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Einsteigdiebstahl


Einsteigdiebstahl – Rechtliche Definition und Einordnung

Der Begriff Einsteigdiebstahl beschreibt eine besondere Tatbegehungsweise des Diebstahls gemäß deutschem Strafrecht. Er steht im Zusammenhang mit sogenannten „qualifizierten Diebstahlsformen”, wobei das Tatmittel das widerrechtliche Eindringen in einen umschlossenen Raum durch Einsteigen ist. Der Einsteigdiebstahl ist von erheblicher praktischer Bedeutung und wird im Gesetz ausdrücklich geregelt.


Gesetzliche Grundlagen

Einsteigdiebstahl im Strafgesetzbuch (StGB)

Der Einsteigdiebstahl ist im deutschen Strafrecht unter § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB geregelt. Dort ist festgelegt, dass ein besonders schwerer Fall des Diebstahls unter anderem dann vorliegt, wenn der Täter „in eine Wohnung, Geschäftsräume oder einen sonstigen umschlossenen Raum zur Ausführung der Tat einbricht, einsteigt […]”.

Die relevante Gesetzespassage lautet:

“In besonders schweren Fällen ist der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren zu bestrafen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter […] durch Einsteigen in einen umschlossenen Raum eindringt, um darin eine fremde bewegliche Sache zu stehlen.”


Merkmale des Einsteigens

Definition des Einsteigens

Einsteigen bedeutet das Überwinden von Hindernissen, die das Betreten eines umschlossenen Raumes auf einem dafür nicht vorgesehenen Weg ermöglichen. Damit grenzt sich Einsteigen von anderen Tatmodalitäten wie Einbrechen oder Eindringen mit einem falschen Schlüssel ab.

Der Täter verschafft sich dabei durch körperliche Anstrengung Zugang, indem er beispielsweise durch Fenster, Oberlichter, Balkone oder Schächte klettert, selbst wenn sich diese Zugänge offen befinden oder nur einen schmalen Durchlass bieten.

Tatobjekt: Umgeschlossener Raum

Für einen Einsteigdiebstahl muss es sich um einen „umgeschlossenen Raum” handeln. Darunter fallen insbesondere:

  • Wohnungen und Wohnhäuser
  • Geschäftslokale und Werkstätten
  • Lagerräume, Garagen, Kellerabteile
  • Fahrzeuge (unter bestimmten Voraussetzungen)

Ein „umgeschlossener Raum” ist jeder Raumgebilde, das zumindest zum Zweck des Diebstahls Schutz gegen das Eindringen Unbefugter bietet und mit Vorrichtungen umgeben ist, die das Eindringen verhindern sollen.

Abgrenzungen zu anderen Tatmodalitäten

  • Einbrechen: Gewaltsames Öffnen einer Zugangssicherung, z. B. Aufhebeln einer Tür.
  • Eindringen mittels falschen Schlüssels: Gebrauch eines unrechtmäßig erlangten oder nachgemachten Schlüssels.

Einsteigen setzt im Unterschied dazu kein gewaltsames Öffnen voraus, sondern die Überwindung der Umgrenzung auf eine nicht vorgesehene Weise.


Tatbestand im Überblick

Subjektiver Tatbestand

Der Täter muss mit Diebstahlsabsicht handeln, also den Vorsatz besitzen, sich oder Dritten eine fremde bewegliche Sache rechtswidrig zuzueignen.

Objektiver Tatbestand

  • Das Eindringen geschieht durch Einsteigen in einen umschlossenen Raum.
  • Die Handlung dient unmittelbar der Vorbereitung oder Ausführung eines Diebstahls.

Versuch und Vollendung

Der Versuch des Einsteigdiebstahls ist strafbar, sobald der Täter in Ausführung seines Tatplans den Einsteigevorgang beginnt und in den Raum eindringt, auch wenn er noch keine Sachen an sich genommen hat.


Strafzumessung und Rechtsfolgen

Strafrahmen

Ein Einsteigdiebstahl stellt einen besonders schweren Fall des Diebstahls gemäß § 243 Abs. 1 StGB dar. Der Strafrahmen hierfür beträgt Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren.

Strafzumessung im Einzelfall

Obwohl das Gesetz von einem „Regelfall” spricht, kann das Gericht im Einzelfall eine abweichende Entscheidung treffen, wenn besondere Umstände vorliegen, zum Beispiel besonders geringer Wert der Beute (Geringwertigkeitsklausel) oder außergewöhnliche Tatmotive.

Bedeutung der Qualifikation

Durch die Qualifikation als besonders schwerer Fall wird das ansonsten deutlich niedrigere Strafmaß für einfachen Diebstahl (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe) erheblich verschärft.


Abgrenzung zu weiteren Diebstahlsqualifikationen

Einsteigdiebstahl ist eine von mehreren qualifizierten Begehungsformen. Zu unterscheiden sind beispielhaft:

  • Wohnungseinbruchdiebstahl: Besonders geschützt (insbesondere nach § 244 StGB), da Privatsphäre betroffen ist.
  • Diebstahl mit Waffen: § 244 StGB stellt die Bewaffnung oder das Mitführen gefährlicher Werkzeuge noch strenger unter Strafe.
  • Bandendiebstahl: Erhöhtes Strafmaß beim gemeinschaftlichen Vorgehen.

Der Einsteigdiebstahl kann mit anderen Qualifikationen kumulativ zusammentreffen und das Strafmaß weiter erhöhen.


Bedeutung in der Praxis und Rechtsprechung

Einsteigdiebstahl kommt in unterschiedlichen Konstellationen vor, insbesondere bei Einbrüchen in Wohnhäuser oder Geschäftsräume durch Fenster, Oberlichter oder ähnliche Öffnungen. Die Rechtsprechung orientiert sich bei der Auslegung des Begriffs am Schutzzweck der jeweiligen Vorrichtungen gegen das Eindringen Unbefugter.

Wesentliche Leitsätze aus der Rechtsprechung lauten:

  • Bereits das Einsteigen durch ein gekipptes Fenster erfüllt den Tatbestand.
  • Ein „Einsteigen” liegt grundsätzlich auch dann vor, wenn der Täter sich teilweise in den Raum begibt, sofern er dadurch Zugriff auf das Diebesgut erhält.
  • Der Modus des Einsteigens spielt für die strafrechtliche Beurteilung eine maßgebende Rolle bei der Qualifikation der Tat als besonders schwerer Fall.

Zusammenfassung

Der Einsteigdiebstahl ist eine qualifizierte Form des Diebstahls gemäß § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB, die das widerrechtliche Eindringen in umschlossene Räume durch Einsteigen unter Strafe stellt. Die Vorschrift schützt daneben auch das Eigentum und das Sicherheitsinteresse an Räumen, die gegen das Eindringen Unbefugter gesichert sind. Aufgrund der hohen Strafandrohung hat diese Diebstahlsform erhebliche praktische Relevanz und ist wiederkehrender Gegenstand gerichtlicher Rechtsprechung.


Siehe auch:

Häufig gestellte Fragen

Welche Strafen drohen bei Einsteigdiebstahl gemäß deutschem Recht?

Einsteigdiebstahl wird in Deutschland gemäß § 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB als besonders schwerer Fall des Diebstahls behandelt, wenn der Täter zur Ausführung der Tat in einen Raum, ein Gebäude oder ein umschlossenes Gelände einsteigt. Die Strafandrohung liegt im Regelfall bei einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren. In minder schweren Fällen kann das Strafmaß auf eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren reduziert werden (§ 243 Abs. 2 StGB). Neben einer strafrechtlichen Ahndung kann das Gericht zudem Nebenfolgen wie das Fahrverbot oder die Einziehung der Tatwerkzeuge anordnen. Die genaue Strafzumessung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der Intensität des Vorgehens, der Schadenshöhe und etwaigen Vorstrafen des Täters.

Gibt es Unterschiede zwischen vollendetem und versuchtem Einsteigdiebstahl?

Der Versuch des Einsteigdiebstahls ist nach § 244 Abs. 2 StGB ebenfalls strafbar. Entscheidend ist, dass bereits der Versuch, also das unmittelbare Ansetzen zur Tat – beispielsweise das Eindringen in das Gebäude, auch wenn letztlich kein Diebstahl stattfinden konnte – strafrechtlich verfolgt wird. Die Strafe für den Versuch kann jedoch milder ausfallen (§ 23 Abs. 2, § 49 StGB), wobei das Tatgericht hier nach Ermessen die Strafmilderung festlegt. Maßgeblich ist insbesondere, wie weit der Täter die Tat vollendet hat und welche Umstände für oder gegen eine Strafmilderung sprechen, beispielsweise eine freiwillige Aufgabe des Tatplans.

Welche Rolle spielt das „Einsteigen” für die Strafbarkeit?

Das Körperliche „Einsteigen” ist ein eigenständiges Qualifikationsmerkmal des besonders schweren Diebstahls. Einsteigen meint das Hineingelangen in einen geschützten Raum durch Überwinden einer nicht bestimmten „ordentlichen” Zugangsstelle, typischerweise durch ein Fenster oder Dachluke, unterdessen die normalen Zugänge wie Türen unbenutzt bleiben. Dieses Verhalten zeigt eine erhöhte kriminelle Energie, weshalb das Gesetz eine strengere Bestrafung vorsieht. Das Merkmal ist erfüllt, sobald der Täter zumindest teilweise mit seinem Körper in den Raum eingedrungen ist und dadurch die Möglichkeit der Wegnahme besteht.

Welche Bedeutung hat das Tatobjekt beim Einsteigdiebstahl?

Für die Qualifikation als Einsteigdiebstahl muss der Diebstahl in einem Raum, Gebäude oder einem gegen das Eindringen besonders gesicherten umschlossenen Raum stattfinden. Offene Grundstücke oder allgemein zugängliche Bereiche genügen nicht den Anforderungen. Räume und Gebäude im Sinne des Gesetzes sind jede räumlich abgegrenzte, mit Wänden und Dach versehene Einrichtungen. Bei Spezialfällen, wie etwa Fahrzeugen, muss geprüft werden, ob diese als „umschlossener Raum” zu qualifizieren sind, wobei auch Zelte oder Wohnwagen – solange sie der Unterkunft dienen und verschlossen sind – unter diesen Schutz fallen.

Gibt es Ausnahmen oder Rechtfertigungsgründe für einen Einsteigdiebstahl?

Wie bei anderen Straftatbeständen kann auch beim Einsteigdiebstahl eine Strafbarkeit entfallen, sofern ein Rechtfertigungsgrund vorliegt. Hierzu zählen unter anderem Notwehr (§ 32 StGB), rechtfertigender Notstand (§ 34 StGB) oder mutmaßliche Einwilligung des Berechtigten. Allerdings sind diese Fälle in der Praxis selten, da das unbefugte Eindringen regelmäßig keiner rechtmäßigen Interessenwahrnehmung dient. Liegt ein entschuldigender Notstand (§ 35 StGB) vor – etwa aus einer akuten Lebensgefahr heraus – kann im Einzelfall von Strafe abgesehen werden. Es bedarf jedoch stets einer sorgfältigen Einzelfallprüfung.

Wie wirkt sich eine Anzeige wegen Einsteigdiebstahl auf das Strafverfahren aus?

Wird Einsteigdiebstahl angezeigt, leitet die Polizei ein Ermittlungsverfahren ein. Aufgrund des besonders schweren Falls handelt es sich um ein Offizialdelikt, das auch ohne ausdrücklichen Strafantrag verfolgt wird. Die Staatsanwaltschaft prüft im Anschluss die Sachlage und entscheidet über Anklage oder Einstellung des Verfahrens. Für den Beschuldigten bestehen Mitwirkungspflichten, insbesondere Auskunftsersuchen zu seiner Person. Ein Verteidiger kann zu jedem Zeitpunkt hinzugezogen werden, und die Ermittlungsbehörden sind zur strikten Einhaltung der strafprozessualen Rechte und Beweissicherungen verpflichtet. Das Verfahren endet mit Anklage, Einstellung oder Strafbefehl. Das Urteil ist im Grundsatz sofort vollstreckbar, sofern keine Rechtsmittel eingelegt werden.

Können jugendliche Täter für Einsteigdiebstahl strafrechtlich belangt werden?

Bei jugendlichen Tätern (14-17 Jahre) und Heranwachsenden (18-20 Jahre) kommt das Jugendgerichtsgesetz (JGG) zur Anwendung, wenn die Tat als Jugendstraftat gewertet wird. Die Strafen orientieren sich hier an erzieherischen Maßnahmen, wie Anwendungen von Verwarnungen, Arbeitsauflagen oder auch Jugendstrafen bis zu zehn Jahren in besonders schweren Fällen. Maßgeblich ist, ob beim Täter Einsichtsfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein vorliegen. Das Jugendstrafrecht verfolgt dabei primär einen pädagogischen Ansatz statt einer rein repressiven Bestrafung.

Wie unterscheidet sich Einsteigdiebstahl von anderen Diebstahlsqualifikationen?

Einsteigdiebstahl ist eine von mehreren Qualifikationen des besonders schweren Falles des Diebstahls nach § 243 StGB. Andere Qualifikationen sind beispielsweise das Diebstahl unter Verwendung von Werkzeugen, unter Ausnutzung einer hilflosen Lage, aus einem Kirchenraum oder durch Diebstahl von Kfz-Teilen. Das gemeinsame Merkmal ist stets ein erhöhtes Maß der kriminellen Energie oder eine besondere Schutzwürdigkeit des Tatopfers bzw. des Tatobjekts. Die Einordnung als Einsteigdiebstahl erfolgt unabhängig davon, ob weitere Qualifikationen erfüllt sind; jedoch kann eine Mehrzahl von Qualifikationen die Strafzumessung zusätzlich erschweren.