Legal Lexikon

Entstellung


Begriff und allgemeine Definition von Entstellung

Der Begriff Entstellung bezeichnet im rechtlichen Kontext eine erhebliche und dauerhafte Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes eines Menschen oder einer Sache, durch die die betreffende Person oder Sache in ihrer ästhetischen Wahrnehmung wesentlich beeinträchtigt wird. Entstellung kennzeichnet vor allem einen Zustand, der über eine nur vorübergehende oder geringfügige Veränderung hinausgeht und gesellschaftlich wahrnehmbare Auswirkungen auf die betroffene Person haben kann. Die genaue Definition und rechtliche Bewertung variieren nach Anwendungsbereich, insbesondere im Straf-, Zivil- und Sozialrecht.


Entstellung im deutschen Strafrecht

Entstellung im Sinne des § 226 StGB – Schwere Körperverletzung

Im Strafrecht ist die Entstellung insbesondere in § 226 Absatz 1 Nr. 3 des Strafgesetzbuchs (StGB) von zentraler Bedeutung. Dort wird Entstellung als eine der möglichen schweren Folgen einer Körperverletzung aufgeführt, die eine Strafverschärfung zur Folge haben kann.

Tatbestand der Entstellung

Eine Entstellung im Sinne des § 226 StGB liegt vor, wenn die äußere Erscheinung des Verletzten in erheblicher Weise dauerhaft verunstaltet wird. Die maßgebliche Veränderung muss so gravierend sein, dass sie das soziale Ansehen und die Wahrnehmung der Person durch andere maßgeblich beeinträchtigt.

Kriterien für das Vorliegen einer Entstellung:

  • Erhebliche Veränderung des Erscheinungsbildes (z. B. Narben im Gesicht, Verlust von Gliedmaßen, massive Verbrennungen)
  • Dauerhaftigkeit der Entstellung, wobei dauerhafte Veränderungen auch dann vorliegen, wenn sie nur mit hohem Aufwand oder nicht vollständig reversibel gemacht werden könnten
  • Soziale Auswirkungen, insbesondere bezüglich des alltäglichen Miteinanders und des persönlichen Selbsterlebens

Abgrenzung zur nicht schweren Körperverletzung

Nicht jede äußerlich sichtbare Verletzung stellt eine Entstellung dar. Maßgeblich sind:

  • Intensität (Grad der Veränderung)
  • Dauerhaftigkeit
  • Gesellschaftliche Auffälligkeit

Entstellung anderer Personenmerkmale im Strafrecht

Im Einzelfall kann Entstellung auch im Rahmen anderer strafrechtlicher Tatbestände relevant sein, beispielsweise im Zusammenhang mit Ehrverletzungsdelikten, wenn durch Manipulation oder Missbrauch von Bildern eine Verfälschung bewirkt wird, die als Entstellung verstanden werden kann.


Entstellung im Zivilrecht

Schadensersatz und Schmerzensgeld

Im Zivilrecht kommt der Entstellung vor allem im Zusammenhang mit Ansprüchen auf Schadensersatz und Schmerzensgeld eine Rolle. Nach § 253 Abs. 2 BGB kann bei erheblicher Beeinträchtigung des Körpers, der Gesundheit oder des äußeren Erscheinungsbildes einer Person eine immaterielle Entschädigung verlangt werden.

Voraussetzungen für Entschädigungsansprüche

  • Feststellung einer dauerhaften und erheblichen Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes
  • Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen schädigendem Ereignis und Entstellung
  • Berücksichtigung der subjektiven Wahrnehmung des Geschädigten sowie der objektiven gesellschaftlichen Sichtweise

Anspruch auf Wiederherstellung

Im Rahmen von Reparatur- oder Wiederherstellungsansprüchen können Geschädigte die Beseitigung der Entstellung verlangen, sofern dies möglich und zumutbar ist. Ist eine Wiederherstellung nicht oder nur unvollständig möglich, bleibt der Anspruch auf Schadensersatz bestehen.


Entstellung im Kontext des öffentlichen Rechts

Sozialrechtliche Begutachtung

Im Sozialrecht kann eine Entstellung als „MdE” (Minderung der Erwerbsfähigkeit) und in der Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) eine Rolle spielen. Sie führt zu besonderen Einstufungen im Sozialversicherungsrecht und kann Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz oder im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung auslösen.

Beamtenrecht und Entstellung

Beamte, die durch Ausübung des Dienstes eine Entstellung erleiden, können nach beamtenrechtlichen Vorschriften spezielle Entschädigungs- oder Versorgungsansprüche geltend machen, soweit die Beeinträchtigung dienstbedingt eingetreten ist.


Entstellung im Sachenrecht

Im Zusammenhang mit Sachen bezeichnet Entstellung jede erhebliche Veränderung oder Beschädigung, die dem äußeren Bild des Gegenstandes einen erheblichen und dauerhaften Makel zufügt. Entstellung kann hier zum Entstehen von Schadensersatzansprüchen oder – bei Kunstwerken und Denkmälern – zu denkmalrechtlichen und zivilrechtlichen Folgen führen.


Entstellung und Persönlichkeitsrechte

Recht am eigenen Bild

Im Bereich des Persönlichkeitsrechts kann eine Entstellung als Verfälschung oder Manipulation von Bildnissen in Erscheinung treten. § 33 KunstUrhG (Kunsturhebergesetz) stellt die Veröffentlichung verfälschter oder entstellter Bildnisse unter Strafe, sodass auch hier das Schutzgut „äußeres Erscheinungsbild” Berücksichtigung findet.

Ehrschutz und Entstellung

Ein Angriff auf Ehre oder Ansehen durch publikumswirksame Entstellung (z. B. in Presse, Social Media) kann zivilrechtliche Ansprüche auf Unterlassung, Widerruf und Schadensersatz auslösen.


Entstellung im internationalen Recht

Im internationalen Kontext finden sich vergleichbare Begriffe im Straf- und Zivilrecht anderer Staaten, teils mit abweichenden Definitionen und besonderen Schutzmechanismen, etwa im Bereich der Menschenrechte (Schutz vor unmenschlicher und erniedrigender Behandlung).


Literatur und Rechtsprechung zur Entstellung

Zur Auslegung und zum Verständnis des Begriffs Entstellung existiert eine umfangreiche Rechtsprechung, insbesondere zur Bewertung des Ausmaßes der Entstellung, der Dauerhaftigkeit und der sozial relevanten Auswirkungen. Praxisrelevant ist stets die Einzelfallabwägung unter Berücksichtigung medizinischer Gutachten und gesellschaftlicher Maßstäbe.


Zusammenfassung

Der Begriff Entstellung ist im Rechtssystem von zentraler Bedeutung, wenn es um den Schutz des äußeren Erscheinungsbildes, die Anspruchsgewährung nach Verletzungen und die Sicherung immaterieller sowie materieller Interessen geht. Die rechtliche Bewertung einer Entstellung ist stets wesentlich von der Intensität, Dauerhaftigkeit und sozialen Auswirkung der Veränderung abhängig. Vielfältige Anspruchsgrundlagen in verschiedenen Rechtsgebieten gewährleisten den Schutz und Ausgleich für Betroffene.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Regelungen sind im Zusammenhang mit Entstellung relevant?

Im deutschen Recht ist der Begriff der Entstellung vor allem im Strafrecht und teilweise im Zivilrecht relevant. Im Strafrecht finden sich zentrale Regelungen zur Entstellung insbesondere in § 226 Strafgesetzbuch (StGB), der die schwere Körperverletzung erfasst. Hierbei wird eine Entstellung im Sinne des Gesetzes dann angenommen, wenn das äußere Erscheinungsbild einer Person dauerhaft erheblich beeinträchtigt wird, zum Beispiel durch Narben, den Verlust eines Körperteils oder andere erhebliche Veränderungen. Das Gesetz knüpft an das Tatbestandsmerkmal der “dauerhaften Entstellung” für die Qualifikation der Körperverletzung als schwere Körperverletzung an. Im Zivilrecht, insbesondere im Deliktsrecht (z.B. § 823 BGB), kann eine Entstellung Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche nach sich ziehen, wenn durch eine rechtswidrige Handlung das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Recht am eigenen Bild oder das Recht auf körperliche Unversehrtheit verletzt wurde und hierdurch eine Entstellung verursacht wird. Auch im sozialen Entschädigungsrecht und im Opferentschädigungsgesetz (OEG) kann eine dauerhafte Entstellung als Schädigungsfolge eine Rolle spielen.

Wann gilt eine Entstellung im rechtlichen Sinne als “dauerhaft”?

Im rechtlichen Sinne ist eine Entstellung dann dauerhaft, wenn keine begründete Aussicht auf eine vollständige Wiederherstellung des äußeren Erscheinungsbildes besteht. Rein vorübergehende Veränderungen reichen nicht aus, um den Tatbestand zu erfüllen; vielmehr muss die Beeinträchtigung für eine nicht absehbare Zeit bestehen, jedenfalls aber über einen erheblichen Zeitraum. Maßgeblich für die Beurteilung der Dauerhaftigkeit ist regelmäßig der Standpunkt medizinischer Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Beurteilung. Operative oder therapeutische Maßnahmen, die in absehbarer Zeit zu einer vollständigen oder nahezu vollständigen Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands führen können, lassen die Dauerhaftigkeit entfallen. Die Rechtsprechung definiert hierbei keine festen Zeiträume, sondern prüft stets die Umstände des Einzelfalls und die Möglichkeiten des medizinischen Fortschritts.

Welche Ansprüche können Opfer einer Entstellung geltend machen?

Opfer einer rechtlich relevanten Entstellung haben verschiedene Ansprüche, je nach Rechtsgebiet. Im Strafverfahren kommt eine Nebenklage sowie der sogenannte Adhäsionsantrag in Betracht, um zivilrechtliche Ansprüche wie Schmerzensgeld oder Schadensersatz bereits im Strafverfahren geltend zu machen. Im Zivilrecht bestehen Ansprüche auf Ersatz materieller Schäden (beispielsweise Heilungskosten, Verdienstausfall, zukünftige Behandlungskosten) und auf immateriellen Schadensersatz (Schmerzensgeld) nach §§ 823 ff. BGB, insbesondere wenn die Entstellung aus einer unerlaubten Handlung resultiert. Im Rahmen von Arbeits- oder privaten Unfällen können Unfallversicherungen entsprechende Leistungen bei dauerhafter körperlicher oder ästhetischer Beeinträchtigung vorsehen. Im Sozialrecht können Renten- oder Entschädigungszahlungen nach dem Opferentschädigungsgesetz oder dem Sozialgesetzbuch angestrebt werden.

Welche Rolle spielt die Entstellung im Zusammenhang mit Schönheitsoperationen nach einem Unfall?

Wird eine Person unfallbedingt entstellt, stellen sich regelmäßig Fragen nach dem Anspruch auf Kostenübernahme für kosmetische oder rekonstruktive Eingriffe. Zivilrechtlich kann der Schädiger zur Übernahme sämtlicher zur Wiederherstellung erforderlicher Heilbehandlungskosten verpflichtet sein, sofern die Maßnahmen medizinisch indiziert sind. Bei kosmetisch-ästhetisch motivierten Eingriffen wird jedoch eine sorgfältige Abwägung vorgenommen, ob diese notwendig sind, um den vorherigen Zustand (funktional und ästhetisch) wiederherzustellen. Private Unfallversicherungen bieten je nach vertraglicher Gestaltung Leistungen zur sogenannten “äußeren Invalidität” an – hier ist eine Entstellung als eigenständige Leistungsart oft ausdrücklich geregelt. Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt Kosten in der Regel dann, wenn eine medizinische Indikation gegeben ist und nicht lediglich eine Verbesserung des äußeren Erscheinungsbildes ohne funktionellen Bezug im Vordergrund steht.

Kann eine Entstellung Auswirkungen auf das Arbeitsleben oder das Diskriminierungsrecht haben?

Aus rechtlicher Sicht kann eine dauerhafte Entstellung nicht nur zivilrechtliche Ansprüche nach sich ziehen, sondern auch Auswirkungen auf das Arbeitsrecht sowie das Diskriminierungsrecht haben. Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist eine Benachteiligung aufgrund einer Behinderung verboten; ob eine Entstellung im Einzelfall als Behinderung gilt, ist abhängig vom Ausmaß und den individuellen Auswirkungen auf das Alltagsleben. Kommt es aufgrund einer Entstellung zu Einschränkungen bei der Arbeitsplatzwahl, im beruflichen Fortkommen oder zu Mobbing, können Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche nach AGG bestehen. Arbeitgeber müssen zudem prüfen, ob sie im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements verpflichtet sind, besondere Rücksicht zu nehmen oder zumutbare Anpassungen am Arbeitsplatz zu ermöglichen.

Welche Bedeutung hat die Entstellung im Zusammenhang mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht?

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, verankert in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und einfachgesetzlich insbesondere über § 823 Abs. 1 BGB geschützt, umfasst auch das Recht auf Achtung und freie Entfaltung der Persönlichkeit, wozu das Recht auf körperliche Unversehrtheit und das Recht am eigenen Bild zählen. Eine durch Dritte verursachte Entstellung kann eine erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen, insbesondere wenn das äußere Erscheinungsbild, das für die Identität einer Person von wesentlicher Bedeutung ist, dauerhaft beeinträchtigt wird. Die Rechtsprechung erkennt dabei regelmäßig erhebliche Schmerzensgeldansprüche zu, weil mit der Entstellung neben der physischen Beeinträchtigung meist auch gravierende psychische und soziale Folgeschäden verbunden sind.

Welche prozessualen Besonderheiten sind im Zusammenhang mit Entstellung zu beachten?

Wird im Zuge eines Schadensereignisses eine Entstellung gerichtlich geltend gemacht, ergeben sich einige prozessuale Besonderheiten. Die Feststellung und Bewertung einer Entstellung erfolgen durch medizinische Sachverständigengutachten, die sowohl das Ausmaß als auch die Dauerhaftigkeit und die Folgen für die Lebensführung bewerten. Im Zivilprozess trägt das Opfer die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen und die Auswirkungen der Entstellung. Im Strafprozess kann das Opfer als Nebenkläger auftreten und darüber hinaus bereits während des Strafprozesses Schmerzensgeld- oder Schadensersatzansprüche (Adhäsionsverfahren) geltend machen. Bei besonders schweren Persönlichkeitsrechtsverletzungen kann zusätzlich eine Unterlassungsklage in Betracht kommen, insbesondere bei Veröffentlichungen oder medialer Verbreitung von Bildern der entstellten Person ohne Einwilligung.