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Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen


Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen

Die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen stellt einen bedeutenden Teil des gerichtlichen Verfahrensrechts dar. Sie umfasst die finanzielle Vergütung und Erstattung von Aufwendungen für Personen, die im Rahmen eines gerichtlichen oder behördlichen Verfahrens zur Leistung von Zeugenaussagen oder Gutachten herangezogen werden. Die Entschädigung sichert die Mitwirkung im Verfahren ab und schafft Anreize für eine wahrheitsgemäße und sachgerechte Mitwirkung.


Rechtliche Grundlagen der Entschädigung

Gesetzliche Regelungen

Die Höhe und die Anspruchsvoraussetzungen der Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen sind in Deutschland überwiegend im Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) geregelt. Für Verfahren vor Zivil-, Straf-, Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichten ist das JVEG maßgeblich. Spezielle Verfahrensgesetze, beispielsweise die Strafprozessordnung (StPO) oder Zivilprozessordnung (ZPO), enthalten ergänzende Verweise.

Anspruchsberechtigte Personen

Anspruch auf Entschädigung haben insbesondere

  • Zeugen, die durch Ladung zur Vernehmung verpflichtet wurden,
  • Sachverständige, die im Auftrag des Gerichts oder einer Behörde ein Gutachten erstatten oder sich zur mündlichen Erläuterung ihres schriftlichen Gutachtens einfinden müssen,
  • Dolmetscher und Übersetzer unter bestimmten Voraussetzungen.

Umfang und Arten der Entschädigung

Grundsätzliche Unterscheidung

Es wird grundsätzlich unterschieden zwischen der Entschädigung für Zeitversäumnis, dem Ersatz von Aufwendungen, dem Ersatz für entstandene Nachteile sowie der Vergütung von Gutachtertätigkeiten.

Entschädigungstatbestände für Zeugen

1. Entschädigung für Verdienstausfall
Zeugen erhalten eine Entschädigung für den durch die Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins verursachten Verdienstausfall (§ 20 JVEG). Die Höhe orientiert sich am durchschnittlichen Bruttoverdienst und ist durch gesetzliche Höchstbeträge gedeckelt.

2. Ersatz für notwendige Aufwendungen
Dazu gehören Fahrtkosten, Verpflegungsmehraufwand, Kosten für notwendige Übernachtungen sowie sonstige durch die Ladung verursachte Kosten (§§ 5 ff. JVEG).

3. Zeitversäumnis
Ist kein Verdienstausfall nachweisbar, besteht Anspruch auf eine pauschalisierte Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 20 Absatz 2 JVEG).

Entschädigung und Vergütung für Sachverständige

1. Vergütung für Gutachtertätigkeit
Sachverständigen steht eine Vergütung für ihre Tätigkeit zu. Die Höhe richtet sich nach dem Zeitaufwand und der Art der gutachterlichen Tätigkeit (§§ 8 ff. JVEG). Das Gesetz differenziert dabei nach verschiedenen Tätigkeitsgruppen und sieht unterschiedliche Stundensätze vor.

2. Auslagenersatz
Ebenso haben Sachverständige Anspruch auf Ersatz ihrer notwendigen Aufwendungen, z. B. für Reisen, Porto, Material oder Laboruntersuchungen (§ 7 JVEG).

3. Vorschüsse
Zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Durchführung kann ein Vorschuss auf die zu erwartende Vergütung geleistet werden (§ 9 JVEG).


Verfahren zur Geltendmachung der Entschädigung

Antragstellung

Der Anspruch auf Entschädigung wird durch Antrag geltend gemacht, der bei der jeweiligen Stelle, die zur Ladung berechtigt war, einzureichen ist (§ 2 JVEG). Er muss innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Tätigkeit gestellt werden (§ 2 Absatz 1 Satz 2 JVEG).

Nachweis- und Mitwirkungspflichten

Zur Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen sind Belege über den Verdienstausfall sowie Nachweise über Aufwendungen beizubringen. Insbesondere Verdienstausfall ist durch Bescheinigungen des Arbeitgebers oder entsprechende Nachweise zu belegen.


Besonderheiten und Ausnahmen

Ablehnung und Kürzung der Entschädigung

Wird der Nachweis nicht oder nicht ausreichend erbracht, kann die Entschädigung ganz oder teilweise versagt werden. Ebenfalls ist eine Kürzung oder Versagung möglich, wenn die Aussage oder das Gutachten verweigert wurde oder sich die Person unentschuldigt verspätet.

Steuerpflicht der Entschädigung

Die gezahlten Entschädigungen und Vergütungen unterliegen der Einkommensbesteuerung. Der steuerliche Status hängt davon ab, ob es sich um einen echten Verdienstausfall oder eine zusätzliche Einnahme handelt. Hierfür ist die persönliche Steuererklärung maßgeblich.


Relevanz und Zweck der Entschädigung

Die Entschädigung erfüllt vor allem zwei Funktionen: Sie ermöglicht einerseits die Mitwirkung von Zeugen und Sachverständigen im Interesse einer funktionsfähigen Rechtspflege, häufig unter Inkaufnahme beruflicher oder privater Nachteile. Andererseits garantiert sie eine gewisse soziale Absicherung und verhindert finanzielle Nachteile durch die Teilnahme am Verfahren.


Internationale Bezüge

In anderen Staaten existieren vergleichbare Systeme der Zeugen- und Sachverständigenentschädigung. Während in weiten Teilen Europas nach ähnlichen Grundsätzen wie in Deutschland entschädigt wird, fallen Umfang und Regelungsstruktur in anderen Rechtssystemen, z.B. im angelsächsischen Bereich, teilweise unterschiedlich aus. Eine einheitliche Regelung innerhalb der Europäischen Union besteht bislang nicht.


Weiterführende Literatur und Weblinks


Hinweis: Dieser Beitrag bietet eine umfassende Übersicht über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die praktische Umsetzung der Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen in Deutschland und stellt eine fundierte Grundlage für weitergehende Recherchen und Anwendungen dar.

Häufig gestellte Fragen

Wie erfolgt die Berechnung der Entschädigung für Zeugen?

Die Entschädigung für Zeugen richtet sich in Deutschland nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG). Zeugen erhalten Ersatz für Verdienstausfall, eine Entschädigung für Zeitversäumnis, Fahrtkosten sowie ggf. einen Zuschlag für Verpflegungsmehraufwand und Übernachtungskosten, soweit diese durch das Erscheinen vor Gericht notwendig werden. Die Höhe des Verdienstausfalls berechnet sich nach dem tatsächlich entgangenen Bruttoarbeitsentgelt, maximal jedoch bis zu 29 Euro pro Stunde (Stand Juni 2024). Selbständige können einen glaubhaft gemachten Verdienstausfall bis zu einer Höchstgrenze geltend machen. Fahrtkosten werden in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten für die Nutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels oder – beim eigenen Auto – mit 0,42 Euro pro Kilometer erstattet. Notwendige Übernachtungs- und Verpflegungskosten sind ebenfalls gegen Vorlage entsprechender Belege erstattungsfähig, wobei bestimmte Höchstgrenzen gelten. Die Entschädigung ist auf Antrag zu gewähren und muss innerhalb von drei Monaten nach der Zeugenaussage beantragt werden.

Welche Nachweise müssen Zeugen für die Entschädigung erbringen?

Zeugen müssen grundsätzlich einen Nachweis über den erlittenen Verdienstausfall erbringen, beispielsweise durch eine Arbeitgeberbescheinigung oder ähnliche Belege. Für Selbständige genügt in der Regel eine eidesstattliche Versicherung, in der der Verdienstausfall dargelegt wird, wobei zusätzliche Unterlagen wie betriebliche Auswertungen oder Steuerbescheide hilfreich sind. Für Fahrtkosten muss i. d. R. das benutzte Verkehrsmittel angegeben werden, bei Nutzung eines privaten PKW genügt eine kilometergenaue Angabe der Hin- und Rückfahrt. Bezüglich Übernachtungs- und Verpflegungskosten sind die jeweiligen Belege vorzulegen. Sind diese Unterlagen unvollständig oder nicht plausibel, kann der Anspruch auf Entschädigung zum Teil oder ganz versagt werden.

Wie erfolgt die Entschädigung von Sachverständigen im Unterschied zu Zeugen?

Im Unterschied zu Zeugen ist die Entschädigung von Sachverständigen ausdrücklich aufwands- und leistungsbezogen geregelt. Sie erhalten insbesondere eine Vergütung (nicht nur eine Entschädigung) für ihre geleisteten Dienste. Die Höhe dieser Vergütung orientiert sich an den gesetzlichen Honorartabellen des JVEG und berücksichtigt den Zeitaufwand, ggf. angefallene Materialkosten und besondere Leistungen wie Anhörungen oder Ortsbesichtigungen. Der Stundensatz variiert je nach Fachgebiet und reicht von 65 € bis über 100 € pro Stunde (abhängig von der Qualifikation und der Komplexität des Gutachtens). Auch Sachverständige haben Anspruch auf Ersatz ihrer notwendigen Auslagen wie Reise- oder Übernachtungskosten. Im Regelfall erfolgt zunächst eine Vorschusszahlung; die endgültige Abrechnung erfolgt nach Vorlage des Gutachtens und einer detaillierten Abrechnung.

Gibt es Fristen für die Beantragung der Entschädigung?

Für beide Gruppen, also Zeugen und Sachverständige, gilt eine zwingende Antragsfrist von drei Monaten ab dem Tag der jeweiligen gerichtlichen oder behördlichen Inanspruchnahme. Wird der Antrag nicht innerhalb dieser Frist gestellt, erlischt der Anspruch gemäß § 2 Abs. 1 JVEG. Die Fristwahrung ist zwingend; verspätete Anträge werden grundsätzlich – unabhängig von den Gründen der Verspätung – abgelehnt. Bei Minderjährigen oder nicht geschäftsfähigen Personen beginnt die Frist mit Kenntnis der gesetzlichen Vertreter. Die Einhaltung der Frist sollte in jedem Fall dokumentiert werden.

In welchen Fällen kann die Entschädigung nur anteilig oder gar nicht beansprucht werden?

Eine vollständige oder teilweise Versagung der Entschädigung kann erfolgen, wenn der Zeuge oder Sachverständige seiner Vorladung ohne hinreichenden Grund nicht Folge geleistet hat, sich verspätet oder eine wesentliche Obliegenheit verletzt wurde, z.B. bewusste Angabe falscher Tatsachen zum Verdienstausfall. Auch bei eigenverschuldeter Terminversäumung können nur die tatsächlich entstandenen Kosten übernommen oder pauschalierte Entschädigungen gekürzt werden. Die konkrete Kürzung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und dem festgestellten Mitverschulden.

Wie wirkt sich eine mehrtägige Ladung auf die Entschädigung aus?

Wird ein Zeuge oder Sachverständiger über mehrere Tage hinweg geladen, erhöhen sich neben der Entschädigung für den Zeitaufwand auch die Ansprüche auf Verpflegungsmehraufwand und Übernachtungskosten. Pro vollem Kalendertag erfolgt eine pauschalierte Auszahlung (sog. Tagegeld). Für Sachverständige kann sich zudem der Vergütungsanspruch entsprechend der aufgewendeten Zeit summieren. Wichtig ist, dass längere Aufenthalte nur dann entschädigt werden, wenn sie durch Gerichtstermine nachweislich erforderlich waren. Zwischen den Prozesstagen ist grundsätzlich eine Rückreise zum Wohnort zumutbar, es sei denn, dies wäre unzumutbar oder unwirtschaftlich.

Sind Zeugen und Sachverständige während ihres Einsatzes versichert?

Während ihres Einsatzes vor Gericht oder einer Behörde sind Zeugen und Sachverständige über die gesetzliche Unfallversicherung versichert, sofern ein Weg zum Termin oder daraus resultierende Tätigkeiten Unfallfolgen verursachen. Der Versicherungsschutz erstreckt sich auf den direkten Hin- und Rückweg sowie auf die unmittelbare Teilnahme an der Verhandlung. Schäden am Privateigentum oder reine Vermögensschäden werden hingegen nicht über die gesetzliche Versicherung reguliert. Lediglich Personenschäden können geltend gemacht werden, sofern ein nachweisbarer Zusammenhang mit dem Termin besteht. Bei selbstständigen Sachverständigen ist die eigenständige Berufs-Haftpflichtversicherung empfehlenswert.