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Einkünfteerzielungsabsicht


Begriff und Bedeutung der Einkünfteerzielungsabsicht

Die Einkünfteerzielungsabsicht ist ein zentrales Tatbestandsmerkmal im deutschen Steuerrecht, insbesondere im Einkommensteuerrecht. Sie bestimmt, ob Aufwendungen oder Verluste, die im Zusammenhang mit einer Tätigkeit anfallen, steuerlich berücksichtigt werden können. Nur wenn eine Tätigkeit mit Einkünfteerzielungsabsicht betrieben wird, ist sie im steuerrechtlichen Sinne auch relevant und führt zu Einkünften im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG).


Einkünfteerzielungsabsicht im Einkommensteuergesetz

Definition und gesetzliche Grundlagen

Die Einkünfteerzielungsabsicht ist im Gesetz selbst nicht explizit definiert, bildet jedoch eine allgemeine Voraussetzung für die Berücksichtigung von Einkünften aus den sieben Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG. Diese sind:

  1. Land- und Forstwirtschaft
  2. Gewerbebetrieb
  3. Selbständige Arbeit
  4. Nichtselbständige Arbeit
  5. Kapitalvermögen
  6. Vermietung und Verpachtung
  7. Sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 EStG

Nach Auffassung der Finanzverwaltung muss für die steuerliche Anerkennung von Aufwendungen oder Verlusten eine Absicht zur Erzielung positiver Einkünfte (Überschusserzielungsabsicht bzw. Gewinnstreben) vorliegen. Diese Absicht wird auch als Einkunftsquelle bezeichnet.

Abgrenzung zur Liebhaberei

Fehlt die Einkünfteerzielungsabsicht, spricht man steuerlich von Liebhaberei. Tätigkeiten, die aus persönlichem Interesse, Hobby oder privaten Neigungen ausgeübt werden und keinen nachhaltigen Überschuss erwarten lassen, sind nicht steuerrelevant. Die Abgrenzung erfolgt anhand objektiver Kriterien, zum Beispiel anhand von Mehrjahresbetrachtungen und Gewinnprognosen.


Voraussetzungen der Einkünfteerzielungsabsicht

Objektives Element

Die Tätigkeit muss ihrer Art nach geeignet sein, Einkünfte zu erwirtschaften. Dies erfordert eine planmäßige, nachhaltige Betätigung mit Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Die Tätigkeit darf nicht lediglich der Befriedigung privater Bedürfnisse dienen.

Subjektives Element

Der Steuerpflichtige muss das Ziel verfolgen, auf Dauer gesehen einen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben zu erzielen. Maßgeblich ist, wie sich die Tätigkeit aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Unternehmers darstellt. Eine subjektive Gewinnerzielungsabsicht wird dabei vermutet, solange objektive Anhaltspunkte nicht entgegenstehen.


Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht

Typisierungsgrundsätze und Praxis

In der Praxis wird die Einkünfteerzielungsabsicht differenziert nach den einzelnen Einkunftsarten geprüft. Bei den Überschusseinkünften (insbesondere Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalvermögen) und den Gewinneinkünften (z.B. Gewerbebetrieb) greifen unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe.

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

Bei der Vermietung und Verpachtung einer Immobilie wird die Einkünfteerzielungsabsicht regelmäßig unterstellt, sofern das Objekt langfristig zur Erzielung von Mieteinnahmen überlassen wird. Bei einer dauerhaften Verlustsituation kann jedoch Liebhaberei angenommen werden, insbesondere bei sogenannter Steuersparmodell-Vermietung oder bei Nutzung leerstehender Objekte.

Gewerbebetrieb und selbständige Arbeit

Gewinneinkünfte setzen grundsätzlich die Absicht voraus, nach Abzug der Betriebsausgaben einen Gesamtgewinn zu erzielen. Verluste in der Anlauf- oder Krisenphase sind kein alleiniger Grund, die Einkünfteerzielungsabsicht zu verneinen. Erst eine Dauerverlustsituation ohne Aussicht auf Besserung kann zur Nichtanerkennung führen.


Beweislast und Nachweispflichten

Die Feststellung der Einkünfteerzielungsabsicht erfolgt im Rahmen der steuerlichen Außenprüfung durch die Finanzämter. In Zweifelsfällen trägt der Steuerpflichtige die Beweislast für das Vorliegen der Absicht, insbesondere bei Verlusttätigkeiten. Hierzu können Betriebseröffnungsprognosen, Planungsunterlagen, Geschäftspläne oder vergleichbare Dokumente herangezogen werden.


Rechtsprechung und Verwaltungspraxis

Richtlinien und Verwaltungsanweisungen

Die Finanzverwaltung hat in den Einkommensteuer-Richtlinien und diversen Verwaltungsanweisungen Grundsätze zur Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht festgelegt. Besonders relevant sind die Regelungen zur Abgrenzung von Liebhaberei, zum Beispiel im Bereich der sogenannten privaten Vermögensverwaltung und bei Nebentätigkeiten.

Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zahlreichen Entscheidungen die Grundsätze zur Einkünfteerzielungsabsicht präzisiert. So wurde etwa klargestellt, dass eine reine Steuerersparnisabsicht nicht ausreicht. Entscheidend sei eine auf Dauer angelegte Gewinnerzielungsabsicht, die bei sogenannten „Lustgeschäften“ wie Reitsportanlagen oder privaten Segelbooten kritisch zu prüfen ist.


Bedeutung in der Praxis und steuerliche Folgen

Die Einkünfteerzielungsabsicht erlangt in der Praxis erhebliche Bedeutung bei der steuerlichen Anerkennung von Verlusten und den geltend gemachten Werbungskosten oder Betriebsausgaben. Wird die Absicht verneint, sind die entsprechenden Aufwendungen nicht abziehbar und die Tätigkeit gilt als private Liebhaberei.

Bei Annahme einer Einkünfteerzielungsabsicht kann die Tätigkeit hingegen mit allen steuerlichen Konsequenzen (wie Verlustverrechnung, Vorsteuerabzug, Einkommenserzielung) behandelt werden.


Zusammenfassung

Die Einkünfteerzielungsabsicht stellt im deutschen Steuerrecht ein fundamentales Abgrenzungskriterium zwischen steuerlich relevanten und irrelevanten Tätigkeiten dar. Sie sorgt dafür, dass nur solche Betätigungen steuerlich berücksichtigt werden, die mit der Absicht betrieben werden, dauerhaft einen Überschuss zu erzielen. Die Einordnung erfolgt stets anhand objektiver und subjektiver Kriterien und unterliegt der Einzelfallprüfung durch die zuständigen Finanzbehörden. Die steuerliche Anerkennung von Aufwendungen und Verlusten hängt maßgeblich davon ab, ob die Einkünfteerzielungsabsicht klar und nachvollziehbar nachgewiesen werden kann.


Siehe auch:

  • [Einnahmenüberschussrechnung (EÜR)]
  • [Verlustverrechnung]
  • [Gewinnermittlung]
  • [Liebhaberei im Steuerrecht]
  • [Einkunftsarten nach EStG]

Häufig gestellte Fragen

Welche Rolle spielt die Einkünfteerzielungsabsicht bei der Einkommenssteuerveranlagung?

Die Einkünfteerzielungsabsicht ist ein maßgebliches Tatbestandsmerkmal bei der Einkommenssteuerveranlagung gemäß dem deutschen Einkommensteuerrecht. Sie ist bei sämtlichen Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG Voraussetzung, um eine Tätigkeit oder Vermögensnutzung steuerlich als einkommensteuerpflichtig anerkennen zu können. Das Finanzamt prüft daher im jeweiligen Einzelfall sehr genau, ob der Steuerpflichtige mit seiner Tätigkeit oder Vermögensnutzung tatsächlich das Ziel verfolgt, dauerhaft Überschüsse zu erzielen. Fehlt diese Absicht, kann es sich stattdessen um eine steuerlich irrelevante Liebhaberei handeln. Dies ist insbesondere bei Vermietung und Verpachtung, gewerblichen Tätigkeiten sowie selbstständiger Arbeit von Relevanz. Die Finanzverwaltung legt hierbei verschiedene Indizien zugrunde, wie etwa Art, Umfang und Intensität der Tätigkeit sowie eine eventuell nachhaltige Verlustsituation, sodass bereits bei Verlustphasen oder geringen Einnahmen Nachweise und Prognoserechnungen gefordert werden können.

Wann und wie prüft das Finanzamt die Einkünfteerzielungsabsicht?

Das Finanzamt prüft die Einkünfteerzielungsabsicht grundsätzlich immer dann genauer, wenn eine Tätigkeit über längere Zeit keinen oder nur geringen Gewinn abwirft, längere Zeit Verluste entstehen oder wenn besondere Umstände auf eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht hindeuten. Dies kann im Rahmen der Steuererklärung, bei Betriebsprüfungen oder auch auf Grund von Nachfragen im Veranlagungsverfahren erfolgen. Die Prüfung erfolgt in der Regel durch eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls. Kriterien sind unter anderem die Dauer und Nachhaltigkeit der Tätigkeit, erzielte Ergebnisse, die Markterprobtheit des Geschäftsmodells, durchgeführte unternehmerische Maßnahmen, Marktanalysen oder ein schlüssiges Betriebskonzept. Zudem wird die Prognose, ob mittelfristig mit Überschüssen zu rechnen ist, beurteilt. Der Steuerpflichtige trägt dabei die Mitwirkungspflicht und muss etwa bei Anforderung Prognoserechnungen, Belege und Konzepte vorlegen.

Wie wirkt sich eine fehlende Einkünfteerzielungsabsicht steuerlich aus?

Fehlt die Einkünfteerzielungsabsicht, können die aus der betreffenden Tätigkeit oder Vermögensnutzung resultierenden Verluste grundsätzlich nicht mehr mit anderen Einkünften verrechnet werden. Das Finanzamt erkennt in einem solchen Fall den steuerlich relevanten Betrieb oder die Einkunftsquelle nicht an; es liegt steuerlich eine sogenannte Liebhaberei gemäß § 15 EStG bzw. § 21 Abs. 1 S. 2 EStG vor. Damit sind sowohl Betriebsausgaben als auch Werbungskosten nicht mehr abzugsfähig, und erzielte Verluste dürfen nicht mehr geltend gemacht werden. Diese steuerliche Konsequenz kann auch rückwirkend erfolgen, falls sich im Nachgang herausstellt, dass von Anfang an keine ernsthafte Einkünfteerzielungsabsicht bestand.

Welche Besonderheiten gelten bei der Vermietung und Verpachtung in Bezug auf die Einkünfteerzielungsabsicht?

Beim Bereich der Vermietung und Verpachtung kommt der Einkünfteerzielungsabsicht eine besondere Bedeutung zu. Hierbei gilt grundsätzlich eine gesetzliche Typisierung: Bei der auf Dauer angelegten Wohnraumvermietung unterstellt die Rechtsprechung regelmäßig eine Einkünfteerzielungsabsicht, selbst bei längeren Verlustphasen. Bei der kurzfristigen Vermietung oder speziellen Gestaltungen, wie zum Beispiel der Ferienwohnungsvermietung, Geschäftsräumen oder bei der Vermietung an Angehörige, erfolgt hingegen eine strenge Einzelfallprüfung. Der Steuerpflichtige muss dann umfassend nachweisen, dass die Vermietung mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt und nicht lediglich Liebhaberei oder eine private Vermögensnutzung vorliegt. Dies kann den Nachweis einer positiven Totalüberschussprognose über einen Zeitraum von meist 30 Jahren einschließen.

Welche Beweismittel und Nachweise werden vom Steuerpflichtigen verlangt?

Im Rahmen der Feststellung der Einkünfteerzielungsabsicht obliegt es dem Steuerpflichtigen, entsprechende Beweismittel und Nachweise vorzulegen. Hierzu gehören Geschäftspläne, Rentabilitätsvorschauen, Marktanalysen, Prognoserechnungen sowie aussagekräftige Buchhaltungsunterlagen. Auch betriebswirtschaftliche Erwägungen, wie etwa Investitionen, Werbung, nachhaltige Geschäftsführung und die konsequente marktorientierte Durchführung der Tätigkeit dienen als Nachweis. Bei Betriebsprüfungen oder Aufforderung durch das Finanzamt sind diese Unterlagen unverzüglich, umfassend und schlüssig einzureichen. Fehlen diese Nachweise oder erscheinen sie unplausibel, kann das Finanzamt die Einkünfteerzielungsabsicht verneinen.

Wie lange wird die Einkünfteerzielungsabsicht rückwirkend geprüft?

Die Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht kann auch rückwirkend für bereits vergangene Veranlagungszeiträume erfolgen, insbesondere dann, wenn sich aus späteren Erkenntnissen (z.B. durch eine Betriebsprüfung) Hinweise auf das Fehlen dieser Absicht ergeben. Grundsätzlich ist diese Überprüfung durch die steuerliche Festsetzungsfrist begrenzt (§§ 169 ff. AO), die im Regelfall vier Jahre beträgt, sich bei Steuerhinterziehung jedoch auf zehn Jahre verlängern kann. Sollte sich herausstellen, dass eine Tätigkeit von Anfang an ohne Einkünfteerzielungsabsicht betrieben wurde, kann das Finanzamt bereits erkannte Verluste rückwirkend aberkennen und Steuerbescheide entsprechend ändern.

Welche Rechtsmittel stehen zur Verfügung, wenn das Finanzamt die Einkünfteerzielungsabsicht verneint?

Wenn das Finanzamt die Einkünfteerzielungsabsicht verneint und dementsprechend steuerliche Verluste oder Einkünfte aberkennt, steht dem Steuerpflichtigen der Weg des Einspruchs nach § 347 AO offen. Der Steuerpflichtige kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids schriftlich Einspruch beim zuständigen Finanzamt einlegen. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens können ergänzende Nachweise und Argumentationen nachgereicht werden. Sollte das Finanzamt dem Einspruch nicht abhelfen, besteht die Möglichkeit der Klage vor dem zuständigen Finanzgericht. In der gerichtlichen Prüfung werden sämtliche Tatsachen und Beweise im Zusammenhang mit der Einkünfteerzielungsabsicht umfassend gewürdigt.