.


Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis in anderen Gesellschaftsformen

Offene Handelsgesellschaft (OHG) und Kommanditgesellschaft (KG)

Auch in der OHG und KG ist die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis möglich (§ 117 Abs. 3 HGB). Hier steht sie den übrigen Gesellschaftern zu, sofern ein wichtiger Grund vorliegt. Ein gerichtliches Verfahren kann auch hier erfolgen, wenn unter den Gesellschaftern Uneinigkeit herrscht.

Aktiengesellschaft (AG)

Bei der AG ist die Geschäftsführungsbefugnis in der Regel Vorstandsmitgliedern vorbehalten, deren Bestellung oder Abberufung anders geregelt ist (§ 84 AktG). Eine Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis im engeren Sinne existiert kaum; hier dominiert die Abberufung durch den Aufsichtsrat.


Abgrenzung: Entziehung, Widerruf und Suspendierung

  • Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis: Einschränkung oder Wegnahme der Befugnis zur Geschäftsführung im Innenverhältnis.
  • Widerruf der Bestellung: Beendigung des Amtes als Geschäftsführer insgesamt; regelmäßig nach § 38 GmbHG.
  • Suspendierung: Vorübergehendes Ruhenlassen der Befugnisse bei gleichzeitigem Fortbestehen der Organstellung, meist als vorläufige Maßnahme bei laufenden Untersuchungen oder gerichtlichen Auseinandersetzungen.

Folgen für den betroffenen Geschäftsführer

Mit der Entziehung verliert der Geschäftsführer bestimmte Rechte und Pflichten, behält aber zunächst seine Organstellung bei. Dies kann haftungsrechtliche Konsequenzen haben, etwa im Innen- wie im Außenverhältnis. Gegen eine unberechtigte Entziehung kann der Betroffene rechtlich vorgehen und beispielsweise Anfechtungs- oder Feststellungsklage erheben.


Fazit

Die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis stellt ein wichtiges Instrument im Gesellschaftsrecht dar, um die effektive Kontrolle und Sicherung der Gesellschaftsinteressen gegenüber pflichtwidrig handelnden oder unfähigen Geschäftsführern zu gewährleisten. Die gesetzlichen und vertraglichen Rahmenbedingungen sind komplex und verlangen eine sorgfältige Prüfung der Sach- und Rechtslage, insbesondere im Hinblick auf Verfahrensabläufe, Gründe und Wirksamkeit gegenüber Dritten. Die verschiedenen Gesellschaftsformen sind hierbei jeweils gesondert zu betrachten, um den spezifischen Anforderungen und Rechtsfolgen gerecht zu werden.

Häufig gestellte Fragen

Unter welchen Voraussetzungen kann die Geschäftsführungsbefugnis entzogen werden?

Der Entzug der Geschäftsführungsbefugnis setzt regelmäßig einen wichtigen Grund voraus, der eine weitere Ausübung der Geschäftsführung durch den betroffenen Geschäftsführer für die Gesellschaft unzumutbar macht. Ein solcher Grund kann beispielsweise bei grober Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung, schweren Interessenkonflikten, Verlust des Vertrauens der Gesellschafter oder bei strafbaren Handlungen zum Nachteil der Gesellschaft gegeben sein. Die konkreten Anforderungen ergeben sich aus dem Gesellschaftsvertrag und, soweit dort keine abweichenden Bestimmungen existieren, aus den gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere § 38 GmbHG für die GmbH. Der Entzug muss grundsätzlich durch einen Gesellschafterbeschluss erfolgen, wobei sowohl die Einhaltung formeller Vorschriften (z.B. Einberufung der Gesellschafterversammlung, Mehrheitsverhältnisse) als auch das Recht auf Anhörung des betroffenen Geschäftsführers beachtet werden muss.

Welche formellen Schritte sind beim Entzug der Geschäftsführungsbefugnis einzuhalten?

Für den Entzug der Geschäftsführungsbefugnis bedarf es in der Regel eines förmlichen Gesellschafterbeschlusses. Der Beschluss muss ordnungsgemäß in einer Gesellschafterversammlung gefasst werden, zu der gemäß den gesellschaftsrechtlichen und satzungsmäßigen Vorschriften eingeladen wurde. Die Tagesordnung muss den Punkt „Entzug der Geschäftsführungsbefugnis“ ausdrücklich enthalten. Der betroffene Geschäftsführer ist grundsätzlich zur Versammlung zu laden und anzuhören, hat aber kein Stimmrecht, soweit seine eigene Abberufung betroffen ist. Das genaue Verfahren und die erforderlichen Mehrheiten können im Gesellschaftsvertrag abweichend geregelt sein. Im Anschluss ist der Beschluss schriftlich zu protokollieren, und entsprechende Eintragungen (etwa bei Abberufung als Geschäftsführer im Handelsregister) müssen vorgenommen werden.

Welche rechtlichen Folgen hat der Entzug der Geschäftsführungsbefugnis?

Mit dem wirksamen Entzug der Geschäftsführungsbefugnis verliert der betroffene Geschäftsführer seine Befugnis zur Vertretung und Geschäftsführung der Gesellschaft im Außenverhältnis. Im Handelsregister eingetragene Geschäftsführer werden grundsätzlich nach außen hin erst dann unwirksam, wenn die Änderung im Handelsregister eingetragen wurde, allerdings müssen noch im Namen der Gesellschaft vorgenommene Rechtsgeschäfte grundsätzlich von der Gesellschaft gegen sich gelten lassen, solange keine Kenntnis vom Entzug besteht (§ 15 HGB). Im Innenverhältnis besteht Klärungsbedarf, ob neben dem Entzug der Befugnis auch die Organstellung (Abberufung als Geschäftsführer) und/oder das Dienstverhältnis beendet wurden – dies muss gesondert betrachtet werden.

Kann die Geschäftsführungsbefugnis auch nur teilweise entzogen werden?

Ja, nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen kann die Geschäftsführungsbefugnis auch auf bestimmte Bereiche beschränkt werden, wenn dies der Gesellschaftsvertrag vorsieht oder ein entsprechender Beschluss gefasst wird. Denkbar ist eine teilweise Entziehung beispielsweise für einzelne Geschäftsbereiche oder Geschäftsvorfälle (z.B. kein Abschluss von Grundstücksgeschäften). Der Umfang der Beschränkung und deren Wirksamkeit im Innen- und Außenverhältnis richten sich maßgeblich nach der jeweiligen Gesellschaftsform und den konkreten vertraglichen Vereinbarungen. Gesellschaftsrechtlich wirksam wird eine solche Beschränkung insbesondere durch Änderung der Geschäftsverteilung oder expliziten Weisungsbeschluss der Gesellschafterversammlung.

Besteht für den betroffenen Geschäftsführer ein Rechtsschutz gegen den Entzug der Befugnis?

Gegen einen unberechtigten Entzug der Geschäftsführungsbefugnis stehen dem betroffenen Geschäftsführer verschiedene Rechtsschutzmöglichkeiten offen. Zum einen kann er die formelle und materielle Rechtmäßigkeit des Gesellschafterbeschlusses im Wege einer Anfechtungsklage überprüfen lassen, wobei die Klagefrist und die Zulässigkeit vom Gesellschaftsvertrag und der jeweiligen Gesellschaftsform abhängen. Zusätzlich kann unter Umständen auch einstweiliger Rechtsschutz in Form einer einstweiligen Verfügung beantragt werden, um irreversible Nachteile bei offensichtlich rechtswidrigem Entzug abzuwenden. Der Geschäftsführer kann zudem Ansprüche auf Schadensersatz oder Fortzahlung von Vergütungen (bei fortbestehendem Dienstvertrag) gegen die Gesellschaft geltend machen.

Welche Unterschiede bestehen zwischen Entzug der Geschäftsführungsbefugnis und Abberufung als Geschäftsführer?

Die Geschäftsführungsbefugnis bezieht sich auf die tatsächliche Leitung und Vertretung der Gesellschaft, während die Organstellung als Geschäftsführer die rechtliche Stellung als Organ der Gesellschaft umfasst. Ein Entzug der Befugnis kann bedeuten, dass der Geschäftsführer zwar formal noch im Handelsregister eingetragen und rechtlich Geschäftsführer ist, im Innenverhältnis jedoch keinerlei Leitungsmacht mehr hat. Die vollständige Abberufung als Geschäftsführer bedeutet dagegen auch das Ende der Organstellung und ist zwingend zur Eintragung im Handelsregister anzumelden (§ 39 GmbHG). Im Ergebnis sind beide Maßnahmen oftmals miteinander verbunden, rechtlich aber strikt zu trennen, da sie unterschiedliche Folgen hinsichtlich Rechte, Pflichten und Haftung haben.