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Entführung

Begriff und Abgrenzung der Entführung

Unter Entführung wird das unbefugte Sichbemächtigen eines Menschen verstanden, verbunden mit dem Verbringen an einen anderen Ort oder dem Aufrechterhalten einer Zwangslage, um daraus Vorteile zu ziehen. Typisch ist, dass die Freiheitsentziehung als Mittel eingesetzt wird, um eine Forderung durchzusetzen, etwa gegenüber dem Opfer selbst oder gegenüber Dritten. Geschützt werden insbesondere die persönliche Freiheit, die körperliche und psychische Unversehrtheit sowie die Entschließungsfreiheit des Menschen.

Wesentliche Merkmale

  • Eine Person wird der Verfügungsgewalt anderer entzogen oder in eine fortdauernde Zwangslage gebracht.
  • Die Zwangslage dient einem Zweck, zum Beispiel Erpressung, Druckausübung oder Erzwingung einer Handlung.
  • Die Maßnahme geschieht ohne wirksame Einwilligung der betroffenen Person.

Abgrenzung zu verwandten Straftatbeständen

  • Freiheitsberaubung: Das bloße Einsperren oder Festhalten ohne weitergehende Zweckrichtung kann darunter fallen. Entführung liegt typischerweise vor, wenn die Freiheitsentziehung als Mittel zur Erpressung oder Nötigung genutzt wird.
  • Geiselnahme: Hier wird eine Person als Druckmittel gegenüber Dritten genutzt. Entführung und Geiselnahme stehen in enger Beziehung; die Einordnung richtet sich nach Zweck und Struktur der Zwangslage.
  • Entziehung Minderjähriger: Das unbefugte Wegbringen eines Kindes aus dem Obhutsbereich, insbesondere innerhalb familiärer Konstellationen, ist gesondert geregelt und von Lösegeld- oder Erpressungskonstellationen abzugrenzen.
  • Menschenhandel: Hier steht die Ausbeutungslage im Vordergrund, nicht zwingend das Verbringen an einen anderen Ort zur Erpressungssituation.
  • Verschleppung: Bezeichnet das Verbringen an einen entfernten Ort, oft mit politischer oder organisierter Komponente; rechtlich werden je nach Zweck verschiedene Tatbestände berührt.

Tatbestandliche Strukturen und Erscheinungsformen

Bemächtigen und Verbringen

Eine Entführung kann durch aktives Verbringen an einen anderen Ort verwirklicht werden oder durch das Schaffen einer Situation, in der das Opfer faktisch keinen freien Willensentschluss mehr umsetzen kann. Maßgeblich ist, dass die Täterseite über die Bewegungsfreiheit des Opfers verfügt und diese kontrolliert.

Aufrechterhalten der Zwangslage

Das bloße erste Ergreifen genügt nicht; die Zwangslage muss fortwirken. Dazu zählt insbesondere das Bewachen, Einsperren oder Abschirmen, das Verhindern von Kontakten oder die Drohung mit weiteren Nachteilen. Ob eine Zwangslage vorliegt, bemisst sich nach den tatsächlichen Umständen und der Wahrnehmung eines verständigen Dritten.

Zweckrichtung

Typische Ziele sind die Erlangung von Vermögensvorteilen, die Erzwingung von Handlungen oder Unterlassungen, die Beeinflussung von Entscheidungen oder politischer Druck. Eine ausdrückliche Lösegeldforderung ist nicht zwingend erforderlich; ausreichend ist eine finstere oder zweckgerichtete Nutzung der Zwangslage.

Versuch und Beteiligung

Bereits der Versuch, eine Person zu entführen, kann strafbar sein. Tatbeteiligung ist in verschiedenen Formen möglich, etwa gemeinschaftliche Tatbegehung, Anstiftung oder Unterstützung. Wer von der Zwangslage bewusst profitiert, kann ebenfalls erfasst werden, wenn ein tatbezogener Beitrag vorliegt.

Mehrfacher Unrechtsgehalt

Entführungen gehen oft mit weiteren Straftaten einher, etwa Körperverletzungen, Nötigungen oder Vermögensdelikten. Diese können neben der Entführung gesondert bewertet werden. Für die rechtliche Einordnung ist der Gesamtzusammenhang entscheidend.

Schutzrichtung und Rechtsgüter

Die Entführung verletzt die grundlegende Freiheit der Person, sich zu bewegen und den Aufenthaltsort zu bestimmen. Hinzu treten Risiken für die körperliche Unversehrtheit und psychische Gesundheit. Bei Kindern und besonders schutzbedürftigen Menschen ist das Schutzbedürfnis gesteigert, was sich in der Bewertung der Tat niederschlagen kann.

Rechtsfolgen, Strafrahmen und Strafzumessung

Entführungen werden mit empfindlichen Freiheitsstrafen geahndet. Maßgebliche Faktoren für die Zumessung sind unter anderem Dauer der Freiheitsentziehung, Behandlung des Opfers, Motivation, Vorbereitung und Organisation der Tat, Einsatz von Gewalt oder Drohmitteln sowie die Folgen für das Opfer. Besonders schwere Konstellationen können zu einer deutlich erhöhten Strafe führen; in minder gravierenden Fällen kommen abgestufte Bewertungen in Betracht. Bei jungen Beschuldigten gelten besondere Regeln. Der Versuch wird regelmäßig erfasst. Das Zusammenwirken mit anderen Delikten beeinflusst die Gesamtstrafe.

Täter- und Opferkreis

Opfergruppen

Grundsätzlich kann jede Person Opfer einer Entführung werden. Kinder und Personen mit eingeschränkter Widerstandsfähigkeit sind besonders gefährdet. Die fehlende Fähigkeit zur freien Willensbildung spielt bei der Bewertung eine erhebliche Rolle.

Beziehungskonstellationen

In innerfamiliären Zusammenhängen ist die Abgrenzung zur Entziehung Minderjähriger bedeutsam. Hier steht nicht zwingend eine Erpressungslage im Vordergrund. Ob eine Entführung vorliegt, hängt vom Zweck der Freiheitsentziehung und der Art der Zwangslage ab.

Typische Konstellationen

Vermögensorientierte Fälle

Bei der klassischen Lösegeldkonstellation dient die Freiheitsentziehung als Druckmittel zur Erlangung eines Vermögensvorteils. Die Entführung kann sich dabei gegen das Opfer selbst oder mittelbar gegen Dritte richten.

Druckmittel gegenüber Dritten

Werden Entscheidungen von Dritten beeinflusst oder Handlungen erzwungen, kann eine Entführung in Tateinheit mit weiteren Delikten stehen. Entscheidend ist, ob die Zwangslage bewusst instrumentalisiert wird.

Arbeits- und Ausbeutungskontexte

In Zusammenhängen mit Ausbeutungsinteressen stehen oft weitere Delikte im Vordergrund. Gleichwohl kann eine Entführung vorliegen, wenn eine Zwangslage hergestellt oder ausgenutzt wird, um Ziele zu erreichen, die ohne Freiheitsentziehung nicht möglich wären.

Internationale Dimension

Grenzüberschreitende Fälle

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten greifen Mechanismen der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit. Dazu zählen Rechtshilfe, internationale Fahndung und Auslieferung. Unterschiedliche Rechtsordnungen können die Begriffe und Voraussetzungen variieren; maßgeblich ist die Zuständigkeit und das anwendbare Recht im Einzelfall.

Kindesentziehungen mit Auslandsbezug

Die grenzüberschreitende Mitnahme eines Kindes durch Sorgeberechtigte fällt häufig unter zivilrechtliche Regelungen zur Rückführung. Das unterscheidet sich von strafbaren Entführungen, bei denen eine Zwangslage zur Durchsetzung von Forderungen genutzt wird.

Verfahrensrechtliche Aspekte und Opferschutz

Ermittlungsbesonderheiten

Entführungen erfordern regelmäßig umfangreiche Ermittlungen, häufig unter Einsatz besonderer Maßnahmen. Zuständig sind in der Regel spezialisierte Einheiten. Die Bewertung von Beweisen richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen, wobei die Sicherung der Opferrechte besondere Bedeutung hat.

Schutz von Betroffenen

Im Verfahren kommen Schutzmaßnahmen in Betracht, etwa zum Schutz der Identität oder zur Vermeidung weiterer Beeinträchtigungen. Bei der Vernehmung werden Belastungen berücksichtigt, insbesondere bei Kindern und vulnerablen Personen.

Zivil- und öffentlich-rechtliche Bezüge

Folgen für Betroffene

Aus einer Entführung können Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld entstehen. Darüber hinaus können Maßnahmen zum Persönlichkeitsschutz, zur Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen und zur Wiederherstellung des Zustands relevant werden.

Mediale Berichterstattung

Die öffentliche Berichterstattung berührt Persönlichkeitsrechte des Opfers und seiner Angehörigen. Die rechtliche Bewertung orientiert sich am Ausgleich zwischen Informationsinteresse und Persönlichkeitsschutz.

Häufig gestellte Fragen zur Entführung

Worin unterscheidet sich Entführung von Freiheitsberaubung?

Die Freiheitsberaubung betrifft das unbefugte Festhalten oder Einsperren. Bei der Entführung kommt regelmäßig hinzu, dass die geschaffene Zwangslage als Druckmittel eingesetzt wird, etwa zur Erpressung oder zur Erzwingung eines bestimmten Verhaltens. Die Zweckrichtung ist somit das zentrale Abgrenzungskriterium.

Ist eine Entführung nur gegeben, wenn das Opfer an einen anderen Ort gebracht wird?

Nein. Auch ohne Ortsveränderung kann eine Entführung vorliegen, wenn eine andauernde Zwangslage geschaffen und zur Durchsetzung eines Zwecks genutzt wird. Das Verbringen ist ein häufiger, aber nicht zwingender Bestandteil.

Spielt die Einwilligung des Opfers eine Rolle?

Eine wirksame Einwilligung kann den Tatbestand ausschließen. Sie muss freiwillig, bewusst und ohne irreführende Umstände erfolgen. Bei Kindern oder Personen ohne ausreichende Einsichtsfähigkeit kommt eine wirksame Einwilligung regelmäßig nicht in Betracht.

Ist eine Lösegeldforderung zwingend erforderlich?

Nein. Entführung setzt keine konkrete Lösegeldforderung voraus. Ausreichend ist, dass die Zwangslage geschaffen oder ausgenutzt wird, um eine Handlung, Duldung oder Unterlassung zu erreichen oder einen Vorteil zu erlangen.

Wie werden Mitwirkende bewertet, die nicht selbst zupacken?

Auch Beiträge im Hintergrund können erfasst sein, etwa planende, anstiftende oder unterstützende Handlungen. Maßgeblich ist, ob ein tatbezogener Beitrag vorliegt und in welcher Intensität er zur Entführung beigetragen hat.

Welche Bedeutung hat die Dauer der Entführung?

Die Dauer beeinflusst in der Regel die Schwere der Tat und die Strafzumessung. Längere Freiheitsentziehungen und gravierende Folgen für das Opfer wiegen schwerer als kurze, schnell beendete Zwangslagen.

Wie werden grenzüberschreitende Entführungen behandelt?

Bei grenzüberschreitenden Fällen greifen Mechanismen der internationalen Zusammenarbeit, etwa Rechtshilfe und Auslieferung. Die genaue Behandlung richtet sich nach der Zuständigkeit, den anwendbaren Gesetzen und bestehenden Abkommen.