Begriff und Grundprinzip der Entnahmen
Entnahmen sind Vermögensabflüsse aus dem Betriebsvermögen in den privaten Bereich der Inhaberinnen und Inhaber oder der Mitunternehmerinnen und Mitunternehmer. Sie mindern nicht den betrieblichen Gewinn, sondern verändern die Eigenkapitalstruktur des Unternehmens. Entnahmen sind damit von Ausgaben zu unterscheiden: Während Ausgaben betrieblich veranlasst sind und grundsätzlich den Gewinn beeinflussen, sind Entnahmen privat veranlasst.
Abgrenzung zu Einlagen und Ausgaben
Einlagen sind der Gegenbegriff zu Entnahmen: Vermögenszuflüsse aus der Privatsphäre in den Betrieb erhöhen das Eigenkapital. Ausgaben sind Zahlungen oder Werteabflüsse, die durch den Betrieb veranlasst sind; sie gehören nicht zu den Entnahmen. Entnahmen betreffen ausschließlich die Umschichtung zwischen Betriebs- und Privatvermögen der Unternehmerseite.
Formen der Entnahmen
Geldentnahme
Die klassische Form ist die Entnahme von Bargeld oder die Überweisung von betrieblichen Bankkonten auf private Konten der Unternehmerseite. Sie ändert nichts am steuerlichen Gewinn, beeinflusst jedoch die Liquidität und das Eigenkapital.
Sachentnahme
Werden Gegenstände des Betriebs (z. B. Waren, Geräte, Fahrzeuge) für private Zwecke aus dem Betrieb herausgenommen, liegt eine Sachentnahme vor. Sie führt regelmäßig zu einer Bewertung des entnommenen Gegenstands und kann stille Reserven aufdecken, wenn der aktuelle Wert über dem Buchwert liegt.
Nutzungsentnahme
Die unentgeltliche oder teilweise unentgeltliche private Nutzung betrieblicher Gegenstände (z. B. Privatnutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs, privates Telefonieren über betriebliche Anschlüsse) gilt als Nutzungsentnahme. Sie wird typisierend oder individuell bewertet und berührt Gewinn- sowie Umsatzsteuerfragen.
Sonderfälle
Besondere Ausprägungen sind Warenentnahmen für den Eigenbedarf, die Überlassung von Wohnraum zu privaten Zwecken oder die private Mitbenutzung digitaler Infrastruktur des Betriebs. In allen Fällen steht die private Verwendung betrieblicher Ressourcen im Mittelpunkt.
Rechtliche Einordnung nach Unternehmensformen
Einzelunternehmen und selbstständig Tätige
Bei Einzelunternehmen und selbstständiger Tätigkeit sind Entnahmen Vorgänge zwischen Betriebs- und Privatsphäre derselben Person. Eigentumsrechtlich ändert sich nichts an der Person der Eigentümerin oder des Eigentümers; wirtschaftlich wird Betriebsvermögen dem Privatbereich zugeordnet. Eine Gewinnausschüttung im gesellschaftsrechtlichen Sinn liegt hier nicht vor.
Personengesellschaften (GbR, OHG, KG)
Entnahmerecht und -grenzen
In Personengesellschaften sind Entnahmen der Gesellschafterinnen und Gesellschafter grundsätzlich zulässig, richten sich jedoch nach den Absprachen im Gesellschaftsvertrag. Dieser kann Umfang, Zeitpunkt und Verfahren regeln. Entnahmen dürfen die Gesellschaft nicht in unzulässiger Weise gefährden und müssen mit dem gemeinschaftlichen Zweck vereinbar sein.
Kapitalkonten und Überentnahmen
Entnahmen werden auf den Kapitalkonten der Beteiligten erfasst. Überentnahmen liegen vor, wenn Entnahmen die erwirtschafteten Gewinne und Einlagen übersteigen. Sie können gesellschaftsvertragliche Ausgleichspflichten, Verzinsungen oder Rückzahlungsansprüche auslösen und wirken sich auf die Verteilung von Verlusten und Haftungsfragen aus.
Kapitalgesellschaften (z. B. GmbH, AG)
Entnahmen vs. Ausschüttungen
Bei Kapitalgesellschaften ist der Begriff Entnahme im technischen Sinn unüblich. Vermögensabflüsse an Anteilseignerinnen und Anteilseigner erfolgen regelmäßig als ordnungsgemäße Ausschüttungen auf Basis festgestellter Ergebnisse oder über die Rückzahlung von Einlagen nach den hierfür vorgesehenen Regeln. Unzulässige Auszahlungen können zurückgefordert werden.
Verdeckte Auszahlungen und Kapitalerhaltung
Zahlungen oder Vorteilsgewährungen außerhalb ordnungsgemäßer Verfahren können als verdeckte Auszahlungen qualifiziert werden. Sie berühren Grundsätze der Kapitalerhaltung und können Rückgewähr- und Haftungsfolgen für Gesellschaft und Geschäftsleitung nach sich ziehen.
Steuerliche Behandlung
Gewinnermittlung und Entnahmen
Entnahmen sind keine Betriebsausgaben. Sie mindern daher nicht den steuerlichen Gewinn. Die private Verwendung betrieblicher Mittel wird durch gesonderte Entnahmenerfassung abgebildet. Bei Gewinnermittlung durch Buchführung oder Einnahmen-Überschuss-Rechnung gilt dieser Grundsatz gleichermaßen.
Bewertung von Sach- und Nutzungsentnahmen
Sachentnahmen werden mit einem Wert angesetzt, der die wirtschaftliche Bedeutung der Entnahme widerspiegelt. Liegt dieser Wert über dem Buchwert, entstehen steuerlich relevante Entnahmegewinne; liegt er darunter, werden stille Reserven nicht vollständig aufgedeckt. Nutzungsentnahmen werden anhand anerkannter Methoden oder nach individuellen Werten erfasst.
Umsatzsteuerliche Aspekte
Die private Verwendung von dem Unternehmen zugeordneten Gegenständen oder Leistungen kann umsatzsteuerlich als unentgeltliche Wertabgabe erfasst werden, wenn ein Vorsteuerabzug aus Anschaffung oder Herstellung möglich war. Bemessungsgrundlage und Umfang der Steuer richten sich nach dem Wert der Entnahme oder der Nutzung.
Gewerbesteuerliche Einordnung
Entnahmen beeinflussen die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer nicht unmittelbar. Auswirkungen ergeben sich mittelbar über den Gewinn und über Korrekturen, die im Zusammenhang mit Entnahmen stehen können.
Schuldzinsen und Überentnahmen
Überentnahmen können dazu führen, dass betrieblich veranlasste Schuldzinsen steuerlich nur eingeschränkt zu berücksichtigen sind. In der Folge kann sich der steuerliche Gewinn erhöhen.
Buchführung und Dokumentation
Aufzeichnungspflichten
Entnahmen sind gesondert und nachvollziehbar zu dokumentieren, damit die Abgrenzung zwischen betrieblicher und privater Sphäre klar erkennbar ist. Dies gilt sowohl für Geld- als auch für Sach- und Nutzungsentnahmen. Eine klare Dokumentation dient der Nachvollziehbarkeit in der Rechnungslegung und bei Prüfungen.
Typische Erfassung
In der doppelten Buchführung werden Entnahmen über entsprechende Privat- oder Kapitalkonten abgebildet. Bei Einnahmen-Überschuss-Rechnungen erfolgt die Erfassung außerhalb der Betriebseinnahmen und -ausgaben, gleichwohl ist die Zuordnung zu dokumentieren.
Entnahmen, Haftung und Gläubigerschutz
Auswirkungen bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten
Entnahmen in Phasen angespannter Liquidität können den Gläubigerschutz berühren. In Personengesellschaften trifft die Gesellschafterinnen und Gesellschafter eine weitreichende Haftung; Entnahmen, die die Leistungsfähigkeit des Unternehmens mindern, können die persönliche Haftungsposition beeinflussen.
Rückforderung und Anfechtung
Im Umfeld einer Insolvenz können bestimmte Vermögensverschiebungen aus dem Unternehmen in den privaten Bereich anfechtbar sein. In Kapitalgesellschaften kommen Rückgewähransprüche in Betracht, wenn Auszahlungen gegen Kapitalerhaltungsregeln verstoßen. Die konkrete Beurteilung hängt von Zeitpunkt, Anlass und Art der Entnahme ab.
Entnahmen im Familien- und Vermögensrecht
Güterrechtliche und unterhaltsrechtliche Bezüge
Entnahmen können bei der Ermittlung von unterhaltsrelevantem Einkommen und bei güterrechtlichen Ausgleichsbetrachtungen eine Rolle spielen. Maßgeblich ist, ob und in welchem Umfang Entnahmen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und den Wert des Unternehmens beeinflussen.
Abgrenzungsfragen und typische Irrtümer
Privat veranlasste Aufwendungen vs. Entnahmen
Privat veranlasste Zahlungen über das Geschäftskonto sind keine betrieblichen Ausgaben, sondern Entnahmen. Eine fehlerhafte Verbuchung führt zu einem unzutreffenden Bild der Ertragslage.
Bareinlagen, Privatentnahmen und Kontobewegungen
Bargeldeinzahlungen auf das Geschäftskonto oder die Übernahme privater Kosten durch den Betrieb sind nicht automatisch Einlagen oder Ausgaben, sondern nach wirtschaftlichem Gehalt abzugrenzen. Entscheidend ist, ob ein Vorgang der betrieblichen oder der privaten Sphäre zuzurechnen ist.
Häufig gestellte Fragen
Was sind Entnahmen in einem Einzelunternehmen?
Entnahmen in einem Einzelunternehmen sind Vermögensabflüsse aus dem Betriebsvermögen in den privaten Bereich der Inhaberin oder des Inhabers. Sie ändern nicht den Gewinn, sondern nur die Verteilung zwischen Betriebs- und Privatvermögen.
Sind Entnahmen Betriebsausgaben?
Nein. Entnahmen sind privat veranlasst und daher keine Betriebsausgaben. Sie mindern den steuerlichen Gewinn nicht.
Wie werden Sachentnahmen bewertet?
Sachentnahmen werden mit einem angemessenen Wert erfasst, der die wirtschaftliche Bedeutung widerspiegelt. Liegt dieser Wert über dem Buchwert, entsteht ein Entnahmegewinn durch die Aufdeckung stiller Reserven.
Welche umsatzsteuerlichen Folgen haben Entnahmen?
Die private Nutzung oder Entnahme von dem Unternehmen zugeordneten Gegenständen kann als unentgeltliche Wertabgabe erfasst werden, wenn zuvor Vorsteuer geltend gemacht wurde. Maßgeblich ist der Wert der Entnahme oder Nutzung.
Dürfen Gesellschafterinnen und Gesellschafter einer GmbH Entnahmen tätigen?
Im technischen Sinn nicht. Vermögensabflüsse an Anteilseignerinnen und Anteilseigner erfolgen bei Kapitalgesellschaften regelmäßig als ordnungsgemäße Ausschüttungen. Auszahlungen außerhalb der vorgesehenen Verfahren können rückforderbar sein und Haftungsfolgen auslösen.
Was sind Überentnahmen und welche Folgen können sie haben?
Überentnahmen liegen vor, wenn Entnahmen die Summe aus Gewinnen und Einlagen übersteigen. Sie können gesellschaftsrechtliche Ausgleichs- oder Rückzahlungsansprüche auslösen und steuerlich zu einer begrenzten Abziehbarkeit von Schuldzinsen führen.
Können Entnahmen in der Insolvenz zurückgefordert werden?
Ja, bestimmte Vermögensverschiebungen aus dem Unternehmen in den privaten Bereich können im Insolvenzverfahren anfechtbar sein. Die Beurteilung hängt insbesondere von Zeitpunkt, Anlass und Art der Entnahme ab.
Worin besteht der Unterschied zwischen Entnahmen und Einlagen?
Entnahmen führen Vermögen aus dem Betrieb in den privaten Bereich ab; Einlagen bringen privates Vermögen in den Betrieb ein. Beide Vorgänge sind erfolgsneutral, verändern jedoch die Eigenkapitalstruktur.