Empfehlungen über Preise oder Verkaufskonditionen
Empfehlungen über Preise oder Verkaufskonditionen sind Handlungen, bei denen ein Unternehmen, ein Verband oder eine andere Organisation gegenüber Dritten – insbesondere Händlern oder Wiederverkäufern – Vorschläge zur Festsetzung von Preisen oder anderen Bedingungen des Waren- oder Dienstleistungsverkaufs abgibt. Sie betreffen eine zentrale Thematik des Kartellrechts und des Wettbewerbsrechts und sind maßgeblich für die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Marktteilnehmer.
Begriffsbestimmung und Abgrenzung
Definition
Empfehlungen über Preise oder Verkaufskonditionen werden im rechtlichen Kontext als einseitige Mitteilungen verstanden, die dem Empfänger unverbindliche Hinweise für die Preisgestaltung oder für sonstige Verkaufskonditionen (z. B. Rabatte, Zahlungsmodalitäten, Lieferbedingungen) geben sollen. Sie unterscheiden sich von verbindlichen Preisvorgaben oder Vereinbarungen, da sie nach ihrer äußeren Form als „unverbindlich” deklariert werden.
Unterscheidung zu verbindlichen Vorgaben
Während verbindliche Preisbindung insbesondere im Verhältnis zwischen Herstellern und Händlern in den meisten Fällen unzulässig ist, gelten unverbindliche Preisempfehlungen (UVP) unter bestimmten Voraussetzungen als zulässig, müssen jedoch besondere rechtliche Maßgaben erfüllen.
Wirtschaftsrechtlicher Kontext
Empfehlungen über Preise oder Verkaufskonditionen sind von erheblicher Bedeutung im Rahmen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sowie der europäischen Wettbewerbsregeln nach Art. 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).
Rechtliche Grundlagen
Nationale Regelungen (Deutschland)
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
Das deutsche Kartellrecht beurteilt Preisempfehlungen vorrangig anhand der §§ 21 und 22 GWB. Nach § 21 Abs. 1 GWB ist es Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen untersagt, Dritten Empfehlungen zu unterbreiten, die geeignet sind, den Wettbewerb zu beeinflussen. Ausnahmen und Einschränkungen sind in § 22 GWB geregelt.
Bedeutung der „Unverbindlichkeit”
Eine Empfehlung ist nur dann zulässig, wenn sie in ihrer Ausgestaltung tatsächlich unverbindlich ist. Sobald faktisch ein wirtschaftlicher oder tatsächlicher Zwang ausgeübt wird, etwa durch Sanktionen, „Entzugsdrohungen” oder andere Druckmittel, liegt eine Umgehung des in § 21 GWB geregelten Verbotes und damit ein wettbewerbswidrige Verhalten vor.
Sonderregelungen für Verlagserzeugnisse
Für Verlagserzeugnisse wie Bücher, Zeitungen und Zeitschriften gelten teils abweichende Regelungen, insbesondere aufgrund des Buchpreisbindungsgesetzes, das eine verbindliche Preisfestsetzung für den Einzelhandel vorsieht.
Europäisches Recht
Art. 101 Abs. 1 AEUV
Europarechtlich sind Empfehlungen über Preise und Verkaufskonditionen am Maßstab des Art. 101 AEUV zu messen. Danach sind alle Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen zwischen Unternehmen verboten, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb verhindern, einschränken oder verfälschen.
Leitlinien und Vertikalleitlinien der EU-Kommission
Die Europäische Kommission hat in ihren sog. Vertikalleitlinien klargestellt, inwieweit und unter welchen Bedingungen Preisempfehlungen als zulässig gelten. Insbesondere vertikale Preisempfehlungen dürfen nicht mit indirektem oder direktem Druck auf die Einhaltung der empfohlenen Preise verbunden werden.
Zulässigkeit und Grenzen
Zulässige Empfehlungen
Unverbindliche Preisempfehlungen
Unverbindliche Preisempfehlungen sind im Grundsatz zulässig, sofern:
- Sie tatsächlich als unverbindlich deklariert und kommuniziert werden.
- Kein wirtschaftlicher Druck oder Anreizsystem zur Durchsetzung besteht.
- Sie nicht missbräuchlich als „Richtwert” im Sinne einer faktischen Preisbindung genutzt werden.
Informative Empfehlungen
Ebenso zulässig sind Empfehlungen, die objektive Marktinformationen, Durchschnittspreise oder – in sachgerechter Form – Preisorientierungshilfen bieten, solange diese nicht den eigenständigen unternehmerischen Entscheidungsspielraum einschränken oder beeinflussen.
Unzulässige Empfehlungen
Mögliche Kartellrechtsverstöße
Empfehlungen werden unzulässig und rechtswidrig, wenn
- sie mit Sanktionsandrohungen, wirtschaftlichem Druck oder Anreizen verbunden sind;
- durch sie ein kollusives Verhalten oder eine Preiskoordinierung gefördert wird;
- sie Teil einer abgestimmten Verhaltensweise mit anderen Unternehmen werden.
Typisches Problemfeld ist auch die sog. „Durchsetzung” von Preisempfehlungen mittels Boykott, Lieferbeschränkungen oder dem Entzug sonstiger Vorteile.
Praxisbeispiele und Rechtsprechung
Beispiele aus der Praxis
- Automobilbranche: Automobilhersteller geben häufig UVPs aus, die für Händler unverbindlich sind. Eine Bindung wäre nur bei nachweislichem Druck rechtswidrig.
- Einzelhandelsketten: Empfehlungen über Aktionspreise in Prospekten sind zulässig, solange die Preise tatsächlich frei wählbar bleiben.
Wesentliche Urteile
- BGH, Urteil vom 13. März 2003, KVR 4/02 („Kartoffelmarkt”): Der Bundesgerichtshof führte aus, dass eine unverbindliche Empfehlung wettbewerbswidrig ist, wenn sie zusammen mit Sanktionsandrohungen abgegeben wird.
- Europäischer Gerichtshof, C-209/07 („BAFI Kaba”): Der EuGH hat klargestellt, dass bereits der Versuch der Durchsetzung von Preisempfehlungen als Wettbewerbsverstoß anzusehen sein kann.
Sanktionen und Durchsetzung
Sanktionsmöglichkeiten der Behörden
Wettbewerbsbehörden wie das Bundeskartellamt oder die Europäische Kommission können
- Ermittlungen aufnehmen,
- Untersagungen aussprechen,
- Bußgelder verhängen (bis zu 10 % des Vorjahresumsatzes).
Weitere Rechtsfolgen
- Nichtigkeit der unzulässigen Preisempfehlung
- Schadensersatzansprüche von betroffenen Unternehmen und Verbrauchern
- Kollektive Klagerechte im Rahmen des § 33 GWB
Aktuelle Entwicklungen und praktische Hinweise
Digitalisierung und Online-Handel
Im E-Commerce finden zunehmend dynamische Preisempfehlungen Anwendung (etwa im Rahmen von Algorithmen). Auch hier gelten die beschriebenen Vorgaben, unabhängig vom Vertriebsweg.
Compliance-Maßnahmen für Unternehmen
Unternehmen sind gehalten, in ihren Vertriebsstrukturen, Schulungen und Vertragsmustern klarzustellen, dass Preis- und Konditionsempfehlungen tatsächlich unverbindlich sind und deren Beachtung nicht überwacht oder sanktioniert wird.
Zusammenfassung
Empfehlungen über Preise oder Verkaufskonditionen sind grundsätzlich zulässig, sofern sie unverbindlich erfolgen und nicht dazu dienen, den freien Wettbewerb einzuschränken oder die Preishoheit der Marktteilnehmer zu beschneiden. Die Grenzen sind klar durch nationale und europäische Rechtsvorschriften abgesteckt und werden durch die Rechtsprechung stetig fortentwickelt. Unternehmen sollten sorgfältig prüfen, wie sie Preisempfehlungen gestalten und kommunizieren, um kartellrechtlichen Risiken und Sanktionen vorzubeugen. Der korrekte Umgang mit Preisempfehlungen ist elementar für rechtssichere Marktpraktiken im nationalen wie internationalen Handel.
Häufig gestellte Fragen
Dürfen Unternehmen im Rahmen von Verbänden oder Vereinigungen gemeinsam Preisempfehlungen abgeben?
Unternehmen, die in Verbänden oder anderen Vereinigungen organisiert sind, dürfen grundsätzlich keine gemeinsamen Preisempfehlungen abgeben, da dies nach deutschem und europäischem Kartellrecht als wettbewerbsbeschränkende Absprache gewertet werden kann. Das Verbot umfasst auch unverbindliche Preisempfehlungen, wenn diese faktisch eine Leitfunktion für das Marktverhalten haben. Ein Verband, der seinen Mitgliedern empfiehlt, bestimmte Preise oder Konditionen zu verlangen, verstößt in der Regel gegen § 1 GWB sowie Art. 101 AEUV. Nur in begründeten Ausnahmefällen, wie etwa bei zeitlich und sachlich eng umgrenzten Krisensituationen, kann dies zulässig sein, sofern die Maßnahmen verhältnismäßig und erforderlich sind und keine weitergehenden Beschränkungen des Wettbewerbs bezwecken.
Wie ist die rechtliche Bewertung von Preisempfehlungen, die Hersteller an Wiederverkäufer richten?
Preisempfehlungen von Herstellern an Wiederverkäufer sind grundsätzlich erlaubt, solange es sich um unverbindliche Preisempfehlungen (UVP) handelt. Diese UVP dürfen nicht als Fest- oder Mindestpreise deklariert oder in der Praxis durch Druck, Anreize oder Sanktionen durchgesetzt werden, da der Handel ansonsten in seiner Preishoheit eingeschränkt würde. Verbindliche Vorgaben zu Preisen oder Konditionen zwischen Hersteller und Wiederverkäufer sind nach § 1 GWB und Art. 101 AEUV unzulässig, da sie zu vertikalen Preisbindungen führen, die wettbewerbswidrig sind. Auch eine faktische Durchsetzung, etwa durch systematische Überwachung oder Belohnung der Einhaltung, wird als Verstoß betrachtet.
Welche Risiken bestehen bei informellen Preisempfehlungen oder Absprachen unter Wettbewerbern?
Informelle Preisempfehlungen oder Absprachen – zum Beispiel Gespräche über zukünftige Preisentwicklungen, geplante Konditionen oder koordinierte Anpassungen – sind im Kartellrecht ausdrücklich untersagt. Schon der Informationsaustausch über sensible Wettbewerbsparameter wie Preise und Rabatte kann als abgestimmtes Verhalten gelten, unabhängig davon, ob eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen wurde. Dies betrifft auch den Austausch im Rahmen von Branchentreffen, Arbeitskreisen oder sozialen Zusammenkünften von Wettbewerbern. Kartellbehörden betrachten bereits derartige Abstimmungen als schweren Verstoß, der mit erheblichen Bußgeldern und Schadenersatzforderungen sanktioniert werden kann.
Darf ein Branchenverband Orientierungswerte für Rabatte oder Zahlungsziele kommunizieren?
Auch das Kommunizieren von Orientierungswerten für Rabatte, Zahlungsziele oder andere Verkaufsbedingungen durch einen Branchenverband ist rechtlich bedenklich, da auch solche Empfehlungen das Verhalten der Mitglieder koordinieren und damit den Wettbewerb beschränken können. Ausschlaggebend ist, ob der Verband damit eine faktische Richtschnur gibt, an die sich die Mitglieder halten. Auch pauschale Orientierungswerte oder Empfehlungen zu maximalen oder minimalen Rabatten stellen zumeist eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung dar.
In welchen Ausnahmen kann eine kollektive Preisempfehlung erlaubt sein?
Kollektive Preisempfehlungen können in engen Ausnahmefällen erlaubt sein, etwa wenn sie nachweislich notwendig sind, um außergewöhnliche Marktstörungen, etwa während einer Wirtschaftskrise oder Naturkatastrophe, kurzfristig zu beheben. Voraussetzung ist, dass die Preisempfehlung zeitlich, sachlich und räumlich strikt begrenzt sowie gerechtfertigt und verhältnismäßig ist. Eine ausdrückliche Genehmigung durch die Kartellbehörden muss in der Regel eingeholt werden. Solche Ausnahmefälle unterliegen einer engen Kontrolle und Transparenzpflicht.
Welche Konsequenzen drohen bei Verstößen gegen das Verbot von Preisempfehlungen?
Verstöße gegen das kartellrechtliche Verbot von Preisempfehlungen und Verkaufsbedingungen können gravierende Folgen haben: Kartellbehörden können empfindliche Bußgelder verhängen, die sich am Umsatz des Unternehmens orientieren. Darüber hinaus besteht das Risiko von Schadensersatzforderungen betroffener Wettbewerber oder Kunden. Unternehmen und ihre verantwortlichen Mitarbeiter können unter Umständen persönlich in Haftung genommen werden. Zudem drohen Reputationsschäden und der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen.
Müssen Wettbewerber Preisempfehlungen oder Konditionsempfehlungen offenlegen?
Im kartellrechtlichen Kontext besteht keine Pflicht zur Offenlegung von Preisempfehlungen oder Empfehlungen zu Konditionen gegenüber Wettbewerbern oder der Öffentlichkeit. Die Weitergabe oder Abstimmung solcher Informationen unter Wettbewerbern ist jedoch grundsätzlich verboten. Zulässige unverbindliche Preisempfehlungen eines Herstellers an Wiederverkäufer sollten jedoch transparent, eindeutig als unverbindlich bezeichnet und nicht durchgesetzt werden. Im Falle behördlicher Prüfungen oder Verfahren müssen betroffene Unternehmen alle relevanten Informationen auf Nachfrage vorlegen.