Legal Lexikon

Wiki»Energiesteuergesetz

Energiesteuergesetz


Energiesteuergesetz: Begriff und grundlegende Zielsetzung

Das Energiesteuergesetz (EnergieStG) ist ein zentrales Gesetz des deutschen Steuerrechts, das die Besteuerung von Energieerzeugnissen regelt. Es trat am 1. August 2006 in Kraft und löste das zuvor geltende Mineralölsteuergesetz weitgehend ab. Das Gesetz dient neben fiskalischen Zwecken insbesondere der Umsetzung energie- und umweltpolitischer Ziele, wie sie durch europäische Richtlinien und nationale Klimaschutzbestimmungen vorgegeben werden. Im folgenden Artikel werden die rechtlichen Grundlagen, der Anwendungsbereich, die steuerrechtlichen Definitionen, die einzelnen Steuergegenstände sowie relevante Ausnahmen und Begünstigungen detailliert erläutert.


Rechtliche Grundlagen und Regelungszweck

Historische Entwicklung und Rechtsrahmen

Das Energiesteuergesetz basiert auf der Richtlinie 2003/96/EG des Rates der Europäischen Union vom 27. Oktober 2003 zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom. Durch das Gesetz wurden die bis dahin geltenden Steuervorschriften für Mineralölprodukte reformiert, ausgeweitet und an die Entwicklung neuer Energieträger angepasst.

Eine wichtige flankierende Rechtsnorm stellt die Energiesteuer-Durchführungsverordnung (EnergieStV) dar, welche die Einzelheiten zur Durchführung und Überwachung des Energiesteuergesetzes regelt. Ergänzt werden diese Vorschriften durch die Energiesteuerrichtlinien des Bundesministeriums der Finanzen.

Ratio legis: Fiskalische und ökologische Ziele

Das Energiesteuergesetz verfolgt neben der Erzielung von Steuereinnahmen (Fiskalzweck) vorrangig den Zweck, über eine gezielte Besteuerung des Energieverbrauchs Anreize für eine effizientere Energienutzung und die Reduktion von CO₂-Emissionen zu setzen. Es unterstützt damit nationale und europäische Ziele des Klima- und Ressourcenschutzes.


Steuergegenstand und Anwendungsbereich

Steuerbare Energieerzeugnisse

Das Energiesteuergesetz umfasst die folgenden Energieerzeugnisse:

  • Kraftstoffe (insbesondere Benzin, Diesel, Flüssiggas (LPG), Erdgas)
  • Heizstoffe (zum Beispiel Heizöl, Erdgas, Flüssiggas, feste Brennstoffe)
  • Sonstige Energieerzeugnisse wie beispielsweise Ethanol und pflanzliche Öle, sofern sie als Energiequelle genutzt werden.

Nicht von der Energiesteuer erfasst sind in der Regel elektrische Energie (geregelt durch das Stromsteuergesetz) sowie bestimmte biogene Brennstoffe nach Maßgabe spezieller Regelungen.

Steuerobjekt und Steuerpflicht

Steuerobjekt ist grundsätzlich das Inverkehrbringen, der Verbrauch sowie die Herstellung und der Besitz von Energieerzeugnissen unter bestimmten Voraussetzungen. Die Steuerpflicht entsteht insbesondere bei der Entnahme der Erzeugnisse zum Verbrauch aus einem sogenannten Steuerlager oder bei der Einfuhr aus Drittstaaten.

Steuerschuldner

Zur Zahlung der Energiesteuer verpflichtet sind typischerweise Hersteller, Importeure, Lagerinhaber und Zwischenhändler von Energieerzeugnissen. Aber auch Verbraucher können unter bestimmten Bedingungen steuerschuldnerisch erfasst werden, etwa bei nicht ordnungsgemäßer Verwendung steuerbegünstigter Produkte.


Steuersätze und Bemessungsgrundlage

Höhe der Energiesteuer

Die Steuersätze sind abhängig von der Art des Energieerzeugnisses und werden nach Menge (in Litern, Kilogramm oder Normkubikmetern) bemessen. Die jeweiligen Steuersätze werden im Anhang zum Energiesteuergesetz festgelegt und regelmäßig an nationale und EU-rechtliche Vorgaben angepasst.

Beispielhaft einige aktuelle Steuersätze (Stand 2024):

  • Benzin: 0,6545 €/Liter
  • Diesel: 0,4704 €/Liter
  • Erdgas: 13,90 €/MWh
  • Flüssiggas (LPG): 180,32 €/1000 kg

Bemessungsgrundlage

Die steuerliche Bemessungsgrundlage ergibt sich aus der Menge des jeweiligen Energieerzeugnisses, soweit keine Befreiungs- oder Ermäßigungstatbestände greifen.


Steuerbefreiungen und Steuervergünstigungen

Allgemeine Steuerbefreiungen

Das Energiesteuergesetz sieht verschiedene Steuerbefreiungen vor. Diese betreffen beispielsweise:

  • Energieerzeugnisse, die zur Herstellung von Strom verwendet werden
  • Energieerzeugnisse, die in der chemischen Industrie als Ausgangs- oder Hilfsstoffe genutzt werden
  • Energieerzeugnisse für Diplomaten, ausländische Streitkräfte und internationale Organisationen

Steuerentlastungen für bestimmte Verwendungszwecke

Für Unternehmen des produzierenden Gewerbes und der Land- und Forstwirtschaft bestehen erhebliche Steuerbegünstigungen. Voraussetzung ist eine nachweisliche zweckgebundene Verwendung der Energieerzeugnisse („energiesteuerentlastungsberechtigter Betrieb“). Auch sogenannte besonders energieintensive Unternehmen können über die Regelung des Spitzenausgleichs (§ 55 EnergieStG) signifikant entlastet werden.


Anmeldungs- und Entrichtungspflichten

Anmeldung der Energiesteuer

Die Steueranmeldung erfolgt regelmäßig, spätestens jedoch nach Entnahme aus dem Steuerlager, elektronisch beim zuständigen Hauptzollamt. Die Vorschriften zur Aufbewahrung, Dokumentation und Kontrolle steuerlicher Unterlagen sind im Energiesteuergesetz und der Energiesteuer-Durchführungsverordnung sowie im Zollkodex der Union kodifiziert.

Entrichtung und Fälligkeit

Die Steuer ist grundsätzlich mit Entstehung der Steuerschuld fällig. Es bestehen umfangreiche Vorschriften zu Sicherheiten, Zahlungsmodalitäten und Verjährungsfristen.


Aufsicht, Kontrolle und Rechtsfolgen bei Verstößen

Zuständige Behörden und Überwachung

Die Erhebung und Überwachung der Energiesteuer erfolgt durch die Bundeszollverwaltung, insbesondere durch die Hauptzollämter. Diese sind auch für die Erteilung, Überwachung und den Widerruf von Steuervergünstigungen und Steuerbefreiungen zuständig.

Sanktionen und Ordnungswidrigkeiten

Verstöße gegen normen des Energiesteuergesetzes, etwa Steuerhinterziehung, verspätete oder unvollständige Anmeldung sowie unzulässige Verwendung steuerbegünstigter Energieerzeugnisse, werden mit empfindlichen Geld- oder Freiheitsstrafen geahndet. Daneben kommen steuerliche Nachforderungs- und Zinsansprüche in Betracht.


Verhältnis zu weiteren Vorschriften und EU-Recht

Energiesteuergesetz und Stromsteuergesetz

Das Energiesteuergesetz steht in engem Zusammenhang mit dem Stromsteuergesetz (StromStG), das den Stromverbrauch als steuerbaren Tatbestand regelt. In Zweifelsfällen sind die Abgrenzungskriterien in den jeweiligen Gesetzen und Durchführungsvorschriften ausgewiesen.

Europarechtliche Vorgaben

Die Harmonisierung des Energiesteuerrechts innerhalb der Europäischen Union sichert die Einhaltung gemeinsamer Mindeststeuersätze und gewährleistet den freien Warenverkehr im europäischen Energiebinnenmarkt.


Literaturhinweise und Quellen


Zusammenfassung

Das Energiesteuergesetz ist ein komplexes und umfassendes Gesetz des deutschen Steuerrechts, das die Besteuerung nahezu aller fossilen und biogenen Brenn- und Kraftstoffe regelt. Es verbindet fiskalische Zwecke mit den Zielen des Klima- und Ressourcenschutzes. Die umfangreichen Regelungen betreffen insbesondere Hersteller, Importeure, Händler und Verbraucher von Energieerzeugnissen. In Verbindung mit dem europäischen Recht und flankierenden nationalen Vorschriften stellt das Energiesteuergesetz einen wesentlichen Baustein der deutschen und europäischen Energie- und Umweltpolitik dar.

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen Unternehmen erfüllen, um eine Steuerentlastung nach § 9b oder § 10 des Energiesteuergesetzes beantragen zu können?

Unternehmen, insbesondere solche des produzierenden Gewerbes oder in land- und forstwirtschaftlichen Bereichen, können unter bestimmten Voraussetzungen eine Steuerentlastung nach den §§ 9b und 10 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) beantragen. Maßgeblich ist, dass die eingesetzten Energieerzeugnisse nachweislich für bestimmte begünstigte Zwecke verwendet werden, etwa als Heizstoffe oder in bestimmten Herstellungsprozessen. Die Unternehmen müssen hierfür lückenlose Belege führen, in denen Art, Menge und Verwendungszweck der verbrauchten Energieerzeugnisse dokumentiert sind. Weiterhin ist die Entlastung regelmäßig zu beantragen – im Regelfall bis zum 31. Dezember des auf das Verbrauchsjahr folgenden Kalenderjahres. Unternehmen müssen zudem bestimmte Formalien beachten und alle dem Antrag zugrundeliegenden Unterlagen wie Rechnungen, Lieferscheine und Verwendungsnachweise während der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist vorhalten. Ein Anspruch besteht nur, wenn die Energieerzeugnisse nicht von einer Steuervergünstigung an anderer Stelle (zum Beispiel Agrardiesel) profitieren. Schließlich ist in einigen Fällen die Vorlage einer Zertifizierung (z.B. nach Spitzenausgleich-Effizienzsystemverordnung) erforderlich, wenn die Steuerentlastung an Effizienzmaßnahmen geknüpft ist.

Welche Pflichten bestehen im Rahmen des Energiesteuergesetzes hinsichtlich der Aufzeichnung und Nachweisführung?

Das Energiesteuergesetz verpflichtet Unternehmen, die nach diesem Gesetz steuerlich relevante Energieerzeugnisse herstellen, befördern, lagern, verbrauchen oder handeln, umfassende Aufzeichnungen zu führen. Diese müssen so beschaffen sein, dass der tatsächliche Verbleib und die Verwendung der Energieerzeugnisse jederzeit und lückenlos gegenüber den Zoll- und Finanzbehörden nachgewiesen werden können. Folgende Mindestangaben sind zu dokumentieren: Art und Menge der Energieerzeugnisse, Ein- und Ausgänge (z.B. Einkäufe, Verkäufe, Verbrauchsmengen), Verwendungszweck, lagerspezifische Zu- und Abgänge sowie etwaige Verluste. Die Nachweise sind mindestens fünf Jahre, in steuer- und zollrechtlichen Streitfällen unter Umständen auch länger, aufzubewahren. Bei fehlenden oder unzureichenden Aufzeichnungen drohen Nachforderungen, Versagung von Steuerbegünstigungen und gegebenenfalls steuerstrafrechtliche Konsequenzen. Der Nachweis kann sowohl elektronisch als auch in Papierform erbracht werden, solange die Grundsätze der ordnungsmäßigen Buchführung gewährleistet bleiben.

Wann entsteht nach dem Energiesteuergesetz die Steuerschuld und wer ist Steuerschuldner?

Die Steuerschuld entsteht im Energiesteuergesetz grundsätzlich mit der Entnahme des Energieerzeugnisses aus einem Steuerlager zum Verbrauch, bei der unrechtmäßigen Entnahme oder bei unzulässigem Besitz, sowie bei der Einfuhr von Energieerzeugnissen aus Drittländern. Als Steuerschuldner gilt im Regelfall derjenige, der die Energieerzeugnisse aus dem Steuerlager entnimmt, besitzt, verwendet oder einführt. In bestimmten Fällen, zum Beispiel bei Lagerverluste, kann auch das Lagerunternehmen als Steuerschuldner herangezogen werden. Wird ein Energieerzeugnis ohne die erforderliche Erlaubnis steuerschuldmindernd in Anspruch genommen, sind sowohl der tatsächliche Nutzer als auch derjenige, der dies ermöglicht hat, für die Entrichtung der Steuer haftbar. Auch Transportunternehmen, die nicht ordnungsgemäß gehandelt haben, können in die Steuerschuld einbezogen werden.

Welche besonderen Bestimmungen gelten für die steuerliche Behandlung von Biokraftstoffen im Energiesteuergesetz?

Für Biokraftstoffe gelten zahlreiche Sonderregelungen im Energiesteuergesetz, insbesondere im Hinblick auf die Steuerentlastung und das Nachhaltigkeitsnachweis-System. Steuerbefreiungen oder Steuerermäßigungen greifen nur, wenn die Biokraftstoffe bestimmte Nachhaltigkeitskriterien erfüllen und die Einhaltung dieser Standards durch anerkannte Zertifizierungssysteme nachgewiesen wird. Die Anforderungen betreffen u.a. Emissionsgrenzwerte, Rückverfolgbarkeit der Rohstoffe und die Einhaltung sozialer Standards bei der Produktion. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) und die zuständigen Zollbehörden prüfen im Einzelfall die Nachweise, die lückenlos geführt und im Bedarfsfall vorgelegt werden müssen. Verstöße gegen die Nachweis- oder Meldepflicht führen zum sofortigen Wegfall des steuerlichen Vorteils und zur Vollbesteuerung der entsprechenden Mengen.

Wie erfolgt die Verjährung steuerlicher Ansprüche nach dem Energiesteuergesetz?

Für die steuerlichen Ansprüche aus dem Energiesteuergesetz gelten die allgemeinen Verjährungsregelungen der Abgabenordnung (AO). Die Festsetzungsfrist beträgt grundsätzlich vier Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf und bei vorsätzlicher Steuerhinterziehung zehn Jahre. Die Frist beginnt in der Regel mit dem Ende des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Unter bestimmten Bedingungen, etwa bei schwebenden Einspruchs- oder Klageverfahren, kann sich die Festsetzungsfrist verlängern oder ruhen. Nach Ablauf der Frist sind sowohl die Festsetzung als auch die Nachforderung oder Erstattung von Energiesteuern grundsätzlich ausgeschlossen.

Welche Rechtsbehelfe stehen gegen Steuerbescheide nach dem Energiesteuergesetz zur Verfügung?

Gegen Steuerbescheide, die auf Grundlage des Energiesteuergesetzes ergehen, stehen den Betroffenen die regulären Rechtsbehelfe gemäß Abgabenordnung (AO) offen. Innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe können Betroffene Einspruch gegen den Steuerbescheid beim zuständigen Hauptzollamt einlegen. Sofern dem Einspruch nicht abgeholfen wird, kann anschließend Klage vor dem Finanzgericht erhoben werden. Im Weiteren ist eine Revision zum Bundesfinanzhof unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Während des Rechtsbehelfsverfahrens kann – auf Antrag – auch eine Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids beantragt werden, sofern ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen. Alle Fristen und Formerfordernisse müssen hierbei strikt eingehalten werden.

Wie regelt das Energiesteuergesetz die grenzüberschreitende Beförderung von Energieerzeugnissen innerhalb der EU?

Im innergemeinschaftlichen Handel regelt das Energiesteuergesetz, dass die grenzüberschreitende Beförderung von steuerpflichtigen Energieerzeugnissen zwischen Steuerlagern ausschließlich im elektronischen Verfahren über das Excise Movement and Control System (EMCS) zu erfolgen hat. Vor Beginn der Beförderung ist eine elektronische Verwaltungsdokumentation zu erstellen und an das zuständige Zollamt zu übermitteln. Nach Ankunft der Ware am Bestimmungsort muss ein Empfangsvermerk über das System abgegeben werden. Unregelmäßigkeiten, Verluste oder Verstöße können zur sofortigen Steuerentstehung führen. Bei bestimmten Privilegien, wie z. B. im Reiseverkehr oder bei Mengenschwellen für Privatpersonen, gelten abweichende Bestimmungen. Bei Nichteinhaltung der Vorschriften können steuerliche und bußgeldrechtliche Konsequenzen drohen.