Emissionsgeschäft: Rechtliche Definition und Grundlagen
Das Emissionsgeschäft bezeichnet die Gesamtheit der Tätigkeiten, die mit der Schaffung und Platzierung neu ausgegebener Wertpapiere – insbesondere Aktien und Anleihen – auf dem Kapitalmarkt verbunden sind. Im rechtlichen Kontext ist das Emissionsgeschäft ein zentrales Element des Kapitalmarktrechts und umfasst verschiedene Aspekte des Gesellschafts-, Wertpapier- sowie des Bankaufsichtsrechts. Es spielt eine entscheidende Rolle bei der Kapitalaufnahme durch Unternehmen und Staaten und ist eng mit dem Begriff der Emission im Sinne der Ausgabe neuer Finanzinstrumente verknüpft.
Rechtliche Rahmenbedingungen des Emissionsgeschäfts
Gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen
Aktiengesellschaften und andere Kapitalgesellschaften
Ein Großteil aller Emissionen erfolgt durch Aktiengesellschaften. Das deutsche Aktiengesetz (AktG) regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Gesellschaft neue Aktien schöpfen und ausgeben darf. Eine Neuemission erfordert typischerweise einen Beschluss der Hauptversammlung (§ 182 AktG für Kapitalerhöhungen). Weitere Voraussetzungen, wie die Billigung eines Wertpapierprospekts und die Eintragung im Handelsregister, stellen sicher, dass das Emissionsgeschäft formell und materiell ordnungsgemäß abläuft.
Auch andere Gesellschaftsformen, wie die GmbH oder die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), können im Rahmen von Anleiheemissionen oder Genussrechtsausstattungen dem Emissionsgeschäft nachgehen. Besondere gesellschaftsrechtliche Vorschriften, etwa zur Stimmrechtsausstattung oder zur Ausgestaltung der Beteiligungsrechte, müssen hierbei Beachtung finden.
Wertpapierrecht und Prospektpflicht
Prospektpflicht nach Wertpapierprospektgesetz
Ein zentrales Element aller Emissionsgeschäfte ist die Prospektpflicht. Nach dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG) muss bei jeder öffentlichen Emission von Wertpapieren ein ausführlicher Wertpapierprospekt erstellt, veröffentlicht und von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gebilligt werden. Der Prospekt hat umfassende Informationen über den Emittenten, das Wertpapier und die mit dem Investment verbundenen Risiken zu enthalten (§ 3 WpPG). Es bestehen jedoch auch Ausnahmen von der Prospektpflicht, etwa bei Angeboten ausschließlich an professionelle Investoren oder bei bestimmten Emissionsvolumina.
Kapitalmarktrechtliche Offenlegungspflichten
Neben der Prospektpflicht bestehen kapitalmarktrechtliche Mitteilungs- und Transparenzvorschriften. Hierzu gehören Ad-hoc-Mitteilungen nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), Mitteilungen über wesentliche Beteiligungen sowie nachträgliche Publizitätserfordernisse zur Markttransparenz.
Aufsichtsrechtliche Erfordernisse
Genehmigungspflicht und Zulassung
Das öffentliche Angebot von Wertpapieren bedarf einer vorherigen Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt (z. B. Börse) nach den Vorgaben des Börsengesetzes (BörsG). Die Zulassungsvoraussetzungen zielen dabei auf einen hohen Standard an Transparenz und Anlegerschutz ab.
Rolle der BaFin und anderer Behörden
Die Überwachung der ordnungsgemäßen Durchführung von Emissionsgeschäften obliegt in Deutschland der BaFin. Sie prüft insbesondere Prospekte und achtet darauf, dass die gesetzlichen Vorgaben des WpPG und des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) eingehalten werden. Die europäische Dimension ist durch die Verordnung (EU) 2017/1129 („Prospektverordnung“) geprägt, die unmittelbar in den Mitgliedsstaaten gilt.
Praktische Ausgestaltung des Emissionsgeschäfts
Akteure des Emissionsgeschäfts
Im Emissionsgeschäft agieren verschiedene Parteien. Der Emittent ist das Unternehmen oder der Staat, der die Wertpapiere ausgibt. Begleitende Institute, meist Banken oder Wertpapierdienstleistungsunternehmen, sind für die technische und rechtliche Abwicklung der Emission verantwortlich (sogenanntes Konsortium).
Emissionsarten
Eigenemission und Fremdemission
Bei einer Eigenemission platziert der Emittent die Wertpapiere selbst am Markt. Die Fremdemission erfolgt über ein oder mehrere Kreditinstitute, die die Wertpapiere entweder im eigenen Namen auf Rechnung des Emittenten oder im eigenen Namen und auf eigene Rechnung abgeben.
Platzierungsverfahren
Verschiedene Platzierungsverfahren, wie das Festpreisverfahren, das Bookbuilding oder das Auktionsverfahren, sind möglich. Die Wahl des Verfahrens beeinflusst rechtliche Pflichten, insbesondere die Inhalte der Anlegerinformationen und die Art der Preisfeststellung.
Haftungsfragen
Prospekthaftung
Bei unvollständigen, irreführenden oder fehlerhaften Angaben im Wertpapierprospekt bestehen weitreichende zivilrechtliche Haftungsansprüche geschädigter Anleger gegen den Emittenten und weitere verantwortliche Personen (§§ 9-13 WpPG).
Verantwortlichkeit der Konsortialführer
Auch Konsortialbanken haften, sofern sie im Rahmen der Vorbereitung, Erstellung oder Platzierung des Prospekts Fehler begehen. Die Haftung folgt aus vertraglichen sowie deliktischen Grundlagen.
Steuerrechtliche Aspekte des Emissionsgeschäfts
Das Emissionsgeschäft berührt zahlreiche steuerliche Fragestellungen, etwa zur Emissionsabgabe (heute entfallen), der Ertragsbesteuerung auf Emissionsgewinne und zur Umsatzbesteuerung von Nebendienstleistungen. Weiterhin ergeben sich steuerliche Folgen sowohl auf Ebene des Emittenten als auch der Investoren.
Internationale Aspekte des Emissionsgeschäfts
Angesichts der grenzüberschreitenden Ausrichtung vieler Emissionen sind internationale Regelungen zu berücksichtigen. Zu nennen sind insbesondere die Vorgaben der EU-Prospektverordnung, die internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) sowie bilaterale Vereinbarungen zwischen Aufsichtsbehörden. Transnationale Emissionen verlangen regelmäßig die Einhaltung zusätzlicher Registrierungs- und Offenlegungsvorschriften.
Bedeutung und Funktionen des Emissionsgeschäfts im Finanzmarkt
Das Emissionsgeschäft ist ein zentraler Mechanismus zur Kapitalmobilisierung für Unternehmen und Staaten. Es trägt erheblich zur Liquidität der Finanzmärkte, zur Risikostreuung für Investoren sowie zur Realisierung von Wachstums- und Investitionsprojekten in der Realwirtschaft bei. Rechtliche Rahmenbedingungen stellen dabei sicher, dass Transparenz, Integrität und ein hoher Anlegerschutz gewährleistet bleiben.
Literatur und weiterführende Hinweise
- Emittentenleitfaden der BaFin
- AktG, WpPG, BörsG, WpHG, KAGB
- Europäische Prospektverordnung (EU) 2017/1129
- Kommentierung in: Assmann/Schüning, Wertpapierhandelsrecht
- Kapitalmarktgesetzgebung und deren Kommentarliteratur
Durch die umfassende rechtliche Einbettung und die klare Abgrenzung zu angrenzenden Geschäftsfeldern nimmt das Emissionsgeschäft im Kapitalmarktrecht eine zentrale Rolle ein und bleibt Gegenstand fortlaufender Entwicklung im deutschen und europäischen Recht.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten für das Emissionsgeschäft in Deutschland?
Das Emissionsgeschäft unterliegt in Deutschland zahlreichen gesetzlichen Vorgaben, die primär im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), im Wertpapierprospektgesetz (WpPG) sowie im Gesetz über das Kreditwesen (KWG) geregelt sind. Ein zentrales Element ist die Prospektpflicht: Emittenten von Wertpapieren müssen vor öffentlichen Angeboten nach § 3 WpPG einen Prospekt veröffentlichen, der von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gebilligt werden muss. Die inhaltlichen Anforderungen an den Prospekt sind in der EU-Prospektverordnung (VO (EU) 2017/1129) und deren delegierten Verordnungen im Detail festgelegt. Zudem spielt das KWG eine Rolle: Institute, die im Rahmen eines Emissionsgeschäfts tätig werden (etwa als Konsortialführer oder auch im Eigenhandel), benötigen regelmäßig eine Erlaubnis nach § 32 KWG. Der Handel mit den emittierten Wertpapieren ist wiederum von weiteren Kapitalmarktgesetzen (wie dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz – WpÜG) und Vorschriften zur Verhinderung von Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung – MAR) erfasst. Diese Vielzahl an Gesetzen und Verordnungen dient dem Anlegerschutz, der Markttransparenz und der Integrität der Kapitalmärkte.
Wer haftet für Fehler im Wertpapierprospekt?
Die Haftung für fehlerhafte, unvollständige oder irreführende Angaben im Prospekt ist in §§ 21 ff. Wertpapierprospektgesetz geregelt. Sie trifft in erster Linie den Emittenten als Prospektverantwortlichen, kann sich aber – je nach Konstellation – auch auf Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans, den Anbieter und gegebenenfalls das Konsortium erstrecken. Die Haftung erstreckt sich auf sämtliche wesentlichen Informationen, die für die Anlageentscheidung relevant sind. Für den Anleger besteht bei einem nachweisbaren Prospektfehler ein Anspruch auf Schadensersatz, wobei die Darlegungs- und Beweislast teilweise gesetzlich erleichtert ist. Daneben sind strafrechtliche Konsequenzen zu beachten, etwa nach § 331 Handelsgesetzbuch (HGB) oder § 264a Strafgesetzbuch (StGB), wenn grobe Täuschungen oder Betrug vorliegen.
Welche Rolle spielt die BaFin im Rahmen des Emissionsgeschäfts?
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nimmt verschiedene Aufsichtsfunktionen im Zusammenhang mit dem Emissionsgeschäft wahr. Kernaufgaben sind die Billigung von Wertpapierprospekten, die Überwachung der Einhaltung wertpapierrechtlicher Bestimmungen und die Kontrolle des Wertpapierhandels, insbesondere im Hinblick auf Insiderhandel, Marktmissbrauch und die ordnungsgemäße Information der Anleger. Die BaFin sorgt dafür, dass die gesetzlichen Anforderungen, insbesondere an die Transparenz und Vollständigkeit der Prospektangaben, eingehalten werden. Kommt es zu Verstößen gegen kapitalmarktrechtliche Regelungen, kann die BaFin Sanktionen verhängen, bis hin zu Bußgeldern, Vertriebsstopps oder (in gravierenden Fällen) der Entfernung von unzulässigen Wertpapierangeboten vom Markt.
Gibt es gesetzliche Ausnahmen von der Prospektpflicht?
Ja, das Wertpapierprospektgesetz und die EU-Prospektverordnung sehen mehrere Ausnahmen von der Prospektpflicht vor. So ist beispielsweise ein Wertpapierprospekt nicht erforderlich, wenn sich das Angebot ausschließlich an professionelle Investoren oder an weniger als 150 nicht professionelle Investoren pro Mitgliedstaat richtet (§ 3 Abs. 2 WpPG). Gleiches gilt, wenn der Gesamtnennbetrag des Angebots innerhalb von zwölf Monaten 8 Millionen Euro nicht übersteigt oder die Wertpapiere nur an bestehende oder frühere Aktionäre ausgegeben werden (§ 3 Abs. 2 Nr. 7 WpPG). Die genauen Voraussetzungen und Schwellenwerte sind eng auszulegen, da der Gesetzgeber bewusst verhindern will, dass Privatanleger ohne ausreichende Informationen investieren.
Wie erfolgt der rechtliche Ablauf einer Emission von Wertpapieren?
Der juristische Ablauf beginnt regelmäßig mit der mandatierten Erstellung des Wertpapierprospekts, der in enger Zusammenarbeit zwischen Emittent, Rechts- und Finanzberatern sowie gegebenenfalls mit beteiligten Kreditinstituten erfolgt. Nach Fertigstellung wird der Prospekt bei der BaFin zur Billigung eingereicht. Erst nach deren Billigungsbescheid darf das öffentliche Angebot starten. Während der Angebotsphase sind Ad-hoc-Publizitäts-, Insider- und Transparenzpflichten nach WpHG und MAR zwingend zu beachten. Die Zeichnung und Zuteilung der Wertpapiere finden auf Basis klar definierter Vertragsgrundlagen statt. Nach Emissionsende folgt die Einbeziehung der Wertpapiere in den Handel. Jeder Schritt ist von juristischen und regulatorischen Vorgaben geprägt, deren Nichteinhaltung potenziell zivil-, ordnungswidrigkeiten- oder strafrechtliche Konsequenzen nach sich zieht.
Welche besonderen Pflichten treffen den Emittenten nach erfolgter Emission?
Nach der Emission bestehen für den Emittenten weiterhin umfangreiche gesetzliche Pflichten. Insbesondere sind nach dem Wertpapierhandelsgesetz und der Marktmissbrauchsverordnung fortlaufende Publizitäts- und Berichtspflichten zu beachten. Hierzu zählen Ad-hoc-Mitteilungen über kursrelevante Ereignisse, regelmäßige Quartals- und Jahresfinanzberichte, sowie ggf. Mitteilungen über Stimmrechtsveränderungen (nach dem Wertpapierhandelsgesetz). Bei Verstößen gegen diese kontinuierlichen Transparenzpflichten drohen aufsichtsrechtliche Maßnahmen der BaFin und Schadensersatzansprüche von Aktionären bzw. Investoren.
Welche rechtlichen Risiken bestehen im Rahmen eines öffentlichen Angebots?
Ein öffentliches Angebot von Wertpapieren kann eine Vielzahl rechtlicher Risiken bergen. Dazu gehören insbesondere die Gefahr der Prospekthaftung bei fehlerhaften oder unvollständigen Angaben, Verstöße gegen Publizitäts- oder Insiderpflichten, sowie aufsichtsrechtliche Sanktionen bei Nichtbeachtung der gesetzlichen Vorschriften. Weiterhin bestehen Risiken aus wettbewerbsrechtlichen Einwänden, etwa durch die unzulässige Werbung oder irreführende Vermarktung des Emissionsangebots. Schließlich können auch Verstöße gegen Verbraucherschutzvorschriften oder Verstöße gegen Geldwäsche- und Sanktionsgesetze (z.B. nach dem Geldwäschegesetz) zu erheblichen rechtlichen und finanziellen Nachteilen für den Emittenten und die beteiligten Institute führen.