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Emissionsgeschäft

Emissionsgeschäft: Begriff, Einordnung und grundlegende Funktionen

Das Emissionsgeschäft umfasst alle rechtlich und organisatorisch relevanten Tätigkeiten zur Erstplatzierung von Wertpapieren oder vergleichbaren Finanzinstrumenten am Markt. Es bildet die Schnittstelle zwischen Kapital suchenden Unternehmen oder öffentlichen Einrichtungen (Emittenten) und Anlegern. Im Zentrum stehen die Strukturierung, die Erstellung und Veröffentlichung von Angebotsunterlagen, die Übernahme und Platzierung durch Banken sowie die Zulassung zum Handel.

Primärmarkt und Sekundärmarkt

Das Emissionsgeschäft spielt sich auf dem Primärmarkt ab, also dort, wo Finanzinstrumente erstmals angeboten und gezeichnet werden. Der Sekundärmarkt umfasst den anschließenden Handel dieser Instrumente zwischen Anlegern. Rechtlich relevant ist die klare Trennung der Prozesse: Während im Primärmarkt vor allem Offenlegung, Platzierung und Zuteilung im Vordergrund stehen, dominieren im Sekundärmarkt Handels- und Transparenzpflichten.

Beteiligte und ihre Rollen

Emittent

Der Emittent ist die rechtliche Quelle des Finanzinstruments (z. B. eine Aktiengesellschaft, ein Unternehmen, eine Bank, ein Staat oder eine Gebietskörperschaft). Er trägt die Verantwortung für die in Angebotsunterlagen enthaltenen Informationen sowie für die Entscheidung über Struktur, Volumen, Verwendung der Erlöse und etwaige Sicherheiten.

Emissionsbank und Konsortium

Emissionsbanken übernehmen die Strukturierung, Zeichnung und Platzierung. Häufig schließen sich mehrere Institute zu einem Konsortium zusammen, um Volumen und Risiko zu verteilen. Der federführende Koordinator (häufig als Lead bezeichnet) steuert den Prozess, organisiert die Investorenansprache und koordiniert Preisfindung, Zuteilung und Stabilisierung.

Weitere Beteiligte

Weitere Mitwirkende sind unter anderem Prüfungsstellen für die Inhalte der Angebotsunterlagen, Zahlstellen, Verwahrstellen, Ratingagenturen, Kommunikationsdienstleister sowie Stellen für die Abwicklung (Clearing und Settlement). Sie erfüllen jeweils klar umrissene, rechtlich geregelte Aufgaben.

Investoren und Vertrieb

Investoren können institutionell (z. B. Fonds, Versicherer) oder privat sein. Der Vertrieb erfolgt über Banken, Wertpapierfirmen und Plattformen. Hier greifen Verhaltenspflichten, Produktfreigabeprozesse und Informationsanforderungen, die dem Schutz der Anleger dienen.

Gegenstand der Emission

Aktien, Anleihen und strukturierte Produkte

Typische Emissionsgegenstände sind Aktien (inklusive Kapitalerhöhungen und Börsengänge), Anleihen (z. B. Unternehmens-, Banken-, Staatsanleihen), Pfandbriefe, Zertifikate und Wandelinstrumente. Bei Schuldverschreibungen sind Laufzeit, Zinsmechanik, Covenants, Rang und Sicherheiten zentrale rechtliche Merkmale.

Digitale und tokenisierte Emissionen

Digitale Wertpapiere und tokenisierte Emissionen nutzen elektronische Register. Sie unterliegen inhaltlich vergleichbaren Sorgfalts-, Transparenz- und Marktverhaltensanforderungen wie klassische Emissionen, ergänzt um spezifische Vorgaben zur Registerführung, IT-Sicherheit und Verwahrung.

Ablauf und Verfahren

Strukturierung und Prüfung

Zu Beginn werden Emissionsvolumen, Instrumententyp, Laufzeit, Sicherheiten, Rangfolge und Verwendung der Mittel festgelegt. Eine inhaltliche Überprüfung (Due Diligence) dient der gesamthaften Erfassung der für Anleger wesentlichen Informationen und unterstützt die Erstellung der Angebotsunterlagen.

Prospekt und Offenlegung

Bei öffentlichen Angeboten und Börsenzulassungen ist regelmäßig ein gebilligter Prospekt erforderlich. Er beschreibt den Emittenten, das Instrument, Risiken, Finanzdaten, Governance, Erlösverwendung und das Angebot. Ergänzungen (Nachträge) sind nötig, wenn wesentliche neue Umstände auftreten. Bei bestimmten Angeboten bestehen Ausnahmen; in diesen Fällen greifen dennoch allgemeine Informationspflichten.

Marketing, Roadshow und Bookbuilding

Die Investorenansprache erfolgt über Ankündigungen, Präsentationen und Anfragen. Bookbuilding ist ein Verfahren, bei dem Zeichnungsinteresse und Preisvorstellungen von Investoren ermittelt werden. Rechtlich sind hierbei Gleichbehandlung, zutreffende Information und dokumentierte Prozesse maßgeblich.

Preisfindung, Zuteilung und Abwicklung

Die Preisbildung stützt sich auf Marktnachfrage, Vergleichswerte und Bewertungsergebnisse. Bei der Zuteilung gelten Grundsätze der Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Die Abwicklung (Clearing und Settlement) erfolgt über zentrale Infrastrukturen; Liefer- und Zahlungsmodalitäten sind vertraglich festgelegt und technischen Standards unterworfen.

Zulassung zum Handel und Folgepflichten

Für die Aufnahme in einen Handelsplatz sind Zulassungsvoraussetzungen zu erfüllen. Anschließend treffen den Emittenten laufende Pflichten, etwa zur Veröffentlichung bestimmter Informationen, zur Finanzberichterstattung und zur Ad-hoc-Kommunikation bei kursrelevanten Entwicklungen.

Emissionsformen und Übernahmearten

Festübernahme, Platzierungsbestbemühung, Stand-by

Bei der Festübernahme erwirbt das Konsortium die Wertpapiere und trägt das Platzierungsrisiko. Bei der Platzierung auf Bestbemühungsbasis vermittelt das Konsortium, ohne das Risiko einer vollständigen Abnahme zu übernehmen. Stand-by-Modelle sichern bestimmte Transaktionen (z. B. Bezugsrechtskapitalerhöhungen) ab, indem nicht gezeichnete Stücke übernommen werden.

Konsortialvertrag und Haftungsverteilung

Der Konsortialvertrag regelt Aufgaben, Vergütung, Haftungsgrenzen, Freistellungen, Informationsflüsse und Entscheidungsprozesse unter den Banken. Die Rollen der führenden und der beteiligten Institute sind klar zugewiesen, einschließlich Zuständigkeiten für Dokumentation, Marketing und Stabilisierung.

Stabilisierungsmaßnahmen und Mehrzuteilungsoption

Nach der Platzierung können zeitlich begrenzte Stabilisierungsmaßnahmen zulässig sein, um übermäßige Kursschwankungen zu vermeiden. Die Mehrzuteilungsoption (Greenshoe) ermöglicht zusätzliche Aktienzuteilungen, die durch Rückkäufe oder eine Mehrzuteilungsreserve gedeckt werden. Solche Maßnahmen sind nur innerhalb enger Informations- und Dokumentationsvorgaben zulässig.

Rechtliche Kernfragen

Informationspflichten und Haftung

Für unrichtige oder unvollständige Angaben in Prospekten und sonstigen Angebotsunterlagen bestehen zivilrechtliche Haftungsrisiken. Verantwortlich sind insbesondere der Emittent und unter Umständen weitere an der Erstellung beteiligte Stellen. Die Haftung setzt typischerweise voraus, dass Informationen erheblich sind und Anlegerentscheidungen beeinflussen konnten.

Interessenkonflikte und Vergütung

Emissionsbanken erhalten Gebühren und Provisionen. Interessenkonflikte können entstehen, etwa wenn zugleich Forschung, Handel oder Eigenanlagen erfolgen. Vorgaben verlangen Identifizierung, Steuerung, Offenlegung und Dokumentation solcher Konflikte sowie eine Vergütungsgestaltung, die Fehlanreize begrenzt.

Marktverhalten und Insiderinformationen

Während des Emissionsprozesses gelten Verhaltensregeln gegen Marktmanipulation und zum Umgang mit Insiderinformationen. Dazu zählen Vertraulichkeit, Insiderlisten, Kommunikationskontrollen und zeitgerechte Veröffentlichung kursrelevanter Tatsachen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.

Anleger- und Produktgeeignetheit

Vertriebsstellen müssen prüfen, ob ein Produkt zu Zielmarkt und Anlegerprofil passt. Es gelten Vorgaben zur Angemessenheits- und Geeignetheitsprüfung je nach Dienstleistung. Produktfreigabeprozesse (Product Governance) definieren Zielmärkte, Vertriebswege und Offenlegungsinhalte.

Datenschutz und Geldwäsche-Compliance

Personenbezogene Daten aus Zeichnungen und Kundenprozessen sind zu schützen. Maßnahmen zur Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung umfassen Identifizierungspflichten, laufende Überwachung, Aufzeichnung und Meldungen bei Verdachtsfällen.

Besonderheiten nach Angebotsform

Öffentliches Angebot und Privatplatzierung

Öffentliche Angebote richten sich an einen unbegrenzten Anlegerkreis und erfordern regelmäßig umfangreiche Offenlegung (insbesondere Prospekte). Privatplatzierungen richten sich an ausgewählte Anlegerkreise oder qualifizierte Gegenparteien und können vereinfachten Informationsanforderungen unterliegen. Beide Angebotsformen müssen allgemeine Transparenz- und Verhaltensvorgaben beachten.

Grenzüberschreitende Emissionen

Bei länderübergreifenden Angeboten sind Anerkennungs-, Notifizierungs- und Sprachregelungen zu berücksichtigen. Es kann ein Herkunfts- und ein Aufnahmestaat relevant sein. Übersetzungen, Gleichwertigkeitsanforderungen und länderspezifische Marktpraktiken beeinflussen Dokumentation und Zeitplan.

Besicherte Emissionen und Gläubigerschutz

Besicherte Schuldinstrumente (z. B. durch Garantien, Pfandrechte, Treuhandkonstruktionen) erfordern klare vertragliche Regelungen zum Sicherheitenpool, zur Rangfolge, zu Freigaben und zur Durchsetzung. Häufig wird ein Vertreter der Gläubiger eingesetzt, der kollektive Rechte wahrnimmt.

Risiken und Schutzmechanismen

Typische Risikofaktoren

Wesentliche Risiken betreffen unternehmensspezifische, marktbezogene, regulatorische, finanzielle und operationelle Aspekte. Sie werden in Angebotsunterlagen strukturiert dargestellt und sind auf das konkrete Instrument zugeschnitten.

Ratings und Covenants

Ratings liefern eine standardisierte Einschätzung des Ausfallrisikos, ersetzen jedoch nicht die eigenständige Bewertung. Covenants begrenzen bestimmte Handlungen des Emittenten oder verpflichten zu Informations- und Finanzkennzahlen, um den Gläubigerschutz zu stärken.

Verwendung der Emissionserlöse

Die vorgesehene Verwendung der Mittel wird offengelegt. Anpassungen können veröffentlichungspflichtig sein, sofern sie für die Anlageentscheidung wesentlich sind.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Emissionsgeschäft

Was unterscheidet ein öffentliches Angebot von einer Privatplatzierung rechtlich?

Ein öffentliches Angebot richtet sich an einen unbestimmten Anlegerkreis und erfordert regelmäßig umfassende Offenlegungsunterlagen sowie Announcements nach einschlägigen Marktregeln. Eine Privatplatzierung ist auf einen abgegrenzten Empfängerkreis beschränkt oder richtet sich an qualifizierte Anleger und unterliegt erleichterten Informationsanforderungen. Beide Angebotsformen müssen Verhaltens-, Transparenz- und Marktregeln einhalten.

Wer haftet für Fehler in Prospekten oder Angebotsunterlagen?

Primär haftet der Emittent. Daneben können weitere verantwortliche Stellen einbezogen sein, wenn sie an der Erstellung oder Billigung mitgewirkt haben oder als Emissionsbegleiter besondere Verantwortung übernommen haben. Voraussetzung ist regelmäßig, dass die Information wesentlich war und Anlegerentscheidungen beeinflussen konnte.

Benötigt jede Emission einen Prospekt?

Nein. Ein Prospekt ist insbesondere bei öffentlichen Angeboten und Börsenzulassungen erforderlich. Es bestehen jedoch Ausnahmen, etwa bei bestimmten Anlegerkreisen, Emissionsvolumina oder Angebotsstrukturen. Auch bei Ausnahmen gelten allgemeine Informationspflichten und Regeln zur Redlichkeit der Kommunikation.

Welche Bedeutung hat das Bookbuilding aus rechtlicher Sicht?

Bookbuilding ist ein zulässiges Preisfindungsverfahren, bei dem Nachfrage und Preisindikation ermittelt werden. Rechtlich relevant sind korrekte, nicht irreführende Informationen, Gleichbehandlung der Anleger, Dokumentation der Zuteilungskriterien und Kontrolle potenzieller Interessenkonflikte.

Welche Stabilisierungsmaßnahmen sind nach der Platzierung möglich?

Zulässig sind zeitlich begrenzte, dokumentierte und offengelegte Maßnahmen zur Kursstabilisierung, etwa Rückkäufe und der Einsatz einer Mehrzuteilungsoption. Umfang, Dauer und Transparenzanforderungen sind eng begrenzt; darüber hinausgehende Eingriffe sind unzulässig.

Welche Pflichten bestehen nach der Zulassung zum Handel?

Nach der Zulassung treffen den Emittenten laufende Veröffentlichungspflichten, Finanzberichterstattung, Insiderkommunikation sowie gegebenenfalls Großbeteiligungs- und Stimmrechtsmeldungen. Zusätzlich sind Corporate-Governance- und Transparenzvorgaben des jeweiligen Handelssegments zu beachten.

Wie werden Interessenkonflikte im Emissionsgeschäft adressiert?

Interessenkonflikte werden identifiziert, gesteuert und offengelegt. Übliche Instrumente sind organisatorische Trennungen, Beschränkungen in Kommunikation und Handel, Vergütungsregeln sowie nachvollziehbare Zuteilungskriterien. Die Maßnahmen werden dokumentiert und überwacht.

Welche Besonderheiten gelten bei grenzüberschreitenden Emissionen?

Wesentlich sind Anerkennungs- oder Notifizierungsverfahren, Sprachanforderungen und Segmentregeln des Zielmarkts. Zuständigkeiten zwischen Herkunfts- und Aufnahmestaat sowie die Gleichwertigkeit von Dokumenten prägen Ablauf, Zeitplan und die verwendeten Offenlegungsunterlagen.