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Entwidmung


Definition und Wesen der Entwidmung

Die Entwidmung ist ein zentraler Rechtsbegriff im öffentlichen Recht und bezeichnet den formellen Vorgang, durch den eine Sache, insbesondere eine öffentliche Sache, ihre Widmung zu einem bestimmten öffentlichen Zweck verliert. Sie stellt somit das Gegenstück zur Widmung dar, durch welche einer Sache der Status als öffentliche Sache übertragen wird. Mit der Entwidmung endet die Nutzung der Sache im Rahmen des öffentlichen Rechts und eröffnet typischerweise neue Nutzungsmöglichkeiten, insbesondere die Anwendung des Privatrechts.

Rechtliche Grundlagen der Entwidmung

Öffentliche Sachen und Widmung

Öffentliche Sachen sind bewegliche oder unbewegliche Sachen, die für einen bestimmten öffentlichen Zweck gewidmet und als solche dem Zugriff und der Nutzung durch die Allgemeinheit oder bestimmte Gruppen dienen. Die Widmung erfolgt in der Regel durch Hoheitsakt, wie Verwaltungsakt oder durch Gesetz.

Entwidmung als Verwaltungsakt

Die Entwidmung ist rechtlich meist als einseitiger Verwaltungsakt ausgestaltet. Zuständig ist regelmäßig die Behörde oder Körperschaft, welche die ursprüngliche Widmung ausgesprochen hat. Der Entwidmungsakt ist ein Verwaltungsakt im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG). Er muss den für den jeweiligen Sachtyp geltenden formellen und materiellen Anforderungen an Verwaltungsakte genügen.

Voraussetzungen der Entwidmung

Für eine rechtmäßige Entwidmung sind verschiedene Voraussetzungen zu beachten:

  • Zuständigkeit: Die Entwidmungsbefugnis liegt regelmäßig bei der Stelle, die auch die Widmung verfügt hat oder ihrem Rechtsnachfolger.
  • Begründung und Ermessen: Die Entscheidung zur Entwidmung steht meist im Ermessen der Behörde und setzt das Abwägungsgebot sowie das Verhältnismäßigkeitsprinzip voraus.
  • Rechtsgrundlage: Regelmäßig muss eine materielle Rechtsgrundlage für die Entwidmung gegeben sein; diese kann gesetzlich oder durch Satzung geregelt sein.

Anwendungsbereiche der Entwidmung

Straßenrechtliche Entwidmung

Im deutschen Straßenrecht bezeichnet die Entwidmung die Aufhebung der öffentlichen Zweckbestimmung einer Straße. Maßgeblich sind hier die Vorschriften des Bundesfernstraßengesetzes (FStrG), der jeweiligen Landesstraßengesetze und der kommunalen Satzungen. Mit der Entwidmung verliert die Fläche den Status als öffentliche Straße, was weitreichende Rechtsfolgen bezüglich des Eigentums, der Verkehrssicherungspflicht und der Nutzungsmöglichkeiten nach sich zieht.

Ablauf des Entwidmungsverfahrens im Straßenrecht

  1. Antrag oder Initiative der Behörde
  2. Beteiligung von Trägern öffentlicher Belange und Betroffenen
  3. Erlass des Entwidmungsbescheides
  4. Bekanntmachung und Inkrafttreten

Eisenbahnrechtliche Entwidmung (Stilllegung)

Im Eisenbahnrecht spricht man bei der Entwidmung einer Bahnstrecke oder Bahnfläche von „Stillegung“. Das Verfahren ist in § 11 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) geregelt. Hierbei sind umfangreiche Beteiligungsrechte von Behörden, anderen Infrastrukturbetreibern und der Öffentlichkeit zu beachten.

Sonstige Anwendungsfelder

Neben Straßen und Eisenbahnen ist die Entwidmung auch bei anderen öffentlichen Einrichtungen und Grundstücken möglich, wie zum Beispiel bei öffentlichen Gebäuden, Schulen, Friedhöfen oder Gewässern.

Rechtsfolgen der Entwidmung

Verlust der Eigenschaft als öffentliche Sache

Mit dem Wirksamwerden der Entwidmung entfällt die öffentlich-rechtliche Zweckbindung. Die Sache unterliegt meist dem Vollzug des allgemeinen Privatrechts, beispielsweise dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Die Nutzung durch die Allgemeinheit oder bestimmte Gruppen endet.

Eigentumsrechtliche Folgen

Sofern die öffentliche Sache im Eigentum einer öffentlichen Körperschaft verbleibt, kann sie nunmehr privatrechtlich genutzt oder veräußert werden. In manchen Fällen, insbesondere bei früheren Enteignungen zugunsten des Gemeinwohls, können Rechte von ehemaligen Eigentümern oder Dritten wieder aufleben oder Rückübertragungsansprüche entstehen.

Entfall öffentlich-rechtlicher Regelungen

Mit der Entwidmung entfallen öffentlich-rechtliche Sonderregelungen, wie beispielsweise verkehrsrechtliche Vorschriften bei Straßen oder eisenbahnrechtliche Verkehrssicherungspflichten. Zuständigkeiten und Haftungsfragen werden neu bewertet.

Rechtsschutz im Zusammenhang mit der Entwidmung

Betroffene, insbesondere Anlieger oder Nutzer der öffentlichen Sache, können regelmäßig im Rahmen des Verwaltungsrechtswegs gegen eine Entwidmung vorgehen. Rechtsmittel sind insbesondere der Widerspruch und die Anfechtungsklage. Maßgeblich für die Erfolgsaussichten ist, ob ein schutzwürdiges Interesse und eine Rechtsverletzung vorliegen.

Unterschied zu verwandten Rechtsbegriffen

Die Entwidmung ist strikt zu unterscheiden von der „Einziehung“, etwa im Straßenrecht (§ 8 Bundesfernstraßengesetz, § 7 Straßen- und Wegegesetz der Länder), welche einen anschließenden Realakt darstellt. Während die Entwidmung die Zweckbestimmung beendet, regelt die Einziehung, wie mit der Sache nach der Zweckentfremdung verfahren wird.

Zusammenfassung

Die Entwidmung ist ein essentieller Vorgang im öffentlichen Sachenrecht, der tiefgehende rechtliche und praktische Wirkungen entfaltet. Sie bedarf eines geregelten Verfahrens und zieht den Verlust des öffentlich-rechtlichen Nutzungszwecks nach sich. Die rechtlichen Rahmenbedingungen, Voraussetzungen und Folgen unterscheiden sich je nach Sachgebiet und betroffener Rechtsmaterie. Der Schutz Betroffener erfolgt durch Verwaltungsverfahren und Rechtsmittel. Die genaue dogmatische Einordnung sowie die Auswirkungen der Entwidmung sind im jeweiligen Fachbereich detailliert geregelt, was ihre rechtliche Komplexität und praktische Relevanz unterstreicht.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist für die Entwidmung zuständig?

Für die Entwidmung einer öffentlichen Sache (z.B. Straße, Weg, Friedhof) ist regelmäßig diejenige Verwaltungsbehörde zuständig, welche auch für die Widmung zuständig war. Dies können, abhängig vom jeweiligen Bundesland und Rechtsgebiet, insbesondere die Gemeinden, Landkreise oder spezielle Fachbehörden sein. Die Zuständigkeit ergibt sich aus spezialgesetzlichen Regelungen, wie den jeweiligen Straßengesetzen der Länder, dem Friedhofsrecht oder kommunalrechtlichen Vorschriften. Ein Beschluss zur Entwidmung erfolgt häufig durch den zuständigen Ausschuss oder das zuständige Verwaltungsorgan und setzt oftmals ein förmliches Verwaltungsverfahren voraus. Die Entscheidung ist als Verwaltungsakt zu qualifizieren und kann – bei Betroffenheit Dritter – auch anfechtbar sein.

Wie läuft das Verfahren der Entwidmung ab?

Das Verfahren zur Entwidmung folgt grundsätzlich den allgemeinen Regeln des Verwaltungsverfahrensrechts. Es beginnt meist mit einem Antrag oder einer Anregung, beispielsweise von privater Seite oder aus öffentlichem Interesse. Danach prüft die zuständige Behörde, ob die gesetzlichen Voraussetzungen (z.B. der Weg wird nicht mehr benötigt) vorliegen. Dies schließt regelmäßig eine Anhörung betroffener Eigentümer, Nutzer und der Öffentlichkeit ein. In einigen Fällen kann auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung oder eine Beteiligung von Trägern öffentlicher Belange erforderlich sein. Der eigentliche Entwidmungsakt erfolgt durch förmlichen Bescheid oder Rechtsverordnung, welcher öffentlich bekannt gemacht werden muss. Erst nach Bestandskraft oder Ablauf von Widerspruchsfristen entfaltet die Entwidmung ihre volle rechtliche Wirkung.

Welche Rechtsmittel können gegen eine Entwidmung eingelegt werden?

Gegen eine Entwidmung kann grundsätzlich Widerspruch und anschließend Klage vor den Verwaltungsgerichten erhoben werden, sofern Betroffene in eigenen Rechten verletzt sind. Dies betrifft insbesondere Anlieger, Nutzer oder andere Personen, deren Rechte durch die Entwidmung beeinträchtigt werden. Die Klagebefugnis setzt voraus, dass eine direkte Betroffenheit und eine eigene rechtliche Betroffenheit (z.B. Einschränkung der Erreichbarkeit von Grundstücken) dargelegt werden kann. Die Verfahrenswege richten sich nach dem jeweiligen Landesverwaltungsverfahrensgesetz, den Verwaltungsgerichtsordnungen sowie ggf. spezialgesetzlichen Vorschriften.

Welche Folgen hat die Entwidmung für die betroffene Sache?

Die Entwidmung bewirkt, dass die betroffene Sache ihre Eigenschaft als öffentliche Sache verliert. Sie unterliegt danach nicht mehr dem öffentlichen Recht, sondern dem Privatrecht. Für Straßen oder Wege bedeutet dies, dass öffentlich-rechtliche Nutzungsrechte, wie das Gemeingebrauchsrecht, enden. Grundstücke fallen in der Regel in das freie Vermögen der Körperschaft des öffentlichen Rechts (z.B. Gemeinde). Eine (weitere) Inanspruchnahme durch die Allgemeinheit ist ohne vertragliche Gestattung oder Umwidmung rechtlich nicht mehr zulässig. Eventuelle Beschränkungen aus Planungs- oder Baurecht oder dingliche Rechte Dritter bleiben von der Entwidmung unberührt und müssen ggf. separat behandelt werden.

Unter welchen Voraussetzungen ist eine Entwidmung überhaupt zulässig?

Tatbestandliche Voraussetzungen der Entwidmung ergeben sich aus den jeweiligen Fachgesetzen, wie z.B. dem Straßenrecht oder dem Friedhofsrecht. Häufig normiert das Gesetz, dass die öffentliche Sache für den Zweck der Widmung nicht mehr benötigt wird. Bei Straßen und Wegen ist beispielsweise maßgeblich, ob ein öffentliches Verkehrsbedürfnis nicht mehr besteht. Zudem sind häufig das Interesse der Allgemeinheit, Belange des Umweltschutzes, Denkmalschutzes oder Eigeninteressen der Anlieger und Nutzer im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung zu berücksichtigen. Eine Entwidmung darf nicht aus willkürlichen oder sachfremden Motiven erfolgen.

Wie wird die Entwidmung bekannt gemacht und ab wann wirkt sie?

Die Entwidmung muss nach den einschlägigen Vorschriften öffentlich bekannt gemacht werden, z.B. durch Veröffentlichung im Amtsblatt oder in örtlich üblichen Publikationsorganen. Die Wirkung tritt entweder mit dem Tag der Bekanntmachung oder einem ausdrücklich genannten späteren Zeitpunkt ein. Eine Nutzung als öffentliche Sache ist ab diesem Termin untersagt und ggf. ordnungsrechtlich sanktionierbar. Frühere Nutzungsrechte erlöschen zu diesem Zeitpunkt.

Können bestehende Rechte Dritter durch eine Entwidmung beeinträchtigt werden?

Die Entwidmung kann bestehende öffentlich-rechtliche Nutzungsrechte Dritter, wie beispielsweise Wegerechte, aufheben. Private Rechte, wie Dienstbarkeiten oder Grunddienstbarkeiten, bleiben hingegen bestehen, sofern sie privatrechtlich gesichert sind. Sind Dritte durch die Entwidmung betroffen, so sind diese, sofern rechtlich vorgesehen, im Verfahren anzuhören oder zu beteiligen. Entstehen aufgrund der Entwidmung Vermögensnachteile, können unter bestimmten Voraussetzungen Entschädigungsansprüche ausgelöst werden. Die Einzelheiten richten sich hierbei nach dem speziellen Fachrecht und den allgemeinen Grundsätzen des Entschädigungsrechts.