Begriff und Definition „Entmannung”
Unter Entmannung wird im allgemeinen Sprachgebrauch die Entfernung oder dauerhafte Funktionsunfähigkeit der männlichen Keimdrüsen (Hoden) verstanden – meist durch operative, gewaltsame oder medikamentöse Eingriffe. Im rechtlichen Kontext bezeichnet „Entmannung” spezifische Tatbestände, die aus medizinischen, kriminologischen, historischen oder zivilrechtlichen Perspektiven relevant sind. Die Entmannung steht häufig synonym mit Kastration, die jedoch auch technisch differenziert betrachtet werden kann.
Strafrechtliche Relevanz der Entmannung
Körperverletzungsdelikte
Nach deutschem Strafrecht stellt jede Form der Entmannung einen gravierenden Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar und wird strafrechtlich als besonders schwere Körperverletzung (§ 224 – § 226 StGB) eingestuft.
Schwere Körperverletzung (§ 226 StGB)
Die Entfernung oder Zerstörung der Fortpflanzungsorgane erfüllt regelmäßig die Voraussetzungen für eine schwere Körperverletzung, insbesondere durch
- Verlust der Zeugungsfähigkeit (§ 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB)
- Dauerhafte Entstellung oder erhebliche Beeinträchtigung der körperlichen Integrität
Das Strafmaß für den/die Tatbeteiligten erhöht sich entsprechend. Auch der Versuch der Entmannung ist strafbar und fällt unter § 223 ff. StGB.
Sexualstrafrechtliche Aspekte
Historisch wurde die Entmannung (häufig in Form der physisch-exekutierten Kastration) bei bestimmten Sexualstraftaten als Strafmaß oder Maßregel diskutiert bzw. angewandt. Heute ist eine zwangsweise Entmannung als staatliche Sanktion mit internationalem und nationalem Recht, insbesondere mit den Prinzipien der Menschenrechte und der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz, Europäische Menschenrechtskonvention) unvereinbar.
Medizinrechtliche und Zivilrechtliche Dimensionen
Medizinische Eingriffe
Medizinisch indizierte Kastrationen bzw. operative Entmannung (z. B. im Rahmen der Behandlung von Hodentumoren oder zur Geschlechtsumwandlung) sind nur nach Maßgabe der §§ 630a ff. BGB (Patientenrechtegesetz) zulässig. Hier ist insbesondere die informierte Einwilligung des Patienten zwingend erforderlich. Eingriffe ohne hingegen rechtfertigende Indikation und informierte Einwilligung können als (fahrlässige oder vorsätzliche) Körperverletzung strafrechtlich verfolgt werden.
Einwilligung und Geschäftsfähigkeit
Eine gültige Einwilligung ist nur bei Geschäftsfähigkeit und vollständig aufgeklärter Entscheidungsfindung möglich (§ 630d BGB). Fehlt diese, etwa bei Minderjährigen oder betreuten Personen, ist eine zusätzliche pflegerische oder gerichtliche Zustimmung erforderlich.
Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche
Eine nicht medizinisch indizierte oder ohne wirksame Einwilligung durchgeführte Entmannung begründet Ansprüche auf Schadensersatz (§ 249 BGB) und Schmerzensgeld (§ 253 Abs. 2 BGB). Die Gerichte orientieren sich bei der Bemessung des Schmerzensgelds an Umfang, Dauer und Folgen der Ruf- und Persönlichkeitsrechtsverletzung.
Menschenrechtliche und verfassungsrechtliche Einordnung
Verbot grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung
Nach internationalen Abkommen (z. B. Art. 3 EMRK, Art. 7 IPbpR) ist die Entmannung als staatliche oder private Maßnahme ohne freiwillige und informierte Zustimmung kategorisch verboten. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich zur Einhaltung dieser Konventionen völkerrechtlich verpflichtet.
Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG)
Das Grundgesetz schützt die körperliche Unversehrtheit umfassend. Zwangseingriffe wie eine Entmannung sind daher grundsätzlich unzulässig, es sei denn, sie sind medizinisch zwingend indiziert und erfolgen mit wirksamer Einwilligung des Betroffenen.
Entmannung in der historischen und internationalen Perspektive
Gesetzes- und Praxisbeispiele
Historisch wurde die Entmannung in einigen Ländern als strafrechtliche oder repressive Maßnahme eingesetzt (z. B. Zwangskastrationen in der NS-Zeit, medizinische Kastration von Sexualstraftätern). Heute wird diese Praxis weltweit fast ausnahmslos als Verstoß gegen fundamentale Menschenrechte betrachtet.
Internationale Übereinkommen
Internationale Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) definieren zwangsweise Entmannung als schwere Menschenrechtsverletzung. Verstöße werden durch internationale Gerichte verfolgt und geahndet.
Fazit und rechtliche Bewertung
Die Entmannung ist im modernen Rechtssystem ein besonders schwerwiegendes Vergehen gegen die körperliche Unversehrtheit und Persönlichkeitsrechte eines Menschen. Sie ist nur in eng begrenzten medizinischen Ausnahmefällen unter strenger Beachtung des Patientenwillens und aller Aufklärungspflichten legal. In allen anderen Fällen drohen empfindliche strafrechtliche und zivilrechtliche Konsequenzen. Der Schutz vor nicht einwilligungsfähiger oder gewaltsamer Entmannung ist durch nationale und internationale Rechtsnormen umfassend gesichert.
Siehe auch:
- Körperverletzung
- Kastration
- Patientenrechtegesetz
- Menschenrechte
Literatur:
- Deutscher Bundestag: BT-Drs. 18/11291, Entschädigung für Opfer von NS-Zwangsmaßnahmen
- Müller, Körperverletzungsdelikte im StGB, Kommentierung § 226
- Bundesverfassungsgericht: Beschluss vom 26. Mai 1970 – 1 BvL 8/67
Weblinks:
- www.gesetze-im-internet.de/stgb/__226.html – StGB § 226
- www.bpb.de/themen/zeitgeschichte/ns-zwangssterilisationen/
Häufig gestellte Fragen
Ist die Entmannung beim Menschen in Deutschland gesetzlich erlaubt?
Die Entmannung im Sinne einer operativen Entfernung der Hoden (Kastration) beim Menschen ist in Deutschland grundsätzlich verboten und stellt eine schwerwiegende Körperverletzung dar, die sowohl strafrechtliche als auch zivilrechtliche Folgen nach sich ziehen kann. Das Strafgesetzbuch (StGB) behandelt die vorsätzliche Körperverletzung in den §§ 223 ff. Besonders schwerwiegend ist hierbei die Verstümmelung der Geschlechtsorgane gemäß § 226 StGB, die mit einer Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bedroht ist. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn ein explizit medizinischer Grund vorliegt, etwa im Rahmen einer Krebstherapie (z.B. Hodenkrebs), und der Eingriff der Heilbehandlung dient. Auch in diesen Fällen muss jedoch eine informierte Einwilligung des Patienten vorliegen.
Wie regelt das Gesetz die Entmannung unter Einwilligung des Betroffenen?
Selbst mit ausdrücklicher Einwilligung des Betroffenen ist eine Entmannung nach deutschem Recht rechtlich problematisch. Die Einwilligung in eine Körperverletzung ist grundsätzlich möglich, sofern dadurch kein Verstoß gegen die guten Sitten (§ 228 StGB) vorliegt. Eine Entmannung oder Verstümmelung der Geschlechtsorgane ohne medizinische Indikation wird in aller Regel als sittenwidrig betrachtet, wodurch die Einwilligung unwirksam ist. Selbst bei einer schriftlichen Zustimmung können deshalb straf- und zivilrechtliche Konsequenzen für den durchführenden Arzt entstehen.
Dürfen Eltern einer Entmannung ihres minderjährigen Kindes zustimmen?
Eltern dürfen einer Entmannung ihres minderjährigen Kindes in keinem Fall zustimmen, außer es existiert eine zwingende medizinische Notwendigkeit – beispielsweise im Zuge einer Krebstherapie. Hierbei sind sowohl das Kindeswohl als auch die Verhältnismäßigkeit strikt zu beachten. Ohne medizinische Indikation stellt eine solche Zustimmung eine Missachtung der elterlichen Fürsorgepflicht dar und kann strafrechtlich verfolgt werden. Zudem überwacht das Familiengericht derartige medizinische Maßnahmen und kann die Zustimmung der Eltern durch eine gerichtlich bestellte Betreuungsperson ersetzen oder verweigern.
Welche strafrechtlichen Konsequenzen drohen bei einer unrechtmäßigen Entmannung?
Die Durchführung einer Entmannung ohne medizinische Indikation und ohne wirksame Einwilligung gilt als schwere Körperverletzung und wird nach deutschem Strafrecht besonders streng verfolgt (§ 226 StGB). Die Strafe hierfür beträgt nicht unter drei Jahren Freiheitsentzug, in besonders schweren Fällen sind bis zu zehn Jahre möglich. Darüber hinaus können zivilrechtliche Schadensersatzforderungen, Schmerzensgeld und berufsrechtliche Maßnahmen, wie der Entzug der Zulassung für den verantwortlichen Arzt, drohen.
Gibt es historische oder internationale Unterschiede im Umgang mit Entmannungen?
Während die Entmannung in der deutschen Rechtsordnung klar als strafbare Körperverletzung behandelt wird, existieren international und historisch unterschiedliche Regelungen und Praktiken. In manchen Staaten findet eine operative Kastration noch als strafrechtliche Maßnahme gegen Sexualstraftäter Anwendung, was jedoch in der EU und insbesondere in Deutschland aus menschenrechtlichen und verfassungsrechtlichen Gründen verboten ist. Auch historisch gesehen wurde die Entmannung in verschiedenen Kulturen aus religiösen, politischen oder sozialen Motiven durchgeführt, ist heutzutage aber nach modernem Menschen- und Strafrecht streng untersagt.
Wie ist die Lage bei sogenannten chemischen Kastrationen?
Die sogenannte chemische Kastration, also die Unterdrückung der Sexualfunktion durch medikamentöse Behandlung, wird gelegentlich im Strafrecht anderer Länder – jedoch nicht in Deutschland – als Maßregel gegen Sexualstraftäter eingesetzt. In Deutschland ist eine solche Behandlung nur auf freiwilliger Basis und mit ausdrücklicher Einwilligung des Betroffenen möglich. Die Zwangsanwendung medikamentöser Maßnahmen zur Reduktion der Sexualfunktion wäre ein erheblicher Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und verstößt sowohl gegen das Grundgesetz als auch gegen internationale Konventionen zum Schutz der Menschenrechte.