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Entnahmen


Begriff und Allgemeine Definition von Entnahmen

Der Begriff Entnahmen ist im deutschen Recht ein zentraler Begriff, der in unterschiedlichen Rechtsgebieten – insbesondere im Steuerrecht, Handelsrecht und Gesellschaftsrecht – Anwendung findet. Im weitesten Sinne bezeichnet „Entnahme“ den Vorgang, bei dem ein Unternehmer oder Mitunternehmer Vermögenswerte, Geld oder sonstige Werte aus dem Betriebsvermögen herausnimmt, um diese für private Zwecke zu verwenden oder dem Unternehmenszweck zu entziehen.

Die rechtlichen Vorschriften und Folgen von Entnahmen variieren je nach Kontext und Rechtsgebiet. Grundlage bildet in erster Linie das Steuerrecht, insbesondere das Einkommensteuerrecht und das Handelsrecht (HGB). Im Folgenden werden die spezifischen rechtlichen Aspekte und die relevante Gesetzeslage umfassend ausgeführt.


Entnahmen im Steuerrecht

Definition und Abgrenzung

Im Steuerrecht, insbesondere nach dem Einkommensteuergesetz (EStG), sind Entnahmen definiert als alle Wirtschaftsgüter, Nutzungen oder Leistungen, die dem Betrieb für private Zwecke oder außerhalb des Betriebs entzogen werden (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG). Hierzu zählen Geldentnahmen, Sachentnahmen sowie Nutzungsentnahmen.

Arten von Entnahmen

Geldentnahmen

Geldentnahmen umfassen die Auszahlung von Zahlungsmitteln aus dem Betriebsvermögen für private Zwecke des Inhabers oder Mitunternehmers. Hierzu gehören auch Überweisungen vom betrieblichen Geschäftskonto auf ein Privatkonto.

Sachentnahmen

Sachentnahmen bezeichnen das Herauslösen von materiellen oder immateriellen Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen in den Privatbereich des Unternehmers. Hierzu zählen beispielsweise die private Nutzung von Fahrzeugen, Computern oder Maschinen, aber ebenso die Veräußerung von Anlagegütern an den Inhaber.

Nutzungsentnahmen

Zu den Nutzungsentnahmen gehört die unentgeltliche Überlassung der betrieblichen Wirtschaftsgüter (bspw. Fahrzeug, Immobilie) zur privaten Nutzung des Inhabers, ohne dass diese Wirtschaftsgüter das Betriebsvermögen verlassen.

Rechtsfolgen der Entnahme

Die Entnahme führt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG grundsätzlich zu einer Gewinnerhöhung, da die entsprechenden Wirtschaftsgüter dem Betriebsvermögen entzogen werden und damit nicht mehr für den Betrieb zur Verfügung stehen. Geldentnahmen selbst sind dabei regelmäßig nicht gewinnerhöhend, da sie lediglich einen Vermögenstausch darstellen (Betriebsgeld zu Privatgeld).

Anders verhält es sich bei Sach- und Nutzungsentnahmen: Der Entnahmewert ist regelmäßig mit dem Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) zu bewerten, was zu entsprechenden Betriebsgewinnen führen kann, insbesondere dann, wenn der Entnahmewert den Buchwert übersteigt.

Dokumentationspflichten

Das Steuerrecht sieht umfassende Dokumentations- und Nachweispflichten für Entnahmen vor. Unternehmer müssen jede Entnahme zeitnah und ordnungsgemäß verbuchen, damit die steuerlichen Folgen korrekt erfasst und nachvollzogen werden können. Verstöße können zu Hinzuschätzungen und steuerlichen Nachteilen führen.


Entnahmen im Handelsrecht

Bedeutung im Kontext des Handelsgesetzbuches

Im Handelsrecht, insbesondere im Rahmen der Buchführungspflicht nach § 238 HGB, ist die Unterscheidung zwischen betrieblichen und privaten Vorgängen von erheblicher Bedeutung. Entnahmen sind als außerordentliche Geschäftsvorfälle gesondert zu erfassen und vom betrieblichen Umsatz zu trennen (§ 240 Abs. 2 HGB).

Bilanzielle Behandlung

Im Jahresabschluss sind Entnahmen als „Eigenkapitalminderungen“ im Eigenkapitalkonto oder entsprechenden Unterkonten (z.B. Privatkonto bei Einzelunternehmern und Personengesellschaften) auszuweisen. Sie reduzieren das Eigenkapital, wirken sich jedoch nicht auf das Betriebsergebnis (Gewinn oder Verlust) aus.


Entnahmen im Gesellschaftsrecht

Einzelunternehmen und Personengesellschaften

Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften (wie OHG, KG) ist der Unternehmer bzw. die Gesellschafter berechtigt, Entnahmen aus den erwirtschafteten Gewinnen für private Zwecke vorzunehmen. Gesetzlich geregelt ist dies beispielsweise in § 122 HGB im Rahmen der offenen Handelsgesellschaft.

GmbH und Kapitalgesellschaften

Bei Kapitalgesellschaften (wie GmbH, AG) ist die private Entnahme von Gesellschaftsvermögen durch die Gesellschafter untersagt; hier können Ausschüttungen ausschließlich über die Gewinnverwendung nach entsprechender Beschlussfassung und unter Einhaltung der Kapitalerhaltungsvorschriften erfolgen. Ausnahmen bestehen allenfalls im Rahmen von Vorschüssen oder in besonderen Situationen, die gesetzlich klar geregelt sind.

Verdeckte Gewinnausschüttung

Eine sogenannte „verdeckte Gewinnausschüttung“ liegt vor, wenn ein Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft ohne gesellschaftsrechtliche Grundlage oder in unangemessener Höhe Vermögensvorteile aus der Gesellschaft erhält. Diese werden steuerlich als Gewinnanteil behandelt und führen zu Einkommensteuerpflicht beim Empfänger sowie zur Korrektur der Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage der Gesellschaft.


Sonderregelungen und Spezielle Rechtsfragen

Unentgeltliche Wertabgaben (Eigenverbrauch)

Im Rahmen der Umsatzbesteuerung werden private Entnahmen regelmäßig als unentgeltliche Wertabgaben bewertet und sind nach § 3 Abs. 1b und § 3 Abs. 9a UStG umsatzsteuerpflichtig, sobald ein zum Vorsteuerabzug berechtigtes Unternehmen Wirtschaftsgüter, die zuvor betrieblich genutzt wurden, privat verwendet.

Entnahmen in der Insolvenz

Im Insolvenzverfahren können unzulässige oder nicht angemessene Entnahmen der insolventen Geschäftsleitung/Natürlichen Person in den Anfechtungszeitraum fallen (§§ 129 ff. InsO) und gegebenenfalls vom Insolvenzverwalter rückgefordert werden.

Steuerliche Besonderheiten bei Mitunternehmerschaften

Bei Mitunternehmerschaften (z.B. einer Kommanditgesellschaft) sind die Regelungen zu Entnahmen im Gesellschaftsvertrag festgelegt. Sie unterliegen besonderen Transparenzpflichten gegenüber den Finanzbehörden, um die Besteuerung auf Ebene des jeweiligen Mitunternehmers sicherzustellen.


Literaturhinweise und weiterführende Regelungen

  • Handelsgesetzbuch (HGB)
  • Einkommensteuergesetz (EStG)
  • Körperschaftsteuergesetz (KStG)
  • Umsatzsteuergesetz (UStG)
  • Insolvenzordnung (InsO)
  • Rechtsprechung Bundesfinanzhof (BFH)

Zusammenfassung

Der Begriff Entnahmen besitzt im deutschen Recht eine vielschichtige Bedeutung. Entnahmen sind insbesondere im Steuerrecht für die Gewinnermittlung und Besteuerung von Unternehmen relevant und sind gleichzeitig im Handelsrecht für die buchhalterische Trennung von Privatvermögen und Betriebsvermögen von Bedeutung. Im Gesellschaftsrecht bestimmen die jeweiligen Gesellschaftsformen und Gesellschaftsverträge den Rahmen zulässiger Entnahmen, während bei Kapitalgesellschaften strikte Trennungen und Kapitalerhaltungspflichten bestehen. Im Umsatzsteuerrecht werden Entnahmen in vielen Fällen als steuerbare Vorgänge behandelt. Die korrekte Behandlung und Dokumentation von Entnahmen ist daher ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmensführung und Compliance.

Häufig gestellte Fragen

Wann sind Entnahmen aus rechtlicher Sicht steuerpflichtig?

Ob Entnahmen steuerpflichtig sind, richtet sich im wesentlichen danach, ob es sich um eine Privatentnahme durch einen Einzelunternehmer oder Mitunternehmer handelt oder ob es sich um eine Gewinnausschüttung bei Kapitalgesellschaften wie der GmbH handelt. Bei Einzelunternehmern und Personengesellschaften sind reine Geld- oder Sachentnahmen grundsätzlich keine eigenständige steuerpflichtige Handlung, sondern beeinflussen lediglich das Betriebsvermögen und führen nicht zu einer zusätzlichen Besteuerung auf Ebene der Einkommensteuer, da der Gewinn bereits im Rahmen der Gewinnermittlung erfasst wird. Eine Ausnahme besteht jedoch bei sogenannten unentgeltlichen Wertabgaben, insbesondere bei Sach- oder Nutzungsentnahmen, wenn betriebliche Wirtschaftsgüter für private Zwecke verwendet werden: Hierbei muss der sogenannte „Entnahmewert“ gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG gewinnerhöhend berücksichtigt und der Privatentnahme zurechnet werden, was zu einer steuerlichen Belastung führen kann. Bei Kapitalgesellschaften hingegen sind Entnahmen in Form von Ausschüttungen, beispielsweise bei der GmbH, für die empfangende Person in der Regel steuerpflichtig, meist in Form der Abgeltungsteuer oder durch das Teileinkünfteverfahren bei wesentlichen Beteiligungen (mehr als 25 % der Anteile). Vor allem sind bei Entnahmen auch umsatzsteuerliche Implikationen zu beachten: Werden dem Unternehmer betriebliche Leistungen für den privaten Bedarf entnommen, kann dies als unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzsteuer unterliegen, besonders bei Bezug aus dem Unternehmensvermögen. Insgesamt ist daher stets eine sorgfältige rechtliche Prüfung der Steuerpflicht und der damit verbundenen steuerlichen Folgen geboten.

Welche rechtlichen Dokumentationspflichten bestehen bei Entnahmen?

Die steuerlichen und handelsrechtlichen Vorschriften verpflichten den Unternehmer zur lückenlosen und nachvollziehbaren Dokumentation sämtlicher Entnahmen. Nach § 238 HGB und § 146 AO sind sämtliche Geschäftsvorfälle vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet aufzuzeichnen. Das bedeutet, jede private Entnahme – unabhängig davon, ob es sich um Geld-, Sach- oder Nutzungseinnahmen handelt – muss mit Datum, Art, Wert und gegebenenfalls dem Verwendungszweck in den Geschäftsbüchern dokumentiert werden. Bei Sachentnahmen ist zusätzlich eine Bewertung zum Teilwert (bei Entnahme zum Verkaufszeitpunkt) oder zum Buchwert (zum Zeitpunkt der Nutzung) vorzunehmen, wobei alle Bewertungsgrundlagen und Berechnungen aufzubewahren sind. Verstöße gegen diese Dokumentationspflichten können nicht nur steuerrechtliche, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, insbesondere im Rahmen der steuerlichen Betriebsprüfung.

Welche rechtlichen Folgen haben nicht ordnungsgemäß erfasste Entnahmen?

Die Nicht- oder Falschverbuchung von Entnahmen kann zu erheblichen rechtlichen Konsequenzen führen. Steuerrechtlich wird dann davon ausgegangen, dass der Gewinn unzutreffend ermittelt wurde, was die Finanzbehörden zu Gewinnzuschätzungen und im Extremfall zu steuerstrafrechtlichen Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung veranlassen kann. Zudem können Kapitalgesellschaften einem Verbot der Ausschüttung ausgesetzt sein, wenn dadurch das Stammkapital angegriffen würde, was eine haftungsrechtliche Inanspruchnahme der Geschäftsführer nach sich ziehen kann (§ 43 GmbHG, § 93 AktG). Handelsrechtlich drohen Ordnungsgelder und im Extremfall Zwangsauflösung oder weitere Gesellschaftssanktionen. Die ordnungsgemäße Erfassung sämtlicher Entnahmen ist dementsprechend aus rechtlicher Sicht zwingend erforderlich.

Welche gesetzlichen Regelungen beschränken Entnahmen aus dem Betriebsvermögen?

Für Einzelunternehmen und Personengesellschaften gibt es keine gesetzlichen Entnahmebeschränkungen, da das Betriebsvermögen dem Unternehmer gehört und im Rahmen der finanziellen Freiheit disponiert werden kann. Bei Kapitalgesellschaften bestehen hingegen klare rechtliche Schranken: Hier dürfen Vermögenswerte nur im Rahmen des Bilanzgewinns ausgeschüttet werden (§ 29 GmbHG, § 58 AktG), und eine Ausschüttung, die das Kapital der Gesellschaft unter die gesetzlich vorgegebene Grenze (insbesondere das Stammkapital bei der GmbH) senkt, ist verboten. Entnahmen dürfen zudem nur durch die dafür vorgesehenen Organe (z. B. die Gesellschafterversammlung) beschlossen werden und sind insoweit formgebunden. Verstöße gegen diese gesetzlichen Vorgaben können zu Schadensersatzansprüchen gegen die Organvertreter und sogar strafrechtlichen Konsequenzen führen.

Was ist im Insolvenzfall im Zusammenhang mit Entnahmen rechtlich zu beachten?

Im Fall der Insolvenz eines Unternehmens werden Entnahmen besonders kritisch betrachtet. Bei Kapitalgesellschaften unterliegen vorinsolvenzliche Entnahmen, die das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen mindern oder Gläubiger benachteiligen, dem Anfechtungsrecht nach den §§ 129 ff. InsO. Das bedeutet, der Insolvenzverwalter kann bestimmte Entnahmen, die innerhalb bestimmter Fristen vor dem Insolvenzantrag getätigt wurden, rückgängig machen bzw. den entsprechenden Betrag zur Insolvenzmasse zurückfordern, sofern diese Benachteiligung anderer Gläubiger zur Folge hatten. Ebenso können Entnahmen, die nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorgenommen wurden, zu einer persönlichen Haftung der Geschäftsführer (§ 64 GmbHG a.F., § 15b InsO n.F.) oder zur strafrechtlichen Verfolgung führen. Auch bei Personengesellschaften können Entnahmen kurz vor dem Insolvenzereignis zur Haftung führen. Unternehmer sollten daher vor und während der Krise jegliche Entnahmen mit größter Sorgfalt rechtlich prüfen lassen.

Wie sind Entnahmen im Rahmen von Gesellschaftsverträgen geregelt?

Die Zulässigkeit, Höhe und Form der Entnahmen kann vertraglich im Gesellschaftsvertrag geregelt werden. Im Recht der Personengesellschaften (GbR, oHG, KG) ist geregelt, dass Entnahmen im Zweifel nach Köpfen bzw. Beteiligungshöhe oder nach Gesellschaftsvertrag zulässig sind (§ 121 HGB für oHG, § 168 HGB für KG). Gesellschaftsverträge enthalten oft detaillierte Regelungen zu monatlichen Höchstbeträgen, Vorabentnahmen, Verrechnungskonten und Ausgleichsregelungen am Geschäftsjahresende. Bei Kapitalgesellschaften sind Entnahmen außerhalb echter Ausschüttungen grundsätzlich nicht zulässig, weshalb entsprechende Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag als nichtig gelten (§ 29 GmbHG). Geschäftsführer sowie Gesellschafter müssen die gesellschaftsvertraglichen Vorgaben streng beachten, da deren Missachtung zur persönlichen Haftung führen kann.

Welche Besonderheiten gelten für Entnahmen im internationalen Kontext?

Befinden sich an einer Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft Gesellschafter mit Sitz im Ausland, können zusätzliche rechtliche Regelungen eingreifen, insbesondere nach dem Außensteuergesetz (AStG) und je nach Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Entnahmen an ausländische Gesellschafter können Quellensteuerpflichten auslösen und müssen eventuell beim Bundeszentralamt für Steuern angezeigt werden (§ 138 AO). Zudem ist zu prüfen, in welchem Staat die Entnahme steuerlich zu erfassen ist und welche Verrechnungsregelungen gelten. Diese Sachverhalte sind meist komplex und erfordern eine abgestimmte rechtliche und steuerliche Beratung unter Berücksichtigung des internationalen Steuerrechts.